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Artikel „Kluge, Karl Alexander Ferdinand“ von Ernst Gurlt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 250–253, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kluge,_Karl_Alexander&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 08:16 Uhr UTC)
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Kluge: Karl Alexander Ferdinand K., Geheimer Medicinalrath und Professor der Chirurgie und Geburtshülfe an der Universität Berlin, Director des Charité-Krankenhauses daselbst, wurde am 9. Septbr. 1782 zu Straußberg in der Mittelmark als Sohn des dortigen Stadtchirurgus Johann Georg Friedrich Kluge geboren. Am 1. Mai 1800 wurde er als Zögling in die medicinisch-chirurgische Pépinière aufgenommen und bei dem Collegium medico-chirurgicum inscribirt. Nach mehr als vierjährigem Studium im November 1804 als [251] Unter-Chirurgus bei dem Cadettencorps in Berlin angestellt, wurde er am 13. Septbr. 1806 auf der Universität Erfurt (mit der Dissert. inaug. physiol. de iridis motu) zum Dr. med. et chir. promovirt. Am 1. Januar 1807 wurde er zum Oberchirurgus bei dem Hofstaate des Kronprinzen (späteren Königs Friedrich Wilhelm IV.) befördert und konnte demselben in Memel und Königsberg am Krankenbett Dienste leisten. Am 1. Mai 1809 wurde er zum Oberchirurgus bei der medicinisch-chirurgischen Pépinière berufen und am 1. Octbr. 1811 zum Stabschirurgus dieses Institutes ernannt. Im Winter 1811–12 absolvirte er bei der medicinisch-chirurgischen Akademie den sogen. Cursus (das Staatsexamen) und trat, nachdem ihm im August 1812 die Anwartschaft auf die Stelle des bejahrten Professors der Chirurgie bei der medicinisch-chirurgischen Akademie, Generalchirurgus Mursinna ertheilt worden war, mit Staatsunterstützung eine wissenschaftliche, ein Jahr dauernde Reise durch Deutschland, Italien etc. an, von der er im September 1813 zurückkehrte. Unter dem 27. April 1814 wurde er zum Professor extraordinarius bei der medicinisch-chirurgischen Akademie für das Militär ernannt und ihm im October desselben Jahres die Stelle als zweiter Director der chirurgischen Station und der Entbindungsanstalt im Charité-Krankenhause übertragen, in welchem er von da an bis zu seinem Lebensende eine Dienstwohnung inne hatte. Ende October desselben Jahres erfolgte seine Verheirathung mit Marie Charlotte Kolbe. – Bereits einige Jahre vorher (1811) war K. auch als Schriftsteller über thierischen Magnetismus mit einer Schrift („Versuch einer Darstellung des animalischen Magnetismus als Heilmittel“) aufgetreten, die später noch in zwei Auflagen (1815, 1819) erschien, ins Holländische, Schwedische, Dänische, Russische (1812–18) übersetzt wurde. Dieselbe behandelt den damals alle Welt interessirenden, auch jetzt noch nicht hinreichend aufgeklärten Gegenstand mit großer Sorgfalt und mit eingehender Benutzung der gesammten einschlägigen Litteratur. – Nachdem K. eine Anzahl von Jahren seiner praktischen und Lehrthätigkeit, welche sich sowohl auf die Chirurgie als die Geburtshülfe erstreckte, in der Berliner Charité obgelegen hatte, er auch 1820 zum Mitgliede der medicinischen Ober-Examinationscommission ernannt worden war und in demselben Jahre einen von der Universität Greifswald an ihn ergangenen Ruf, eine Professur jener beiden Fächer daselbst zu übernehmen, abgelehnt hatte, wurde er 1821 zunächst (22. März) zum Professor ordinarius bei der medicinisch-chirurgischen Militärakademie und einen Monat später (30. April) zum Professor extraordinarius in der medicinischen Facultät der Berliner Universität und zum Director des chirurgischen Instrumenten- und Bandagen-Cabinets derselben ernannt und hat er von da bis zu seinem Tode auch von den Studirenden der Universität besuchte Vorträge gehalten. – 1825 (28. Febr.) wurde K. zum Medicinalrath bei dem erweiterten Medicinalcollegium der Provinz Brandenburg, 1828 (27. Januar) zum Geheimen Medicinalrath ernannt und ihm in demselben Jahre (2. Mai) auch die Direction des Charité-Krankenhauses übertragen, die er bis an sein Lebensende geführt hat. 1829 (7. Juni) wurde er zum Mitgliede der höchsten Medicinalbehörde des Landes, der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten ernannt und schied er damit aus dem Provinzial-Medicinal-Collegium aus. – Zu den ihm verliehenen Ehrenzeichen (des rothen Adlerordens 4. Classe 1833, desselben Ordens 3. Classe mit der Schleife 1835) kamen die Diplome zahlreicher gelehrter Gesellschaften des In- und Auslandes. – Seine litterarischen Publicationen aus dem Gebiete der Chirurgie und Geburtshülfe sind weder umfangreich noch zahlreich und befinden sich größtentheils in Zeitschriften, darunter auch „Berichte über die Vorgänge in der Berliner Charité Gebäranstalt“ (1824–27); einzelne sind aber auch besonders [252] erschienen, z. B. über Verbandlehre („Apparatus deligationis“, Edit. 2. 