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Artikel „Noeggerath, Johann Jacob“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 752–755, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Noeggerath,_Jacob&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 02:08 Uhr UTC)
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Noeggerath: Dr. Johann Jacob N., geheimer Bergrath und ordentlicher Professor der Mineralogie und Bergwerkswissenschaft an der Universität Bonn, ein ebenso gelehrter, wie praktisch thätiger Naturforscher und Beamter, zugleich auch als ungemein fruchtbarer Schriftsteller auf dem Gesammtgebiete der Mineralogie, Geologie und des Montanwesens thätig, war geboren am 10. October 1788 zu Bonn in den Zeiten, als noch der letzte Kurfürst Maximilian Franz dort regierte. Seine erinnerungsreiche Jugend verlebte er unter französischer Herrschaft, während welcher nur wenige höhere Unterrichtsanstalten in den Rheinlanden sich erhalten hatten. N. war daher genöthigt, 1800 die einzige höhere Lehranstalt, Ecole centrale in Köln zu seiner weiteren Ausbildung zu besuchen. Schon frühzeitig entwickelte sich in N. eine große Vorliebe für Mineralien, die wahrscheinlich eine Bekanntschaft mit dem in der mineralogischen Wissenschaft wohlbewanderten Arzte K. W. Nose wach gerufen hatte. Infolge dieser Neigung widmete N. sich dem Bergfache, war aber dabei fast ausschließlich auf sein eigenes Studium angewiesen. Gleichwol beschäftigte er sich schon 1808 mit schriftstellerischen Arbeiten, indem er „Mineralogische Studien über die Gebirge am Niederrhein nach der Handschrift eines Privatisirenden“ (des oben erwähnten Dr. Nose) veröffentlichte. Zugleich begann er seine praktische Thätigkeit im Montanfache mit der Errichtung einer Alaunhütte bei Bonn auf einem von ihm entdeckten Braunkohlenflötze. Ueber diese Ablagerung berichtete er in einer ersten selbständigen Publication (Annal. d. mines XXX. 1881: „Description mineralogique du gisement de la Braunkohle près de Friesdorf etc.“). Schon damals (1812) wurde er zum Ehrenmitgliede der Societät für gesammte Mineralogie in Jena ernannt. Um auch eine Anwartschaft auf eine Stellung im Staatsdienst zu erlangen, unterzog sich N. der bergmännischen Prüfung in Arnsberg mit bestem Erfolge, so daß er, nachdem die französische Herrschaft 1814 zu Ende war, und die französischen Bergbeamten ihre bisherige Stellen sämmtlich verlassen hatten, sofort zum Bergcommissär für die niederrheinischen Departemente in Aachen ernannt wurde. In dieser Stellung war es eine seiner ersten Aufgaben, die sämmtlichen Montanwerke des Bezirks zu ermitteln, zu welchem Zwecke er das Land bereiste und bei dieser Gelegenheit die umfassendsten Kenntnisse der Montanverhältnisse des Districtes sich erwarb. Bei der endlichen Regelung des Territorialbesitzes erhielt N. 1816 die Stelle eines königlich preußischen Oberbergamtsassessors [753] bei dem Oberbergamt der niederrheinischen Provinz in Bonn. Bei diesem Amte leistete N., nachdem er hier 1820 zum Bergrathe, 1822 zum Oberbergrath und 1845 zum geheimen Bergrath befördert worden war, bis zu seiner Außerdienststellung am 1. April 1867 während einer mehr als 50jährigen amtlichen Thätigkeit die ersprießlichsten Dienste, namentlich bei dem Uebergang aus der französischen Verfassung und bei dem Erlaß des allgemeinen preußischen Berggesetzes vom Jahre 1865. Seine Sammlungen der Gesetze und Verordnungen in Berg-, Hütten-, Hammer- und Steinbruchsangelegenheiten liefern die glänzendsten Beweise für seine umfassenden Kenntnisse im Verwaltungsfache des rheinischen Montanwesens. Besonders eifrig war N. auch auf die Heranbildung junger, tüchtiger Bergleute bedacht. Als daher die Universität Bonn 1818 gegründet wurde, übernahm N. erst als außerordentlicher und seit 1821 als ordentlicher Professor das Lehrfach für Mineralogie und für Bergwerkswissenschaften an der Hochschule zugleich neben seiner unveränderten Stellung als Beamter bei dem Oberbergamte. Im J. 1826 betrauten ihn seine Collegen