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Artikel „Höchl, Anton“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 377–381, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:H%C3%B6chl,_Anton&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 14:28 Uhr UTC)
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Höchl: Anton H., Architekturmaler, geboren am 20. Februar 1820 zu München, † am 21. Februar 1897 ebendaselbst. Sein Vater Jakob Höchl (geboren am 5. März 1777, † zu München am 6. Januar 1838) hatte in jungen Jahren die kurfürstliche Akademie besucht und sich der Baukunst gewidmet, auf vielfachen Reisen insbesondere nach Italien sich gebildet und eine große Anzahl kostbarer, fachwissenschaftlicher Werke zusammengebracht, trat als Stadtbaumeister in die Dienste seiner Heimath, wo er, ein tüchtiger Praktiker, eine Menge von öffentlichen und Privatbauten führte, dann aber bei der neuen, unter dem Kronprinzen und nachmaligen König Ludwig I. beginnenden Aera bei den vielen neuen Schöpfungen, als ausführende Hand von Leo v. Klenze und Fr. v. Gärtner als Maurermeister sich bethätigte und sowol auf diesem Wege als auch durch selbst geführte Bauunternehmungen und Nützlichkeitsprojecte, in unausgesetzter, umsichtigster Thätigkeit ein schönes, höchst ansehnliches Vermögen erwarb. Beinahe der ganze Baukörper der Ludwigstraße war sein Werk, auch die Anlage neuer Straßen und ihre Ausschmückung durch gefällige Zinshäuser wußte H. zu bewerkstelligen. So entstanden zahlreiche neue Ansiedlungen vor den damaligen Thoren und Mauern Altmünchens, beispielsweise auf dem riesigen Complex in der Karlstraße, wo der seiner Zeit berühmte „Frohsinn“ mit einem allerliebsten Theater, großen Tanz- und Musiksaal alles vereinte, was damals zum guten Ton der mittleren Gesellschaft gehörte. Als dann das erst lustig prosperirende Unternehmen sich auflöste, gestaltete H. das Ganze zu einer Anzahl von schönen und heiteren Miethwohnungen, die trotz der erstaunlich billigen Preise mit der Zeit zu einer wahren Goldgrube heranwuchsen. Jedes Unternehmen gelang dem umsichtigen Mann, welcher mit Recht sagen konnte, er habe nächst dem Könige wacker mitgeholfen, das Antlitz der Stadt zu verschönern und ihren Bestand über das Doppelte zu erweitern. H. war ein Ehrenmann im ganzen Sinne des Wortes, ein Bürger von echtem, altem [378] Schlag, wie der alte Pschorr, der Hunderten und Hunderten von Menschen Beschäftigung und guten Lohn gab, der die höchste Ehre in echte, solide Arbeit setzte, und der alles auf festen Grund baute und den deshalb niemals der geringste Unfall betraf. Da er überall mit dem besten Beispiel voranging, verlangte er das Gleiche von jedem, insbesondere von seinem einzigen Sohne. Da der Vater die Ansicht hegte, daß nicht die Arbeit, sondern der Müßiggang schände und jeglichen Lasters Anfang bilde, jedes ehrsame Handwerk aber einen goldenen Boden besitze, so sollte sein Sohn von der Pike auf dasselbe gründlichst nach allen Seiten prakticiren. So mußte der reiche Bürgersohn frühzeitig als Lehrling Mörtel rühren, Wasser und Steine tragen als Maurer, wie jeder andere im wöchentlich ausbezahlten Tagelohn sich zum „Palier“ durcharbeiten, wacker zeichnen, Listen führen, Voranschläge berechnen, Grundrisse und Durchschnitte anfertigen und alles als praktischer Techniker kennen lernen und üben. Der alte Herr hatte auf dem Höhenzuge des rechten Isarufers, wo ehedem schon Görg von Haselbach das Material zum Bau seiner weitragenden Frauenkirche gewann, ein ganzes Königreich des trefflichsten, unergründlichen Lehmbodens erworben, Ziegeleien und Brennöfen etablirt, die das herrlichste Material billigst zu liefern vermochten. Alles verstand und erfaßte der Junge prächtig, insbesondere das Rechnen; über dem