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Artikel „Heinrich von Brandis“ von Karl Joseph Rieder in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 147–151, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_von_Brandis&oldid=- (Version vom 30. November 2024, 00:22 Uhr UTC)
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Heinrich III. von Brandis, Abt zu Einsiedeln und Bischof von Konstanz, aus dem Geschlechte der Freiherren v. Brandis, deren Stammburg im Emmenthal gelegen, war der Sohn des Mangold v. Brandis und der Margareta v. Nellenburg. Mehrere seiner Geschwister wurden von den Eltern, der damaligen Sitte der Zeit entsprechend, für den geistlichen Stand bestimmt. So trat Eberhard in das Kloster Reichenau, wo er als Abt (1343–1379) eine wenig erfreuliche Rolle spielte. Zwei andere Brüder, Mangold und Werner, waren Deutschordensherren, eine Schwester, Agnes, Aebtissin zu Säckingen. Als Stammhalter der Familie war Wolfram mit Agnes v. Montfort-Werdenberg verheirathet, Thüring v. Brandis mit Katharina v. Weißenburg und dessen Schwester Kunigunde mit Johann v. Hallwil. Heinrich selbst, dessen Geburtsjahr unbekannt ist, wurde in frühester Jugend dem Kloster Einsiedeln [148] zur Erziehung übergeben, das damals unter den Aebten Johann v. Hasenburg (1327–1334) und Konrad v. Gösgen (1334–1348) von mannichfachen äußeren Schicksalschlägen heimgesucht, doch noch einen gewissen Hochstand geistig wissenschaftlichen Lebens aufwies, von dem Rudolf v. Radegg, der Lehrer Heinrich’s, sowie Hermann v. Bonstetten und Heinrich v. Ligerz, die Mitbrüder Heinrich’s, Zeugniß geben. Als Heinrich nach dem Tode Konrad’s v. Gösgen († 4. November 1348) zum Abte erwählt wurde, war er wahrscheinlich erst Subdiakon, und so widersprach seine Wahl einer alt hergebrachten Gewohnheit des Klosters, weshalb sich Schwierigkeiten ergaben. Heinrich erscheint als Abt urkundlich zum erstenmal am 1. Mai 1349 und wird als Abt zum letztenmal am 5. December 1356 erwähnt. Mitten hineingestellt in den sogen. Marchenstreit, der schon seit Anfang des 12. Jahrhunderts mit bald größerer, bald geringerer Heftigkeit zwischen dem Stifte und den Schwizern entbrannt war, hat Heinrich das Verdienst, das Ende dieses Streites durch die Richtung vom 8. Februar 1350 herbeigeführt zu haben, wenn Einsiedeln auch mehr als die Hälfte seines Gebietes dem Frieden zuliebe opfern mußte. Anfangs October 1353 ließ er sich zu Konstanz von König Karl IV. mit den Regalien belehnen und in seiner Fürstenwürde bestätigen. Zwischen dem 20.–25. April erfreute er sich in Einsiedeln des Besuches Karl’s IV., der sehr werthvolle Reliquien aus dem Stifte mit sich fortführte. Seine Mildthätigkeit zeigte Heinrich durch das Entgegenkommen, mit dem er die Stiftung eines Pilgerhospitals in Einsiedeln durch den Züricher Chorherrn Heinrich Martin († 26. Juni 1355) förderte. Durch seinen späteren bischöflichen Secretär beschickte er auch – es ist das erste bekannte Beispiel eines Einsiedler Abtes – den Reichstag zu Nürnberg, um vielleicht gleichzeitig seine Wahl zum Bischof von Konstanz bei dem Kaiser zu betreiben.

