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Artikel „Gemeiner, Karl Theodor“ von Edmund von Oefele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 553–554, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gemeiner,_Karl_Theodor&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 04:37 Uhr UTC)
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Gemeiner: Karl Theodor G., geb. am 10. Dec. 1756 zu Regensburg, gest. daselbst am 30. Nov. 1823, war der Sprosse eines alten Bürgergeschlechtes jener Reichsstadt und Sohn des dortigen Senators Georg Theodor G., dessen Gattin, eine Tochter des kursächsischen Reichstagssecretärs Herrich, mütterlicherseits aus der Predigerfamilie Serpilius stammend, den als Bibliographen bekannten Superintendenten dieses Namens zum Großvater hatte. Daher sollte und wollte sich auch G. zunächst der Gottesgelehrtheit widmen, betrieb deren Studium zu Leipzig 1775–78, dachte aber sodann, weil für ein geistliches Amt in der Heimath nur entfernte Aussicht bestand, auf einen anderen Broterwerb. Er forschte im Communalarchive über die Geschichte der Juden in Regensburg nach, verfaßte eine (ungedruckt gebliebene) Abhandlung dieses Betreffes und bewog durch deren Ueberreichung die Machthaber, ihm den Eintritt in den städtischen Verwaltungsdienst, vorerst das Registratur- und Archivwesen zu gestatten. Freilich mußte sich G. für diesen neuen Beruf erst juridisches und diplomatisches Wissen auf den Universitäten Ingolstadt und Erlangen, dann praktische Kenntnisse in der Diplomatik während eines dreiwöchentlichen Aufenthaltes bei dem baireuthischen Archivar Spieß auf der Plassenburg und während eines achttägigen bei Grandidier und Oberlin zu Elsaß-Zabern aneignen. Dann aber wurde er (1781) als Syndikus-Archivarius der Reichsstadt Regensburg angestellt, bald auch mit der Verwaltung ihrer Bibliothek betraut und bis zum ersten Syndikus und Stadtschreiber (Kanzleidirector) befördert, wobei es ihm erlaubt war, durch Vertretung einiger Städte, darunter Bremen, am Reichstage sein Einkommen zu erhöhen. Der Uebergang Regensburgs an den Kurerzkanzler von Dalberg (1803) brachte ihm als Ersatz für die städtischen Aemter unter Belassung von Archiv und Bibliothek die Stelle eines Landesdirectionsrathes; ferner ward ihm auch das bisher fürstbischöfliche Archiv anvertraut und, damit er behufs seiner geschichtlichen Forschungen freien Zutritt habe, unter der Bezeichnung „Generalarchivariat“ ein Oberaufsichtsrecht über die anderen (meist klösterlichen) Archive in Regensburg ertheilt, deren bedeutendste von dem Benedictiner Zirngibl verwaltet wurden. Die baierische Regierung stellte (1810) den Landesdirectionsrath G. zur Disposition, ließ ihm dagegen die Verwahrung der reichsstädtischen sowie fürstbischöflichen Archive und Registraturen, aus denen (1816) ein eigenes Archivconservatorium gebildet ward. Als (1820) organisatorische Maßnahmen dessen Auflösung nöthig machten, durften die reichsstädtischen Archivalien jener Zeiten, welche Gemeiner’s Regensburger Chronik noch nicht erreicht hatte, bis sie hierzu benützt wären, in Regensburg bleiben. G. hatte bereits als Bibliograph, namentlich durch Beschreibung von Inkunabeln und Handschriften der Regensburger Stadtbibliothek (1785, 1791) Anerkennenswerthes geleistet, als er sich auf deutsche, besonders baierische Geschichte des Mittelalters warf. Hier errang sein Streben keinen bleibenden Erfolg. Die Ursachen lagen theils außer ihm – noch war ja die deutsche Rechtsgeschichte nicht geschaffen – theils allerdings in seinem zu wenig umfassenden und eingehenden Quellenstudium, wobei er stets [554] neue Entdeckungen zu machen glaubte, an seiner vorgefaßten Meinung aber trotz aller Widerlegungen mit Eigensinn