Zeichnen kam seine künstlerische Anlage zum Durchbruch, welche sich in anerkennendster Weise geltend machte. So fertigte der „junge Herr“ die Modelle zu dem aus gepreßter Ziegelerde bestehenden Prachtthore des Salinengebäudes in der Ludwigstraße. Man war damals nahe daran, in die Fußtapfen der della Robbia zu treten, verfolgte aber das Princip dieser naheliegenden chromoplastischen Methode nicht weiter, nicht einmal die glattglänzenden Vorsatzziegel fanden an einem anderen Bau Verwendung, nur die Pflasterstein-Terrakotten kamen später zur Geltung. Anton Höchl’s technischer Eifer erlahmte nach dem Ableben des Vaters (dessen schwerfälliges Grabdenkmal auf dem Südlichen Friedhof entwarf Fr. v. Gärtner, wozu der Bildhauer Peter Schöpf das Portrait-Medaillon lieferte); er schüttelte die widerwillig getragene Last ab und wendete sich nun zu den längst im Stillen betriebenen Fächern der Musik und Malerei. Der Musik, welche als allgemeines Bildungsmittel vom Programm des Vaters nicht ausgeschlossen war, hatte schon der Zehnjährige enthusiastisch gehuldigt, und das Spiel des Cello, der Bratsche und Flöte nach Möglichkeit cultivirt. Auch gehörte es zu seinem seligsten Vergnügen, einen Theil des sauerverdienten Wochenlohnes ins Theater zu tragen und von den Höhen des dortigen Olymp, wo ja die Wirkung am herrlichsten erklang, die Freuden eines Concerts oder einer Oper von Weber, Gluck und Mozart zu genießen. Dazu machte er sich, besser Bescheid wissend von „Pamina und Tamino“ als Hermann der Wirthssohn vom goldenen Löwen, „schön“ wie die dieser, um am nächsten Morgen im Arbeitskittel am Bauplatz oder im „Bureau“ zur Freude des Vater als der Erste zu erscheinen. Das Geschäftliche überließ er nunmehr einem wohl erprobten Verwalter und Buchführer, welchem die Mutter, die wie ein Mann ihrem „Seligen“ (auch Ruodlieb’s Pathin gebrauchte schon im X. Saeculum denselben Ausdruck [hero] von ihrem verstorbenen Gatten) zeitlebens in Rath und That beistand, secundirte. Die Mutter, die nach außen herb und fahrig, nach dem Tode ihrer frühe verheiratheten und bald verstorbenen Tochter, den einzigen, mit den innigsten Diminutiven behandelten Sohn in ihr Herz schloß. Der „Tonerl“ behielt das Geschäft in der Hand und im Auge, brachte der Führung desselben persönliche Opfer, athmete jetzt aber doch aus freierer Brust, wenn er täglich mehrere Stunden unter Leitung des unvergleichlichen Michael Neher (s. A. D. B. XXIII, 388) die Architekturmalerei zum dilettantischen Lebensberuf erwählte. Der [379] überaus fleißige Lehrer klagte freilich, daß sein Schüler etwas spät sich zur Kunst gewendet und keinen „guten Sitz“ d. h. nicht die gehörige Ausdauer habe, seiner Leistung den gleichmäßigen Schliff der Vollendung zu geben, wogegen H. die Obliegenheiten des „Geschäfts“ betonte, dessen oberste Leitung er treu den Traditionen des Hauses nicht aus der Hand gab. In kleinen Oelbildern und zahlreichen Aquarellen schilderte H. mit derselben diplomatischen Gewissenhaftigkeit wie sein Meister M. Neher, aber mit geringerer Durchbildung des Detail und ohne die Feinheit der Farbe und die weihevolle Stimmung desselben zu erreichen, das alterthümliche Winkelwerk des früheren München; die etwas unebenen und hügeligen Straßen mit dem malerisch verschobenen Durcheinander des kleinlichen, philisterhaften Häusergedränges und dem wechselreichen Façadenschmuck und Zierrath. Auch auf andere kleinere Städte und Märkte, auf die Schlösser und Burgen Altbaierns und Frankens erstreckte H. diese seine Vorliebe. Wenn es ihm nun gelang, das Interesse eines Sammlers, Kunstfreundes, Kenners oder gar eines Kunstvereins oder Bilderhändlers zu erregen, so kannte seine Freude ob solcher artistischen Anerkennung keine Grenzen und das dadurch erworbene Honorar