ADB:Gertrud (Königin von Ungarn)

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Gertrud von Meran, Königin von Ungarn“ von Heinrich Ritter von Zeißberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 72–73, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gertrud_(K%C3%B6nigin_von_Ungarn)&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 09:20 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 9 (1879), S. 72–73 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Gertrud von Andechs in der Wikipedia
Gertrud von Andechs in Wikidata
GND-Nummer 138779074
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|9|72|73|Gertrud von Meran, Königin von Ungarn|Heinrich Ritter von Zeißberg|ADB:Gertrud (Königin von Ungarn)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138779074}}    

Gertrud von Meran, Königin von Ungarn. Ihr Vater war Bertold IV., Graf von Andechs und Markgraf von Istrien, ihre Mutter Agnes, Tochter des Grafen Dedo von Rochlitz. G. wurde mit dem jüngeren Sohne des ungarischen Königs Bela III., Andreas, vermählt, der seinen älteren Bruder Emmerich, den Nachfolger des Vaters auf dem Throne (seit 1196), von diesem zu verdrängen suchte, nach längerem Bruder- und Bürgerkriege jedoch (1203) in Gefangenschaft gerieth. Die Zeit der Vermählung Gertrud’s mit Andreas ist unbekannt, doch fand dieselbe noch vor der Gefangennehmung des letzteren statt, bei welcher Gelegenheit G. von Emmerich des Landes verwiesen wurde. Nach dem Tode Emmerich’s, der sterbend (1204) seinen Bruder in Freiheit setzte und ihn zum Vormund seines Sohnes bestellte, rief Andreas seine Gemahlin zurück, auf deren Antrieb er neuerdings sich selbst des Thrones zu bemächtigen suchte. Zwar floh die Wittwe Emmerich’s, Constanze, mit dem königlichen Kinde nach Oesterreich; doch durch den plötzlichen Tod des letzteren (1205) sahen sich Andreas II. und seine Gemahlin G. am Ziele ihrer Wünsche. Energie- und charakterlos, wie er war, blieb Andreas auch fernerhin der willenlose Sclave seiner Gattin, die ihn und das Reich beherrschte, Aemter und Würden nach Gutdünken vertheilte oder durch ihren Gemahl vertheilen ließ, sich um Recht und Sitte wenig kümmerte und namentlich ihre Verwandten und Günstlinge glänzend zu versorgen suchte. Von G. bewogen, setzte es Andreas durch, daß ihr Bruder Bertold, Bamberger Propst, obgleich er die dazu erforderlichen Kenntnisse und das gesetzliche Alter nicht besaß, zum Erzbischof von Kalocsa gewählt wurde, eine Wahl, die der Papst nach längerem Zögern und auf dringende Bitte des königlichen Paares bestätigte (1207). 1206 gebar G. einen Sohn, den nachmaligen König Bela IV. Gertrud’s älterer Bruder, Ekbert, Bischof von Bamberg, überbrachte die Glückwünsche des Papstes zu diesem Sohne und erhielt dafür sogleich reiche Schenkungen, besonders in der Zips. Als er sodann nebst seinem Bruder Heinrich, Markgrafen von Istrien, der Mitschuld an der Ermordung des deutschen Königs Philipp (1208) angeklagt wurde, nahmen beide ihre Zuflucht nach Ungarn, wo sie bis 1211 blieben, den verdienstvollsten Männern vorgezogen und mit Gunstbezeigungen überhäuft wurden. Inzwischen hatte sich Erzbischof Bertold durch unwürdiges Betragen so verachtet und verhaßt gemacht, daß ihn der Papst abzusetzen drohte, wenn er sein Benehmen nicht ändere. Nichts destoweniger fuhr Andreas, von G. dazu bewogen, fort, Bertold zu begünstigen, und machte ihn (1209) sogar zum Ban von Slavonien. Gertrud’s Jugendlehrer, Adolf, erhielt die Propstei zu St. Martin in Zipsen und sammt seiner Schwester, einem Hoffräulein der Königin, noch eine beträchtliche Herrschaft. Die unverdiente Begünstigung unwürdiger Ausländer und deren unersättliche Habgier und unerträglicher Hochmuth führte, während der König 1209 in Halitsch abwesend war, zu einer Verschwörung, die indessen rechtzeitig entdeckt und vereitelt wurde. Doch die Unzufriedenheit währte fort. Zwischen dem Erzbischof Bertold und dem Reichsprimas Johannes kam es zu einem heftigen Streite über das Recht der Königskrönung, der zwar zuletzt gegen Bertold