ADB:Harsdörffer, Georg Philipp

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Artikel „Harsdörfer, Georg Philipp“ von Wilhelm Creizenach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 644–646, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Harsd%C3%B6rffer,_Georg_Philipp&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 14:16 Uhr UTC)
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Band 10 (1879), S. 644–646 (Quelle).
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Harsdörfer: Georg Philipp H., manchmal auch Harsdörffer geschrieben, vielseitiger und einflußreicher Literator, wurde am 1. November 1607 zu Nürnberg geboren. Als dem Sprößling einer begüterten und angesehenen Familie eröffnete sich ihm die Aussicht, später in den Justiz- und Verwaltungsdienst des mächtigen und blühenden vaterstädtischen Gemeinwesens einzutreten. Er erhielt demgemäß eine sorgfältige Erziehung, die es ihm ermöglichte, im 17. Lebensjahre die Nürnbergische Universität Altdorf zu beziehen (1624). Die Lehr- und Wanderjahre verbrachte er an der Seite seines Freundes Christoph Fürer von Haimendorf, aus dessen Familie er sich auch später seine Gattin erkor und dem er nach seinem Tode einen Nachruf widmete, („Memoria Christoph. Fureri“, Nürnb. 1639), aus welchem wir einige Hauptdaten seiner Jugendgeschichte entnehmen können. 1626 wandten sich die Freunde, vornehmlich durch Matthias Bernegger’s Ruf angezogen, von Altdorf nach Straßburg, wo H. seine juristischen Studien vollendete. An das Studium schloß sich in herkömmlicher Weise die Peregrinatio, die den Jünglingen den Kreis der Anschauungen erweitern und die weltmännische Bildung befördern sollte. Mit großer Gründlichkeit ging H. dabei zu Werke. Zuerst begab er sich nach Genf, um sich dort in der französischen Sprache zu vervollkommnen, von da nach Frankreich, den Niederlanden, England, dann wieder über Frankreich nach Italien, wo vor Allem Rom, Neapel und Venedig, das bei den Reisenden dieser Zeit fast in gleichem Range mit den beiden ersteren Städten stand, besucht wurde. Mit neuen Eindrücken reich befruchtet kehrten die Reisenden nach fünfjähriger Abwesenheit 1630 nach Hause zurück. Nach einigen Jahren (1634) gründete sich H. einen Hausstand und fand auch Gelegenheit, seine Welt- und Geschäftskenntniß im Dienste der Vaterstadt zu verwerthen. 1637 wurde er Gerichtsassessor, 1655 Mitglied des Raths, ein Amt, das er jedoch nur drei Jahre bekleidete; er starb 1658, 51 Jahre alt, mitten in der Zeit der emsigsten und erfolgreichsten Arbeit. – In den dreißiger Jahren bereits hatte er seine vielgeschäftige litterarische Thätigkeit begonnen, die vor allem darauf gerichtet war, bei den Angehörigen der höheren Stände den Sinn für litterarische Dinge zu wecken und zu kräftigen. 1634 übersetzte er aus dem Italienischen die „Dianea“ von Giovanni Francesco Loredano, der ihm in einem höflichen Schreiben seinen Dank abstattete. Doch trat in den nächsten Jahren diese Seite seiner Thätigkeit zurück; wir besitzen von ihm aus der Zeit bis 1642 nur einige lateinische Denkreden, so vor allem die oben erwähnte auf Christoph Fürer. H. muß aber während dieser Epoche eine ausgedehnte receptive Thätigkeit entwickelt haben, denn 1642 konnte er mit der Veröffentlichung des umfangreichen Werks beginnen, durch welches er am meisten Ruhm und Einfluß gewann, die „Frauenzimmer-Gesprächspiele“ (8 Bände, Nürnberg 1642–49, vom 3. Bande ab blos als „Gesprächspiele“ bezeichnet). Hier theilt H. in Form von Unterhaltungen, die drei Herren und drei Damen mit einander führen, eine Fülle von Curiositäten aus allen möglichen Wissenschaften mit, gibt Anleitung zu Räthselspielen, Charaden, mathematischen Aufgaben und