In Konstanz war am 21. Januar 1356 Bischof Johann III. Windlock ermordet worden. In der am 5. Februar 1356 vorgenommenen Bischofswahl postulirte die Mehrzahl der Domherren Ulrich v. Friedingen, Konstanzer Domherrn, während andere, darunter Heinrich v. Diessenhofen und der Dompropst Felix Stucki dem Grafen Albrecht v. Hohenberg, Bischof von Freising, ihre Stimmen gaben. Felix Stucki reiste alsbald nach Avignon, um hier die Bestätigung Albrecht’s von Hohenberg von dem Papste zu erwirken, während der Kaiser sich zunächst vergeblich für den Bischof Dietrich von Minden u. a. bemühte. Nach längerem Schwanken einigten sich Papst und Kaiser auf Lupold v. Bebenburg, Bischof von Bamberg, den der Papst am 6. März 1357 zum Bischof von Konstanz ernannte. Allein dieser schlug das angebotene Bisthum aus, und so ernannte der Papst am 15. Mai 1357 den Abt von Einsiedeln, Heinrich v. Brandis. Um die Gunst des Capitels zu gewinnen, versprach er demselben 14 Tage nach seiner Ernennung (1. Juni 1357), daß es im ungeschmälerten Besitze des während der Stuhlerledigung eingezogenen Nachlasses des Bischof Johann bleiben dürfe, und reiste darauf an den päpstlichen Hof, wo er am 25. Juni 1357 in Villeneuve-les-Avignon die Bischofsweihe erhielt, verschiedene Bittschriften einreichte, sich zur Servitienzahlung verpflichtete und mit der päpstlichen Kammer auf eine Pauschalsumme von 10 000 Goldgulden für den dem Papste durch das Spolienrecht reservirten Nachlaß des ermordeten Bischofs Johann, sowie für die übrigen Geschäfte an der Curie einigte. Es spannen sich hier die ersten Fäden zu dem Netze, das den Bischof ins Verderben ziehen und seine Regierungszeit zu einer unglücklichen machen sollte. Am 5. August 1357 hielt er von Gottlieben aus seinen feierlichen Einzug in Konstanz mit allen von der Stadt Geächteten. Es waren darunter auch die Mörder seines Vorgängers. Am 8. September feierte er [149] seine erste feierliche Bischofsmesse. Eine wenig glückliche Maßregel war es, als er am 25. April 1358 die weltliche Verwaltung des Bisthums in die Hände seines Bruders Wolfram legte. Zu sehr für sein und seiner Verwandten Interesse bedacht, war dieser nicht imstande, der drückenden Finanznoth des Bisthums aufzuhelfen. So konnten die Servitien und noch viel weniger das übrige dem Papste schuldige Geld bezahlt werden, wodurch der Bischof in ein immer gespannteres Verhältniß zum päpstlichen Hofe gerieth. Um der Saumseligkeit des Bischofs aufzuhelfen, beauftragte der Papst den Dompropst Felix, sowie den Rath der Stadt (29./30. August 1359), gegen den Bischof Stellung zu nehmen, eine Gelegenheit gleich günstig für den Dompropst Felix, der, wie sein Vorgänger Diethelm v. Steinegg, eine Ausnahmestellung gegenüber dem Bischof und dem Capitel einnahm, wie für die Stadt, die, geärgert durch die Gunst, welche der Kaiser dem Bischof durch die Bestätigung seiner Privilegien (11. October 1357) erwiesen hatte, schon längst eine Gelegenheit herbeisehnte, die alten Bisthumsprivilegien, vor allem Markt-, Münz- und Zollrecht in der Stadt Konstanz, den Händen des Bischofs zu entreißen. Die Lage des Bischofs wurde noch bedrängter, als er bei dem zwischen Dompropst und Domcapitel ausgebrochenen Streit gegen den Dompropst Stellung nehmen mußte (September 1362). Da wurde plötzlich der gefürchtete Gegner des Bischofs, Dompropst Felix Stucki von