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Artikel „Eder, Joseph Karl“ von Georg Daniel Teutsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 642–646, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eder,_Josef_Karl&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 17:19 Uhr UTC)
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Eder: Joseph Karl E., siebenbürgischer Geschichtsforscher, geb. 20. Jan. 1761 in Kronstadt in Siebenbürgen, gestorben als Abbé und Director der (römisch-katholischen) Normalhauptschule in Hermannstadt am 11. Jan. 1810. Sein Vater, der Doctor beider Rechte, Johann Karl E., am 16. Decbr. 1714 in Innsbruck geboren, kam als k. k. Regimentsauditor nach Siebenbürgen, trat [643] aus dem Heeresdienst aus, erwarb Haus und Grundbesitz in Kronstadt und wurde hier Magistratsrath. Der älteste von seinen vier Söhnen ist Joseph Karl E., der den Schluß seiner Gymnasialstudien an der, nach der Aufhebung des Jesuitenordens von Tyrnau nach Ofen verlegten, mit der Universität in Zusammenhang stehenden Lateinschule machte und dann philosophische und theologische Studien an derselben Hochschule mit dem Erfolge trieb, daß er im December 1778 das Doctorat der Philosophie erhielt. Nach kurzer Lehrerthätigkeit am römisch-katholischen Gymnasium in Neumarkt (Maros-Vásárhely) in Siebenbürgen, wurde er 1783, bereits zum Weltpriester geweiht, als „Professor der Poesie“ an das römisch-katholische Gymnasium in Hermannstadt versetzt, schon im folgenden Jahr durch die Empfehlung des ihm mit Recht gewogenen, für die Wissenschaft erfolgreich thätigen Bischofs Ignaz Batthyany zu der von Joseph II. zur Regulirung des Studienwesens aufgestellten Commission zugezogen und mit Hofdecret vom 21. Febr. 1787 zum Director der Normalhauptschule in Hermannstadt ernannt. Eder’s öffentliche Thätigkeit begann in einer Zeit, in der die Aufhebung der siebenbürgischen Verfassung durch Joseph II. das Land in die größte Aufregung versetzt hatte. Tiefgehende staatsrechtliche und geschichtliche Studien waren die nächste Folge derselben in der sächsischen Nation; unter der Leuchte der Wissenschaft verglich man die neuen Zustände mit den alten und wurde des erlittenen Unrechts doppelt schmerzlich inne. Diesem Bedürfniß der Zeit und seiner eigenen Neigung folgend, wandte sich E. mit rastlosem Eifer historischen Forschungen zu. Seine Persönlichkeit und seine amtliche wie gesellschaftliche Stellung erleichterte es ihm, sofort in erster Reihe an jenem bedeutsamen Fortschritt Theil zu nehmen, der sich eben damals auf dem Felde siebenbürgisch-geschichtlicher Studien zu vollziehen anfing. Während man nämlich früher die Kenntniß der Vergangenheit vorzugsweise aus den mehr oder minder kritisch behandelten „Scriptoren“ schöpfte, begann man allmählich zu den urkundlichen Quellen hinabzusteigen; in des trefflichen Hammersdorfer Pfarrers Joh. Seivert Arbeiten hatte sich für die Geschichte der Sachsen die Zuziehung des archivalischen Materials bereits überraschend bewährt. In diese, damals vom nicht ungerechtfertigten Mißtrauen der Eigenthümer sorgsam gehüteten Schatzkammern fand E. den Zutritt; die Landesarchive des Karlsburger Domcapitels und des Convents von Koloschmonostor, die Archive der sächsischen Nation und der Städte Hermannstadt, Kronstadt, Klausenburg, Schäßburg, Mediasch, Bistritz, des Hermannstädter (evangelischen) Capitels und anderer Corporationen wurden ihm zugänglich; kein siebenbürgischer Geschichtsforscher vor ihm hat über so reiche Urkundenschätze geboten als er. Die kritische, umsichtige, parteilose, stets von edelster Wahrheitsliebe geleitete Benutzung dieser gibt allen seinen geschichtlichen Arbeiten einen unvergleichlichen Werth, so daß sie bis zur Gegenwart Quellenwerke im besten Sinne des Wortes, Ausgangspunkt und Vorbild für jede ernste, wissenschaftliche Geschichtsforschung Siebenbürgens geblieben sind.

