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Artikel „Jena, Friedrich v.“ von Siegfried Isaacsohn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 759–762, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jena,_Friedrich_von&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 20:10 Uhr UTC)
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Jena: Friedrich v. J., wurde um das J. 1619 in Anhalt-Zerbst, wol in der Hauptstadt des Ländchens, Zerbst selbst geboren. Er entstammte einer alten Patrizierfamilie der Stadt, in der sein Vater eine hervorragende Stellung einnahm. Gleich seinem ein Jahr jüngeren Bruder Gottfried vom Vater für die wissenschaftliche Laufbahn bestimmt, wandte er sich der Jurisprudenz zu und in dieser wieder vornehmlich staatsrechtlichen Studien. Ueber seinen Studiengang fehlen nähere Nachrichten, desgleichen über die Anfänge seiner praktischen Thätigkeit. Daß sein Ruf als Lehrer der Rechte sich frühzeitig über den Kreis seiner engern Heimath hinaus verbreitete, geht daraus hervor, daß Friedrich Wilhelm von Brandenburg Verhandlungen mit ihm anknüpfen ließ betreffs Uebernahme einer ordentlichen juristischen Professur an der Märkischen Landesuniversität zu Frankfurt a. O. J. nahm das Anerbieten an und siedelte nach Brandenburg über, wo sich ihm bald ein weiterer Spielraum für seine ungewöhnlichen Talente darbieten sollte. Des Kurfürsten Verwicklungen mit Schweden im Herbst des J. 1654 betreffs der Stellung des Herzogthums Preußen in dem drohenden schwedisch-polnischen Kriege, setzten Jena’s Feder speciell im brandenburgischen Interesse zum ersten Mal in Bewegung. Seine Gutachten über die vorliegenden verwickelten Fragen staatsrechtlicher Natur müssen auf den Kurfürsten besonderen Eindruck gemacht und ihm den Wunsch nahe gelegt haben, eine so gewandte und allezeit bereite Feder in seine unmittelbare Nähe, sein Cabinet zu ziehen. Nachdem die durch Jena’s Abgang von der Universität zu gewärtigende Lücke Anfangs 1655 durch die Berufung seines jüngeren Bruders Gottfried von der Universität Heidelberg ausgefüllt war, siedelte Friedrich, Sommer 1655, von Frankfurt nach Berlin/Cölln über, wo er die Würde eines Geheimen Raths erhielt (3. Juli 1655). Als solcher hatte er nicht nur Sitz und Stimme im Staatsrath, sondern wurde auch dem Kurfürsten, gleich Otto von Schwerin und Graf Waldeck, persönlich attachirt, etwa in der Stellung eines heutigen Cabinetsrathes. Im nordischen Krieg zeigte er sich, bei aller persönlichen Entschlossenheit, doch als ein äußerst vorsichtiger Politiker. Dem Drängen Waldeck’s auf Conjunction und Abschluß eines Vertrags mit Karl Gustav von Schweden, Frühling 1656, stellte er sich, trotz der Hinneigung des Kurfürsten zu diesem Schritt, auf das Entschiedenste entgegen und ließ sich in seinem Verhalten auch durch Drohungen nicht einschüchtern. Als der Erfolg der kühneren Politik seines Herrn Recht gegeben, war er es, der durch den Abschluß des Vertrags von Labiau 10./20. Nov. 1656, neben Schwerin die Souveränität des Herzogthums Preußen den Schweden abrang, ein Gewinn, der, alle Wechselfälle des nordischen Kriegs hindurch, dem Hause Brandenburg erhalten blieb. Im Sommer des folgenden Jahres 1657 wurde J. nach Cleve gesandt, um von dort gemeinsam mit dem Statthalter Fürst Joh. Moritz von Nassau nach Frankfurt a. M. zum Wahltage abzugehen. Durch das langsame Eintreffen der Gesandten bis zum Frühling 1658 in Cleve zurückgehalten, langte er erst im März mit seinen Gefährten in Frankfurt [760] an und wußte dort die politische Richtung seines Gebieters, soviel es die isolirte Lage desselben gestattete, bei der Wahl Leopolds (18. Juli 1658) zur Geltung zu bringen. In den nächsten Jahren bleibt J. fast ununterbrochen im Gefolge seines Herrn. Mit ihm zieht er Herbst 1658 ins Feld, ist mit ihm