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Artikel „Glasbrenner, Adolf“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 213–215, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gla%C3%9Fbrenner,_Adolf&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 03:06 Uhr UTC)
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Glasbrenner: Adolf G., humoristischer und satirischer Schriftsteller, der „Erzieher des Berliner Witzes“, geb. am 27. März 1810 zu Berlin und ebendaselbst [214] gestorben am 25. Sept. 1876, war der Sohn eines kleinen Putzfederfabrikanten, dessen Vermögensverhältnisse es nicht erlaubten, den Sohn nach dessen Willen Theologie studiren zu lassen. So wurde G. nach dem Besuch des Gymnasiums, auf dem er sich mit seinem Schulkameraden Gutzkow befreundete, ein Kaufmann, aber viel mehr Freude, als das Soll und Haben des Geschäfts zu buchen, machte es ihm sich in litterarischen Arbeiten zu versuchen und seinen leichtauffassenden Geist weiter zu bilden. Er ermöglichte den Besuch von Vorlesungen an der Universität und wurde namentlich ein fleißiger Hörer Hegel’s, verstand es auch sonst noch, seine Kenntnisse in karggemessenen Mußestunden zu erweitern und während wir seit 1827 seine poetische Thätigkeit schon in verschiedenen Blättern (u. a. Saphir’s Berliner Courier) wahrnehmen und günstig aufgenommen sehen können, finden wir ihn bereits 1832 hinter dem Redactionstisch des Berliner Sonntagsblattes „Don Quixote“, in dem der junge Berliner Witz Form und Stimme erhielt und unter Glasbrenner’s Pflege mehr und mehr Anhänger sich erwarb. Die lustig sprühenden Geistesblitze, die selbst den Censor bestachen, erschienen der Regierung bald von zu greller Helle und ein Verbot des Ministers v. Brenn machte sie verlöschen. G. gab nach diesem gewaltsamen Tod seines streitbaren Junkers Don Quixote die Plänkereien seines geistvollen Witzes nicht auf, sondern setzte sie – jetzt unter dem Pseudonym Brennglas schreibend – in den außerordentlich populär gewordenen Heften „Berlin, wie es ist und – trinkt“, fort. Wie zündend und packend das humoristische Talent des jungen Glasbrenner’s in dieser ungemein heiteren Folge der gelungensten Porträtirungen aus dem Leben Berlins sich offenbart, erhellen schon die zahllosen Nachahmungen, die sie fanden und deren man gegen 200 in den verschiedensten deutschen Städten zählt. G. hat in den 32 Heften seines „Berlin, wie es ist und – trinkt“ (Berlin und Leipzig 1832–50) eine ganze Reihe typisch gewordener Figuren aus dem Berliner Volksleben mit höchster Treue geschildert, von denen viele, wie der „Eckensteher Nante“, „Der Droschenkutscher“, „Der Straßenkehrer“, „Das Dienstmädchen Juste mit ihrem Füssilier“ u. A., auch heute unvergessen sind und in der humoristischen Litteratur der Residenz lustig, oft freilich in sehr verwässerten Nachahmungen weiter leben. Der fruchtbare Humorist schuf außerdem noch zahlreiche andere humoristische Werke, die aus dem Leben der Hauptstadt an der Spree ihren Stoff nahmen, so „Buntes Berlin“ (13 Hefte Berlin 1835–52), „Leben und Treiben der feinen Welt“ (Leipzig 1834), „Herr Buffey auf der Berliner Kunstausstellung“ (4 Hefte Berlin 1835), „Aus dem Leben eines Gespenstes“ (Leipzig 1838), „Berliner Volksleben“ (3 Bde. ebd. 1846). „Die Bilder und Träume aus Wien“, die der Humorist anonym 1836 in Leipzig, nach einem 7monatlichen Aufenthalt in der österreichischen Metropole herausgab, hatten das Schicksal des Don Quixote – sie wurden verboten und zwar vom Bundestag für ganz Deutschland. Seine am 15. Septbr. 