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Artikel „Krutzsch, Karl Lebrecht“ von Carl Leisewitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 276–279, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Krutzsch,_Karl_Lebrecht&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 15:44 Uhr UTC)
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Krutzsch: Karl Lebrecht K., Professor der Naturwissenschaften zu Tharand, † daselbst am 6. Novbr. 1852, war als der vierte Sohn eines unbemittelten Dorfschullehrers am 23. Mai 1772 zu Wünschendorf im erzgebirgischen Kreise Sachsens geboren und hatte dort von väterlicher Seite den ersten Unterricht, sowie aber auch eine sehr harte, fast übermäßig strenge Erziehung, die eher nachtheilig auf die Entwickelung seiner habituellen Eigenthümlichkeiten einwirkte, erhalten. Nachdem ihm durch die Initiative des Seelsorgers in Lengefeld mittels gratis ertheilten Privatunterrichts der Zutritt an der damaligen Lateinschule in Chemnitz ermöglicht war, brachte er es unter beispiellosen Entbehrungen und Anstrengungen, größtentheils auf eigenen Erwerb im Unterweisen anderer Schüler und auf kleine Freistellen gestützt, zum Absolviren dieser Schule und konnte 1795 die Universität Leipzig beziehen, um sich dort dem theologischen Studium zu widmen. Auch hier hatte er zwar während der ersten Semester mit unaufhörlichen Schwierigkeiten bei der Beschaffung der nöthigen Subsistenzmittel zu kämpfen, doch es glückte ihm noch zur rechten Zeit, sich durch die Uebernahme dankbarerer Lehrfunctionen im Hause einer angesehenen und begüterten Familie den schon verloren gewähnten materiellen Halt wiederzugewinnen. Nach Ablauf einer vierjährigen Universitätszeit konnte er sich dem Examen als Candidat des Predigtamtes mit gutem Erfolge unterziehen. Damit indeß nicht zufrieden gestellt, kehrte er nochmals nach Leipzig zurück, um einerseits seine dankbare Lehrthätigkeit fortzusetzen und andrerseits nun auch zur Ergänzung der theologischen Fachbildung weitere philosophische und naturwissenschaftliche Studien zu betreiben. Mit Eifer noch immer seine Ausbildung für das Predigtamt verfolgend wurde er nach kurzer Zeit in eine Berufsrichtung gelenkt, die einen ebenso unerwarteten wie erwünschten Ausgang für ihn haben sollte. – Zunächst ein Engagement zur Functionirung als Hofmeister bei einem die Universität Leipzig besuchenden polnischen Grafen eingehend trat K. in eine sehr vortheilhafte Stellung, welche ihm die Fortsetzung seiner Studien an der Universität in Abwechselung mit dem periodischen Aufenthalte auf dem Familienbesitze des Grafen recht gut gestattete. Als ihm jedoch seitens einer in Sachsen begüterten Familie eine mit der Aussicht auf baldige Einsetzung in Vacanzen von Patronats-Pfarrämtern verbundene Hofmeisterstelle angetragen wurde, nahm er dieselbe, freilich nicht ohne Widerstreben an, um wenigstens sich für seine Zukunft gesichert wissen zu dürfen. Mit seinem Zöglinge besuchte er auch auswärtige höhere Lehranstalten. So verlebte er die drei Studienjahre 1805 bis 1808 an dem Collegium Carolinum in Braunschweig, sich mit naturwissenschaftlichen und technischen Studien beschäftigend und vielfach im Umgange mit Professoren bewegend, wodurch er auch alsbald bestimmt wurde, dem theologischen Berufe definitiv abzusagen. Dann wandte er sich mit seinem Schutzbefohlenen in die französische Schweiz, verweilte Herbst 1808 bis Sommer 1810 in Lausanne, Hofwyl, Yverdun, besuchte als Hospitant die dortigen Institute von Fellenberg und Pestalozzi, wobei er mit beiden Männern in näheren Verkehr treten konnte. Durch Ereignisse in der Familie seines Schützlings plötzlich in die Heimath zurückberufen, gewann er jedoch noch die Frist, auf ein Jahr die Universität Göttingen zur Anhörung national-ökonomischer und naturwissenschaftlicher [277] Vorlesungen zu besuchen und für ein weiteres Jahr die landwirthschaftliche Akademie in Möglin zu beziehen, ehe die gewaltigen Vorbereitungen zu den großen Kriegsthaten des Jahres 1813 den Studien auch dort ein Ziel setzen mußten. In der Absicht, seinem Schutzbefohlenen