ADB:Jacoby, Leopold
Stolze’schen) Stenographie, mit der er seit der ersten Bekanntschaft einen treuen, innerlich wie äußerlich lohnenden Bund einging: „sie schloß mir zuerst die Geheimnisse der deutschen Sprache auf, lehrte mich später in den Stenogrammen der beklatschten Redner das Wesen der Phrase erkennen, gab mir in den Jahren der Noth durch harte, mechanische Arbeit ein ehrlich erworbenes Brot und bewahrte mich vor Untergang“. In Berlin, wo er Ostern 1862 das Studium der Medicin begann, trat er nämlich schon im ersten Semester als Secretär in das stenographische Bureau des Abgeordnetenhauses ein, ward bald darauf Stenograph und Berichterstatter für das neugebildete parlamentarische Bureau der „Kölnischen Zeitung“, im folgenden Jahre für die bekannte große „Oldenbergische Kammercorrespondenz“. Betreffs seiner Fachstudien an der Universität sattelte J. nach vier Semestern, einem langgehegten Lieblingswunsche folgend, zu den Naturwissenschaften, speciell der Zoologie, um, wo er im Gebiete der Wirbelthiere und der Entomologie bei W. Peters bezw. Gerstäcker gründliche Studien machte, dazu in Physik bei Magnus und Dove. Jedoch hat er auch in Geschichte, Philosophie und Aesthetik bei hervorragenden akademischen Kräften Colleg gehört und dadurch wie durch private Beschäftigung mit Litteratur seinen Trieb zu schönwissenschaftlichem Interesse befriedigt. Publicistisch hat er sich sofort in den studentischen Anfängen ein Jahr als Redacteur einer wöchentlichen Turnzeitung, über zwei Jahre als der der „Stenographischen Trinkstube“, eines, in Stolzescher Schrift lithographirten, illustrirten humoristischen Wochenblatts, Organs eines gleichnamigen geselligen Vereins, den er mit Stolze’s besten Schülern mitbegründet hatte; Text nebst Illustrationen einer ganzen Nummer waren öfters sein alleiniges Werk. Am 13. November 1867 drei zoologische Thesen öffentlich an der Universität Halle auf Grund der Dissertation „Ueber den Knochenbau der Oberkinnlade bei den Aalen (Muraenoidei Müll.)“, die in demselben Jahre mit acht Tafeln Abbildungen im „Archiv für Naturwissenschaften, hrsg. von Giebel und Siewert“ sowie separat erschien. Darauf wandte er sich nach Marburg, um dort – mit Unterstützung eines Bruders – das einst aufgegebene Medicinstudium zu vollenden, da er eine wissenschaftliche Reise nach den Tropen plante. Im nächsten Frühlinge durchwanderte der schon im hessischen Hügellande entzückte Sohn der Ostsee-Tiefebene das Rheinland von Coblenz bis Straßburg mit reichen Eindrücken. Im Sommer 1870 kaum ausstudirt, wurde er als Assistenzarzt der freiwilligen Krankenpflege dem Etappencommando der deutschen Südarmee zugetheilt, blieb drei Monate im [617] großen Kriegslazarett zu Chalons, seit December im Reconvalescentenlazarett an der Südfront vor Paris in Schloß Trouseau, unter Anerkennung. Vom Einzugstage, 1. März 1871, brachte er mit Urlaub vier unvergeßliche Tage in der besiegten Hauptstadt zu – hier ist er durch das was er gesehen, berichtet er, Socialist geworden, die nach den Pariser Communeereignissen in Berlin von ihm beobachtete sog. Gründerperiode hat ihn darin befestigt. Der nach dem Friedensschlusse wieder in der Reichshauptstadt in die Oldenberg’sche Kammercorrespondenz Eingetretene blieb zwar bis 1877 deren Mitvertreter auf der Journalistentribüne des preußischen Landtags wie früher und nun des deutschen Reichstags, aber der Socialist in ihm entwickelte sich folgerichtig weiter. Er, der noch auf Seite 31 f. seiner „Weinphantasien“ 1869 (2. Aufl. 1870) in einem besonderen „Kaiserlied“ gesungen hatte: „Ich singe mir die Augen naß Und bringe jubelnd dieses Glas, Ich bring’s dem deutschen Kaiser. Es tönt ein Ruf, es dröhnt ein Wort In tausend Herzen fort und fort, Bald lauter und bald leiser: Daß wir des Bannes werden frei, Daß unsere Noth zu Ende sei, Komme Du bald, o Kaiser!