ADB:Gunther (Slawen-Missionar)
Godehard (s. d.), der kurz zuvor von Heinrich II. zum Abt von Hersfeld ernannt war und die Reform dieses Klosters durchgeführt hatte. Er bekannte dem Abt seine Sünden, übergab seine ganze Habe, namentlich das von ihm gestiftete Kloster Gellingen, an Hersfeld, und legte dann, nachdem er eine Zeit lang in Niederaltaich, Godehard’s Heimathkloster, als Laie [144] gelebt und eine Bußfahrt nach Rom zu den Gräbern der Apostel unternommen hatte, 1006 in Altaich das Mönchsgelübde ab. Als er nun aber das Vorstandsamt des Klosters Gellingen, das er sich bei der Tradition vorbehalten hatte, übernahm, kam es bald zu allerhand Conflicten zwischen ihm und seinen Mönchen, die Godehard’s und des von ihm zu Hülfe gerufenen Heinrichs II. Einschreiten nöthig machten. Auf beider Mahnungen entschloß sich G. sein Leben ganz dem Dienste Gottes und der Enthaltsamkeit zu weihen, legte sein Gellinger Amt nieder und begab sich nach kurzem Aufenthalt zu Altaich 1008 in die Einöden des Böhmer Waldes, wo er sich nun zu Rinchnach in der Nähe des schwarzen Regen eine dauernde Niederlassung gründete. Unter größten Entbehrungen brachte er hier zuerst allein, dann mit einigen Genossen, die der Ruf seiner Frömmigkeit herbeirief, sein Leben zu. Die St. Johanneskirche, die er hier gegründet hatte, und die dem Abt von Altaich untergeordnet war, ward 1019 von dem Bischof von Passau geweiht und erhielt 1029 von Konrad II. eine erste Bestätigungsurkunde. Nicht nur Gunther’s tadelloser Lebenswandel, seine trotz seines Mangels an litterarischer Bildung um so bewundernswerthere Schriftkenntniß, seine Thätigkeit für die Cultur des umliegenden Landes, dessen wilde Waldeinsamkeit er nach allen Seiten mit gebahnten Straßen durchzog, und das er dem Ackerbau gewann, haben ihm hier ein dauerndes Andenken bereitet: von noch größerer Bedeutung war er durch seine Vermittlung zwischen dem deutschen Königthum und der deutschen Civilisation einer- und den sich eben entwickelnden östlichen Nachbarvölkern des deutschen Reichs andererseits. Vergeblich freilich war es, daß er bei den heidnischen Liutizen das Christenthum zu predigen versuchte; in nahem Verkehr aber stand er mit dem Könige Stephan dem Heiligen von Ungarn, den Polen und ganz besonders mit dem Fürstenhause der böhmischen Premysliden. Ist es auch ein Mährchen, daß er den Herzog Bretislav, den „böhmischen Achill“, wie man ihn genannt hat, aus der Taufe gehoben habe, so hat er ihm doch sehr nahe gestanden und durch diese Verbindung bedeutsamen Einfluß auf die Entwicklung der politischen Verhältnisse Deutschlands und Böhmens ausgeübt. Schon seine Anwesenheit am deutschen Hofe im Januar 1029, während welcher er die oben erwähnte Urkunde erwirkte, wird in dieser Hinsicht zu beachten sein; man darf die Vermuthung aussprechen, daß sie mit den Verhandlungen zusammenhängt, welche damals zwischen Konrad und Bretislav gepflogen sein müssen und im selben Jahr zu dem gemeinsamen Angriff beider gegen Mesko von Polen führten. Ausdrücklich bezeugt wird es sodann, daß G. auf dem Reichstage zu Regensburg von 1034 anwesend war, und daß auf seine und anderer angesehener Männer Bitte Konrad den vor einiger Zeit entsetzten Udalrich, den Vater Bretislavs, begnadigte und ihm sein Herzogthum auf’s Neue verlieh. Wiederum hat man allen Grund, Gunther’s Anwesenheit auf dem Augsburger Hoftage vom Januar 1040 mit den vor Kurzem ausgebrochenen, aber durch ein gütliches Abkommen ausgeglichenen Differenzen zwischen Heinrich III. und Bretislav in Beziehung zu setzen, und eine noch bedeutsamere Rolle spielt er, als es nun doch in demselben Jahre zwischen Deutschland und Böhmen zum Kriege kam: die von den Böhmen geschlagene bairische Abtheilung des deutschen Heeres verdankte es nur seinen Bemühungen, wenn ihre Ueberreste glücklich in die Heimath entkamen; auch das deutsche Nordheer führte G., den Heinrich zu diesem Zwecke absandte und der einen Vertrag zwischen seinem Führer Ekkehard und den Böhmen vermittelte, nach Deutschland zurück. Das hohe Ansehen, in welchem G. bei den Böhmen gestanden haben muß, um eine derartige Thätigkeit ausüben zu können, blieb dem frommen Manne auch, nachdem er am 9. October 1045 gestorben war. Auf böhmischer Erde, in dem Kloster Brewnow bei Prag, das Boleslav II., Bretislav’s Urgroßvater gestiftet hatte, wurde er bestattet; der [145] Böhmenkönig Ottokar II. erwirkte auf Grund der Wunder, die an seinem Grabe geschahen, von Papst Alexander IV. seine Heiligsprechung.
Gunther der Heilige, der Einsiedler, † am 9. October 1045, entstammte einem edlen Geschlechte Thüringens, das indeß nicht näher zu bezeichnen ist. Nach einer von Ausschweifungen nicht freien Jugend wurde er von jenem ascetischen Drange ergriffen, der in diesem Jahrhundert den Geist so vieler Menschen erfüllte, und begab sich zu- Vita Godehardi post. cap. 8. 9, ss. XI, 201. 202. Großentheils hieraus entlehnt und fast werthlos ist die Vita Guntheri p. XI, 276 ff. Außerdem einzelne Nachrichten bei Arnoldus de S. Emmerammo, Herim. Aug., Ann. Altah., Ann. Hildesh., Stephani vita major cap. 14. etc. Vgl. Hirsch, Jahrbücher Heinrichs II., Bd. II, 33 ff.; Büdinger, Oesterr. Gesch. I, 349 ff.; Dudik, Mährens Allg. Gesch. II, 160 ff.; Steindorff, Jahrb. Heinrichs III., Bd. I, 79, 95, 96, 289.