und dem Gegner leicht persönliche Motive zuschreibend, festhielt. Unter solchen Uebelständen litt auch die beste seiner Schriften aus dieser Periode, die „Geschichte des Herzogthums Baiern unter Kaiser Friedrich des Ersten Regierung“ (1790). Wol sein größter Irrthum war die schon hier auftauchende, später noch wiederholt, insbesondere in der Abhandlung „Ueber den Ursprung der Stadt Regensburg und aller alten Freistädte, namentlich der Städte Basel, Straßburg, Speier, Worms, Mainz und Cölln“ (1817) verfochtene Ansicht, es habe im Mittelalter den Reichsstädten gegenüber eine eigene Klasse von „Freistädten“ mit ganz außerordentlichen Prärogativen gegeben. Gemeiner’s Stärke war nun einmal nicht kritische Forschung und methodische Entwickelung, vielmehr frei aus dem Vollen schöpfende, ungebunden referirende Erzählung. So gehört schon die – leider nur bis zum Jahre 1669 bearbeitete – „Geschichte der öffentlichen Verhandlungen des zu Regensburg noch fortwährenden Reichstags“ (3 Bände, 1794–96) zu seinen gelungeneren Werken. Eine den Anlagen und Verhältnissen Gemeiner’s entsprechende Aufgabe war endlich die Schilderung der Vergangenheit seiner Vaterstadt. Er dachte an keine topographische Geschichte, wozu wie zum Berufsarchivare ihm die unverdrossene Akribie gemangelt, sondern er wählte sich einheitliche Darstellung in annalistischer Form. Doch nur bis zum J. 1525 vermochte G. seine „Reichsstadt Regensburgische Chronik“, vom dritten Bande an mit dem Nebentitel „Stadt Regensburgische Jahrbücher“ noch zu führen (der erste Band wurde 1800, der zweite 1803, der dritte 1821, der vierte nach seinem Tode, 1824, im Drucke vollendet); zum Theile als Supplement kann die von ihm (1792) anonym herausgegebene „Geschichte der Kirchenreformation in Regensburg“ (bis 1555) gelten. Bedürften nun allerdings jene Perioden der Regensburger Geschichte, womit sich die ersten Bände der „Chronik“ beschäftigen, bei dem jetzigen Stande der deutschen Verfassungsgeschichte und Quellenkunde größtentheils einer neuen Bearbeitung, so sind die zwei letzten Bände (1430–1525) – fast ganz aus ungedrucktem Materiale geschöpft, das zum Theile (wie die Rathsprotokolle) jetzt verloren scheint – nach Gehalt und Gestalt dauernd hochschätzbar, denn sie gewähren ein reiches und klares Bild communalen Lebens und äußerer Vorgänge, dazu eine Fülle kulturgeschichtlicher Nachrichten. Charakteristisch für Gemeiner’s politische Denkart ist eine Schrift, die er im J. 1810, als sein Uebergang an Baiern bevorstand, verfaßte. In der „Geschichte der altbaierischen Länder, ihrer Regenten und Landeseinwohner“ wollte er an der Agilolfingerzeit (diese allein ist behandelt) darthun, wie Baiern, ein „Vorland“ des fränkischen Reiches bildend, schon einmal unter „französischem Scepter“ gestanden, dieses Verhältniß aber nicht so schmerzlich gewesen sei als die Ostgothenherrschaft. Das bereits gedruckte Elaborat legte er Montgelas vor, und wahrscheinlich auf dessen Wink unterblieb die Verbreitung. Nachdem aber Baiern vom Rheinbunde zurückgetreten, sollte die nämliche Schrift als eine Mahnung zur Thatkraft wirken, auf daß jenes nicht noch einmal in eine so bedenkliche Lage komme wie die darin geschilderte. Zu diesem Behufe mußte freilich der Ausdruck hin und wieder geändert, deshalb ein bedeutender Theil umgedruckt werden (Anfangs November 1813); gleichwol ist die wenig erbauliche erste Tendenz noch kennbar genug; das wissenschaftliche Ergebniß der gerade nicht unfleißigen Arbeit haben Buchner’s, Rudhart’s und Büdinger’s Forschungen völlig antiquirt.

Kiefhaber’s Vorrede zum vierten Bande von Gemeiner’s Regensburgischer Chronik, biographische Nachrichten über denselben enthaltend. Akten des k. baierischen allgemeinen Reichsarchives.