“ – derselbe ließ, bei den Versammlungen des Lassalle’schen Berliner Arbeitervereins 1871 aufmerksamster Zuhörer und mit einem befreundeten städtischen Armenarzte (Dr. Herm. Joseph) Kellerwohnungen der Fabrikarbeiter und kleinen Handwerker besuchend, im December 1871 sein merkwürdiges Buch „Es werde Licht! Poesien“ erscheinen. Damit war der Uebergang dieses schwärmerischen Idealisten ins Lager der revolutionären Socialdemokratie, deren Theoretiker Lassalle und Marx er eingestandenermaßen bis dahin noch nicht gelesen, endgiltig vollzogen.
Jacoby: Leopold J., Dichter und Litterat, wurde am 29. April 1840 in der kleinen Kreis- und Fabrikstadt Lauenburg in Hinterpommern geboren, als ein Sohn des ungünstig gestellten vieljährigen Cantors und Religionslehrers der jüdischen Gemeinde. In einer glücklichen Kindheit, an die er oft, auch mit Versen, zurückgedacht, besuchte er die dortige Bürgerschule, deren Conrector Fitte, ein Burschenschafter und Turner, im Knaben idealen Drang erregte und ihn in Latein und die Grundlagen der Naturerkenntniß einführte. Seit 1854 unter großen Entbehrungen, nur durch Stipendien und Privatstunden in einem unheizbaren Erdgeschoß-Erker sein Dasein fristend, auf dem Gymnasium zu Danzig, lernte er schon am eigenen Leibe den harten Kampf des Lebens kennen. Dieser wies ihn auch auf die, dazumal noch wenig geübte Fertigkeit der (Der Erfolg dieses Büchleins, das rasch, wie im Vorwort zur 2. Auflage (Novbr. 1872) „constatirt wird, in deutschen Arbeiterkreisen festen Fuß gefaßt“ hat, entschied über Jacoby’s Zukunft. Zwar blieb J. noch bis 1877 als Parlamentsstenograph in Berlin thätig, aber er vertiefte sich immer mehr in die begeistert aufgenommenen Anschauungen und widmete sich gründlichen Studien „in den Zwischenräumen, welche die den größten Theil des Jahres dauernde, sehr angestrengte Thätigkeit als Stenograph und Berichterstatter in drei Parlamentshäusern mir übrig ließ, aber ich habe diese letzte, für mich mechanische Arbeit nicht als ein Hemmniß empfunden, vielmehr als einen Ansporn zu künstlerischem Schaffen“. Damals ist auch sein Prosa-Hauptwerk „Die Idee der Entwickelung“ entstanden und erschienen. Das Socialistengesetz vom Jahre 1878 traf J. nicht mehr im Vaterlande, erreichte aber sein Gedichtbuch „Es werde Licht!“, das, schon zwei Tage nach dem Erlaß jenes Reichsgesetzes am 23. October 1878 die lange Liste der im „Deutschen Reichsanzeiger“ verbotenen Bücher eröffnete. Für J. selbst hatte ein ziemlich ruhe- und wol auch planloses Wanderleben begonnen. Nach kurzem Aufenthalt in Zürich ging er 1877 nach Triest, wo er auf der Zoologischen Station mit einer Fachaufgabe betraut wurde. Aus selbsterworbenen Mitteln machte er einen Forschungsausflug nach den Po-Lagunen, wovon die Broschüre „Ein Ausflug nach Comacchio“, die er in Triest 1881 drucken ließ, erzählt, während seine Ergebnisse das Heft „Der Fischfang in der Lagune von Comacchio, nebst einer Darstellung der Aalfrage. Mit 2 (1 lithogr. u. 1 Holzschnitt-)Taf.