dünkte ihn köstlicher als ein Silberfund oder der Nibelungenhort. Uebrigens geizte er nicht mit seinen Erzeugnissen, er verwendete sie zum beglückten Austausch mit anderen namhaften Collegen oder beschenkte den historischen Verein von Oberbaiern, dessen Bestrebungen seine volle Theilnahme fesselten, das National-Museum und andere Sammlungen auf das freigebigste. Nach dem Aufkommen der Photographie sendete H. oftmals gute Operateurs oder weniger beschäftigte Künstler nach verschiedenen Gegenden zur Aufnahme von interessanten Grabdenkmalen, Sculpturen und Bauwerken von geschichtlicher Bedeutung; er stellte sogar Anfragen an den Ausschuß des „Historischen Vereins von Oberbaiern“ nach etwaigen Wünschen, deren Erfüllung auf seine Kosten ihm besonderes Vergnügen bereitete. Reproductionen davon stiftete er an andere Vereine und wissenschaftliche Sammlungen mit unermüdlicher Liberalität. Wenn dann, was leider auch vorkam, bisweilen der wohlverdiente Dank ausblieb, so entschuldigte er selbst die Herren Vorstände und Directoren durch ihre dringlichen Geschäfte und Arbeitsüberladung. Ein weiterer, höchst beachtenswerther Zug war, daß H. aus reiner Fürsorge für die Arbeiter, seine Ziegeleien auch bei gemindertem Absatz, solange weiter betrieb, bis ihn die neueste Concurrenz und die riesig veränderte Technik auch von dieser herkömmlichen Praxis ablenkten. Dieser geschäftlichen Thätigkeit wegen, wozu wohl auch eine mit dem Alter zunehmende Bequemlichkeit mithalf, verzichtete er auf eine lange geplante Studienreise nach Venedig. Im Jahre 1847 machte H. mit E. Schleich, Spitzweg, Morgenstern u. A. einen Ausflug an den Rhein, wobei H. fleißig zeichnete; ein sorgfältig geführtes Tagebuch berichtet hierüber. Später wagte er mit seiner jungen Frau – er hatte zur Freude seiner Mutter ein ganz armes braves Mädchen erwählt – eine Fahrt nach Paris; die prächtige Stadt mit ihrem rauschenden Leben gewährte für H. gar keine artistische Ausbeute. Dagegen legte H. eine große Gallerie von kleinen Bildern an, worin er fast alle seine Zeitgenossen mit meist sehr werthvollen Arbeiten in handsamer, lehrreicher Weise vereinte. Hierbei mag ihm bisweilen wohl auch die Charitas manches Stück geliefert haben. Einem braven Künstler, welcher ein gutes Bild vergebens ausgeboten hatte, kaufte H. dasselbe ab und bestellte dazu noch ein Gegenstück. Für solche Bestrebungen hatte er zeitweise eine höchst freigebige, aber doch nicht immer offene Hand. Einem vergessenen Marinemaler griff er bei dessen Atelier- und Garderobe-Nöthen mannhaft unter die Arme, wußte das Interesse anderer Kunstfreunde darauf zu lenken und hielt denselben buchstäblich über dem Wasser, [380] ein Verfahren, welches dem Betroffenen wohl nie zum Bewußtsein kam. Außerdem pflegte H. eine gemüthliche Hausmusik, wozu er kundige Meister einlud und mit überraschend tiefer Empfindung mitspielte. Auch geschichtlichen Studien oblag er gern, durch ein nie versagendes, treues Zahlen- und Datengedächtniß unterstützt. H. hatte sich ein am Reste eines ehedem gewaltigen, weitverzweigten Stadtwaldes liegendes, einsames, zu seiner Ziegelei gehöriges Herrenhaus „Am Priel“ (bei Bogenhausen) zu einem friedlichen Tusculum etablirt, von wo aus er täglich „zu seinen Leuten sah“ d. h. seine Arbeiter und Bauten zu Pferd oder in einem Landwägelchen inspicirte und seine Mutter in ihrem in der Stadt befindlichen Wittwensitz besuchte. Die Abende verbrachte er meist im stillen „Tivoli“ des sogen. Englischen Gartens, wo er zu einer frugalen Collation einige Collegen oder weiteren Freunde sammelte, welche oft in später Nacht mit Laternen bewaffnet in die Stadt zurückstapfen mußten, während er in sein stilles Haus heimfuhr. In ziemlich regelmäßigen Zwischenräumen gastete H. bei den allen