Aehnlichem. Besonderen Werth legt er auf die Spielereien mit Sinnbildern und Emblemen, die bei den Zeitgenossen so sehr beliebt waren. Er ist bei dem ganzen Unternehmen bestrebt, [645] die Deutschen anzuleiten, in der Art der Franzosen und Italiener die Resultate der höheren Bildung auch dem geselligen Verkehr zu Gute kommen zu lassen; er will den schmutzigen Anecdoten- und Räthselsammlungen, die für den geselligen Zeitvertreib bestimmt waren, entgegenwirken und hat auch wirklich in den Gesprächspielen alles Unanständige streng vermieden. Mit welch umfassender Belesenheit er dabei die auswärtigen Litteraturen zu Rathe zog, beweisen die Verzeichnisse der Quellenschriften, die er jedem Bande angehängt hat und die uns namentlich auch die immer noch nicht hinlänglich gewürdigten spanischen und italienischen Einflüsse auf die litterarische Entwicklung der Deutschen im 17. Jahrhundert erkennen lassen. Außerdem fügte H. den Gesprächspielen auch lyrische Dichtungen bei, sowie ernstere Abhandlungen über Fragen, die ihm besonders am Herzen lagen, namentlich über die sprachlichen Reformbestrebungen. Das bunte Allerlei, das mit sauberen Kupferstichen reichlich ausgestattet ist, wurde mit freudigem Beifall aufgenommen und verbreitete weithin den Ruhm des Verfassers; auch Schupp, der doch mit weit schärferem und tieferem Blicke durchschaute, was der deutschen Bildung noth thut, begrüßte in H. einen Kampfgenossen gegen Formalismus und Pedanterei; er rühmt, „daß der sinnreiche und arbeitsame H. mit seinem Spielen mehr ausgerichtet habe, als ein ganzes Regiment Pedanten und Schulfüchse mit ihrem Arbeiten, Schlagen und Plagen“. Auch äußere Zeichen der Anerkennung blieben nicht aus; noch 1642 wurde H. unter dem Namen „der Spielende“ in die fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen; 1644 trat er unter dem Namen der „Kunstspielende“ in die deutschgesinnte Genossenschaft Zesens ein, mit dem er sich jedoch später wieder verfeindete. Durch diesen Erfolg seiner Thätigkeit wurde er auch ermuthigt, im J. 1644 in seiner Vaterstadt einen Verein zu gründen, der sich von den andern Sprachakademien durch die Tendenz unterschied, die Poesie vor allem auch zur Belebung der Geselligkeit zu verwerthen und so gewissermaßen das Ideal des Gesellschaftslebens, das in den Gesprächspielen aufgestellt war, in die Wirklichkeit zu übersetzen. Die Formen des neuen Vereins, des Blumenordens an der Pegnitz, entnahm H. aus der erträumten Unschuldswelt der Schäfer, indem er ähnlich wie manche italienische Vereine dieser Art das Pseudo-Schäferliche mit dem Gelehrt-Akademischen verband. Einen eifrigen Helfer fand er bei diesen Bestrebungen in Klaj, der als Pegnitzschäfer den in der pastoralen Litteratur wohlbekannten und an seinen eigenen Namen anklingenden Namen des Schäfers Clajus in Sidney’s Roman „Arcadia“ annahm, wogegen H. sich den Namen des Busenfreundes von Sidney’s Clajus, Strephon, beilegte. Der Verein erstarkte noch mehr, als 1648 Sigmund Betulius (von Birken) sich in Nürnberg niederließ; die Väter der Stadt sahen es gerne, wenn diese im Ausland hochangesehenen Männer ihre Erfindungsgabe zur Verherrlichung der öffentlichen Festlichkeiten verwertheten, besonders wo es galt, die Anwesenheit großer Feldherrn und Staatsmänner in Nürnberg zu feiern. Doch befaßte sich der angesehene und unabhängige H. weniger mit der eigentlichen Gelegenheitsdichtung, die ihm zu sehr mit Schmeichelei und Hascherei nach Gunstbezeugungen verbunden war; dies Gebiet überließ er gerne den Freunden, besonders dem vielgewandten Betulius. Mit Klaj gemeinsam verfaßte er das häufig erwähnte „Pegnesische Schäfergedicht“ (1644), das in einer geschmacklosen pastoralen Allegorie die Entstehung seiner