Winterthur, am 6./7. August 1363 in Zürich ermordet. Unter den Thätern waren die beiden Brüder des Bischofs, Thüring und Wolfram, sowie des Bischofs Diener Johann v. Verrenbach und Peter Kel aus Schwiz. Diese hatten sich zur Frevelthat entschlossen, weil, wie die Urfehde sagt, der Dompropst dem Walter v. d. Alten-Klingen, wie allbekannt sei, „großes Unrecht und offenkundigen Schimpf“ zugefügt habe. Daß der Bischof die Mordthat veranlaßt hat, wie die Stadt Konstanz später behauptete, ist nicht zu erweisen. Denn bei dieser Anschuldigung spricht die Stadt als erbittertste Feindin des Bischofs, zu der sie im Laufe der Jahre geworden war. Den Anlaß zur Feindseligkeit gab eine zwischen Reichenau und Konstanz ausgebrochene Fehde über das Fischrecht und die dabei erfolgte Blendung des Fischers Matthäus v. Petershausen durch den Neffen des Bischofs, Mangold v. Brandis, Klosterherrn der Reichenau. Alsbald sah sich der Bischof seiner Verwandten wegen in diese Streitigkeiten verwickelt. Sie wurden beigelegt durch die Richtung vom 24. Juli 1365. Allein der Zündstoff war einmal vorhanden, wurde noch vermehrt, als der Bischof wegen der allgemeinen Unsicherheit in der Stadt im Februar 1366 das geistliche Gericht nach Zürich verlegte, wodurch die Stadt nicht unerheblich finanziell geschädigt wurde, und loderte endlich hell auf, als ein anderer Neffe des Bischofs, Wölfle v. Brandis, Anfangs 1368 auf dem Wege zum Turnier nach Zürich bei Basersdorf von Konstanzer Bürgern überfallen und getödtet wurde. Eine vierjährige Fehde (1368–1372) begann. Der Bischof floh unterdessen nach Grenoble (seine Anwesenheit daselbst ist zwischen April und Juni 1370 bezeugt), belegte die Stadt Konstanz mit dem Interdicte und verklagte sie bei der römischen Kurie. Mit einer noch bitterern Anklageschrift antwortete die Stadt, die sich von allen Anklagen des Bischofs zunächst reinzuwaschen suchte, als ob sie nie seine und der Geistlichen Privilegien angetastet hätte, und beschuldigte dann den Bischof als Mitwisser bei der Ermordung seines Vorgängers, als Anstifter bei der Ermordung des Dompropstes und als einen im sittlichen Leben allgemein verrufenen Kirchenfürsten, was sie vor allem durch eine Anklageschrift des schon längst verstorbenen Dompropstes Felix zu erweisen suchte. Infolge dieser Anklageschrift beauftragte der Papst seinen Kaplan Paul de Gabrielibus mit der Untersuchung und der Vollmacht, den Bischof seines Amtes zu entheben. [150] Trotz Appellation des Bischofs erfolgte die Amtsentsetzung (vor April 1371), während mit der Verwaltung des Bisthums Johann Schadland, Bischof von Augsburg betraut wurde, den Papst Gregor XI. am 18. Juni 1371 als solchen bestätigte. Inwieweit die Anklageschrift des Dompropstes Wahrheit oder Entstellung ist, läßt sich mit den jetzigen Hülfsmitteln nicht feststellen, wenn man aber die hochpolitische Rolle berücksichtigt, die diese Anklageschrift in den Händen des Konstanzer Rathes zu spielen berufen war, so wird man aus ihr keine Züge für das Charakterbild des Bischofs entnehmen können. Auf Verwenden des Kaisers schlossen endlich Stadt und Bischof am 31. März/1. April Frieden, nachdem die Stadt schon am 24. März 1372 sich gegenüber Thüring und Mangold v. Brandis, Propst der Reichenau, wegen der Ermordung des Wölfle v. Brandis zu einem Schadenersatz von 2000 ungarischen Gulden verpflichtet hatte.