1840 erfolgende Verehelichung mit der Schauspielerin Adele Peroni (geb. am 17. Jan. 1816 zu Brünn, debütirte am 14. Jan. 1832 in Olmütz), entführte G. Berlin, indem er seiner jungen Gattin in deren Engagement nach Neustrelitz folgte. Hier schrieb er die „Verbotenen Lieder eines norddeutschen Poeten“, die 1843 in Bern erschienen, aber als aus der Schweiz kommend, wirklich verboten wurden, und die Satire auf den Jesuitismus, das Epos „Neuer Reinecke Fuchs“ (1845, 4. A. 1869), des Dichters bedeutendstes „an schlagendem Witze, wie an einer burlesken Naivität“ reiches Gedicht. Die Ereignisse des J. 1848 bestimmten G. nach Berlin zu eilen; zurückgekehrt, betheiligte er sich bei der demokratischen Partei in Strelitz, was höchst ungerechtfertigter Weise 1850 seine Ausweisung zur Folge hatte. Außer bereits genannten Arbeiten hatten in Strelitz noch das Licht der Welt erblickt der „Komische [215] Volkskalender“ (Berlin 1846–65, 1867), von dem 21 Jahrgänge erschienen, das Gedicht „April“ (Hamburg 1847) und der „März-Almanach“ (Berl. 1849). Im Jahre seiner Ausweisung gab G. die aristophanische Komödie „Kaspar der Mensch“ (Neue lustige Komödien I. 1850) und im Verein mit Dr. Daniel Sanders „Xenien der Gegenwart“ (1850) heraus. Begleitet von seiner Gattin, die unter Opfern ihren lebenslänglichen Contract in eine Pension umgewandelt hatte, begab sich G. von Neustrelitz nach Hamburg, wo er kurze Zeit die Zeitschrift „Phosphor“ und das bekannte Blatt „Ernst Heiter“, das aber schon nach der fünften Nummer für Preußen verboten wurde und dadurch einging, herausgab. Ebenda entstanden die reizenden Jugendschriften „Die Insel Marzipan. Ein Kindermärchen“ (1851), „Lachende Kinder. Kinderlieder“ (1850) u. „Sprechende Thiere, Kinderlieder“ (1854), ferner das komische Gedicht „Die verkehrte Welt“ (1856, 6. Aufl. 1873), eine Sammlung burlesk-satirischer Novellen unter dem Titel: „Komische 1001 Nacht“ (1852), ein kleines „Carnevals-Albumchen für 1851“, „Pritsche und Knute“ (1851), und „Gedichte“, d. i. die Gesammtausgabe seiner Poesien, die 1870 bereits in 5. Auflage erschienen. Obgleich in Hamburg außerordentlich angesehen und hochgeschätzt, verließ der Humorist doch 1858 die Hansestadt, um wieder nach Berlin zurückzukehren, wo er bis an sein Ende – später von Richard Schmidt-Cabanis unterstützt – die beliebte „Berliner Montagszeitung“ herausgab, deren Jahrgänge ein gutes Zeugniß seiner frisch fortschaffenden humoristischen Kraft ausstellen. Auch einige selbständige Werke hat er in Berlin noch herausgegeben, so die Posse „Alle für Einen und Einer für Alle“ (1860), gesammelte Skizzen unter dem Titel: „Humoristische Table d’hôte“ (1860), „Herr v. Kurzweil im Waggon“ (1866), „Neue Gedichte“ (1866), „Herr v. Lustig auf der Reise“ (1866), „Komisch, komisch! Sammlung komischer Anzeigen, Ankündigungen etc.“ (1867) und „Burleske Novellen“ (1867). Die sonstigen, im Verlauf dieser Skizze nicht genannten Arbeiten Glasbrenner’s sind: „Die politisirenden Eckensteher“ (2. Aufl. 1833), „Novellen-Almanach“ (1835), „Aus dem Leben eines Hingerichteten“ (1835), „Taschenbuch für heitere und ernste Poesie“ (VI. Leipzig 1836–38), „Deutsches Liederbuch“ (1836), „Die jüngste Walburgisnacht. Ein Gedicht“ (1843), „Antigone in Berlin. Eine Komödie“ (2. Aufl. 1843). – Leicht und scharf, wie fortschrittlich in seiner Tendenz, trifft G. fast immer den volksthümlichen Ton und hat nicht nur das Verdienst, den Berliner Witz zur Geltung gebracht, ja zur Macht erhoben zu haben, sondern auch einer seiner geistvollsten, nie dem jetzt so alltäglich gewordenen „höheren Blödsinn“ huldigender Vertreter gewesen zu sein. Bei aller Schärfe seiner Satire besaß G. auch ein feines poetisches Empfinden, das oft aus seinem „Neuen Reinecke Fuchs“ und den meisten seiner Gedichte spricht, von denen viele durch ihren gemüthvollen Charakter Componisten wie Methfessel, Kücken, Taubert, Marschner u. A. zur Composition veranlaßten. G. ist nach Karl Rosenkranz (Aus einem Tagebuch, Leipzig 1854) „der Schöpfer zugleich der demokratischen Anschauungsweise des Berliner Bürgers, der aber in den anderen Städten der Monarchie seine Stammgenossen hat“ und gehört zu den Schriftstellern, die ohne den Classikern beigezählt zu werden, auf ihrem Gebiete classisch sind.

Vgl. Gartenlaube 1865, S. 117–119 (F. W.: Der Erzieher des Berliner Witzes), Illustrirte Zeitung 1876, S. 353–356 (Dr. E. Kneschke, Adolf Glaßbrenner).