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Artikel „Brukenthal, Samuel Freiherr von“ von Ludwig Reißenberger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 395–397, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bruckenthal,_Samuel_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 11:22 Uhr UTC)
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Bruckenthal:[1] Samuel Freiherr v. B., siebenbürgisch-sächsischer Staatsmann, geb. 26. Juli 1721 in Leschkirch, † 9. April 1803 in Hermannstadt. Er war der jüngere Sohn des für seine im Kuruzenkriege (1703–1711) dem österreich. Kaiserhause bewiesene opferwillige Treue in den Adelstand (mit dem Prädicate v. Bruckenthal) erhobenen Königsrichters von Leschkirch, Michael Bruckner. Nachdem er seine Gymnasialstudien in Hermannstadt beendigt und darauf einige Zeit hindurch in M. Vásárhely dem Studium der ungarischen Sprache und der vaterländischen Rechte sich gewidmet hatte, besuchte er, nach einer kurzen Praxis beim königl. siebenbürgischen Gubernium, 1743 auf fast zwei Jahre die Universität Halle und trat dann beim Hermannstädter Magistrate in öffentliche Dienste, wurde 1749 erster Judicialsecretär und 1751 Vicenotär. Sein großes Talent, sein reiches Wissen, seine ungewöhnliche Arbeitsfähigkeit, sowie auf der andern Seite seine strenge Gewissenhaftigkeit und patriotische Gesinnung bewirkten, daß er schon 1751 in eine Deputation gewählt wurde, welche die sächsische Nationsuniversität (die gesetzliche Vertretung des Sachsenlandes) wegen verschiedener Beschwerden an den kaiserl. Hof nach Wien entsandte. Von dieser Zeit an vertrat er häufig und meist mit Erfolg die sächsische Nation beim kaiserl. Hofe und wurde von dieser 1759 zu ihrem ständigen Agenten in Wien ernannt. Bei Gelegenheit seiner zweiten Vertretung der sächsischen Nation, 1753, hatte er aber auch die Zuneigung der Kaiserin Maria Theresia gewonnen und erfreute sich seit dieser Zeit trotz des Gegensatzes, in welchem er als ein unerschütterlich treuer Anhänger des protestantischen Glaubens zu der strenggläubigen, für den Katholicismus eifrigen Fürstin stand, eines immer wachsenden Vertrauens bei ihr. Schon 1754 wurde er „wegen seiner Capacität“ zum Gubernialsecretär und darauf 1760 zum Titular-Gubernialrath mit Sitz und Stimme im Gubernium ernannt. Als durch seine Bemühungen der sächsischen Nation die freie Wahl ihres obersten Beamten, des Sachsengrafen oder comes nationis zurückgegeben worden war, bestimmte ihn 1761 die Wahl der Hermannstädter Stadtvertretung, der seit Alters her dieses Recht zustand, für dieses Amt. Diese Wahl erhielt jedoch die Bestätigung der Kaiserin nicht, angeblich aus formellen Gründen, eigentlich aber weil sie mit ihm andere, weiter reichende Pläne hatte: sie ernannte ihn 1762 zum siebenbürgischen Provinzialkanzler und ertheilte ihm und seiner Familie bald darauf daß Baronat. In seiner neuen Stellung als Provinzialkanzler war B. mit Baron Buccow, dem damaligen commandirenden General in Siebenbürgen, für die Einführung der siebenbürgischen Grenzmiliz thätig, die ihm, sowie Buccow, viele Anfeindungen und Verdächtigungen, namentlich von ungarischer Seite her, bei Hofe zuzog, ohne jedoch das große Vertrauen der Kaiserin in seine Treue und Redlichkeit zu erschüttern. Im J. 1765, in welchem Jahre ihn auch die Kaiserin durch die Verleihung des Ritterkreuzes des neugestifteten