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Artikel „Fresenius, Remigius“ von Heinrich Fresenius in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 739–742, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fresenius,_Remigius&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 06:12 Uhr UTC)
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Fresenius: Karl Remigius F., einer der bedeutendsten analytischen Chemiker, Geh. Hofrath und Professor der Chemie am landwirthschaftlichen Institute, Begründer und Director des chemischen Laboratoriums zu Wiesbaden, wurde in Frankfurt a. M. am 28. December 1818 als einziger Sohn des Advocaten Dr. jur. Jakob Samuel Heinrich F. geboren; † am 11. Juni 1897. Er besuchte die Musterschule seiner Vaterstadt, das Bender’sche Institut zu Weinheim und das Gymnasium zu Frankfurt a. M. 1836 trat er in die Stein’sche Apotheke dortselbst als Lehrling ein, um in derselben vier Jahre lang die Pharmacie zu erlernen und auszuüben. In dieser Zeit hörte [740] er Vorlesungen am Senckenberg’schen Institut, namentlich die Rudolf Böttger’s über Chemie und Physik.

Schon damals zog ihn die analytische Chemie besonders an und er benutzte seine knapp bemessene freie Zeit mit Vorliebe zur Lösung analytisch-chemischer Aufgaben in einem kleinen Laboratorium, das er sich in einem Gartenhause des großen väterlichen Gartens eingerichtet hatte. Im Frühjahr 1840 bezog er die Universität Bonn, woselbst er außer den Vertretern der Naturwissenschaften, Gustav Bischof, Treviranus, Vogel, Nöggerath, Marquart, auch Ernst Moritz Arndt, A. W. v. Schlegel u. A. hörte. Im zweiten Semester seiner Bonner Studienzeit schrieb F. sein grundlegendes Werk, „Anleitung zur qualitativen chemischen Analyse“, und zwar lediglich zu eigener Uebung, weil sich ihm das Bedürfniß zu einem systematischen Gange der qualitativen Analyse aufgedrängt hatte, der damals noch fehlte. Zur Drucklegung entschloß er sich erst auf die dringende Aufforderung Marquart’s hin, in dessen Privatlaboratorium er praktisch arbeitete, weil ein Universitätslaboratorium damals in Bonn noch nicht vorhanden war. Nachdem in ihm der Entschluß gereift war, sich ganz der Chemie zu widmen, ging F. nach Gießen, wo sich damals um Liebig die Jünger dieser Wissenschaft von Nah und Fern versammelten. Außer bei Liebig hörte er bei Buff, Kopp und Knapp Vorlesungen. Liebig erwählte ihn alsbald zu seinem Privatassistenten. Am 1. April 1842 wurde er staatlicher Unterrichtsassistent am Liebig’schen Laboratorium. In demselben Jahre erschien die 2. Auflage der „Anleitung zur qualitativen Analyse“ mit einem empfehlenden Vorwort Liebig’s, der das Buch in seinem Laboratorium als Lehrbuch einführte, während die philosophische Facultät der Universität Gießen F. in Anerkennung der Bedeutung dieses Werkes zum Doctor promovirte. Am 23. Juni 1843 habilitirte sich F. als Privatdocent und blieb als solcher in erfolgreicher Wirksamkeit in Gießen, bis ihn im September 1845 ein Ruf als Professor der Chemie, Physik und Technologie an das herzoglich nassauische landwirthschaftliche Institut nach Wiesbaden führte.

Es war eine herrliche Zeit, die F. in Gießen verlebt hat, nicht nur reich an wissenschaftlicher Arbeit, Anregung und Förderung, sondern auch verschönt durch Freundschaft und Liebe. In Gießen knüpfte sich das Freundschaftsband fürs Leben zwischen ihm, A. W. Hofmann, H. Will und L. v. Babo. Von dort führte er seine Gattin Charlotte, Tochter des Gymnasialdirectors Professor Dr. Rumpf als junge Frau nach Wiesbaden.

Mit Begeisterung trat er sein neues Lehramt an, doch bald wurde ihm dieser Wirkungskreis zu eng und so errichtete er mit einer bescheidenen Staatsunterstützung sein chemisches Laboratorium in einem von ihm angekauften Hause, in welchem er seitdem gewohnt hat, und in dem er auch gestorben ist. Dies Haus, später umgebaut und vergrößert, mit einem in der Folge erheblich erweiterten Garten, war ein trautes Familienheim und auch in späteren Jahren, als die Kinder theilweise auswärts verheirathet waren, der Mittelpunkt der großen Familie.

Das in sturmbewegter Zeit, im Frühjahr 1848 mit einem Assistenten und fünf Studirenden eröffnete Laboratorium blühte rasch empor und entwickelte sich, 1869 durch Angliederung einer agriculturchemischen Versuchsstation mit besonderer Berücksichtigung des Weinbaues und der Weinuntersuchung und 1884. durch Einrichtung einer hygienisch-bakteriologischen Abtheilung erweitert, zu einer vollständigen akademischen Fachschule einerseits und zu einer Untersuchungsanstalt für alle Zweige der praktischen chemischen Analyse andererseits (vgl. Geschichte des chemischen Laboratoriums zu Wiesbaden von R. Fresenius, 1873, und Geschichte desselben während der zweiten 25 Jahre seines Bestehens [741] von H. Fresenius, 1898). F. war ein vortrefflicher Lehrer und seinen Schülern ein väterlicher Freund und Berather.

