ADB:Kozeluch, Leopold
Joh. Ant. Koscheluch, von welchem er auch den ersten Musikunterricht erhielt, wurde unabhängig davon zu den Gymnasial- und philosophischen Studien verhalten mit der Bestimmung, sich der „Rechtsgelahrtheit“ zu widmen. Das alle anderen Fähigkeiten überwiegende musikalische Talent durchbrach aber diese ihm von Haus aus gezogenen Schranken, besonders dann, als einige seiner über die Pensa hinweg componirten Clavierstücke beifällige Aufnahme fanden. Daraufhin wohlgemuth der gestrengen Scientia Lebewohl sagend, wandte sich K. nun mit aller Entschiedenheit der ihm schon vertraut gewordenen Musica zu. Seiner Vorliebe für das Theater entsprang zunächst – 1771 – ein Ballet für die Prager Bühne, und bewirkte die glänzende Aufnahme desselben, daß K. eine Zeit lang in gleicher Richtung weiterarbeitete, denn es finden sich von ihm fernere 24 Ballets und drei Pantomimen, nebst verschiedenen Arien und Chören, sämmtlich für das Prager Theater. Der Jugendrausch dieser Erfolge scheint indeß bis 1778 verflogen zu sein, weil K. im gleichen Jahre noch das Bedürfniß erkannte, ein Uebriges für die musikalische Fortbildung zu thun und sich deshalb nach Wien begab. Intensiv wie extensiv dort vorschreitend, läßt sich auch bald wahrnehmen, er habe den seinem Streben entsprechenden Wirkungskreis gefunden. Belege hierfür bieten nicht allein die zahlreichen, so ziemlich das ganze Musikgebiet umfassenden Compositionen, als vielmehr noch die ihm zu Theil gewordenen Ehren und Würden. Bezeichnend nach ersterer Richtung ist das Urtheil des gleichzeitigen Lexikographen Ernst Ludw. Gerber: K. war und ist noch immer ohne Widerrede bei Jungen und Alten der allgemein beliebteste unter unseren jetzt lebenden Componisten, und das mit allem Rechte. Den Charakter seiner Werke bezeichnen Munterkeit und Grazie, die edelste Melodie mit der reinsten Verbindung und gefälligsten Ordnung in Absicht der Rhythmik und Modulation vereinigt .... Nach seinen Compositionen hat der Grabstichel schon auf 20–30 seiner Werke dem Publicum geliefert. Obgleich nicht zu zweifeln ist, daß vielleicht die besten noch in der Handschrift auf den Pulten der wienerischen Damen ruhen“. – Und man zählte wirklich, wie ein anderer Zeitgenosse anführt, im J. 1799 schon 40 Concerte für Clavier, davon einige für vier Hände, anderes wieder für zwei Instrumente gesetzt. Um übrigens Gerber’s Urtheil richtig zu würdigen, d. h. um richtig zu erkennen, wie sehr er von dem Eindruck des damals Modernen in K. bestochen war, muß man erwägen, daß es gedruckt ward, während Haydn in London den Zenith seines Ruhmes erstieg und Mozart in Wien starb! – Auch Jos. Proksch, der gründliche Kenner der alten Claviermeister, anerkannte in K. „einen der fruchtbarsten Claviercomponisten“, sowie „verdienstlich wirkenden Lehrer“ und bezeichnete ihn wegen seiner schnellen Produktion, leichten und gefälligen Spielbarkeit, als den „Czerny seiner Zeit“. Treffend ist zudem ein Urtheil desselben, gelegentlich der Aufführung einer Sonate für Piano, Violine und Cello abgegeben: „Gewiß waren es schöne Tage, als er blühte; sein Satz ist rein, wenngleich einfach, seine Passagen sind brillant und sehr handgerecht, nur aber ist die Form schwunglos und knapp, wie sel’gen Angedenkens der Haarbeutel“. Letztere humorvolle Bemerkung hat denn auch ihre thatsächliche Begründung im Charakter der Zeit und ihrer maßgebenden Ideen. Ganz wesentlichen Einfluß auf das musikalische Gebahren Koscheluch’s übte offenbar seine Stellung zum Hofe. Liebling Kaiser Josephs II., bestellte ihn dieser auch [741] alsbald nach der Vermählung seines stets bevorzugten Neffen Erhherzog Franz (nachmaligen Kaisers von Oesterreich) mit Prinzessin Elisabeth von Württemberg, zu deren Concertmeister. In Anerkennung der sich als solcher erworbenen Verdienste, erhob ihn später Kaiser Franz I. selber zum k. k. Kammercapellmeister und Hofcomponisten – eine Würde, die K. bis zu seinem Ableben bekleidete. – Das anschaulichste Bild seines Wirkens in Wien gibt wol ein Verzeichniß der von dort aus bekannt gewordenen Compositionen: „Le Mazet“, französisch komische Oper; „Didone abbandonata“, italienische Opera seria; „Mose in Egitto“, großes Oratorium, von einem 180 Personen starken Orchester 1787 das erste Mal aufgeführt; große Cantate, zur Krönung Kaiser Leopolds II. als König von Böhmen, in Prag am 6. Sept. 1791, unter seiner Leitung von 200 Tonkünstlern ausgeführt. Anschließend daran entstanden mehrere große Chöre, welche bei derselben Krönung in Gegenwart des Hofes und zahlreichen Adels im gräfl. Czerninschen Palais am Hradschin in Prag mit Begleitung eines Orchesters von 150 Mann zur Ausführung kamen. Eine auf Befehl Kaiser Leopold II. geschriebene Opera seria: „Juditha e la Liberazione die Bethulia“, „Ottone“, großes heroisches Ballet; „Die Begebenheiten Telemachs auf der Insel der Calypso“ – für den Grafen Ign. Fuchs 1798 geschrieben; Cantate, zu Ehren seiner Schülerin, des durch ihren musikalischen Salon berühmten Frl. Paradis; „Joseph, der Menschheit Segen“, Cantate; über 40 Concerte fürs Clavier (s. oben); zwei Concerte für das Violoncell; je zwei für die Clarinette, für englische Hörner, für Clavier mit Orchesterbegleitung; drei Concertinos für Violine, Viola und Violoncell; an 30 Symphonien, sechs Quartetten; verschiedene Arien und Chöre, theils für italienische, theils für deutsche Opern; Musik zu Denis Klagen auf den Tod Maria Theresia’s; Arie und Recitativ: Eine Hirtin etc., mit Clavierbegleitung; Cantate für Sopran mit concertirender Violine und Clavier nebst Orchesterbegleitung; über 60 Sonaten, mehrere Trios und Quartetten für die Violine; mehrere Serenaden; eine Sammlung von Liedern zum Singen und auch für das Clavier etc. Die Mehrzahl dieser Compositionen erschienen im Stich.
Koscheluch: Leopold K. (Koželuch), Tonsetzer, geb. zu Welwarn 1753, † in Wien am 8. Febr. 1814, Vetter des- Gerber’s Lexikon der Tonkünstler. Kramer’s Magazin für Musik. Dlabacz und Meusel’s Künstlerlexikon. Joh. Proksch, Biograph. Denkmal.