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Artikel „Kerl, Johann Kaspar“ von Carl Ferdinand Pohl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 628–629, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kerll,_J._Caspar&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 06:12 Uhr UTC)
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Kerl: Johann Kaspar K., berühmter Orgelspieler, Componist und Musiktheoretiker, wurde 1625 in Sachsen geboren, kam in jungen Jahren nach Wien, wo er vom Hofkapellmeister Joh. Valentini Musikunterricht empfing und wurde auf dessen Empfehlung vom Kaiser Ferdinand III. nach Rom geschickt, um unter Carissimi sich auszubilden, wo er dann wol auch von der Kunstfertigkeit des ausgezeichneten Organisten Frescobaldi profitirt haben mag. Im Februar 1656 trat er in die Dienste des Kurfürsten von Baiern und entzückte bei der Krönung des Kaisers Leopold I. in Frankfurt a/M. 1658 alle Anwesenden sowol durch sein Spiel (er phantasirte über ein aufgegebenes Thema), als auch durch eine aufgeführte Messe derart, daß sich eigentlich von da an sein Ruhm datirt. Im J. 1673 übersiedelte er nach Wien, wo er anfangs von Musikunterricht lebte, dann aber zum Hoforganisten ernannt wurde; in den Hofrechnungen erscheint er als solcher vom 1. Octbr. 1680 bis Ende 1692 mit Jahresgehalt von 75 fl. (v. Köchel’s kaiserl. Hof-Musikkapelle in Wien). Sein Tod erfolgte in München am 13. Febr. 1693 nach Angabe seines nun verschwundenen Grabsteins in der ehemaligen Augustinerkirche. Die von K. bekannt gewordenen Compositionen zeigen die gediegene italienische Schule und weisen nebstbei in mancher Beziehung bereits auf Seb. Bach hin. In München schrieb K. die Opern „Oronte“ (1657) und „Erinto“ (1661); eine Serenata „Il pretensione del sole“, zur Geburtsfeier der Kurfürstin (6. Nov. 1661); ein Duett „O bone Jesu“ für zwei Castratenstimmen; mehrere Messen, darunter die sogenannte Missa nigra (so benannt nach ihrer Notengattung); eine Sammlung Motetten: „Delectus sacrarum cantionum“ (Nürnberg 1669); „Opus primum Missarum“ (ebd. 1669); Trio für 2 Violinen und Viol di gamba, Toccaten, Canzonetten, Ricercare etc. Im Druck erschien noch „Modulatio organica super Magnificat octo tonis ecclesiasticis respondes“ (München 1686). In Handschrift erhalten ist u. A. ein fünfstimmiges Requiem (Hofbibliothek in Wien. Es trägt die Ueberschrift: „Requiem a V vocibus. Auctore Joanne Casparo Kerl, Serenissimi Ferdinandi Mariae ducis et Electoris Bavariae Capellae magistro“, 1669.). Eine Toccata von ihm findet man in E. Pauer’s Alte Claviermusik, Bd. III. Hawkins hat in seiner „History of the science and practise of music“ (vol. IV, S. 97 f.), eine Canzona für die Orgel von K. abgedruckt, die Händel in seinem Israel vollständig benutzte. Es ist Nr. 11: der Chor Egypt was glad when they departed“ (nur ist die Tonart von D-moll nach E-moll transponirt). Ein in Joh. Traeg’s Musikkatalog (Wien 1799) angekündigtes theoretisches Werk in Manuskript befindet sich in der Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Es ist in alten Schriftzügen auf stark vergilbtem Papier geschrieben und führt den Titel: „Ein compendiose Relation von den Contrapunct von Hrn. Joni Casparo Kerl“, 28 Capitel umfassend, denen sich dann anschließt: „Annotata zu den Contrapunct d’Allessandro Poglietti. [629] Libero et Sciolto“, nebst zwei vollständigen Musikstücken: 1) Ricercar a 5 obl. jedweder ein absonderliches Subjectum; 2) Ricercar a 6 soggetti obligati.