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Artikel „Kirchgeßner, Marianna“ von Carl Ferdinand Pohl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 7–8, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kirchge%C3%9Fner,_Marianne&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:28 Uhr UTC)
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Kirchgeßner: Marianna K., eine berühmte Virtuosin auf der Glasharmonika, wurde zu Waghäusel, einem Wallfahrtsort bei Rastatt im Großherzogthum Baden, im J. 1770 geboren. Durch eine Krankheit wurde sie im vierten Lebensjahre des Augenlichtes beraubt, welchen Verlust ihr ein leicht empfängliches Talent für die Tonkunst ersetzte. Freiherr v. Beroldingen nahm sich ihrer an, ließ sie vom Kapellmeister Schmittbauer in Karlsruhe unterrichten und namentlich auf der Glasharmonika ausbilden, die Schmittbauer selbst fertig spielte. Ein von diesem erbautes Instrument kaufte ihr der genannte Mäcen und sie erlangte darauf eine solche Fertigkeit, daß man ihr eine Kunstreise vorschlug, die sie dann 1791, begleitet von ihrem Freunde und Beschützer, Rath Boßler aus Speier, im 21. Lebensjahre antrat und zunächst über München nach Wien sich begab, wo sie in drei Concerten (10. Juni und 19. August im Burgtheater, 8. September im Jahn’schen Saale) auftrat und außerordentlichen Beifall fand. Vorher schon muß sie Mozart gehört haben, denn er schrieb ihr am 23. Mai ein Quintett (Harmonika, Flöte, Oboe, Viola und Violoncell, in Köchel’s Mozart-Katalog Nr. 617), das sie in jedem ihrer Wiener Concerte und auch später auf ihren Reisen vortrug. Hofkapellmeister Naumann in Dresden, der selbst die Harmonika spielte und 6 Sonaten für dieselbe componirt hatte (op. 4, Amsterdam bei Hummel), versicherte, daß Marianne ohne Rivalin dastehe. In Berlin spielte sie an vier Abenden und erregte hier, wie dann auch in Kopenhagen, [8] Hamburg und in Holland Enthusiasmus. In London trat sie 1794 im 6. und 9. Salomonconcert auf, wo also auch Haydn sie hörte. Der Aufenthalt in dieser Weltstadt wurde für sie bedeutungsvoll, indem durch die Pflege eines Arztes ihre Augen wenigstens die Fähigkeit erlangten, Farben und größere Objecte unterscheiden zu können; auch baute ihr daselbst der deutsche Mechaniker Froeschel ein verbessertes Instrument, dessen sie sich fortan immer bediente. 1796 finden wir sie wieder in Hamburg und zwei Jahre später in Petersburg. Nach so viel Anstrengung der Ruhe bedürftig, kaufte sie sich in Gohlis bei Leipzig eine kleine Villa. Nach vier Jahren finden wir sie abermals auf Reisen und zunächst in Stuttgart, wo sie am 26. Januar 1802 ein Concert gab, in dem Zumsteeg dirigirte, der am nächstfolgenden Morgen einem heftigen Brustkrampf erlag. Für seine hülfsbedürftigen Hinterbliebenen veranstaltete dann Marianne eine Akademie. Zu Anfang 1806 besuchte sie auch Wien wieder, wo sie abermals das Mozart’sche Quintett spielte und großen Zulauf hatte, doch tadelte man es, wie schon früher an anderen Orten, daß sie allzusehr durch schnelle und künstliche Manier auf Kosten des wahren Charakters der Harmonika Bewunderung zu erregen suche. Auf ihrer letzten Reise erlag sie bald nach ihrer Ankunft in Schaffhausen einer heftigen Brustentzündung am 9. December 1808. J. W. Tomascheck in Prag schrieb zu ihrem Andenken ein Tonstück „Fantasie für die Harmonika, am Grabe der Kirchgeßner“ (Prag 1809).