“ anläßlich der ersten internationalen Fischereiausstellung in Berlin 1880 zusammenfaßte, auf sein Promotionsthema mit der fachmännischen Behandlung der heute allbeliebten Delicatesse anguilotti di Comacchio zurückgreifend. Die Gestaltung der politischen Verhältnisse im deutschen Reiche und Oesterreich veranlaßte J. 1882 über das große Wasser, wo er in Californien mehrere Geschwister ansässig hatte, zu gehen: er wandte sich nach Cambridge bei Boston mit seinem berühmten Harvard College. In Studentenkreisen und Familien ertheilte er [618] dort Privatunterricht wie vorher in Triest, in erstere eingeführt durch einen seiner Schüler, den poetischen Studenten Augustus Lord, der beim Studienabschlusse im ältesten Akademikerblatte der Universität einen warmen Artikel „A German Poet“ über Jacoby’s Poesie, besonders seine „Weinphantasien“, veröffentlichte. Eine Schülerin Jacoby’s, die in den nordamerikanischen Südstaaten geborene, in Ostindien aufgewachsene, in England und Hannover erzogene Edith, hat ihn in Cambridge zu der herrlichen Dichtung „Çunita“ begeistert, welche er, auf Grund eindringlicher Bibliotheksstudien zu Harvard und Boston, ausführte. Nach deren Vollendung kehrte er noch in den Achtzigern aus unbezwingbarer Sehnsucht zur alten Culturwelt nach Europa zurück und ließ sich in Mailand nieder, das ihn durch seinen demokratisch-arbeitsamen Geist und das Wirken Leonardo da Vinci’s, seines Ideals von Jugend an, anzog. Durch das Entgegenkommen des Präsidenten und einiger Professoren der Reale Accademia scientifico-letteraria hielt er an dieser außer deutschem Unterricht litterarhistorische Vorlesungen in deutscher Sprache, so 1888–92 über Goethe’s „Faust“, der da in Italien wol zuerst in deutscher Sprache erklärt wurde, und „Geschichte der romantischen Schule in Deutschland“, etwa seit 1890 als wirklicher Docent. Immer blieb seine ganze Position arg precär und der Fünfzigjährige mußte sich in harter Arbeit mit Sprachunterricht – hatte er ja an Ort und Stelle sich Englisch wie Italienisch völlig angeeignet – daneben Ordnen einer Bibliothek, Ausarbeiten von Wissenschaftskatalogen für eine Buchhandlung u. ä. durchschlagen. Eine mathematische Idee, ihn seit Jahren beschäftigend, gelangte zu vorläufigem Abschlusse. Ueberanstrengung im Herbste 1891 und dem folgenden Winter, ihn bis neun Stunden täglich beanspruchend, warf J. im Frühling 1892 auf dem Wege zur Akademie mit einem Schlaganfall nieder. Er übersiedelte im selben Jahre nach Zürich, wo er sich nur langsam von dem schweren Leiden erholte, doch blieb die rechte Seite bis zu gewissem Grade gelähmt. Dieser Zustand drückte aber nur zeitweilig auf diesen Stimmungsmenschen, der Klagen von sich wies, vielmehr in unverwüstlichem Optimismus und Idealismus den festesten Glauben an das Gute im Menschen, an dessen geistige und seelische Fortentwicklung hegte und sich im einsamen Martyrium eines bescheidenen Zimmerchens im Vororte Hottingen kindlich erfreute an gelegentlichen überdeuteten höflichen Anerkennungen und der Theilnahme der wenigen wirklichen Freunde – Karl Henckell, Otto Erich Hartleben, welcher in Berlin dem unglücklichen Dichter und Traumgeiste Freunde warb ihm im letzten Lebensjahre die Sorge um Alltagsbrot zu erleichtern, Mathieu Schwann, Gustav Maier, Minna Geith, die enthusiastisch eine Jacoby-Biographie und -Anthologie (s. u.) zusammengestellt hatte, u. a. Er fühlte im Siechthum und besprach das Nahen des Todes, und unter sechs schweren Krampfanfällen eines halben Tages noch scherzend, hauchte J. am 20. December 1895 im Zürcher Krankenasyl Neumünster heldenhaft seine schönheitsdurstige und schönheitsgläubige Seele aus.
