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Artikel „Hodermann, Richard“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 381–383, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hodermann,_Richard&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 07:19 Uhr UTC)
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Hodermann: Richard H., Litterar-, Theater- und Culturhistoriker, wurde am 8. Novbr. 1868 zu Gotha als Sohn eines eingesessenen angesehenen Buchbindermeisters geboren. Er genoß daselbst eine vortreffliche Erziehung und erhielt als Gymnasiast bleibende Eindrücke von seinem Geschichtslehrer Prof. Schulz, welcher ihm später für das große Sammel-Prachtwerk über „Thüringen“ sein eigenes Capitel „Thüringer Schlösser“ übergeben hat, sowie von dem geistvollen philosophischen Kopf Prof. Kurd Laßwitz, seinem Mathematiklehrer. Regelmäßiger Besuch des ausgezeichneten Hoftheaters und nähere Beziehungen zu dessen sowie zu der vielseitigen herzoglichen Kunst-, Alterthümer- und Büchersammlungen leitenden Persönlichkeiten, in Summa das gesammte reiche geistige Leben der Vaterstadt hatten den Gesichtskreis des lebhaften Geistes schon geweitet, als ihm seit 1888 nach ehrenvollst absolvirtem Maturitätsexamen das Studium der „schönen Wissenschaften“ – wie er selbst gern sagte – d. h. der deutschen Sprache, Litteratur, Geschichte und Culturgeschichte an der Universität Leipzig eine ganz neue Welt eröffnete. Namentlich Rudolf Hildebrand’s, des geist- und kenntnißreichen Germanisten, Belehrung, zumal in seinem Privatissimum, hat Hodermann’s wissenschaftlicher Anschauungsweise die Richtung gegeben. Im übrigen nutzte H. die so verschiedenartigen litterarisch-künstlerischen Anregungen, deren das Bildungscentrum „Pleiß-Athen“ so viele birgt, nach Kräften aus und genoß in fidelem, nichts weniger als einseitigem Burschenkreise auch das gesellige Leben in vollen Zügen. Noch als Leipziger Student 1889 stellte er als Bändchen I einer geplanten Serie „Bilder aus dem deutschen Leben des 17. Jahrhunderts“ die prächtig gelungene Erneuerung „Eine vornehme Gesellschaft. (Nach Harsdörffer’s Gesprächspielen.) Mit einem Neudrucke der Schutzschrift für die Teutsche Spracharbeit“ (1890) zusammen. Diese den theuern Eltern zur Silberhochzeit dargebrachte Erstlingsprobe seiner innigen Beschäftigung mit deutscher Sprache, Poesie und Art veranlaßte den „Pegnesischen Blumenorden“ zu Nürnberg, ihn bei Gelegenheit des 250jährigen Jubiläums zum correspondirenden Mitglied zu ernennen. Nach einer Reise durch Sachsen und die Sächsische Schweiz ging er Ostern 1890, wie anfänglich ein Semester, an seine Landesuniversität Jena, wo beide Vertreter der Germanistik, Friedrich Kluge und Berthold Litzmann, sehr wohlthätigen Einfluß auf seine etwas ungeregelte Arbeitsweise gewannen. Aus des ersteren Seminar ging die Doctordissertation über „Universitätsvorlesungen in deutscher Sprache um die Wende des 17. Jahrhunderts“ (1891) hervor, eine an sprachlichen Beobachtungen und culturhistorischen Schlüssen übervolle gedrängte Bearbeitung eines fleißig gesammelten Stoffes, die ihm im Mai 1891 den philosophischen Doctorgrad zu Jena verschaffte und 1895 in einem umsichtigen Nachtrag „Universitätsvorlesungen in [382] deutscher Sprache. Christian