bei den Friedensverhandlungen zu Oliva thätig, begleitet ihn Ende 1660 nach Cleve, wo er sich bei der Regelung des Verhältnisses zu den Ständen hülfreich erweist, um mit ihm dann wieder Herbst 1662 von Berlin nach Königsberg zu gehen. Ueber die Frage des Ausgleichs mit den Ständen, die die Erbhuldigung von der Erledigung ihrer Beschwerden auf dem langen Landtage von 1661/62 abhängig machten, kam es zu ernsten Differenzen zwischen J. und dem Oberpräsidenten Schwerin, der größere Nachgiebigkeit den Ständen gegenüber empfahl. Der Kurfürst folgte den Rathschlägen Jena’s, die sich hier wie zu Cleve erprobten. Die Erbhuldigung (October 1663) machte den langen Zwistigkeiten zwischen Herrschaft und Ständen für immer ein Ende. J. vertrat hier den Ständen gegenüber, wie am Hof und in der Verwaltung, gleich seinem geistesverwandten, dem clevischen Kanzler Daniel Weimann, das Princip des absoluten Dominats des Fürsten mit größter Entschiedenheit und Konsequenz. Es giebt keinen Staatsmann am Hofe des Großen Kurfürsten, der die Nothwendigkeit eines straffen, centralisirten Regiments, sowie die Schaffung eines stehenden Heeres klarer begriffen und mit unerbittlicherer Energie alle entgegenstehenden Hindernisse zu beseitigen gesucht hätte, als J. Schon während des nordischen Kriegs war er sich klar darüber, daß ein genügend starkes stehendes Heer nur auf Grund erhöhter Steuern und bei der Unmöglichkeit höhere direkte Abgaben von den Ständen zu erlangen, einer neuen Steuerverfassung aufzustellen sei. Im Einverständniß mit einigen wenigen anderen Räthen seines Herrn strebte er seit dieser Zeit die Erweiterung des Systems indirekter Steuern und die Uebertragung der bereits bestehenden aus ständischer Verwaltung auf die kurfürstliche an. Auch hier erwies der Erfolg die Richtigkeit seiner Ansichten. Es ist bekannt, welche Kämpfe die Einführung der Accise, erst in den Städten, dann auch auf dem platten Lande kostete und wie der Kampf darüber mit den Ständen sich weit über die Regierungszeit des großen Kurfürsten hinauszieht. Dies war ein vermehrter Anlaß, mit den den Ständen noch verbliebenen Rechten politischer Natur, besonders der Schulden- und Steuerverwaltung, aufzuräumen und Niemand ging dabei auf die Intentionen des Kurfürsten mit größerer Bereitwilligkeit ein, förderte sie seinerseits mehr, als J. Schon seit dem J. 1670, wo er zuerst mit der Untersuchung der ständischen Steuerverwaltung in den Marken betraut wurde, forderte er deren Ersatz durch eine kurfürstliche. Fast ein ganzes Jahrzehnt noch wußten die ständischen Ausschüsse sich einen Schein von Selbstverwaltung zu wahren. Erst als J. nach Schwerin’s Tod, 1679, mit dem Amte eines Landschaftsdirectors betraut wurde, und die Ablösung der auf der Landschaft haftenden Schulden so gut wie vollendet wurde, eilte auch diese Scheinverwaltung ihrem Ende entgegen. Kaum giebt es ein Gebiet der Verwaltung, bei dem sich nicht die Thätigkeit dieses vielseitigen Staatsmannes nachweisen ließe. Neben äußerer und innerer Politik, Steuer-, Finanz- und Organisationsfragen widmete er sich mit nicht minderem Erfolg den kirchlichen Dingen, deren Leitung bei der Mischung dreier Confessionen in den Gebieten des Kurfürsten eben so viel Takt wie Entschiedenheit voraussetzte. J., dem die Inspicirung der geistlichen Sachen 1669 aufgetragen wurde, entledigte sich dieser Aufgabe zur besonderen Zufriedenheit seines Herrn. Jeder der drei Confessionen wurden genau die Rechte gewahrt, die ihr verfassungsmäßig zustanden, was nicht eine gewisse Bevorzugung der Reformirten in den Geschäften, am Hof und im Heer hinderte. Jedem Versuch der Eiferer dagegen, die alte [761] Bevorrechtigung der Landeskirche in ihrem ganzen Umfange aufrecht zu erhalten, wehrte er, vom Kurfürsten nachdrücklich unterstützt, mit voller Entschiedenheit.