Freundschaft mit Klaj und die Begründung ihres Ordens erzählt. In den folgenden Jahren bewies H. als Schriftsteller eine außerordentliche Geschäftigkeit; er versorgte den Nürnberger Buchhandel, der damals vor allem die Unterhaltungslitteratur vertrieb, ähnlich wie später Erasmus Francisci mit Sammelwerken und Uebersetzungen ausländischer Bücher. So besorgte er eine Neubearbeitung der Kueffstein’schen Uebersetzung von Montemayor’s „Diana“ [646] (1646), so bearbeitete er nach Camus’ Histoire sanglante den „Schauplatz jämmerlicher Mord-Geschichte(n)“ (1652); hierher gehört auch sein „Heraclitus und Democritus“, sein „großer Schauplatz lust- und lehrreicher Geschichte“ u. a. m. Besondere Beachtung verdient sein „Nathan, Jotham und Simson“ (1650), eine Sammlung von Fabeln und Gleichnissen. Ueber diese Dichtungsgattung hat er auch als Kunsttheoretiker viel nachgedacht; einige seiner gelungensten Fabeln findet man im 2. Hefte von Canzler’s und Meißner’s Quartalschrift mitgetheilt. Von seinen lyrischen Sachen ist einiges außer in den Gesprächspielen auch in den von seinen Freunden herausgegebenen poetischen Werken zerstreut; wo er sich von der bekannten Manier der Nürnberger Dichter nicht zu sehr befangen ließ, ist ihm manches Ansprechende gelungen. Eine Auswahl aus seinen lyrischen Dichtungen findet man im 9. Bande von Wilhelm Müller’s Bibliothek deutscher Dichter des 17. Jahrhunderts. Auch auf dem Gebiet der geistlichen Dichtung hat er sich bewegt, hier fand er bei Joh. Mich. Dilherr Anregung und Förderung. Von seinen Erbauungsschriften seien nur die „Herzbeweglichen Sonntagsandachten“ erwähnt. Um für die Handhabung der poetischen Form als eines Mittels der Zerstreuung und Erholung zu wirken, mußte er natürlich bestrebt sein, die Uebung der Dichtkunst als möglichst leicht und einfach erscheinen zu lassen und dies that er in dem sprüchwörtlich gewordenen „Poetischen Trichter“ (3 Thle. 1648–53), der zwar keine besonders neuen und tiefen Ansichten über Poesie enthält, aber doch in manchen Partien ein achtungswerthes Bestreben verräth, die bei einem solchen Werke auftauchenden Fragen bis zu ihren letzten Quellen zu verfolgen. Freilich läßt er sich auch, besonders bei Schilderung der Entstehung der dramatischen Gattungen, zu wunderlichen Constructionen verleiten. – Als Mitglied der fruchtbringenden Gesellschaft hat er sich um Sprachreinigung und um wissenschaftliche Erforschung der deutschen Sprache ernstlich und redlich bemüht; zum Beweise kann sein „Specimen philologiae germanicae“ (1646) dienen. Von besonderem Interesse ist sein Antheil an dem von der fruchtbringenden Gesellschaft geplanten deutschen Wörterbuch; die diesbezüglichen Actenstücke in dem von Krause herausgegebenen Erzschrein der fruchtbringenden Gesellschaft (Auszüge daraus in der Vorrede zu Band V des Grimm’schen Wörterbuches) lassen erkennen, daß er die Wichtigkeit und Schwierigkeit des Unternehmens im vollsten Maße zu würdigen verstand. – Auch als Mathematiker zeichnete sich H. aus (vgl. Doppelmayr’s histor. Nachr. v. d. Nürnb. Mathem. u. Künstlern S. 98–100), namentlich durch seine Fortsetzung von Dan. Schwenter’s „mathem. und philos. Erquickungsstunden“.

Vgl. die Leichenrede von Veit Georg Holzschuher (1659) und die Biographie von Moller (1707); die genauen Titel in Will’s Nürnbergischem Gelehrtenlexicon, wo man auch ein ausführliches Verzeichniß der Harsdörfer’schen Schriften findet. – Goedeke, Grundriß; Tittmann, Nürnberger Dichterschule; Raumer, Geschichte der germanischen Philologie. Harsdörfer’s Thätigkeit als Präsident des Blumenordens ist von Amarantes (Herdegen) in der Historischen Nachricht des löblichen Hirten- und Blumenordens etc., Nürnberg 1744, geschildert.