Seine wissenschaftlichen Leistungen gehören vorwiegend dem Gebiete der analytischen Chemie an, welche er sowol als geistvoller Forscher wie als hervorragender und berühmter Schriftsteller mächtig gefördert hat. Eine Aufzählung auch nur seiner wichtigsten Arbeiten, welche er anfangs in den Annalen der Chemie, sowie im Journal für praktische Chemie, später in seiner „Zeitschrift für analytische Chemie“ zu veröffentlichen pflegte, verbietet der Raum. Es mögen hier nur genannt sein „Die Experimentaluntersuchungen über den Nachweis des Arsens“, theilweise gemeinschaftlich mit v. Babo ausgeführt, die mit Will zusammen vorgenommene „Ueber die Anwendung des Cyankaliums in der chemischen Analyse“ und „Ueber die anorganischen Bestandtheile der Pflanzen“, diejenigen „Ueber die Bestimmung des Fluors“, „Ueber die Trennung von Kalk, Strontion und Baryt“, die Untersuchung der wichtigsten nassauischen Thone, der hauptsächlichsten Obstarten, zahlreicher Moste und Weine, dann aber ganz besonders eine Fülle von überaus sorgfältig und exact ausgeführten Mineralwasseranalysen. Zunächst die nassauischen Mineralquellen zu Wiesbaden, Schwalbach, Schlangenbad, Niederselters, Fachingen, Ems und später eine große Reihe in- und ausländischer Mineralwasser sind im Fresenius’schen Laboratorium von ihm selbst und seinen Schülern untersucht worden.

Weltberühmt sind von Fresenius’ Büchern die Anleitungen zur qualitativen und zur quantitativen Analyse, erstere in 16, letztere in 6 deutschen Auflagen erschienen. Die qualitative Analyse ist fast in alle lebenden Cultursprachen, sogar ins Chinesische, übersetzt worden und auch von der quantitativen Analyse sind zahlreiche Auflagen in fremden Sprachen erschienen. (Eine vollständige Uebersicht über die von F. veröffentlichten Bücher und Abhandlungen findet sich in den beiden bereits citirten Geschichten des chemischen Laboratoriums zu Wiesbaden.)

Von ganz besonderer Bedeutung ist ferner die von F. 1862 begründete und bis zu seinem Tode von ihm (vom XX. Bande an mit Unterstützung seiner Söhne) herausgegebene „Zeitschrift für analytische Chemie“. Aus der Studirstube und aus dem Laboratorium heraus trat F. vielfach ins öffentliche Leben, nicht nur als Sachverständiger vor Gericht oder als Berather von Staatsbehörden und Verwaltungskörperschaften, sondern auch als Mitglied der nassauischen Abgeordnetenkammer, als Mitglied des Communallandtages für den Regierungsbezirk Wiesbaden, des Provinziallandtages für die Provinz Hessen-Nassau, sowie namentlich als Vorsitzender der Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung und als hervorragendes Mitglied des deutschen Protestantenvereins und Führer der Kirchlichliberalen in Nassau. Außer seiner strengen Gerechtigkeitsliebe, Charakterfestigkeit, Arbeitsfreudigkeit und geschäftlichen Gewandtheit, gewann ihm sein einfaches liebenswürdiges Wesen die Herzen. Daß es F., dem Ehrenbürger der Stadt Wiesbaden, auch an äußerer Anerkennung nicht fehlte, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Zahlreiche gelehrte Gesellschaften und vier Akademieen der Wissenschaften haben ihn zum Ehrenmitglied oder correspondirenden Mitglied ernannt. Außer verschiedenen Ordensauszeichnungen wurde ihm von der preußischen Staatsregierung die große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft verliehen.

Erholung von anstrengender Geistesarbeit und der vielseitigen Thätigkeit im öffentlichen Leben suchte und fand F. in seiner Familie und in der Natur. Er war zwei Mal verheirathet. Der ersten Ehe entsprossen 3 Söhne und [742] 4 Töchter. Zwei der Söhne und ein Schwiegersohn sind seinem Beispiele folgend Chemiker geworden, und leiten jetzt das von ihm gegründete Laboratorium und die „Zeitschrift für analytische Chemie“. Zur Führung eines glücklichen Familienlebens war F. aufs günstigste veranlagt. Er besaß ein frohes heiteres Gemüth, einen trefflichen, nie versiegenden Humor und eine eigene Gabe, allen Dingen die beste Seite abzugewinnen, dabei aber einen tief religiösen Sinn, der ihn befähigte, auch in schweren Tagen standhaft und muthig zu bleiben in gläubigem Gottvertrauen. Als F. durch einen sanften Tod unerwartet, mitten aus voller mit Jugendfrische ausgeübter Thätigkeit heraus, abgerufen wurde, da hatte ein reiches gesegnetes Leben seinen Abschluß gefunden.

Nekrologe: von E. Fischer, Berichte der deutsch. chem. Gesellsch., XXX, 1349 ff.; von H. Fresenius, Zeitschrift für analyt. Chemie, Jahrg. 1897, mit Bildniß; von A. Pagenstecher, Jahrb. d. nassauischen Vereins für Naturkunde, Bd. L, mit Bildniß, u. s. w.