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Artikel „Isenbiehl, Johann Lorenz“ von Franz Heinrich Reusch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 618–620, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Isenbiehl,_Johann_Lorenz&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 17:45 Uhr UTC)
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Isenbiehl: Johann Lorenz I., katholischer Theologe, geb. 1744 zu Heiligenstadt im Eichsfelde, gest. am 26. Decbr. 1818 zu Oestrich im Rheingau, bekannt durch die Verfolgungen, welche ihm die Vertheidigung der Ansicht zuzog, die Stelle bei Jesaja 7, 14 („Die Jungfrau wird einen Sohn gebären etc.“) beziehe sich weder nach dem literalen noch nach dem typischen Sinne auf Maria, vielmehr auf „ein damals unverheirathetes, später in der Ehe gebärendes Frauenzimmer“ und bei Matth. 1, 22. 23 würden diese Worte nicht als Weissagung citirt, sondern „als ein analoges Beispiel oder eine bloße historische Anmerkung angeführt“. – Nachdem I. in Mainz zum Priester geweiht worden, wurde er 1769 zum Missionar (Seelsorger der katholischen Gemeinde) in Göttingen ernannt. Er setzte dort mit Gutheißung und Unterstützung des Kurfürsten von Mainz, Emmerich Joseph von Breidenbach, seine Studien fort und hörte namentlich bei J. D. Michaelis Orientalia; er veröffentlichte 1771 „Beobachtungen von dem Gebrauch des syrischen Puncti diacritici bei den Verbis“. Bei der neuen Organisation des Unterrichtswesens in Mainz im J. 1773 wurde er von dem Kurfürsten zum ordentlichen Professor der morgenländischen Sprachen und der Erklärung der h. Schrift ernannt. 1774 gab er eine „Chrestomathia patrum graecorum“ heraus, wozu er in Göttingen das Material gesammelt hatte. In demselben Jahre sprach er seine Ansicht über die Stelle des Jesaja in exegetischen Thesen über das Matthäus-Evangelium aus. Für diese Thesen verweigerten aber die theologische Facultät und der Censor ordinarius die Druckerlaubniß; zugleich wurde er wegen derselben bei dem Kurfürsten denuncirt. Dieser begnügte sich damit, ihm bedeuten zu lassen: „daß er vielleicht in thesi Recht, in hypothesi aber Unrecht habe; weil man aber bei den neuen Schuleinrichtungen alles vermeiden müsse, wodurch Unruhen erregt werden könnten, solle er zur Zeit noch bei dem alten System bleiben“. Am 11. Juni 1774 starb der Kurfürst. Schon am folgenden Tage wurde von dem Domcapitel gegen I. eine Untersuchung eingeleitet, und gleich nach dem Regierungsantritt des neuen Kurfürsten Friedrich Karl Joseph von Erthal (gewählt am 18. Juli 1774) wurde er seiner Professur entsetzt und angewiesen, zwei Jahre im erzbischöflichen Seminar Theologie zu studieren, „als worin er seine Unerfahrenheit gezeigt“. In diesen Jahren arbeitete er ein „Corpus decisionum dogmaticarum ecclesiae catholicae“ aus, welches 1777 in Constanz gedruckt erschien (in der Vorrede stellt er auch eine Concordanz zur Vulgata in Aussicht, die indeß nicht erschienen ist). Schon 1775 sandte er eine ausführlichere Darlegung seiner Ansicht über die Stelle des Jesaja in Abschrift an den Abt Rautenstrauch, 1777 an den Weihbischof Hontheim und an Dalberg, damals Statthalter in Erfurt. Die beiden ersteren antworteten ihm, sie fänden darin nichts Heterodoxes; Dalberg schickte die Schrift an den Professor Oberthür zu Würzburg, der sich sehr günstig darüber aussprach (le Bret, Magazin VIII, 22). Eine Abschrift gerieth 1775 auch in die Hände der Wiener Censurbehörde und wurde von ihr als opus falsum, temerarium et erroneum taxirt. – Nachdem I. 1777 zum Professor der griechischen Sprache an der mittleren Schule in Mainz ernannt worden war, mit einem Gehalt von 100 Gulden und mit der Weisung „bei seinem Unterrichte sich der h. Schrift gänzlich zu enthalten“, verkaufte er das Manuscript seiner Abhandlung für 100 Gulden an den Buchdrucker Huber in Coblenz. Dieser veröffentlichte sie [619] mit kurfürstlich trierischer Druckerlaubniß unter dem Titel „Joh. Lor. Isenbiehl’s Neuer Versuch über die Weissagung von Emmanuel“ ; auf dem Titelblatte steht ohne Angabe des Druckorts und Verlegers das J. 1778; die Vorrede ist vom 27. Oct. 1777 datirt. – Schon Ende November 1777 wurde I. in Mainz ins Verhör genommen; er bekannte