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Artikel „Herrand, Abt zu Ilsenburg“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 206–208, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Herrand&oldid=- (Version vom 28. Dezember 2024, 11:20 Uhr UTC)
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Herrand, Abt zu Ilsenburg, 1089 Bischof von Halberstadt, † zu Reinhardsbrunn 23. October 1102. Einem ritterbürtigen Geschlechte Schwabens entsprossen und Neffe des Bischofs Burchard II. oder Bukko von Halberstadt trat H. in das Burkardskloster zu Würzburg ein; daß er daselbst Abt gewesen sei, scheint auf einem Irrthume zu beruhen. Von dort zog ihn sein Oheim, der streitbare Verfechter des Papstthums, in seine Nähe nach [207] Ilsenburg, um dieses ganz herabgekommene und verwilderte Kloster wieder zu heben. Durch das Vorbild seines von kirchlichem Feuereifer beseelten Lebens in den Schranken strenger mönchischer Ordnung gewann er bald die meisten Brüder zu seinen Anhängern und Nachfolgern, und das durch ihn geweckte geistliche und litterarische Streben bestimmte Viele, ihre Kinder nach Ilsenburg in Zucht und Lehre zu geben. Der Convent, dem die freie Wahl seines geistlichen Hauptes zustand, kor H. zum Abt, wobei wol auch der Einfluß seines Oheims, des Bischofs, der ihn mit Freuden bestätigte und weihte, wesentlich in Betracht kam. Als Abt führte er nun vollends die erneuerte Regel von Clugny streng durch und hob die ansehnliche bischöfliche Stiftung so sehr, daß ihr litterarischer Einfluß weithin durch Sachsen und Thüringen zu verfolgen ist und die Ilsenburger Ordnung, d. h. die Cluniacenserregel, wie sie sich in H. ausgestaltet hatte, von hier in mehreren der angesehensten alten Benediktinerklöster durchgeführt wurde. Auch der äußere Bau des Klosters wurde zu seiner Abtszeit durch Bischof Burchard II. von 1078–1087 aufs prächtigste neu aufgerichtet. Als der Letztere am 6. April 1088 in dieser seiner Lieblingsstiftung endete, setzte ihm der gleich gerichtete Neffe nicht nur nach feierlicher Bestattung im Chor der Klosterkirche ein würdiges steinernes Denkmal, sondern er verfaßte auch eine mit der Wärme eines Verwandten und Gesinnungsgenossen geschriebene Erzählung vom Ende des Bischofs, das als Martyrium dargestellt ist. Als das streitbare Parteihaupt gefallen war, erhob sich um den erledigten Bischofsstuhl ein erbitterter Streit der Parteien, in welchen der Papst unmittelbar eingriff. Nach zweiwöchentlichem Zwischenregiment des kaiserlich gesinnten B. Ditmar wurde von der kaiserlichen Partei der Domherr Friedrich, von den Gegnern Abt H. zum Bischof erwählt. Da jener die Weihe vom Erzbischofe zu Mainz des heftigen Widerstandes wegen nicht erlangen konnte, so ging er nach Rom, wo Papst Urban II. ihn nicht nur persönlich weihte, sondern als geschätzten eifrigen Anhänger in jeder Weise hegte und förderte. Während er über den Gegner die Amtsentsetzung aussprach und die Diöcesanen von dem ihm geleisteten Treueide entband, zeichnete er H. in außerordentlicher Weise durch Beilegung des geistlichen Zunamens Stephanus – es war der Hauptherr des Stifts Halberstadt – aus, empfahl denselben dem Erzbischof Hartwig von Magdeburg, dem gleichnamigen Bischof von Verden und dem Volke von Halberstadt aufs angelegentlichste. An seinem Bisthumssitze konnte trotzdem der Schützling des Papstes, der sich auch in bezeichnender Weise selbst: nach Gottes Beruf und Papst Urbans Weihe erwählter Bischof von Halberstadt nennt, nicht recht Fuß fassen. Um so festeren Anhalt fand er dagegen bei seinen treu an ihm hangenden alten Brüdern zu Ilsenburg. Hier sehen wir ihn wiederholt urkunden; hier sind um ihn auch befreundete und verwandte weltliche Fürsten, Landgraf Ludwig von Thüringen, die Markgrafen von Stade, Pfalzgrafen von Putelendorf, Grafen von Ammensleben. Auch als Bischof