Ruhig konnte der Bischof fortan seines Amtes walten. Seine Ehrenrettung erfuhr er am 1. October 1375 durch päpstliches Urtheil, das die Anklagen der Stadt als falsch und das Verfahren des Paul de Gabrielibus als dem Rechtsgang widersprechend hinstellte. Die letzten Lebensjahre waren durch den Ausbruch des großen Papstschisma getrübt, in dem er zunächst auf Seiten Urban’s VI. stand, für den er sich am 17. September 1379 im Bunde mit dem Kaiser und den Kurfürsten von Köln, Mainz, Trier und dem Pfalzgrafen bei Rhein offen erklärte. Als er aber sah, daß er unmöglich Leopold III. von Oesterreich, der sich schon seit Februar 1378 mit der Stadt Konstanz verbunden hatte, entgegentreten könnte, ohne zugleich wieder die Stadt zur Gegnerin zu haben, trat er seit 1380 eben so offen auf Seiten Gregor’s, für den sich auch die Mehrzahl der Domherren sammt der Geistlichkeit und dem Rathe der Stadt erklärt hatten. Heinrich starb am 22. November 1383 auf seinem Schlosse zu Klingnau. Die Leiche wurde nach Konstanz überführt und dort im Chore des Domes mit großer Pracht bestattet.

Sein Andenken steht bei den Chronisten in keinem guten Rufe. Alle sind darin einig, daß seine Regierungszeit dem Bisthum mehr geschadet, als genützt hat. Am meisten werden wir ihm gerecht werden, wenn wir ihn als ein unglückliches Opfer von Verhältnissen betrachten, in die er seiner Verwandten wegen, welche er stets begünstigte, verwickelt wurde. Eine hervorstechende Eigenschaft seines Charakters war die Unentschlossenheit: so charakterisiren ihn die päpstlichen Schreiben, diesen Eindruck spiegeln auch all seine Regierungshandlungen wieder. Sehr gut charakterisirt den Bischof ein päpstlicher Legat, wenn er ihn als einen „gutmüthigen Menschen“ bezeichnet, für den es das beste wäre, wenn er ein entlegenes Bisthum erhielte, wo Verwandte und Bekannte ihn nicht brandschatzen könnten. Er war eben nicht befähigt, die großen Widersprüche zu versöhnen, die sich im Laufe der Zeit zwischen Dompropst und Domcapitel, zwischen den althergebrachten Privilegien bischöflicher Hoheit und einer nach Unabhängigkeit strebenden Bürgerschaft herausgebildet hatten. Nicht minder unfähig war er, in einer von socialem Elend, von Krieg, Pest, Theuerung und den Engländereinfällen heimgesuchten Zeit Finanzquellen zu schaffen, um vor allem die päpstlichen Ansprüche auf den Nachlaß des Bischofs Johann Windlock, über den das Domcapitel schon längst als sein Eigenthum verfügt hatte, befriedigen zu können. Es ist, als ob der Rachegeist des ermordeten Bischofs sich seinen Nachfolger auf dem Bischofsstuhle als Opfer seiner Rache ausersehen habe.

Die Geschichte des Bischofs ist im II. Bande der Regesten der Bischöfe von Konstanz, bearbeitet von Alexander Cartellieri, in Nr. 5264–6732 und den Nachträgen Nr. n221–n247 von K. Rieder verarbeitet. Daselbst [151] ist auch die nähere Litteratur angegeben. Vgl. auch A. Schubiger, Heinrich III. von Brandis, Abt zu Einsiedeln und Bischof zu Konstanz und seine Zeit. Freiburg (Herder) 1879. – K. Rieder, Beiträge zur Konstanzer Bisthumsgeschichte (in der Festschrift für Professor Finke), 1904. – P. O. Ringholz, Geschichte des fürstl. Benediktinerstiftes U. L. F. von Einsiedeln. I. Bd. Einsiedeln 1904.