Der Zeit der Veröffentlichung nach ist das erste „Supplex libellus Valachorum Transsilvaniae, jura tribus receptis nationibus communia postliminio sibi adseri postulantium. Cum notis historico-criticis“. Claudiopoli 1791. Das Büchlein (59 S. in Qu.) enthält den Text des Bittgesuchs „des Clerus, des Adels und des Bürgerstandes der gesammten walachischen Nation in Siebenbürgen“ an Kaiser Leopold II. um die Rechte einer ständischen Nation auf Grund des versuchten geschichtlichen Beweises, daß sie, die älteste im Lande, jene Rechte bis zum 17. Jahrhundert genossen habe; Eder’s Noten beleuchten diese Behauptungen und stellen sie in ihrer Nichtigkeit dar. Schon Schlözer hat die Arbeit kurz und bündig charakterisirt (Krit. Samml. zur Geschichte der Deutschen in Siebenb. S. 667): „Im Text herrscht eine exemplarische historische Ignoranz, [644] mit der die gelehrten Noten des Widerlegers angenehm contrastiren.“ E. selbst erklärt, seine Bemerkungen geschrieben zu haben, „1) weil es einem Manne, dem an der Ehre seines Vaterlandes liegt, nicht gleichgültig sein kann, die ständischen Nationen desselben durch offenbar erlogene historische Angaben vor der Welt als Volkstyrannen und die Fürsten, die das zugeben, als Mitverstandene oder wenigstens als Irregeleitete dargestellt zu sehen“, „2) weil es einem Manne, der auch nur mit der nothdürftigsten Ueberlegungskraft ausgerüstet ist, nicht gleichgültig sein kann, wenn Leute, die so zahlreich sind, daß sie in dem Augenblick, in dem sie sich vereinigen, das jus fortioris auf ihrer Seite haben, durch falsche historische Behauptungen von gewaltsamer Unterdrückung ihrer bis ins 17. Jahrhundert genossenen wichtigen Rechte empöret werden“. Es sind Gründe, die heute noch nicht gegenstandslos sind.

Jene Bittschrift der Walachen hängt zusammen mit der Wiederherstellung der siebenbürgischen Landesverfassung nach dem Josephinischen Umsturz derselben; auf dem Landtage in Klausenburg jedoch, der 1790–91 zu diesem Zweck zusammengetreten war, erfuhr die sächsische Nation selbst von den ständischen Mitnationen wiederholte schwerste Rechtsangriffe. Da veröffentlichte E. insbesondere gegen „jene pedantischen oder böswilligen Wortklauber, die, weil sie zufällig die gewöhnlichen Gesetze und Proceßformeln auswendig gelernt, im übrigen der Geschichte und aller Wissenschaft unkundig, sich für Rechtsverständige halten“, seine Abhandlung „De initiis juribusque primaevis Saxonum Transsilvanorum“, (Viennae 1792) mit dem bezeichnenden griechischen Sinnspruch an der Spitze: „Der Fuchs kennt viele Mittel, der Igel nur eines“ (sich zu vertheidigen). Klar, lichtvoll, Schritt für Schritt mit urkundlicher Begründung stellt der Verfasser dar, wie Sachsen gerufen von der ungarischen Krone nach Siebenbürgen gekommen, legt die ältesten staatsrechtlichen Anfänge des ihnen vertragsmäßig zustehenden deutschen Particularrechts dar, weist das volle Eigenthumsrecht der sächsischen Nation auf das ihr gehörige Gebiet nach und zeigt, daß diese nicht in die Reihe der Kammerbauern gehöre, nicht ein „Peculium des Fiscus“, sondern ein ebenso berechtigter Landstand sei, wie der ungarische Adel, dessen Landbesitz nicht auf besserem Rechtsgrund ruhe.

