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Artikel „Herwegen, Peter“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 263–265, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Herwegen,_Peter&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 18:58 Uhr UTC)
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Herwegen: Peter H., Maler, Zeichner, Lithograph, geboren am 15. Februar 1814 zu Köln a. Rh., † am 28. December 1893 in München, erhielt in seiner Heimath den ersten Unterricht im Zeichnen und Malen bei E. Mengelberg 1826–1830, wobei er sich frühzeitig auf eigene Füße stellte. Im Jahre 1837 kam H. über Frankfurt nach München, angezogen von der damals hochflorirenden Aera, welche sich gern im Spitzbogenstil erging, eine Richtung, die Herwegen’s ganzes Sinnen und Trachten mit der freudigen Begeisterung eines echten Kölners erfaßte. Sein erfindungsreicher, origineller Geist schuf eine fast zahllose Reihe von Gedenkblättern, Diplomen, Geschäftsanzeigen, Adressen, Visitenkarten, die er theilweise im Sinne mittelalterlicher Miniaturmalerei auf Pergament ausführte oder durch Steinstich, Radirung und Farbendruck zur Vervielfältigung brachte. So arbeitete H. längst schon vor Gründung des „Kunstgewerbe-Vereins“, wozu er übrigens in erster Reihe wesentlich beitrug und zu dessen thatkräftigsten und anregendsten Mitgliedern er lange gehörte, an der Veredlung des Geschmacks, indem er bereitwillig für Handwerker und Gewerbemeister strenge, stilgerechte Zeichnungen entwarf. Dabei ging er als Praktiker beim Bau seines in der Heustraße gelegenen Hauses, dessen Aussicht damals noch die ganzen Alpenkette beherrschte, mit dem besten Beispiele voraus, da, nach dem vollsten Sinne des Wortes, jeder eingeschlagene Nagel nach seiner Zeichnung gefertigt war. Ebenso wurden alle, die Innenwände schmückenden Teppiche und Tapeten, die ganze Schreiner-, Glaser-, Schlosser- und Steinmetzarbeit genau nach seinen Mustern ausgeführt – ein unvergleichliches, freilich nicht immer bequemes, aber liebenswürdiges, trautes und anheimelndes Bijou. Auch durch kluge Berechnung aller Verhältnisse und die gewissenhafteste Ausnützung derselben wußte er ganz besondere Effecte zu erzielen, so daß ein beziehungsweise kleiner Raum doch noch als „Rittersaal“ überraschte.

Obwol ein feuriger Bannerträger der Gothik, welche er nach dem Vorbilde von Friedrich Hofstadt (s. A. D. B. XII, 618) und Daniel Ohlmüller (ebd. XXIV, 185) viel gründlicher erfaßte als andere fanatische Anhänger dieser nur zu bald wieder ins Kraut schießenden und insbesondere in der religiösen Kunst schnell verholzenden Richtung, bequemte er sich doch auch zur Pflege anderer Stilarten, ohne deshalb seinen Idealen treulos zu werden. Zu seinen besten Leistungen gehören die Zeichnungen zum kunstreichen Schrein für das sog. König-Ludwig-Album, zwei Werke, welche bei der Enthüllung des Riesenstandbildes der „Bavaria“ dem hochgefeierten Maecen überreicht wurden und nach dem Tode des Monarchen als sehenswerthe Zierstücke dem Kupferstich- und Handzeichnungscabinet einverleibt wurden. Herwegen’s unermüdliche Hand lieferte eine Menge Entwürfe zu Standarten, Pokalen, Prunk- und Hausgeräth, welche im Wetteifer mit Eugen Neureuther und Franz Seitz in die Welt gingen. An allen Fragen und Angelegenheiten der Münchener Kunstgenossenschaft nahm H. den regsten Antheil; die decorative Einrichtung der Kneipherberge zum alten „Stubenvoll“ am Anger und die architektonische Inscenirung des darauf folgenden Künstlerheims im sogenannten „Café Schafroth“ waren größtentheils sein Werk. Für Dr. Trettenbacher, den kunstsinnigen praktischen Arzt, lieferte H. die zu einem originellen [264] Arbeitspult, ebenso sämmtliche Entwürfe zu dessen Gartenhäuslein, ein Wunderwerk subtiler Invention. H. zeichnete außer zahlreichen Porträts auch viele Bildnisse, z. B. die „Pilgerfahrt des Herzogs Eberhard“ nach Gegenbauer (1848) und Schraudolph’s „Ruth“ (1863 für den Salzburger Kunstverein) auf Stein, dann lieferte er Blätter zu den Prachtwerken über die Münchener Ludwigskirche, für G. Pezolt’s „Hohen-Salzburg“, gravirte mit Rheingruber u. A. die Glasgemälde der Auerkirche und publicirte eine Reihe von kunsthistorischen Denkmalen aller Art. Zu seinen eigensten Leistungen gehören beispielsweise das Erinnerungsblatt an die sechste Säcular-Feier der Grundsteinlegung zum Kölner Dom (1868), die goldene Chronik von Rákoczy, das Blatt „Zum Cannstatter Volksfest“ (1852), die prachtvolle „Aufnahms-Urkunde zum Stubenvoll“ (1848), welche dann häufig als Zimmerschmuck unter Glas und Rahmen bei den Mitgliedern prangte; das köstliche Gedenkblatt an den großen zur Enthüllung des Bavaria-Standbildes am 9. October 1850 veranstalteten Künstlerfestzug; zur Eröffnung der Industrieausstellung (1854) und das Diplom aus Anlaß der 7. Säcular-Feier der Stadt München (1858), zum Schützenfest (1863) u. s. w. Seinen Bemühungen gelang auch die Errichtung eines freilich sehr bescheidenen „Senefelder-Denkmals“ auf dem Sendlingerthorplatz (1877), wobei H. als Festredner hervortrat.

