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Artikel „Gehringer, Josef“ von Franz Xaver von Linsenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 499–500, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gehringer,_Josef&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 11:54 Uhr UTC)
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Gehringer: Joseph G., katholischer Theologe, geb. am 10. April 1803 zu Unterkochen bei Aalen in Würtemberg; besuchte das Gymnasium zu Ellwangen 1816–22, studirte Philosophie und Theologie als Zögling des Wilhelmsstifts in Tübingen 1822–26, wurde im Jahre darauf nach der üblichen Seminarsvorbereitung in Rottenburg zum Priester geweiht und erhielt seine erste dienstliche Verwendung als Vicar in Neuhausen a. d. F. Im folgenden Jahre schon als Repetent in das Wilhelmsstift (kathol. Convict) nach Tübingen berufen, verließ er diese Stelle 1831, um die Pfarrei Mögglingen anzutreten. Von dem Ansehen, welches er sich hier zu erwerben wußte, zeugt es, daß er 1839 von dem angrenzenden Oberamtsbezirk Aalen zum Abgeordneten für den [500] würtembergischen Landtag gewählt wurde, ein katholischer Geistlicher in einem zur Hälfte protestantischen Bezirk! Um diese Zeit fingen auch in Würtemberg gewisse kirchliche Fragen an, brennend zu werden und schon war die königliche Regierung gegen ein Mitglied der katholisch-theologischen Facultät, Professor Mark[1], vorgeschritten, indem sie denselben auf eine Landpfarrei versetzte. An Mark’s Stelle nun ward von der Regierung G. ausersehen und nach längeren Verhandlungen mit Facultät und akademischem Senat auch wirklich ernannt, nachdem er die Zusage gemacht, sein Mandat als Abgeordneter niederzulegen, um sich ganz seinem akademischen Berufe, welcher ihm den Vortrag der Moral und der Exegese des Neuen Testamentes, später auch der Pastoraltheologie auferlegte, widmen zu können. Er trat sein Amt an am 12. Oct. 1841. Allein er konnte hier keinen rechten Boden gewinnen. Seiner Geistesrichtung nach gehörte er zu jenen Männern von wohlmeinender Gesinnung, aber oberflächlich rationalistischer Bildung, welche die Reformideen Josephs II. in die Kirche einzuführen, für ihre Aufgabe ansahen; aber solches Bestreben war damals bereits ein Anachronismus, als Männer wie Drey, Kuhn, Hefele, Welte der Facultät ihre Richtung gaben, und nachdem schon ein Möhler, Herbst und Hirscher vorausgegangen waren. G. besaß weder jene geistige Energie und Ueberlegenheit, noch jene persönliche Anziehungskraft, um einen Anhängerkreis zu gewinnen und zu fesseln, vielmehr drohte ihm eine förmliche Secession seiner Zuhörer, sobald diese mit dem J. 1848 unter anderen Freiheiten auch die erlangt hatten, die vorgeschriebenen Vorlesungen bei den ihnen beliebigen akademischen Docenten zu hören. Dadurch sah sich G. veranlaßt, schon 1848 um Versetzung oder zeitweilige Enthebung von seiner Stelle nachzusuchen, 1849 aber sich um Uebertragung der Pfarrstelle Kocherthürn zu bewerben, auf welche er am 20. Sept. d. J. investirt wurde. – Theils ein Drang seines frommen Gemüths, theils das Interesse für biblische Studien bewog ihn noch in vorgerücktem Alter zu einer Reise nach Palästina, von welcher er nicht mehr zurückkehren sollte. Er starb 1857 zu Jerusalem. – An Schriften hinterließ er: „Synoptische Zusammenstellung des griechischen Textes der vier Evangelien nach den Grundsätzen der authentischen Harmonie“, 1842, 4°. – „Liturgik. Ein Leitfaden zu akademischen Vorträgen über die christliche Liturgie nach den Grundsätzen der katholischen Kirche“, 1848. – „Theorie der Seelsorge. Ein Leitfaden zu akademischen Vorlesungen“ etc., 1848.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 500. Z. 5–6 v. o. l.: Mack (st. Mark). [Bd. 9, S. 796]