St. Stephansordens auszeichnete, erwirkte er die Inscription der Fiscalherrschaft im Fogarascher District zu Gunsten der sächsischen Nation gegen eine Inscriptionssumme von 200000 fl. auf 99 Jahre und legte dadurch den Grund zu einem nicht unbedeutenden Vermögensstand der sächsischen Nation, dessen Erträgniß seit 1850 durch Beschluß der sächsischen Nationsuniversität hauptsächlich zu Zwecken der evangelischen sächsischen Schulen verwendet wird. Dagegen blieben seine Bemühungen für Errichtung einer Universität in Hermannstadt leider vergeblich. Obgleich es ihm gelungen war, die Kaiserin diesem Plane geneigt zu machen, so hatten schließlich doch die katholische Partei am Hofe und insbesondere die Gegenvorstellungen des damaligen kathol. Bischofs von Siebenbürgen, Bajthai, der die in Vorschlag gebrachte Universität als einen zukünftigen Heerd der gefährlichsten Irreligiosität bezeichnete, die Oberhand gewonnen und die Ausführung des Planes unterblieb. Im J. 1766 wurde B. [396] der Vorsitz bei der siebenbürgischen Hofkanzlei übertragen. In dieser Stellung arbeitete er 1769 das Steuersystem aus und führte es als kaiserl. Commissär im Lande durch, welches mit einjgen Aenderungen bis zum J. 1850 in Siebenbürgen zu Recht bestand. War er schon bisher wegen seiner hervorragenden Stellung und seines großen Einflusses bei Hofe dem hämischen Neide und der Verfolgung offener Feinde und verstellter Freunde ausgesetzt gewesen, so nahmen die Anfeindungen und Verdächtigungen desselben auf eine für ihn höchst gefährliche Weise zu, als 1771 Graf Jos. Maria v. Auersberg Gubernator von Siebenbürgen wurde. Dieser, aufgereizt durch den mit ihm ins Land gekommenen königl. ungarischen Hofsecretär Izdenczy, klagte ihn bei Hofe wiederholt verschiedener Vergehen an, namentlich der Saumseligkeit und der absichtlichen Verhinderung der durch Auersberg beabsichtigten Reformen in der Verwaltung Siebenbürgens; doch erwies B. jedesmal die Grundlosigkeit dieser Beschuldigungen und nach seiner zweiten Rechtfertigung gab die Kaiserin dem Gubernator wegen dieser unbegründeten Anklagen ihre Unzufriedenheit zu erkennen. Die glänzendste Genugthuung aber wurde B. dadurch zu Theil, daß 1774 Auersberg abberufen und er selbst an seine Stelle zum königl. bevollmächtigten Commissär und Präses des siebenbürgischen Guberniums ernannt wurde. Dieser Beförderung folgte, drei Jahre später, seine Ernennung zum wirklichen Gouverneur von Siebenbürgen, einer Würde, zu welcher bis dahin noch kein Sachse gelangt war. Minder günstig gestalteten sich für ihn die Verhältnisse, als nach dem Tode der Kaiserin Joseph II. die Selbstregierung in den österreichischen Erblanden übernahm und bald darauf auch in Siebenbürgen mit seinen zwar wohlgemeinten, aber den durch jahrhundertlangen Bestand im Volksleben tief eingewurzelten Verhältnissen zu sehr widerstreitenden Reformen hervortrat. Denn B., von der Unmöglichkeit überzeugt, Völker von so verschiedener Abstammung, Sprache, Religion und Gesittung in dieselbe Form der Regierung einzuzwängen und die Zweckmäßigkeit nur der Politik anerkennend, welche den Fortschritt auf geschichtlich gegebener Basis erstrebt, konnte sich mit den neutralisirenden Plänen Josephs II. nicht befreunden, und mochte er wol auch sorgfältigst alles vermeiden, was der Durchführung dieser Pläne hinderlich gewesen wäre, so konnte doch die mehr conservative Gesinnung des Gouverneurs