endlich noch eine Instruction für die forstwirthschaftlichen Aufgaben in dessen späterer Lebensstellung zu verschaffen, ging K. im April 1813 mit demselben von Möglin nach Tharand, um dort an dem Cotta’schen Forstlehrinstute jenen Zweck zu verfolgen. Einen um diese Zeit vom Staatsrath Thaer in Möglin erhaltenen Antrag, der Nachfolger des Professor Crome in dem durch dessen Tod erledigten Lehramte für Naturwissenschaften zu werden, lehnte K. ab, ebenso konnte er sich nicht entschließen, einer vom Cabinetsrath Römer in Braunschweig an ihn ergangenen Aufforderung, als Lehrer für Geschichte und Staatswirthschaftslehre an das Collegium Carolinum zu kommen, Folge zu geben. Mittterweile war K. nach Olbernhau bei Dresden gegangen, wo er privatisirend sich mit militärtechnischen Aufgaben beschäftigte, als ihm endlich seitens des Oberforstrathes von Cotta der Vorschlag gemacht wurde, die neu zu creirende Stellung eines Lehrers für Naturgeschichte an dem Forstinstitute in Tharand zu übernehmen. Sofort dazu bereit, begann K. im Herbste 1814 die neue Lehrthätigkeit. – Als jene Anstalt zwei Jahre später zur königlich sächsischen Forstakademie erhoben wurde, trat auch K. in den Staatsdienst über und theilte sich mit dem Dr. Reum, welcher schon vor ihm dort docirt hatte, derart in die Lehraufgaben, daß ihm anfänglich Physik und Forstchemie, allgemeine Bodenkunde, allgemeine und besondere Naturgeschichte (letztere speciell in Betreff der Waldinsekten und jagdbaren Thiere) zufielen. Zwar wurden ihm diese naturgeschichtlichen Disciplinen nach wenigen Jahren wieder abgenommen, dagegen hatte er die Physik und Chemie, die Gebirgs- und Bodenkunde nebst Meteorologie, wozu seit 1830 noch die landwirthschaftliche Technologie gefügt war, bis an seinen Rücktritt vom Lehramte zu vertreten. Gleich beim Beginn der öffentlichen Lehrthätigkeit hatte er darauf gedrungen, daß eine auf Physik und Chemie gestützte Bodenkunde in das Forstlehrsystem eingeführt wurde. Dadurch aber hat er sich auch um so größeres Verdienst erworben, als nicht nur die Aufnahme des neuen Unterrichtsgegenstandes viel Widerstreben in den Kreisen der Forstpraktiker hervorrief, sondern auch die didaktisch gebotene Behandlung desselben bei dem Mangel an Lehrhilfsmitteln außergewöhnliche Schwierigkeiten verursachte. K. war ebenfalls der Erste, welcher den Gedanken an die Verbindung eines landwirthschaftlichen Lehrinstituts mit der Forstakademie kund werden ließ und zur Verwirklichung desselben schon bald nach der Eröffnung der letzteren im J. 1816 wiederholt Schritte that. Seine Bemühungen in dieser Richtung mußten freilich bei der damals in Regierungskreisen herrschenden Anschauung von den Grundlagen der landwirthschaftlichen Fachbildung längere Zeit erfolglos bleiben, allein sie führten doch nach erneuertem Vorgehen und nachdem K. mit dem Dr. Schweitzer unter Zustimmung der sächsischen Finanzbehörde bereits über die Gründung eines demselben Lehrzwecke zu widmenden Privatunternehmens Vereinbarungen getroffen hatte, endlich im J. 1830 zu dem erstrebten Ziele der Vereinigung einer höheren landwirthschaftlichen Lehranstalt mit der Forstakademie. – K. wirkte in seiner Eigenschaft als öffentlicher Lehrer mit großer Neigung und Ausdauer, mit ebenso vielem Verständniß als Begabung; sein großer Schatz von vielseitigen Kenntnissen und die Befähigung zur scharfen Beobachtung, welche er überall auf forstlichen Excursionen resp. im Bereiche der Forstkultur bewährte, kamen ihm dabei sehr zu Statten. Er wußte das Interesse und die geistige Regsamkeit der Studirenden stets zu beleben und den naturwissenschaftlichen Unterricht durch Verknüpfung mit den Vorgängen oder Erscheinungen in der Natur, durch Nachweisung der Beziehungen zur Forstpraxis [278] ansprechend und fruchtbar zu machen. Seine Vorträge, immer klar und wissenschaftlich gehalten, waren daher auch sehr geschätzt, und die Erfolge seiner ganzen Lehrthätigkeit wurden sowohl von Seite der Akademie als auch seitens der aus ihrer Schule hervorgegangenen tüchtigen Forstwirthe als bedeutende anerkannt. – Auf dem Gebiete der Litteratur