Jacoby’s Unstern war als Kämpfer ein Mangel an Geschick, die Fülle seiner Gaben geltend zu machen, sodaß sein reiches Talent, nachdem er’s, zumal durch sein freiwilliges Exil, mit der bürgerlichen Gesellschaft verschüttet, auch im socialistischen Lager im Dunkel blieb, trotz der wiederholten Auflagen seiner mehrfach erwähnten ideal-revolutionären Dichtung. Erst ganz zuletzt errang er im Kreise der socialistisch angehauchten Litteratenschar eine gewisse Popularität, nachdem der großentheils immerhin nicht leicht faßliche Text des Buchs „Es werde Licht!“, zufolge Jacoby’s eigenem Ausdrucke „von den Gesichtern der Berliner Arbeiter abgeschrieben“, vielfach „von den Massen gelesen“ worden war, schließlich kam auch beim lesenden Manne des vierten Standes selbst [619] Jacoby’s Name zu Ehren. So ward er mehrfach als „der Dichter des Proletariats“ bezeichnet. Dieses von Anfang an durch alle Auflagen (1. Aufl. 1872; 2. 1873; 3. 1887; 4. 1893) unverändert gebliebene Büchlein enthält in seinem größten Theile gereimte freie Strophen in der Fr. Rückert nachgebildeten Form einer deutschen Makame[WS 1] „Aus Berlins Vorzeit. (Eine persische Erzählung)“: mit hervorragender Sprachkunst und poetischer Kraft stellt hier der Dichter durch den Mund eines Märchenerzählers, der von einer Weltreise vor 400 Jahren an den Hof des Perserschahs heimgekehrt, an dessen Hof eine angeblich selbsterlebte Reihe Berliner Volksscenen anläßlich einer Fürsteneinholung dar. Daran angehängt sind die ungebundenen Rhythmen „Klage“ und „Der deutschen Sprache Lobgesang“, wo mit wärmsten Tönen, in öfters halbbiblischer Gleichnißanschaulichkeit das Elend der Mühseligen und Beladenen behandelt wird von einem Manne, sagt M. Schwann’s Nekrolog, „der nicht bloß Verse machte, sondern seine Dichtungen lebte“. Im ganzen erscheint uns heutzutage jenes Verbot auf Grund des Gesetzes „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Socialdemokratie“ kaum verständlich; denn nicht nur haben diese Poesien mit Politik, mit Fragen moderner Discussion keinerlei directen Zusammenhang, sie stehen auch an agitatorischer Schlagkraft und radicaler Ausdrucksweise weit hinter den Gedichten der Neueren, M. R. v. Stern’s, J. H. Mackay’s , K. Henckell’s und ihrer geringeren Genossen, desgleichen hinter den Aelteren der vorrevolutionären Periode wie Freiligrath u. s. w. erheblich zurück. Der Band meist munterer „Weinphantasien von Leopold Jacoby (J. Leopold)“, 1869 zum 1., 1870 zum 2. Male erschienen, enthält eine Menge netter und gewandter, sachlich ganz harmloser Lyrik, die aber längst völlig vergessen scheint. Wie diese ist dem ausstudirenden Mediciner im lieblichen Marburg entstanden: „Das Lustspiel. Lustspiel mit Prolog in drei Aufzügen“ (1870), ein modernes Universitätsstück; obwol es die Prüfungscommission auf der Lustspielconcurrenz zu Hamburg unter 182 als das nächstbeste nach dem preisgekrönten hervorhob und die Berliner „Demokratische Zeitung“ auf die ungewöhnliche Natur und Bedeutung hinwies, ist vielfach wiederholte Bemühung zur Bühnenaufnahme gescheitert. 