Der ganze volle Reichthum von Eder’s wahrhaft bewundernswerther, auf urkundlichen Studien ruhender Kenntniß der geschichtlichen Entwicklung Siebenbürgens und insbesondere der Sachsen tritt noch mehr hervor in seinen „Observationes criticae et pragmaticae ad historiam Transsilvaniae sub regibus Arpadianae et mixtae propaginis. Additis decem excursibus ceu prolegomenis historiae sub principibus Transsilvanis“. Cibinii 1803. Es ist, wie er es selbst nennt, das Werk von 13 arbeitsfreudigen Mannesjahren, hervorgegangen aus seiner Wahrheitsliebe, gefördert von dem heißen Wunsch, den schweren Nachtheil zu verringern, der aus der Unkenntniß der Vergangenheit für diejenigen entstehen mußte, deren Beruf es war, die Rechte der sächsischen Nation zu vertreten, und geadelt durch die schöne Lehrerbegeisterung, die bei der Abfassung insbesondere auch „die vaterländische Jugend“ im Auge hatte, und „namentlich der Jugend jener Nation, deren geborener Bürger ich zu sein die Ehre habe“, „genügen“ wollte. Selbstlos, wie er war, gab E. dem Werk die äußere unscheinbare Form von bloßen Anmerkungen zu dem um die Mitte des 18. Jahrhunderts verfaßten Handbuch Felmer’s „Primae lineae Transsilvaniae historiam illustrantes“; auch hoffte er in jenen Kreisen, welchen das neue Licht geschichtlicher Erkenntniß unwillkommen sein mußte, hiedurch weniger Aufsehen zu machen und sich so „mehr Freiheit im Schreiben ungeahndet erlauben zu können“. Diese unscheinbaren Observationen, in welchen E. „wenigstens 2000“, bis dahin meist wenig oder ganz unbekannte Urkunden kritisch verwerthete, haben der Geschichte Siebenbürgens [645] neue Bahnen geöffnet und ihrer Behandlung eine neue, fortan unabweisliche Methode vorgezeichnet; was seither nennenswerthes und dauerndes auf diesem Gebiete geschehen, wandelt auf seinen Wegen und insbesondere die neuere sächsische Geschichtsforschung ehrt neben Schlözer E. als ihren Begründer.

Inzwischen hatte die, unter den Kämpfen um die Wiederherstellung der siebenbürgischen Verfassung eben erst erwachte Erkenntniß, wie bedeutsam das Verständniß der Geschichte für den Bestand und die Entwicklung eines Volkes sei, in dem Kreise der ungarischen Magnaten in Klausenburg die „Gesellschaft siebenbürgischer Geschichtsfreunde“ ins Leben gerufen, an deren Spitze der Gouverneur Graf Georg Bansti stand. Ihre Thätigkeit begann mit der Herausgabe der „Scriptores rerum Transsilvanarum“. E. half durch die Vermittlung des Comes Michael Brukenthal (A. d. Biogr. III. 393) bei der Wahl der Geschichtschreiber und übernahm selbst die Bearbeitung von Schesaeus Ruinae Pannonicae, deren vier erste Bücher (die Zeit von 1540–52 umfassend) als tomi primi volumen primum der Scriptores mit Noten, geschichtlichen und staatsrechtlichen Excursen, sowie einem doppelten kritischen Index opera Josephi Caroli Eder Cibinii 1797 erschienen, ebenso die Bearbeitung von Ambrosii Simigiani Historia rerum Ungaricarum et Transsilvanicarum ab anno 1490 usque 1606, deren erstes Buch mit Eder’s Noten im J. 1800 gleichfalls in Hermannstadt gedruckt wurde. Mehr hat die philohistorische Gesellschaft überhaupt nicht erscheinen lassen; die beiden Werke aber sind durch die ungemein reichhaltigen urkundlichen Zugaben und die meisterhaften kritischen Auseinandersetzungen des Bearbeiters für die siebenbürgische Historiographie noch immer von bleibendem Werth. Der nahe Zusammenhang der Rechtskenntniß mit dem tieferen Verständniß der Geschichte und der Umstand, daß ein Theil der siebenbürgischen Landesgesetze, die sogenannten Approbaten (1653) und Compilaten (1669), in der nicht allgemein verständlichen magyarischen Sprache abgefaßt ist, bestimmte zur Herausgabe seines „Breviarium juris Tanssilvanici“ (Cibinii 1800), das den kurzen Inhalt aller jener Gesetze enthält. Das Vorwort „De fontibus juris Transs.“ ist namentlich lehrreich; ein sehr ausführlicher Index vermehrt die Brauchbarkeit.