führte er sich mit einer 1820 erschienenen Schrift: „Ueber forstwirthschaftliche Bildung und Unterricht“, ein, er vertheidigte darin, polemisirend gegen Oberforstrath Pfeil, die größere Ausdehnung des naturwissenschaftlichen Unterrichtes und suchte dessen wichtigen Einfluß auf den forstlichen Beruf darzuthun. Mit seiner 1825 veröffentlichten Schrift über die Lebens- und Ernährungsweise des Borkenkäfers, Bostrychus typographus, bekannte er sich zu den Vertretern der Ansicht, daß der Borkenkäfer nur kranke Bäume angehe und griff damit eine vielbestrittene Frage auf, welche ihn bis an sein Ende beschäftigte. Von größerer Bedeutung war sein 1827 herausgegebenes „Lehrbuch der Gebirgs- und Bodenkunde für Forst- und Landwirthe“ worin er einen für die Praxis besonders instructiven Weg eingeschlagen hatte. Dies Werk unterzog er noch einmal einer Umarbeitung und gab 1844 die zweite mehrfach verbesserte Auflage davon heraus, welche damals große Beachtung fand und auch ins Dänische übersetzt wurde. Ein in gewissem Zusammenhange damit stehendes Buch: „Das ABC der Chemie, enthaltend das Gemeinnützigste aus den chemischen Wissenschaften für Nichtchemiker“ hatte er inzwischen geschrieben und konnte dasselbe bei der durch populäre Fassung geförderten großen Verbreitung 1845 in zweiter Auflage erscheinen lassen. Unter seiner Bearbeitung war schon 1838 die zweite Auflage von Schübler’s Werk: „Grundsätze der Agriculturchemie in näherer Beziehung auf land- und forstwirthschaftliche Gewerbe“ zu Stande gekommen. Außer diesen litterarischen Leistungen veröffentlichte er gegen Ende der 40er Jahre noch die Resultate eigener Beobachtungen bei der Seidenraupenzucht in seiner Schrift: „Beiträge zur Förderung des Seidenbaues, hauptsächlich einer naturgemäßen Seidenzucht“, womit er damals einem lebendigen und allgemeineren Interesse Rechnung zu tragen wußte.

Um jene Zeit hatte K., obwohl geistig noch sehr rüstig, doch schon viele Heimsuchungen durch sein rheumatisches Leiden zu ertragen und dabei Einbußen an Körperkraft zu erleiden gehabt; sein Gesundheitszustand verschlimmerte sich durch Hinzutreten anderer Leiden dermaßen, daß er sich genöthigt sah, mit Ostern 1849 sein Lehramt niederzulegen. Von diesem Zeitpunkte an größtentheils auf sein Studirzimmer und seinen Garten angewiesen, beschränkte er seine geistige Thätigkeit mehr auf die ihm besonders zusagenden Aufgaben und auf die Verfolgung der wissenschaftlichen Bewegung innerhalb der Sphären des von ihm gepflegten Berufs. Seine Mußestunden verwendete er zum Theil noch zur Ausarbeitung einer 1851 erschienenen Schrift: „Idee zu einem Luftkalthause als Ersatz für den Felsenkeller für Bierbrauereien“, im Uebrigen widmete er allen wichtigen Zeitfragen noch aufmerksamste Beachtung, befaßte sich mit dem Studium neuerer Geschichtswerke und vermochte in dieser Weise seinem Wirken einen ruhigen Abschluß im engsten Familienzirkel zu geben. – Schon im Jugendalter an Zurückgezogenheit gewöhnt und durch eine zarte, fast schwächliche Körperconstitution zu einfachster und vorsichtiger Lebensweise genöthigt, suchte er auch in späteren Lebensjahren nur in einem engeren Kreise von Bekannten gesellige Beziehungen zu pflegen, so daß nur wenigen seiner Berufs- und Zeitgenossen die Gelegenheit geboten war, von seinen vorzüglichen Charaktereigenschaften, seinem geistreichen Gedankenschatz Kenntniß zu gewinnen. Ausgerüstet mit scharfem Verstande und reichem Wissen, von sarkastisch angelegtem, jovialem und edlem Charakter, empfänglichen, tiefen Gemüthes und religiöser Gesinnung vollendete er ein vielbewegtes Leben, das einen schweren aussichtslosen Aufstieg aber einen [279] sonnigen Mittag und wohlthuenden Abend hatte, als ein von den Seinigen hochgeschätzter liebevoller Gatte und Vater, als treuer Freund unter Freunden, als ein der Wissenschaft wie dem Staate treu ergebener eifriger Lehrer und hochachtbarer Bürger.

Vgl. Jahrbuch der königl. sächsischen Akademie für Forst- und Landwirthe zu Tharand, Bd. VII und IX, Nekrolog des Prof. K. L. K. von Oberforstrath von Berg und „Bruchstücke aus meinem Leben“ von K. L. K.