Thomasius, seine Vorgänger und Nachfolger“ in den „Wissenschaftlichen Beiheften zur Zeitschrift des allgemeinen deutschen Sprachvereins“. Heft VIII, S. 99–115, kundig ergänzt wurde. Aber schon damals nagte die furchtbare Krankheit an seinem Lebensmarke, die dem frischen, frohgemuthen Jünglinge so früh den Tod bringen sollte: von December 1890 bis März 1891 lag er im Landeskrankenhaus zu Jena und hoffte durch Koch’s Tuberculin in den ersten Stadien der Schwindsucht noch geheilt zu werden. Mit einem Reisestipendium Herzog Ernst’s II., seines Landesherrn, von 300 Mark ausgerüstet, reiste er 1891 nach Italien und Sicilien, kurz darauf, nachdem er in Gotha seine Studien fortgesetzt, zum zweiten Male, mußte jedoch in Palermo, vom Fieber gepackt, rasch heimkehren. Seitdem hat er sich auf die Dauer in der Heimathstadt niedergelassen und ihr seine große Liebe und Anhänglichkeit bezeugt, indem er die Ueberzahl seiner außerordentlich vielen und vielseitigen litterarischen Arbeiten an Gotha und dessen geistiges Leben in Vergangenheit wie Gegenwart angeknüpft hat. Das Lungenleiden, zu dessen Beseitigung er das südliche Klima vergebens aufgesucht hatte, ließ fürder nicht locker, warf ihn wiederholt für länger aufs Krankenlager, ohne daß er sich ergeben wollte. Unter aufopferndster Pflege seiner zärtlich verehrten Mutter erholte sich der junge Kämpfer für Schönheit und Wärme in Cultur und Leben scheinbar immer wieder, bis auch ihm die gesteigerte Bösartigkeit des Zustands jede Hoffnung benahm und er im Vollbewußtsein seines traurigen Schicksals am 16. September 1897 gefaßt verschied, noch nicht 29 Jahre alt; am 14. abends hatte er einen Aufsatz über die ehrwürdige Herzogin Alexandrine mit seinen letzten Schriftzügen abgeschlossen: „Die Liebe währet ewiglich!“

In rastloser, bisweilen erstaunlich weit ausschauender Arbeit hat der hochfliegende und doch hinwiederum sich liebevoll ins Kleine vertiefende Geist dieses hervorragend begabten Litterar- und Culturhistorikers sich getummelt. Mit den litterarischen, künstlerischen, überhaupt allen schöngeistigen Bestrebungen Gothas, auch mit dessen öffentlichem Leben, besonders auf humanitärem und localgeschichtlichem Gebiete, war H. aufs engste verknüpft und hat da als unermüdlicher, ebenso sachbewanderter wie feinsinniger Kritiker, Chroniqueur, rückschauender Historiker eine höchst fruchtbare publicistische Wirksamkeit entfaltet. Vor allem im „Gothaischen Tageblatt“, daneben ins den „Gothaer Neuesten Nachrichten“ u. a. einheimischen Zeitungen, auch Coburgs, haben die Neunziger Jahre ungezählte kürzere und längere Beiträge obenbezeichneter Art aus seiner Feder gestanden. Der „Wartburg-Herold. Mitteilungen über Thüringer Land und Leute“ hat 1896/97 von H. nette Aufsätze über „Gothaer Schlösser und Schlößchen“ und „Aus dem alten Schloßtheater zu Gotha“ gebracht. Auch die „Illustrierte Zeitung“, „Ueber Land und Meer“, „Wiener Kunstchronik“, „Der Sammler“, „Musikalisches Wochenblatt“ u. a. Journale öffneten dem fesselnden und gewandten Schriftsteller bereitwillig ihre Spalten. Denn leider mußte er sich öfters längere Zeit auf derartige Kleinarbeit beschränken, da die Rückfälle in seiner schwankenden Gesundheit die mehrmalige Aussicht bei Kunst- und Alterthümersammlungen (Coburg, Nürnberg) oder