mit der höchsten akademischen Würde eines Rectors. Erst 1873 ließ er sich von der Verpflichtung, Vorlesungen zu halten, entbinden. In Anerkennung seiner vielfachen Verdienste wurde ihm 1868 der Kronenorden 2. Classe und 1873 noch der Stern dieses Ordens verliehen. Auch außeramtlich war N. auf die mannigfachste Weise wissenschaftlich thätig, wie sich aus ungemein zahlreichen Abhandlungen ersehen läßt, welche er während seiner langjährigen Beschäftigung mit geologischen Fragen zur Veröffentlichung brachte. Seine Theilnahme an den von Oken 1822 gegründeten Naturforscherversammlungen, die er seit der ersten Zusammenkunft in Berlin 1828 fast jährlich bis 1865 zu besuchen pflegte, brachte ihn mit den meisten der damals lebenden Fachgenossen in persönliche Berührung und N. war bei diesen Versammlungen nicht bloß einer der bekanntesten und sehr gerne gesehenen Gäste, sondern auch einer der wärmsten Vertreter der Interessen derselben, die er, unterstützt durch eine Stentorstimme, bei öffentlichen Gelegenheiten durch populäre Vorträge wol zur Geltung zu bringen verstand. Nicht weniger thatkräftig war seine Betheiligung bei der Gründung und Fortentwicklung der niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde und des naturhistorischen Vereins für Rheinland und Westfalen, sowie des Vereins für A1terthumskunde in dem Rheinlande. Außer den gelegentlichen wissenschaftlichen Reisen bei dem Besuche der Naturforscherversammlungen unternahm N. zu wissenschaftlichen Zwecken vielfache Reisen nach Frankreich, in die Schweiz und in die Alpen. Er verstand es, die bei diesen Gelegenheiten gemachten Erfahrungen und gewonnenen Beobachtungsresultate mit der größten Lebendigkeit zu schildern. Es ist geradezu erstaunlich, wie N. neben seinen übrigen dienstlichen und streng wissenschaftlichen Arbeiten noch Zeit erübrigte, auch durch zahlreiche, für größere Kreise bestimmte populäre und allgemein verständliche Abhandlungen auf dem Gebiete der Mineralogie und Geologie der Wissenschaft neue Freunde zuzuführen, wie es z. B. mit der 1875 in dritter Auflage erschienenen „Geognosie und Geologie“, ein Abschnitt aus dem dreibändigen Sammelwerk „Die gesammten Naturwissenschaften“ der Fall ist. Eine nahezu 70jährige publicistische Thätigkeit des unerschöpflichen Forschers förderte seit den bereits erwähnten ersten Publicationen eine so beträchtliche Anzahl von Schriftwerken zu Tag, daß es schwer hält, auch nur die vorzüglichst bemerkenswerthen hier einzeln hervorzuheben. Schon seit 1812 lieferte N. zahlreiche Aufsätze in das von Leonhard herausgegebene Taschenbuch für Mineralogie (später Jahrbuch für Min., Geogn. u. Petrefactenk.), dann seit 1816 für das Jahrbuch der Chemie und Physik von Schweigger, für Karsten’s Archiv, in Poggendorff’s Annalen der Physik und in Brassert’s Zeitschrift für Bergrecht. Unter diesen [754] Beiträgen sind hervorzuheben: „Oryktognostische Beschreibung der Aachner Metallmasse“ (Schweig. J. XVI, 1816), „Ueber Bergtheer und Erdpech zu Lobsan“ (Das. XLII, 1824). „Ueber beständige Mofetten in der Eifel“ (mit Bischof, das. XLV, 1823), „Gediegenes Gold im preußischen Moselgebiete“ (das. L, 1827), „Ueber haarförmige Crystalle von Brauneisenstein im Amethyst von Oberstein“ (Das. LII, 1828), „Ueber magnetische Polarität zweier Basaltfelsen in der Eifel“ (Das. LII, 1828), „Das Erdbeben vom 23. Februar 1828 in den Nieder- und Rheinlanden“ (Das. LIII, 1828), „Die Bruchhauser Steine“ (Karsten’s Arch. III, 1831), „Zusammenvorkommen von Basalt und Braunkohle bei Utweiler“ (Das. V, 1832), „Verhältnisse der Braunkohlengebilde zur Kreideformation am Niederrhein“ (Das. VI, 1833), „Ueber die Gebirgsbildung der linken Rheinseite“ (Das. XIV, 1840), „Granit im Basalt am Mendeberg“ (Daselbst), „Gebirgsspaltungen in neuester Zeit“ (Das. XV, 1841), „Ueber einen vulcanischen Punkt im Soonwaldgebirge“ (Das. XV, 1841), „Zirkon in der porösen Lava von Nieder-Mendig“ (Das.), „Basaltdurchbruch im bunten Sandstein bei Nierstein“ (Das. XVI, 1842), „Ueber das Vorkommen