1880 in Triest entstanden ist das in freien Versen abgefaßte bürgerliche Trauerspiel „Der Uhrmacher von Danzig“ mit manchem modern symbolistischen Klange, das nie in die weitere Oeffentlichkeit gedrungen ist. Jacoby’s stärkste dichterische Leistung ist „Çunita. Ein Gedicht aus Indien“, 1884 als Pracht-, nach Jacoby’s Tode, 1896 als Volksausgabe (mit biograph. Vorwort von K. Henckell u. Porträt) gedruckt. Diese Hauptschöpfung Jacoby’s offenbart in der Hülle einer indischen, freierfundenen Erzählung als Kern eine reine Humanitätsidee ohne jeden politischen Einklang und ist von den großen Indologen O. v. Böhtlingk und Max Müller, in ästhetischer Hinsicht von Fr. Vischer, Daniel Sanders und J. V. Widmann hoch gerühmt worden; letzterer treffliche Dichter und Kritiker äußerte u. a.: „Wer mitten in allem Weltlärm sich den Sinn bewahrt hat für eine Poesie, die schlank und blank wie die Lilie emporstrebt, der lese diese Dichtung … ein weihevolles Gedicht, das man als ein poetischess Andachtsbuch bezeichnen darf.“ Die „Deutschen Lieder aus Italien“ (1892) setzt zu einem Drittel „Ein Cyklus Fannylieder“, zu zwei Drittel die Serie „Aus Gegenwart und Zukunft“ zusammen: in ersterem verschieden gestimmte gesetzte Liebeslyrik, in dem zweiten Abschnitte Naturbilder und allerlei Kritisches aus der Zeit des Dichters, der am Ende in den fünf schwung- und gedankenvollen „Weltalls-Liedern“ und der „Vision“ „der Menschheit Frührot“ über der Gesammtschöpfung aufdämmern sieht, vielfach Shelley, den ein Beurtheiler [620] intoxicated with eternity genannt hat, mit seinen Naturphantasien vergleichbar.
J. hat als Dichter überall, auch wo er schmerzbewegt vom Elend dieser Erde und dem Los der Enterbten des Schicksals singt, das Banner des Idealismus hochgehalten, die Hoffnung auf einen versöhnlichen Ausgleich und Ausklang in der Zukunft begeistert kundgegeben. Dieser selben Ueberzeugung dient auch sein Werk „Die Idee der Entwickelung. Eine socialphilosophische Darstellung“ (2 Teile, 1874/76; 2. Aufl. 1886/87) welches, auf ausgedehnteste Vorstudien gestützt, Darwin’s und Karl Marx’ Lehren selbständig unter höherem philosophischen Gesichtspunkte zu vereinigen strebt, vom fortentwickelten Menschheitsbewußtsein und dessen Niederschlag in menschlicher Organisation aller Räthsel und Geheimnisse Lösung erwartet. „Aber“, bemerkt Schwann dazu mit Recht, „Dichter blieb er dabei doch, ein Mann der schöpferischen, hinreißenden Phantasie. Das nimmt dem Buche gewiß nichts von seinem Werthe und seiner Eigenart, im Gegentheil. Nur … daß man hinter dem Buche nichts anderes suche als Jacoby zu geben beabsichtigte.“ Auf litterarhistorischem Felde hat er drei Schriften veröffentlicht, die größtentheils auf Vereinsvorträgen beruhen: „Die deutsche Makame“ (1883; 2. Aufl. 1886), „Ueber die Nachahmung der Naturstimmen in der deutschen Poesie“ (1880 in Frommel-Pfaff „Sammlung von Vorträgen“), „Annette von Droste-Hülshoff, Deutschlands Dichterin. Studien“ (1889); sie sind temperamentvoll wie alles was J. verlautbaren ließ, und sogar auch im Material nicht unverdienstlich. Ins Deutsche übersetzt hat J. 1894 Adolfo Rossi’s Broschüre „Die [socialdemokratische] Bewegung in Sicilien im Hinblick auf die letzten Verurtheilungen“: seine letzte größere litterarische Arbeit, eine geschickte Uebertragung des spannenden Büchleins ohne eigene Zuthat.