Im J. 1869 traf ihn der harte Schlag, seinen einzigen Sohn Ernst H. (geb. 1845), welcher völlig in die Fußtapfen seines Vaters zu treten versprach, durch raschen Tod zu verlieren, doch ersetzte die Lücke alsbald in überraschender Weise die Kunstbegabung seiner Tochter Veronica Maria H. (geb. am 30. November 1851), welche als geistvolle Architekturmalerin, auch im coloristischen Sinne als Schülerin Lindenschmit’s, mannhaft sich hervorthat und einen achtungsvollen, ausgezeichneten Namen gewann. – Zu Herwegen’s besonderen Eigenschaften gehörte eine unerbittliche Geradheit, womit er seine Meinung und Ueberzeugung stets laut und vernehmlich kundgab. Es war ihm nicht gegeben, gleich Moriz v. Schwind, mit eleganter Grazie seine jeweilige Laune sprudeln zu lassen; H. ließ seinen Unwillen dick heraus, so daß Jakob Heinrich v. Hefner-Alteneck, der auch bisweilen, immer aber sehr vorsichtig in diesem Artikel sich bethätigte und dann jedes Mal zuerst seine eigne Person in scurriler Manier einführte, über H. herausplatzte, derselbe sei in seiner Kunst zwar ein Zuckerbäcker, sonst aber ein Grobschmied. Gleich dem Wiener Porträtmaler Fr. Amerling erschien H. stets in Sammtjacke mit einem quastengezierten hellen Schlapphut; eine kleine, später etwas embonpointirte, stadtbekannte Persönlichkeit. Zu seinen neidenswerthen Vorzügen gehörte, nie durch eine Krankheit behelligt zu werden, bis endlich doch eine heftige Lungenentzündung nach kurzer Qual sein kräftiges Leben brach. Kurz zuvor war es ihm noch beschieden, das Fest seiner goldenen Hochzeit zu feiern. – Die richtige Aussprache seines Namens war, zu seinem großen Verdrusse, nicht Jedem gegeben; das Wort war weder als Daktylus, noch als Anapäst, noch weniger als Cretikus oder Antibachius, sondern als echter Molossus zu betonen. Sein Andenken bleibt gewiß immer als das eines Ehrenmannes in treuer Erinnerung. Sein schöner Garten und sein köstliches Haus verloren durch Vorbauten bald die reizende Fernsicht, schließlich mußte auch das ganze unvergleichliche Anwesen der Straßenerweiterung und stattlichen Neubauten weichen. Eine bloße Ahnung des Kommenden hätte ihm zu Lebzeiten das Herz zersprengt.

Vgl. Vincenz Müller, Handbuch f. München, 1845, S. 137. – Merlo, Kölner Künstler, 1850, S. 176. – Maillinger’s „Bilderchronik“ registrirt (1876) an vielen Stellen, insbesondere II, 4163 ff. über 40 meist vielblätterige [265] Nummern und Werke, ohne nur annähernd eine Vollzähligkeit zu erreichen. – Nagler’s Monogrammisten, 1861, III, 534 ff. (Nr. 1356) verzeichnen nur 11 Blätter. – Seubert, 1878. II, 213 thut den ganzen Mann mit 7 Zeilen ab; in H. A. Müller’s Biogr. Künstler-Lexikon 1882 fehlt der Name ganz; sehr kurz behandelt ihn v. Bötticher, 1895. I, 514 und Merlo-Firmenich-Richartz in Kölner Kunstler, 1895, S. 346. – Vgl. die gleichlautenden Nekrologe in Nr. 361 d. Allgem. Ztg., 30. December 1893 und im Kunstvereinsbericht f. 1893, S. 77. – Luise von Kobell erwähnt einen Entwurf für die geplante Burgcapelle auf Neuschwanstein, als Albumblatt (König Ludwig II. u. die Kunst, 1898, S. 453).