dem Kaiser nicht unbekannt bleiben. Während der Vorbereitungen zur Einführung der Reformen brach 1784, einerseits durch den Druck ungarischer Grundherren, andererseits durch falsche Vorspiegelungen einzelner Agitatoren veranlaßt, ein Aufstand unter den walachischen Frohnbauern in Siebenbürgen aus, der, unter dem Namen der Hora- und Klocska’schen Unruhen bekannt, nur mit Anwendung einer bedeutenden Militärmacht unterdrückt werden konnte. Daß B. als Gouverneur auch in diesen Wirren seine Pflicht vollständig erfüllt habe, hat gegen die ungerechten Angriffe des Grafen Dominik Teleki (A Hora támadás története, Pest 1865), ein anderer ungarischer Schriftsteller, F. Szilagyi (Budapesti szemle U. F., VI. Bd.) unwiderleglich dargethan. Dennoch wuchs beim Kaiser allmählich das Mißtrauen gegen die Zuverlässigkeit seiner Dienste. Im Febr. 1787 wurde B. „in Ansehung seines hohen Alters“ unter Verleihung des Großkreuzes des Stephansordens in den Ruhestand versetzt. Lag hierin eine Mißbilligung seiner Verwaltungsmethode und Ansichten, so erhielt er gleichwol bald hiefür volle Genugthuung, als nach dem Tode Kaiser Josephs II. 1790 mit der Wiederherstellung der frühern siebenbürgischen Verfassungsverhältnisse auch das hauptsächlich von ihm eingeleitete Regierungssystem wieder zur Geltung kam, ein System, das bis. zum J. 1848 bestanden hat. Sein otium cum dignitate benützte B. zur bessern Verwaltung seines ausgebreiteten Besitzthums und zur Vermehrung der schon während seines häufigen Aufenthaltes in Wien von ihm angelegten Sammlungen [397] von Büchern, Gemälden, Münzen und Antiken, wobei er aber, seinem Wahlspruche: „Fidem genusque servabo“ unverbrüchlich treu, an dem Wohle und Wehe seiner Nation und Kirche bis zu seinem Tode stets den wärmsten und thätigsten Antheil nahm. Das schönste und unvergänglichste Denkmal hat er sich aber durch die Gründung eines Museums für Wissenschaft und Kunst in Hermannstadt gesetzt. Für die Erhaltung und Vermehrung der darin der öffentlichen Benutzung übergebenen reichen Sammlungen bestimmte er 36000 fl., welche gegenwärtig, da bisher nicht das ganze Erträgniß derselben verausgabt wurde, auf mehr als 100000 fl. angewachsen ist. Wohlbekannt mit der schon oft vorgekommenen Erscheinung, daß sächsische Adelsfamilien nach und nach durch Verehelichungen mit ungarischen vollständig magyarisirt wurden und dadurch ihr oft bedeutendes Besitzthum in ungarische Hände überging, vermachte er dieses ganze Museum zusammt dem Fonds dem Hermannstädter evangelischen Gymnasium A. C. für den Fall, daß der Mannesstamm der von ihm in seinem Testamente als successive Erben näher bezeichneten Familienglieder aussterben würde, eine Eventualität, die im J. 1872 in der That eingetreten ist und kraft welcher jene Bestimmung verwirklicht worden ist. Von Bruckenthal’s schriftstellerischen Arbeiten, die sich ausschließlich auf siebenbürgische Geschichte und Rechtsverhältnisse beziehen ist nur ein kleiner Theil gedruckt.

Schäfer[2], Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Freiherrn Samuel v. Bruckenthal; Schuller, Maria Theresia und Freiherr Samuel v. Bruckenthal; Trausch, Schriftsteller-Lexikon der siebenbürgischen Deutschen, I.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 392 ff.: Statt Bruckenthal ist überall zu setzen Brukenthal. [Bd. 5, S. 794]
  2. S. 397. Z. 20 v. o. l.: Schafer (st. Schäfer). [Bd. 5, S. 795]