Alles Wesentliche zum Lebens- und Charakterbilde, wenn auch in ungewöhnlich halbbelletristischer Form, fesselnd, großentheils von seiner eigenen Feder, zusammengestellt in: „Leopold Jacoby. Ein Lebensmärchen. Aus Mittheilungen, Briefen und Schöpfungen erzählt von Minna Geith“ (1893; mit demselben Porträt wie die 4. Aufl. von „Es werde Licht“, welche für den werdenden Socialisten dasselbe Autobiographische angibt). Kurze Biographie und Charakteristik bei Ad. Kohut, Berühmte israelit. Männer u. Frauen II (1900) S. 14 f. Lebensskizze nach Originalnotizen bei Brümmer, Lex. d. dtsch. Dchtr. u. Pros. d. 19. Jhrhs.5 II, 530 f. Noch bei Lebzeiten geschrieben der Artikel Gustav Maier’s „Dichter-Schicksal“ i. d. Wochenschrift „Ethische Cultur“ III, Nr. 28 (13. Juli 1895), S. 222; vgl. dazu „Jhrsbrcht. f. neuere dtsch. Litrtrgsch.“ VI, IV 2b154. Nachrufe: B. Marquardt i. „Der Socialistische Akademiker“ II (1896), S. 38–44; M. Schwann i. „Magazin f. Litteratur“ v. 1896 Nr. 2 S. 47–50, welch letzterer ebenda Nr. 33 S. 1013–17 einen warm emphatischen Erguß über den Schönheitssinn und Menschheitsglauben im Poem „Çunita“ und seinen Verfasser Jacoby lieferte. Jacoby’s „Deutsche Lieder aus Italien“ würdigt Rob. Schweichel in der „Neuen Zeit“ X, 1. Bd., S. 771/78. Die litterarhistorischen Handbücher, selbst die registrirenden Nachschlagebücher schweigen ihn sämmtlich tot außer R. M. Meyer, Die dtsch. Litteratur d. 19. Jhrhs., S. 783 f.; vgl. dazu dessen „Grundriß z. G. d. d. L. d. 19. J.“ S. 218 Nr. 4070. Der Geburtstag u. a. Daten nach Jacoby’s eigenem „Lebenslauf“ hinter seiner Doctordissertation S. 43. Die hauptsächlichen Tendenzgedichte allgemein-freiheitlicher und socialistischer Richtung hat K. Henckell ins „Buch der Freiheit“ I (1893) S. 233–51 aufgenommen, 7 Proben m. Bildn., Lebens- u. Charakterskizze, Bibliographie als II Nr. 14 seiner Vierseiten-Flugblätter „Sonnenblumen“ 1896 von Henckell, Charakteristik [621] u. „D. d. Spr. L.“ Anfang in seine „Modernen Dichterabende“ (1895) S. 96 bis 101, Gedichte auf oder an J. in „Diorama“ (1890) S. 257, „Mein Liederbuch“ S. 94. – Mitthlgn. von Freund Henckell u. J.’s Verleger M. Pößl.