Betheiligten unvergeßlichen abendlichen Symposien im Palais des Herzogs Maximilian, welcher den sonst so stillen Mann seiner gediegenen Eigenschaften wegen schätzte und seine Theilnahme auch auf dessen alte Mutter übertrug, welche er alljährlich dreimal durch seinen Besuch beglückte und die solche gnädige Attention mit derselben Freude aufnahm, wie die „Frau Rat“ und „Aya“ in Frankfurt die weimarischen Hofbesuche. Einmal veranstaltete H. auch eine glänzende hausmusikalische Soirée, die sich zur allgemeinen Freude in eine Matinée extemporisirte, sodaß der Herzog erst am Morgen den fröhlichen Kreis verließ. In seinem vielhundertjährigen Waldheiligthum stellte H. eine von Heinrich Natter gemeißelte, originelle Wuotan-Statue auf, welche merkwürdiger Weise Glück und Namen des Künstlers begründete. Trotz Höchl’s prosaischer Aeußerlichkeit saß ihm doch ein feiner, echt künstlerischer Kobold im Nacken, der aber durch einige Zwischenfälle verdrängt wurde. Auf einer seiner mit pünktlicher Pedanterie eingehaltenen nächtlichen Heimfahrten aus der Stadt, überfielen den Wagen des harmlosen Mannees, der keinen Feind zu haben wähnte, vier Strolche, vor deren Hinterlist nur die Geistesgegenwart des Kutschers seinen nie bewaffneten Herrn rettete, der nun plötzlich verschüchtert, sich doch nicht entschließen konnte, seine immer bereitstehende Stadtwohnung zu beziehen, sondern sich ganz in seine ländliche Einsamkeit abschloß, wo der 1893 erfolgte Tod seiner Gattin alle seine bisherige Lebensweise lähmte. H. verschwand ganz in der Stille seines Hauses, besuchte nicht einmal mehr seinen weitläufigen Garten, noch weniger den nahe liegenden Waldfrieden, kaum einigen Auserwählten und diesen nur bisweilen einen kurzen Zutritt gewährend, vielfach geplagt von den wirklichen oder auch eingebildeten Zufällen und Launen des Alters, bis er ohne besondere Krankheit den unabänderlichen Gesetzen der Natur erlag.

Sein umfangreiches Vermögen und die Verwaltung desselben hatte ihm sicherlich mehr Kummer, Sorgen und Verdruß als Vergnügen oder Genuß bereitet. Zu seinen weiteren Charakterzügen gehörte eine ausgebreitete, auch vielfach mißbrauchte oder schlechten Dank einbringende Mildthätigkeit, die er trotz den ärgerlichsten Erfahrungen doch nicht einstellte. Dann die unerhörte Noblesse, daß er die zahlreichen Insassen seiner Häuser in der Wohnungsmiethe niemals steigerte. Mit großer Gewissenhaftigkeit pflegte er seit seiner frühesten Jugend bis in seine letzten Monate ein Tagebuch zu führen, in welches er stets das jeweilige Wetter, etwaige Todesfälle berühmter oder bekannter Personen eintrug, immer mit äußerster Bündigkeit eine stets zutreffende Charakteristik verbindend. Dazu wurden Naturereignisse und Brände verzeichnet; der Besuch von Concerten, Opern und Schauspielen; die Grundsteinlegung [381] und Hebeweinfeier der väterlichen Bauten; die Reihe seinere eigenen Bilder und deren Käufer u. s. w. Sie bilden in doppelter Redaction eine kleine Bibliothek, welche H. nebst vielen anderen Büchern und Werken aus dem Nachlasse seines Vaters dem Historischen Verein von Oberbaiern vermachte. Eine Bearbeitung und Herausgabe dieser Tagebücher ist beabsichtigt. Sein ausführliches Testament verzeichnet eine Menge kleiner Legate an Vereine und nützliche Gesellschaften. Seinen Waldfrieden mit der Wuotan-Statue erbte der Magistrat; die vorerwähnte Bildergalerie überließ H. großmüthig zur beliebigen Auswahl der im Privatbesitze des königl. Hauses stehenden „Neuen Pinakothek“, welche mit den Hauptstücken derselben ein ganzes Cabinet ausstattete.

Vgl. Abendblatt 54 „Allgemeine Zeitung“ vom 23. Februar 1897.– Kunstvereinsbericht f. 1897, S. 73 ff. – Morgenblatt 91 „Neueste Nachrichten“ 25. Februar 1897. – Bettelheim, Jahrbuch 1898, S. 183 ff.