Bibliotheken (Gotha, Coburg) ins Amt zu treten, immer zerstörten und auch die vorschwebenden umfänglicheren litterarischen Publicationen wiederholt hintanhielten. Doch ist’s ihm immerhin gelungen, ein paar abgerundetere Arbeiten abzuschließen und in Druck zu bringen. Das sind nach der originellen Dichtung mit litterarhistorischen Anmerkungen „Goldener Hochzeitszauber. Epilog zur goldenen Hochzeit des Weimarer Fürstenpaares“ (1892), das wie eine Plauderei flott heruntergeschriebene, originelle Büchlein über „Schloß Friedenstein 1643–1893“ [383] (1893), den imposamten erinnerungsstrotzenden Gothaer Residenzbau; [Gothaer] „Theatergeschichtliche Erinnerungen“ von [1669]; dann seine Hauptleistung, die überaus gründliche und materialienreiche „Geschichte des Gothaischen Hoftheaters 1775–1779. Nach den Quellen“, in der Monographien-Sammlung seines akademischen Lehrers B. Litzmann „Theatergeschichtliche Forschungen“ Band X, eine actengetreue Darstellung eines höchst merkwürdigen Abschnitts deutscher Bühnenhistorie, in der Ekhof, daneben Iffland u. a. bedeutsame Rollen spielen; endlich „Georg Benda. Eine Gelegenheitsschrift. Mit Benutzung des Oberhofmarschallamtsarchives zu Gotha. Im Anhang: Seyler’s Contract und Benda’s Verzeichniß seiner Gothaer Werke“ (1895), eine Studie über den Gothaer Hofcapellmeister G. Benda († 1795) in der Musikgeschichte. Auf Grund der vorstehenden Veröffentlichungen wurde H. eingeladen, die Coburger Hoftheater-Gesellschaft bei ihrem Gastspiel in London als Correspondent zu begleiten, und er berichtete über die Theilnahme an dieser glänzend verlaufenen Tournée im Juni und Juli 1895 in regelmäßigen Briefen vornehmlich in der „Coburger Zeitung“; Herzog Alfred verlieh H. dafür die Medaille für Kunst und Wissenschaft und die Hoftheaterintendanz erkannte ausdrücklich die geschickte und taktvolle Lösung der schwierigen Aufgabe an, der eine Reihe vortrefflicher Stimmungsbilder aus der Riesenmetropole an der Themse entsprungen sind. Auch als Gelegenheitspoet bei Theater- und Wohlthätigkeitsvorstellungen der Heimath hat der dichterisch mit Schwung und Ideenfülle Begabte seine Muse reden lassen. Dabei kam die ihm innewohnende geniale Art wiederholt deutlich zum Durchbruch, die sonst der Ernst culturhistorischer u. ä. Auseinandersetzung, wenn nicht der Druck körperlicher Qual zurückgehalten hat. Was hätte der Wissens- und Plänevolle noch schaffen können!

Die verstreuten kleinen Aufsätze und Artikel nebst Lebensdaten u. s. w. wurden mir, dem Leipziger Studienfreunde, durch Hodermann’s Mutter zugänglich. Würdige Lebens- und Charakterskizze im „Gothaischen Tagebl.“ Nr. 217 (16. Spt.) 1897; kurzer Nachruf mit wärmster Anerkennung seiner Leistungen i. d. „Beil. z. Allg. Ztg.“ 1897 Nr. 210 (18. Spt.) S. 8; Lebensdaten bei Frz. Brümmer, Lex. d. dtsch. Dicht. u. Pros. d. 19. Jhs.4 u. 5 II, 178 u. 516; Bibliographie Kürschner’s Litteraturkldr. XX, 555. Zu den Werken, die vielfach besprochen und durchweg hoch gelobt wurden, vgl. L. Fränkel für das Debüt, das Harsdörffer-Büchel, i. d. Ztschr. f. d. dtsch. Unterr. IV, 393; für die „Gesch. d. Goth. Hoftheaters“ statt aller die Inhaltsbesprechung i. „Litteraturbl. f. germ. u. rom. Philolog.“ XVIII, Sp. 158 ff. Vgl. Grenzboten 49, 136; D. Protest.bl. 26, 117.