ADB:Kannegießer, Hermann Lorenz Freiherr von
*): Hermann Lorenz Freiherr v. K. entstammte einer in Westfalen ansässigen adeligen Familie. Er begann seine Laufbahn im österreichischen Staatsdienste beim königlichen Oberamts-Collegium in Schlesien. In Anerkennung seiner pflichteifrigen verdienstlichen Thätigkeit als Oberamts- und Commerzienrath im Herzogthume Ober- und Nieder-Schlesien und als Assessor bei der Ober-Accisen- und Ober-Militär-Commission erhob ihn Kaiser Karl VI. am 11. April 1737 in den böhmischen Ritterstand und verlieh ihm das böhmische Incolat. Seit dem Jahre 1739 Hofrath bei der vereinigten böhmisch-österreichischen Hofkanzlei in Wien, führte er namentlich das Referat in böhmischen Lehenssachen. Im Sommer 1742 wurde er nach Breslau gesendet. Das Verhalten des Lord Hyndfort als österreichischen Bevollmächtigten bei den Verhandlungen der preußischen Friedenspräliminarien hatte in Wien manchen Grund zur Unzufriedenheit gegeben. K. sollte nun dem englischen Diplomaten, von dessen „übereylten und parteilichen operationes“ man noch fernere Nachtheile bei den bevorstehenden Verhandlungen des definitiven Friedens befürchtete, mit seinen Kenntnissen und seinem Rathe zur Seite stehen. Nach dem Wortlaute der Präliminarien sollte unter Anderem die Stadt Troppau sammt dem Lande „diesseits der Oppa und des hohen Gebürges“ bei Oesterreich verbleiben. Auf der Reise [794] nach Breslau forderte daher K. den österreichischen General Kheyll auf, das Gebirge – vor Allem die Höhen von Olbersdorf, Zuckmantel, Weidenau und Johannesberg – durch die kaiserlichen Truppen besetzen zu lassen. Desgleichen veranlaßte er den General Festetics in Sternberg, von dem Prinzen von Anhalt die Evacuirung von Jägerndorf zu verlangen. Auch verschaffte er sich in Olmütz alte Landkarten, auf denen die nördlich von Jägerndorf fließende Komeiß als „Comeyß-Oppa“ verzeichnet war und bediente sich ihrer mit Erfolg zur Unterstützung seines Verlangens, daß Jägerndorf von den preußischen Truppen geräumt werden und bei Oesterreich verbleiben solle. Wenn es gelang den definitiven Berliner Friedensschluß vom 28. Juli 1742 in manchen wesentlichen Punkten günstiger für Oesterreich zu gestalten, als der Breslauer Präliminarfrieden vom 11. Juni hatte voraussehen lassen, so ist dies nahezu allein der klugen Gewandtheit und unerschütterlichen Festigkeit Kannegießer’s zuzuschreiben. Namentlich gilt dies von den Bestimmungen wegen Bezahlung der schlesischen Schuld und Festsetzung des neuen Grenzzuges. Auch in der Folge zeichnete sich K. durch Thatkraft und Pflichteifer aus. Er erhielt Sitz und Stimme in dem im J. 1746 errichteten Commerzdirectorium und zählte zu den hervorragendsten Mitgliedern der zur Berathung wichtiger Fragen in Bezug auf Handel und Industrie mit besonderer Berücksichtigung Triest’s unter der Leitung des Grafen Chotek eingesetzten Hofcommission. Den von Chotek vorgeschlagenen Reformen im Zollwesen opponirte K. auf das Entschiedenste. Im J. 1749 wurde er als Hofrath und geheimer Referendarius in das neu errichtete Directorium in publicis et cameralibus berufen. Im J. 1763 war er dazu bestimmt, die Verhandlungen mit dem preußischen Bevollmächtigten einzuleiten. Da er aber plötzlich erkrankte, ging an seiner Stelle der Hofrath v. Collenbach nach Dresden. – Auf den Vorschlag Bartenstein’s war K. von der Kaiserin Maria Theresia mit der Aufgabe betraut worden, eine für den Unterricht des Kronprinzen Erzherzogs Josef bestimmte Denkschrift über Böhmen zu verfassen. Die Ausarbeitung fand aber wenig Beifall und wurde unterdrückt. – Mit Diplom vom 18. Juni 1765 in den Freiherrenstand erhoben, starb K. am 26. October 1766 in Wien, 65 Jahre alt.
Kannegießer- Benutzt wurde außer einschlägigen Acten des kaiserl. und königl. Haus-, Hof- u. Staatsarchivs in Wien und dem Wienerischen Diarium vom J. 1766: Wurzbach, Biogr. Lex., Thl. 10 (Wien 1862); Arneth (Alfr. R. v.), Geschichte Maria Theresia’s, Bd. II (1864), IV. (1870), VI. (1875) und VII. (1876). – Oettinger, Moniteur des Dates (gibt als Todestag den 24. October an).
[793] *) Zu Bd. XV S. 78.