des Gabbro bei Nierstein“ (Das.), „Ueber Eisensteinformation des Hunsrück“ (Das.), „Ueber Abteufen von Schächten mit verdichteter Luft“ (Das. XVII, 1843), „Zur architekt. Mineralogie der Rheinprovinz“ (Das. XVIII, 1844>, „Manganerzbildung durch Mineralquellen“ (Das.), „Neue Bildung von Eisenglanz durch Sublimation“ (Das.), „Chlorsilberbild an silbernen Geräthen in der Erde“ (Das. XIX, 1845), „Ueber Entstehung der Steinkohle“ (Das.), „Ueber die Kunst, Onyxe, Carneole etc. zu färben“ (Das. XXII, 1848), „Ueber die sog. Bodenerhöhung“ 1853), „Ueber das Steinsalz zu Bex“ (Pogg. Ann. III. 1825), „Neue Schwefelkiesbildung“ (Das. 38, 1846), „Krystallform des regulinischen Zinks“ (Das. 39, 1836) u. s. w. In den Jahren 1822-1826 gab er ein großes Werk: „Das Gebirge von Rheinland-Westfalen nach mineralogischen und chemischen Beziehungen“ in 7 Bänden heraus, welches vielseitige Beiträge zur Landeskunde enthält und für lange Zeit die erste Quelle für die geologische Kenntniß dieses Landstriches bildete. Unter den selbständig erschienenen Publicationen sind ferner zu bemerken: „Ueber aufrechts im Gebirgsgesteine eingeschlossene Baumstämme“, Bonn 1819 und 1821, „Der Bau der Erdrinde nach dem heutigen Standpunkte der Geognosie“ (mit Burkart), 1838, „Die Entstehung der Erde“, 1843, „Die Entstehung und Ausbildung der Erde“, Stuttgart 1847, „Das Erdbeben vom 20. Juli 1846 im Rheingebiete“, Bonn 1847, „Der Bergschlipf vom 20. December 1846 an den Unkener Basaltsteinbrüchen“, 1847. Als populären Schriftsteller im besten Sinne des Worts lernen wir N. in den zahlreichen Aufsätzen verschiedenen Inhalts kennen, welche die gemeinnützigen und unterhaltenden rheinischen Provinzialblätter, 1834–1837, die Kölnische, Augsburger Allgemeine Zeitung, das Ausland und die Westermann'schen Monatshefte enthalten. Eine ganz neue Seite der vielseitigen Thätigkeit Noeggerath's macht sich in seiner socialen Stellung in sehr hervorragender Weise bemerkbar. Schon 1840 trat er in das Stadtverordnetencollegium Bonns ein, wo er durch umsichtigen klugen Rath sich einen großen Einfluß verschaffte. Als Vertreter seiner Vaterstadt wurde er auch in den Provinziallandtag gewählt, dem er bis 1874 angehörte und in dem er durch seine umfassenden Kenntnisse der Provinz außerordentlich segensreich wirkte. Auch im Kreistage vertrat er seit 1857 seine Geburtsstadt. Solche Verdienste wurden auch allseitig anerkannt und zu ehren gesucht. Zahlreiche inländische Orden der drei Könige von Preußen, denen er diente, sowie hohe Orden von Rußland, Baden, Oesterreich und Frankreich können als Zeichen der ihm zuerkannten Ehrung dienen, wie er denn auch als Mitglied zahlreicher gelehrten Gesellschaften gefeiert wurde. Einer seiner langjährigen [755] Bekannten und Freunde äußerte sich in folgender Weise über den Charakter des vortrefflichen Mannes: „Bei glücklichen Naturanlagen, einer leichten und sicheren Auffassung, einem seltenen Gedächtnisse, hat N. sich durch eigene Studien selbst gebildet und durch Ausdauer und Gewandtheit eine Stellung im Leben errungen, wie es nur Wenigen vergönnt ist. Ein unbefangenes und gesundes Urtheil stand ihm zur Seite. Wohlwollen gegen Alle, die mit ihm in Berührung kamen, verbunden mit einer heiteren und gleichmäßigen Gemüthsstimmung, erwarben ihm Vertrauen und Entgegenkommen in allen Kreisen. Er hatte keine Feinde. Er war ein zuverlässiger und treuer Freund. Sein eifriges Streben, alles zu fördern, was der Wissenschaft und dem öffentlichen Wohle diente, was der Provinz und seiner Vaterstadt von Nutzen sein konnte, hat ihm die allgemeine Anerkennung bei der wissenschaftlichen Welt und die wärmste Zuneigung der Provinz und seiner Mitbürger gesichert.“ Eine schmerzhafte Krankheit fesselte ihn 1876 lange an ein Krankenlager; eine zeitlang schien es, als ob seine vortreffliche Natur wieder die Herrschaft gewinnen würde, bis endlich eine völlige Erschöpfung seinem thatenreichen Leben am 13. September 1877 ein Ziel steckte.

v. Dechen, Z. Andenken an J. J. Noeggerath, Bonn 1877.