Besonders hervorzuheben ist die Lauterkeit seines Charakters. In einem Zeitalter, wo die Annahme von Präsenten, sog. Verehrungen, seitens der Staatsdiener als etwas ganz Selbstverständliches betrachtet wurde, ist J. vielleicht der Einzige am kurbrandenburgischen Hof, der jeder Anmuthung dieser Art unerschütterlich den Rücken wies. Nur die Verleihung eines Gutes in Preußen, zum Danke für seine Dienste in den Jahren 1655/56, ließ er sich von seinem Kurfürsten gefallen. Dies feine Ehrgefühl zeigte sich gegen Ende seines Lebens in einer ganz verschiedenen Richtung, die für ihn persönlich die betrübendsten Folgen haben sollte. Im J. 1675 nahm Kurfürst Fr. Wilhelm den braunschweig-wolfenbüttelschen Geheimen Rath Bodo von Gladebeck in seine Dienste mit der Anciennetät eines Geh. Raths von 1655, d. h. vor J. Dieser und ein davon mitbetroffener College Christoph Caspar v. Blumenthal, weigerten sich seitdem im Geh. Rath zu erscheinen, um nicht nach Gladebeck Session zu nehmen und zu votiren. Trotz der dringenden Mahnungen ihres Herrn blieben sie fest bei ihrem Entschlusse, lieber ihr Amt aufzugeben, als etwas zu thun, was gegen ihre Ehre zu verstoßen schien. Der nicht minder feste Kurfürst, der irrthümlich seine Autorität den eigenen Dienern gegenüber gefährdet glaubte, wenn er von den einmal gegebenen Bestimmungen und Versprechen zurückträte, ließ es zum Aeußersten kommen, und so nahm denn J. seinen Abschied und zog sich schweren Herzens nach seiner anhaltinischen Heimath zu Zerbst zurück, sich damit begnügend, von den Vorgängern am Hof und im Rath einigermaßen durch seine Correspondenten im Laufenden erhalten zu werden. Mehr als drei Jahre verbrachte er zu Zerbst, gleichsam in der Verbannung; endlich fand sich ein Modus, ihn wieder an den Hof zu ziehen und ihm seine frühere Stellung zurückzugeben. Daß es indeß auch nach seiner Rückkehr nicht ganz an Reibungen gefehlt hat, darauf deutet ein erneutes Demissionsgesuch vom Ende 1680, worin der erst Sechzigjährige „wegen Leibesschwachheit“ um die Enthebung von seinen freilich zahlreichen und schwierigen Beschäftigungen bat. Dieses Mal schenkte der Kurfürst indeß seiner Bitte nicht Gehör und so verblieb denn J. in seiner dienstlichen Stellung bis zu seinem im September 1682 erfolgenden Tode. Seit dem Ableben Schwerin’s, Herbst 1679, kann man J. als den ersten Minister am Hof des Großen Kurfürsten bezeichnen, wenngleich er zum Fürsten persönlich nie in jenem traulichen Freundschaftsverhältniß gestanden zu haben scheint, dessen sich der Oberpräsident stets zu erfreuen hatte. Von der Tüchtigkeit Jena’s legt der Umstand vielleicht das beste Zeugniß ab, daß bei seinem freiwilligen Ausscheiden aus dem Dienst, Ende 1675, seine Freunde wie seine Gegner die Lücke, die dadurch im Dienst ihres Herrn entstand, sehr empfanden und gleichmäßig um seine Rückberufung bemüht waren. Aehnlich berührt es, wenn wir den jüngeren emporstrebenden Collegen Meinders ihn von Berlin aus mit der Bitte bestürmen sehen, doch schleunigst seiner freiwilligen Verbannung ein Ende zu machen, da die wenigen aus der alten Generation noch übrigen Räthe sonst unter der Last der Geschäfte erliegen würden. Wenn auch nicht immer der Gunst, so erfreute J. sich doch stets des uneingeschränkten Vertrauens seines Herrn, der, mindestens in der innern Politik, während der Jahre 1655–82 wenige Dinge von Bedeutung vorgenommen hat, über die er nicht vorher das Urtheil dieses Mannes eingeholt hätte. Paul v. Fuchs, der bei seinem Tod gewissermaßen an seine Stelle trat, war, so fein er sein mochte, doch entfernt nicht von jener innern Festigkeit und Klarheit, um ihn ganz zu ersetzen, und die Lücke, die damit im Dienst des Großen Kurfürsten eintrat, blieb unausgefüllt.

[762] J. G. Droysen, Gesch. d. Preuß. Politik III. 2. 221 v. Orlich, Gesch. des Gr. Kurfürsten I, 250 ff. Isaacsohn, Gesch. des Preuß. Beamtenthums II, 202–239, 254 ff. Cosmar u. Klaproth, Der Preuß. Geh. Staatsrath 359. Urkunden u. Aktenst., Bd. V. 902, 33, 69, 71. VII, 401 ff., 530, 574, 727 ff. Akten des Geh. Staats-Archivs zu Berlin.