bezeichnet er sich wol auch noch als ehemaligen Abt zu Ilsenburg. In dieser seiner Eigenschaft als feuriger und gefeierter Erneuerer und Pfleger des klösterlichen Lebens und Strebens der Benediktiner war H. ein geschichtlich und culturgeschichtlich bedeutender Mann. Zwar bildete er in der Kette persönlicher Verwandter, mit welcher sein Oheim Burchard den Kaiser zu zwingen suchte – Erzbischof Anno von Köln, Wezilo von Magdeburg, Bischof Hezilo von Hildesheim – ein sehr wichtiges und williges Glied, aber nur durch geistlich-kirchliche Wirksamkeit, nicht durch unmittelbares Eingreifen in die politischen Bewegungen oder gar, wie Burchard, an der Spitze eines Heeres. Sein von kirchlichem Feuereifer zeugendes Sendschreiben gegen den kaiserlich gesinnten Bischof Walraban von Naumburg verfaßte er ganz in der kirchlichen Sprache der Zeit auf die Bitte [208] und im Namen Landgraf Ludwigs von Thüringen. Als im Jahre 1074 die freveln Hände des fanatischen Pöbels die königliche Kapelle zerstörten und die Königsgräber schändeten, war er höchst wahrscheinlich jener Abt des benachbarten Klosters, der die Heiligthümer und die ausgegrabenen Leichname dem wilden Haufen entriß und sie mit sich in sein Kloster überführte. H. war keineswegs blos Erneuerer des Klosters Ilsenburg, sondern schon als dessen Abt hatte er diese Würde seit etwa 1070 auch in dem in der Bildung begriffenen Benediktinerkloster zu Huysburg im Huywalde unweit von Halberstadt versehen, diese Stiftung eingerichtet und manche der ihn sehr verehrenden Brüder zu ihrem Beruf geweiht. Und als ums J. 1089 Landgraf Ludwig der Springer aus geistlichen Beweggründen das Kloster Reinhardsbrunn stiftete, war es H., der ihm hierbei mit Rath und That und durch Brüder des Ilsenburger Convents behülflich war. Ebenso erneuerte er auf Beförderung des ihm verwandten gräflich Ammensleben’schen Geschlechts die in der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts gegründete weltgeistliche Stiftung zu Hillersleben durch eine Ilsenburger Colonie und Einführung der Ilsenburger Ordnung. Da er nun bei solchen Bestrebungen, von der Richtung der Zeit unterstützt, einen großen Kreis begeisterter Jünger und Anhänger unter Geistlichen und Weltlichen gewann, die ihren eigentlichen Mittel- und Stützpunkt in Ilsenburg fanden, so fühlte Bischof Friedrich von Halberstadt sich gedrungen, die geistliche Brüderschaft dieses Klosters von ihrem Sitze und aus seinem Bisthum auszuweisen. Vom Markgrafen Udo von Stade gerufen, fanden sie eine Zuflucht in der Familienstiftung der Markgrafen zu Harsefeld oder Rosenfeld bei Stade, die sie ganz erneuerten und aus einer verkommenen weltgeistlichen Propstei in ein blühendes Benediktinerkloster verwandelten. Als aber mit Ilsenburg der starke Knoten, mit welchem H. das Band mit seinen geistlichen und weltlichen Freunden zusammenhielt, gelöst und beseitigt war, war für ihn im Stifte Halberstadt seines Bleibens nicht mehr und er wandte sich nach Niederlegung des Bischofsstabs in dem unter des befreundeten Landgrafen Ludwig von Thüringen Hoheit gelegenen[WS 1] Kloster Reinhardsbrunn wieder dem mönchischen Leben zu, für das er auch von Jugend auf mit so großem Erfolg thätig gewesen war. Bald setzte, am 23. Oktober 1102 der Tod seinem eifrigen Streben ein Ziel. Sein Rückzug nach Reinhardsbrunn muß als ein Sieg der kaiserlichen Partei angesehen werden.

Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vierte Aufl. 2, 68–70; Jacobs, Urkundenbuch des Klosters Ilsenburg, besonders 2, XXIV–XXXI; die passio Burchardi großentheils beim sächsischen Annalisten, z. B. 1088 und übersetzt bei Casp. Abel, Sammlung von alten Chroniken. S. 289; die Entgegnung auf d. Schrift d. Bischofs Walraban s. in d. Jahrbb. von Disibodenberg bei Mainz. Mon. Germ. XVII, 10–14.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: gelegenenen