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Artikel „Hunold, Balthasar“ von Anton Schlossar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 514–515, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hunold,_Balthasar&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 22:48 Uhr UTC)
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Hunold: Balthasar H., Dichter, wurde am 24. April 1828 zu Oberurnen (Kanton Glarus in der Schweiz) als Sohn eines armen Wildheuers geboren, woselbst er auch den ersten Unterricht in der Dorfschule erhielt. Daneben war er Viehhirt und half dem Vater bei seinem oft lebensgefährlichen Berufe. In der Winterszeit durchzog der Knabe als Hausirer das Gebiet seiner Heimath und erlernte sodann 1846 das Leinewebergewerbe. Da er eine hübsche Schrift hatte und auch sonst geistige Regsamkeit zeigte, die Stelle eines Schulmeisters aber durch den Tod in seiner Heimathgemeinde frei geworden war, so wurde er schon vorher als Schulmeistergehülfe mit 50 Gulden jährlichen Gehaltes daselbst angestellt, gab sich aber alle Mühe seine Kenntnisse zu erweitern und machte sich z. B. auch die französische Sprache zu eigen. Zwanzig Jahre alt kam H. 1848 nach Innsbruck und setzte seine Ausbildung auf dem dortigen Gymnasium fort, sich durch Privatlectionen das Leben fristend. In jener Stadt fand er besonders in dem Hause des Dichters Adolf Pichler die freundlichste Aufnahme. Dieser weckte auch in dem jungen begabten Manne den Sinn für Poesie und schon damals entstand eine Reihe von lyrischen Dichtungen Hunold’s. Nachdem er fünf Gymnasialclassen mit bestem Erfolge besucht und sich die Kenntniß der englischen Sprache angeeignet hatte, erhielt er wieder durch Pichler’s Vermittlung 1853 eine Stelle am tirol. Nationalmuseum „Ferdinandeum“, wo er bald zum Scriptor und 1879 zum Custos befördert wurde. Von der Aufmerksamkeit, mit welcher H. seinem Amte am Museum gerecht wurde, zeigt die wenn auch kleine aber inhaltreiche Arbeit: „Der Tiroler Maler Joseph Schöpf und seine Werke“ (Innsbruck 1875). Um jene Zeit malte Defregger Hunold’s Porträt, welches sich heute noch im Museum befindet. Leider sollte der begabte Poet kein langes Lebensalter erreichen, er starb während eines Aufenthaltes in seinem Geburtsorte Oberurnen am 26. Juni 1884.

Es liegt keine lange Reihe poetischer Werke von H. vor, nur eine Zahl von Gedichtbändchen mäßigen Umfanges, aber diese bieten genügend Einblick in das poetische Denken und Fühlen des Mannes, der, was Form und Inhalt betrifft, sich darin als ein gewandter, tief empfindender, auch seine mannhafte Gesinnung nie verleugnender Dichter zeigt. Die erste Sammlung „Lyrische Gedichte“, mit nur 25 Seiten Umfang, ist 1853 erschienen. Als neue, stets vermehrte Auflagen folgten: 1856 „Gedichte“, neuerlich vermehrt 1861 in dritter Auflage und schließlich unter dem Titel „Wache Träume“, 256 Seiten stark in fünfter Auflage 1875. – Außerdem liegen vor die poetisch gefaßten „Haller Spaziergänge“ (1878) und „Innsbrucker Spaziergänge“ (1883). Viele seiner Dichtungen sind gar nicht oder erst spät zum Drucke gelangt, so z. B. das von so inniger Liebe zur Tiroler zweiten Heimath zeugende, zu Herzen gehende epische Gedicht „Der Wirth an der Mahr“, welches erst in der 5. Auflage der Gedichte abgedruckt, aber viel früher entstanden ist.

Die Lieder, welche H. gedichtet, zeichnen sich durch vollendete Form und edlen Inhalt aus. Er besingt die Schönheit der Natur seines Schweizer Vaterlandes, aber auch seines zweiten Vaterlandes Tirol, das er tief ins Herz geschlossen. Seine freiheitliche Gesinnung tritt in einigen der schönsten Gedichte kräftig zu Tage und läßt den Dichter verächtlich auf charakterlose Schwächlinge herabsehen, welche nur um die Gunst der Höheren buhlen und feig jedes kräftige Wahrwort unterdrücken. Als der Staatsminister an den von H. veröffentlichten Versen Interesse zeigte, in welchen er die Constitution feierte und einen freundlichen Brief an den Poeten richtete, war die Antwort des Dichters in einem Gedichte „Zur Constitutions-Feier. Zweites Wort an den Minister“, in der abermals dessen Freisinnigkeit verherrlichenden Strophen enthalten, die aber [515] mit den Worten abschlossen: „er (der Dichter) bittet Dich um kein Gunst, – Du kannst ihn nicht zum Feste laden, denn nicht auf Dir ruht sein Geschick; beim Throne bettelt keine Gnaden der freie Sohn der Republik“. Diese republikanische Gesinnung und die idealste Freiheitsbegeisterung leuchtet aus allen jenen Gedichten Hunold’s hervor, die einen politischen Anstrich haben. Auch eine Zahl inniger „Lieder der Liebe“, manche in der Form des Sonetts, bietet der Dichter, dessen Liebe nicht erwidert wurde, worüber manche Klage in den entstandenen Liedern zu Tage tritt. Einige seiner Dichtungen zum Preise des Schweizerlandes sind in der heimischen Mundart des Landes von Glarus abgefaßt und zeigen uns H. auch als gewandten Dialektpoeten. H. hat den späteren Auflagen seiner Gedichte auch eine Reihe überaus gelungener Uebertragungen von Dichtungen aus dem Englischen Byron’s und zumal Longfellow’s eingefügt. Durch letztere ist er in persönliche Beziehungen zu dem amerikanischen Poeten getreten, der ihm bei einem Besuche in Innsbruck 1869 seinen Dank für die hübsche Uebersetzung auch mündlich abstattete. Aus den letzten kleinen Gedichtsammlungen Hunold’s sind die „Innsbrucker Spaziergänge“ dem Preise des schönen Tiroler Landes und namentlich der bemerkenswerthesten Punkte der Stadt und Umgebung Innsbrucks gewidmet. Die „Haller Spaziergänge“ weisen manche humoristische und sarkastische Verse etwa in Heine’s Manier auf.

Eine übersichtliche Skizze über Hunold’s Leben und Dichten hat der Tiroler Culturhistoriker Dr. Ludwig v. Hörmann (anonym) in Amthor’s Zeitschrift „Der Alpenfreund“, III. Bd., Gera 1871 unter d. Titel: „Ein Schweizer Dichter“ veröffentlicht, dem auch ein gutes Porträt des Poeten beigefügt wurde. – Sehr beachtenswerth erscheint in dem Buche Adolf Pichler’s: „Aus Tagebüchern 1850–1899“ (München 1905), was der bewährte Freund und Gönner Hunold’s über denselben dort S. 197 ff. mittheilt. – Vgl. auch Brümmer, Lexikon d. deutschen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrhunderts (Leipzig 1896), Bd. I, S. 215. – Kurz, Geschichte der deutschen Litteratur, Bd. IV (1872), S. 43.