1831. Fol. und „Regulativ für die Anfertigung der einfachen chirurgischen Verbände“, 2. Aufl. 1831). Außerdem aber hat K. große Verdienste sich um die Herausgabe mehrerer Werke erworben, die er zwar nicht selbst geschrieben hat, aber für welche die Vorarbeiten, die Sammlung des Materials ihm größtentheils zu danken sind, indem seine Manuscripte, seine Vorträge und Rathschläge von den Bearbeitern eingehend benutzt wurden, so bei Ad. Leop. Richter’s Handbuch der Lehre von den Brüchen und Verrenkungen der Knochen (1828), bei H. E. Fritze’s Arthroplastik (1842), bei Friedr. Jac. Behrend’s Ikonograph. Datstellung der Beinbrüche und Verrenkungen (1845); auch um die Herausgabe des Lehrbuchs der Geburtskunde für Hebammen in den königl. preuß. Staaten (1839) hat sich K. besonders verdient gemacht. Kluge’s Tod erfolgte am 26. Mai 1844, nachdem er noch kurze Zeit vorher einen längeren Urlaub zur Wiederherstellung seiner Gesundheit nachgesucht hatte. – Wir können zur Charakterisirung Kluge’s nichts Besseres thun, als den originellen Betrachtungen Jos. Herm. Schmidt’s, der ein Nachfolger Kluges in mehreren seiner Aemter geworden war, über drei im Zeitraume von vier Jahren verstorbene berühmte Berliner Collegen K., Dieffenbach, Horn einige den erstgenannten betreffende Sätze zu entlehnen. „Kluge“, heißt es daselbst, „war ein durch und durch mathematischer Kopf; als solcher war er in allen seinen Früchten zu erkennen, von den Parallellinien der Hobelbinde angefangen, durch die wohlberechneten Schildkröten- und anderer Gestalten seiner stattlichen Bandagen, durch die pünktliche Bemessung alles seines Thuns und Treibens nach Zeit und Raum weiter gegangen, bis in die höchste Stufe des „symbolischen“ Denkens, des Denkens in geometrischen Formen hinaufgestiegen.“ „Seine Zeichnungen der Gedanken waren in Präcision unübertrefflich, und wie er im geometrischen Leben, im Raume, gleichsam eine personificirte Krystallisation war, so war er im arithmetischen Leben, in der Zeit, ein personificirter Rhythmus. Als Schriftsteller war er mehr reproductiv als productiv. Was andere Leute in Unordnung durcheinander gedacht hatten, das legte er zwischen horizontale und verticale Linien aus- und beieinander, oder auch, doch seltener, um Zirkellinien herum“. – „K. hätte auch produktiv sein können, und er war es auch, aber im bescheidenen Incognito. Denn Uneigennützigkeit war der Grundzug seiner schönen Seele; seine äußere Börse war der bittenden Armuth stets geöffnet, seine innere Schatulle stets der jüngeren Wissenschaft. So oft er einen eigenen Gedanken hatte, theilte er ihn bereitwillig mit Anderen, diese brachten ihn zu Papiere und zum Verleger, und der bescheidene Autor dankte dem Herausgeber, er freute sich herzlich, einen fremden Namen mit seinen Federn geschmückt zu sehen. Es war ihm ganz gleichgültig, wer etwas zuerst gesagt hatte, wenn es nur gut war. Immerhin aber war er mehr ordnend als schaffend, und in dieser Eigenschaft des mehr schaffenden als ordnenden Rust eigentliche rechte Hand“. – „K. war eine verkörperte Logik, eine Analysis, eine Anatomie des Gedankens, ein Non plus ultra von Classification, ein psychisches Einschaltungssystem von Ein- und Unterabtheilungen, eben deshalb vielleicht ein unvergleichlicher Lehrer, ein redendes „Qui bene distinguit, bene docet!“ Hätte er ein weniger schönes Herz gehabt, so würde er auch ein unvergleichlicher Verwaltungsbeamter gewesen sein“. – „Kluge’s Fehler war, daß er „zu gut“ war; einen anderen Fehler hatte er nicht“. – „Manche haben ihm noch einen zweiten Vorwurf gemacht. Sein unaufhaltsamer Trieb zum Schematisiren hat ihn in den Ruf eines sogenannten „Theoretikers“, sogar eines „Pedanten“ gebracht. Gleichwol war Niemand geeigneter, als Beweis zu gelten, daß Logik und Ordnung zu allen Dingen nütze und wahrhaft praktische Tugend sind, als K.“ – Wir haben noch hinzuzufügen, [253] daß K. in der Freimaurerei eine hohe Stellung einnahm und einer der gebildetsten Kenner und Freunde der Musik war.

Nach gütigen Mittheilungen des Sohnes, Herrn Rentier H. O. Kluge in Berlin. – J. H. Schmidt in Medicin. Zeitung, herausg. von dem Vereine für Heilkunde in Preußen, 17. Jahrg. 1848. S. 201. – Kluge’s litterarische Leistungen s. in Callisen’s Medicin. Schriftsteller-Lexikon, Bd. 10. 1832. S. 257; Bd. 29. 1841. S. 278.