Mit Haus Brukenthal, dem Gouverneur Samuel v. Brukenthal (A. d. Biogr. III. 395) und dessen Bruder Michael v. Brukenthal, dem sächsischen Comes, stand E. überhaupt in naher Verbindung. In den Jahren der Gährung, die auf den Tod Josephs II. folgten, in den tiefgreifenden Fragen, die die Herstellung der sächsischen Verfassung und ihre Vertheidigung gegen die bald wieder von der siebenbürgischen Hofcanzlei in der „Regulation“ drohenden Octroyirungen betrafen, ist er dem letztern durch eine Reihe werthvoller geschichtlicher Abhandlungen treuhelfend zur Seite gestanden, die dank der Aufforderung des Comes zunächst für ihn geschrieben waren und deren einzelne später gedruckt worden sind; so „Politischer Zustand der Sachsen vor der engeren Vereinigung der drei Nationen“ (Archiv des Vereins für siebenb. Landeskunde Bd. I) und „Wer waren die Provinziales in Siebenbürgen“ (Vereinsarch. Neue Folge Bd. VII). Er verstand das Wort des edeln deutschen Sängers noch ehe es geschrieben war: „Was auch draus werde, steh’ zu deinem Volk!“ – Ein von E. für den Comes Mich. Brukenthal ausführlich begründeter Antrag auf die Schaffung eines siebenbürgischen Landesgesetzes über die Trennbarkeit der Ehen bei den Katholiken, den Brukenthal im Landtag 1794 sollte einbringen lassen, konnte den Ständen nicht vorgelegt werden.

Die ungarische Litteratur bereicherte E. durch: „Erdély ország ismertetésének zengéje“ (Klausenburg und Hermannstadt 1796) und durch eine neue vermehrte Ausgabe des zweiten Bandes vom Pariz-Papaischen ungarisch-lateinisch-deutschen [646] Wörterbuch (Hermannstadt und Preßburg 1803). Das erste Werk erschien 1824 und in zweiter Auflage 1826 unter dem Titel „Erste Anleitung zur Kenntniß von Siebenbürgen“ auch in deutscher Uebersetzung.

Nach dem Erscheinen von Schesäus verlieh Kaiser Franz (17. Oct. 1799) dem Bearbeiter die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft; fast ein Jahr früher (30. Decbr. 1798) hatte die Göttingische gelehrte Gesellschaft E. zum Mitglied ernannt; am 1. Mai 1804 erwählte die letztere ihn zu ihrem auswärtigen Secretär und Agenten. Die handschriftlichen Sammlungen Eder’s, 85 Bände, erwarb im J. 1808 um den Preis von 4500 Gulden Erzherzog und Palatin Joseph für das ungarische Nationalmuseum in Pest.

Benigni in den Annalen der Litteratur und Kunst des In- und Auslandes. Wien. Jahrgang 1810 (III. 329), wesentliche Quelle für die späteren Darstellungen im ungar. Plutarch, Pest 1816 (III. 278) u. Trausch, Schriftstellerlexikon der Siebenbürger Deutschen I. 268. Wurzbach, Biograph. Lex. des Kaiserthums Oesterreich III. 428. Die vorliegende Biographie hat außer Eder’s eigenen Werken zur Quelle wesentlich jene Papiere, zum Theil eigene Aufzeichnungen desselben, welche aus dem Nachlaß seines Neffen, Karl Eder, 1868 an das Brukenthal’sche Museum gekommen sind.