entschieden wurde, den König aber veranlaßte, ihn auf Gertrud’s Antrieb (1212) als Ersatz dafür zum Wojwoden von Siebenbürgen und zum Grafen von Bodrog und Bacs zu ernennen. In demselben Jahre verlobte der König seine vierjährige Tochter Elisabeth, die ihm G. geboren hatte, mit Ludwig, dem Sohne des Landgrafen Hermann von Thüringen. Es ist dies die hl. Elisabeth. Eine glänzende Gesandtschaft holte die Braut aus Ungarn ab, zugleich mit vielen Schätzen, darunter ein [73] silbernes Ruhebett, worin die Mutter das Kind den Gesandten übergab. Die Ungarn erfüllte auch das mit bitterem Unmuthe. Hätte eine beliebte Königin ihre Tochter mit solch verschwenderischer Pracht ausgestattet, so würde dies vielleicht ihrem Stolze geschmeichelt haben; aber daß diese verhaßte Frau unumschränkt über die Schätze des erschöpften Landes verfüge und, was sie erpreßte und zusammenraffte, ihren Verwandten ins Ausland schicke, das kränkte sie tief. Im J. 1213 unternahm der König wieder einen Zug nach Halitsch. Vor seiner Abreise übertrug er die Reichsverwaltung der Königin und ihrem Bruder, dem Kalocsaer Erzbischofe. Dadurch fühlten sich namentlich der Primas Johannes und der verdienstvolle Palatin Bank (Benedict), aus dem Geschlechte Bór zurückgesetzt. Daher bildete sich abermals eine Verschwörung, die es auf die Ermordung der Königin und ihres Bruders abgesehen hatte. Ob, wie eine spätere, unerwiesene Sage zu erzählen weiß, die Königin ihrem Bruder Bertold – nach einer anderen Fassung Ekbert – die Hand zur Entehrung der Gattin Bank’s geboten hat oder nicht, bleibt dahingestellt; jedenfalls war auch ohne einen solchen speciellen Anlaß so viel Stoff der Unzufriedenheit angehäuft, daß sich derselbe, begünstigt durch des Königs Abwesenheit, zu einem furchtbaren Brande entzünden konnte. Man brach, nachdem, wie es heißt, der Primas in zweideutigen Worten dazu seine Zustimmung gegeben, unter der Führung des Biharer Obergespans Peter und des Bans Simon in die Burg ein, hieb die Wachen nieder, drang in das Gemach der Königin, die mit ihren Kindern spielte, ein und machte sie nieder. Die Kinder, der bereits gekrönte Bela, der jüngste Sohn Andreas und die Tochter Maria, wurden verschont. Der Erzbischof von Kalocsa und der zufällig anwesende Herzog Leopold von Oesterreich retteten sich mit Mühe, Bertold entkam mit einer Geldsumme von 7000 Mark, die seine Schwester G. gesammelt hatte, nach Deutschland, mußte zwar die Summe auf Geheiß des Papstes zurückerstatten, wurde aber später Patriarch von Aquileja. Die Thäter ließ der König aus Furcht vor neuer Empörung unbestraft. Nur Peter war bereits in der Nacht nach der vollbrachten That von Anhängern der Königin ermordet worden. Ban Simon büßte erst 14 Jahre darnach den Frevel mit dem Verlust seiner Besitzungen. Bank selbst scheint an der Ermordung Gertruds, wenn er auch insgeheim dieselbe gefördert haben mochte, wenigstens nicht thätlichen Antheil genommen zu haben; da er auch später die höchsten Staatsämter bekleidete. – G. starb am 28. Sept. 1213 und wurde im Cistercienser-Kloster Pilis beigesetzt. Sie war der Kirche freundlich gesinnt gewesen. Eine Kirche zu Breslau besaß einen goldenen Kelch, zu dem, ihrem Wunsche gemäß, eine Krone, deren sie sich sonst an hohen Festen bediente, umgeschmolzen worden war. In Ungarn gründete sie das Praemonstratenser-Kloster Lalecz und bedachte es reichlich. Im Capitelarchiv zu Cividale in Friaul befindet sich unter der Bezeichnung: „Codex Gertrudianus“ ein Psalter mit Miniaturen, der für sie angefertigt wurde (beschrieben von Eitelberger im Jahrb. d. k. k. Centralcommission z. Erforsch. u. Erhalt. d. Baudenkmale. Wien 1857, II. Bd., S. 252 ff.).

Die Quellenstellen über G. zusammengetragen von Oefele, Geschichte der Grafen von Andechs, S. 36; dazu kommt aber noch eine interessante Stelle in der (russisch geschriebenen) sogen. Volhynischen Chronik. Vgl. J. Szaraniewicz, Die Hypatioschronik als Quellenbeitrag zur österr. Geschichte, Lemberg 1872, S. 50 ff. J. A. Feßler, Gesch. von Ungarn (2. Aufl. von E. Klein), I. 292 ff.