sich als Verfasser der Schrift und antwortete auf die Frage, weshalb er in Mainz keine Approbation nachgesucht: nach den Vorschriften des trienter Concils sei das Sache des Druckers. Die Schrift wurde der theologischen Facultät in Mainz vorgelegt und von dieser nach acht Tagen das Gutachten abgegeben: die Schrift enthalte falsche, ärgernißgebende, für fromme Ohren verletzende und des Socinianismus verdächtige Sätze; der Verfasser sei über seine Rechtgläubigkeit zu vernehmen und eventuell zur Ablegung des tridentinischen Glaubensbekentnisses anzuhalten. Sofort wurde I. am 18. Dec. 1777 suspendirt, ins Gefängniß des Vicariatsgerichtes abgeführt und zehn Tage darauf die förmliche Untersuchung gegen ihn eingeleitet. Die Bitte mehrerer Domherren, ihn gegen Caution frei zu lassen, wurde abgeschlagen. Durch eine kurfürstliche Verordnung vom 9. März 1778 wurde das Buch von I., weil es ohne Approbation seines Ordinarius und ohne Angabe des Druckortes und Verlegers erschienen, und wegen seines anstößigen Inhaltes verboten und befohlen, die Exemplare desselben abzuliefern. I. wurde, nachdem er das Glaubensbekenntniß abgelegt, am 13. März nach der Abtei Eberbach im Rheingau abgeführt, um dort 19 Tage Exercitien zu machen und dann bis auf weiteres internirt zu bleiben; die Suspension wurde aufgehoben. In den folgenden Monaten wurde Isenbiehl’s Buch auch in den Suffraganbisthümern von Mainz: Speyer, Worms und Fulda, und von einigen anderen deutschen Prälaten, auch von dem Kurfürsten von Trier verboten, und von den theologischen Facultäten zu Mainz, Heidelberg, Straßburg, Trier und Salzburg und von der Pariser Sorbonne, zum Theil sehr scharfe, Gutachten über dasselbe abgegeben (nur das Salzburger ist milde), die alsbald in Mainz im Druck erschienen. Am 2. Juli 1778 wurde das Buch auch von dem Reichshofrath verboten. Am 31. Juli 1778 entwich I. aus Eberbach und begab sich zunächst nach Kreuznach, dann nach Bließcastel, welches der Gräfin von der Leyen gehörte. Diese lieferte ihn nach Mainz aus, wo er wieder in das Gefängniß des Vicariatsgerichtes gebracht wurde. Unter dem 20. Septbr. 1779 erließ Pius VI. ein umfangreiches Breve über Isenbiehl’s Buch, welches als ein „sehr abscheuliches, falsche, verwegene, verderbliche, die Ketzerei begünstigende und ketzerische Sätze enthaltendes bei Strafe der dem Papste reservirten Excommunication zu lesen verboten wurde. Das Breve wurde am 30. Novbr. 1779 in Mainz publicirt und I. vorgelegt. Er unterzeichnete am 25. Decbr. 1779 eine Erklärung, worin er sagt: er habe seinen Versuch zwar in einer löblichen Absicht, der katholischen Kirche einen Dienst zu leisten, geschrieben; nachdem aber der heilige Vater ein dogmatisches Urtheil darüber abzufassen für gut befunden, erkläre er aufrichtig und offenherzig, daß er nunmehr sein Buch, da nach dem Ausspruche des heiligen Vaters darin falsche … Sätze enthalten seien, schlechterdings und ohne Rückhalt oder Ausnahme verwerfe und verdamme. Darauf wurde er freigelassen und nach Amöneburg versetzt, wo er im Mai 1780 ein Canonicat erhielt. Dieses verlor er später in Folge der Säcularisation; von 1803 an wurde ihm eine kleine Pension ausgezahlt. Im J. 1787 erschien noch von ihm der erste Band eines dogmatischen Werkes „De rebus divinis tractatus introducentes in universam V. ac N. Testamenti scripturam et theologiam christianam“. – In den Jahren 1778 und 1779 erschienen mehrere Streitschriften über die Isenbiehl’sche Angelegenheit, für ihn namentlich die „Katholischen Betrachtungen über die zu Mainz, Heidelberg und Straßburg … herausgebrachten [620] theologischen Censuren“ etc., nach Goldhagen von einem „Canonicus und Professor in Franken“ (Oberthür?). Der eifrigste litterarische Gegner Isenbiehl’s war der Exjesuit Hermann Goldhagen (s. Bd. IX, S. 333). In dem von ihm herausgegebenen „Religions-Journal“ und in einer Reihe von besonderen Beilagen zu demselben, 1777–79, finden sich auch am vollständigsten die Actenstücke und Besprechungen der Streitschriften.

Die neuesten Religionsbegebenheiten, 1778, S. 630. 719; 1779, S. 135. 448; 1780, S. 308. – Christ. W. Fr. Walch, Neueste Religions-Geschichte, 8. Theil (1781), S. 9. – Le Bret, Magazin VIII, 22. Ersch und Gruber.