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Artikel „Dinter, Christian Friedrich“ von Heinrich Julius Kämmel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 243–245, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dinter,_Gustav&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 10:29 Uhr UTC)
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Dinter: Christian Friedrich D., einer der strebsamsten und einflußreichsten Förderer des Volksschulwesens im Zeitalter des Rationalismus. Er war den 29. Febr. 1760 in Borna (einige Meilen südlich von Leipzig) geboren, erlangte seine wissenschaftliche Vorbildung in der damals von Basedow’s strengem Gegner Tobias Krebs geleiteten Fürstenschule zu Grimma und machte hierauf seine theologischen Studien in Leipzig unter Dathe, Ernesti und Morus. In dem dann folgenden Hauslehrerleben fand er vielfachen Anlaß, das Volk und seine Leiter, Pfarrer und Schullehrer, zu beobachten. Als er nun selbst 1787 in dem kleinen Dorfe Kitscher Pfarrer geworden war, nahm er sich alsbald der Menschen, die an ihn gewiesen waren, mit herzlicher Liebe an, als Prediger und Seelsorger, als Schulaufseher und Kinderlehrer, bald auch so, daß er in seinem Hause – er war übrigens nie verheirathet – junge Männer für den Dienst in der Volksschule unterwies. Die glücklichen Erfolge, welche er bei solcher Thätigkeit erzielte, hatten die Wirkung, daß ihm 1797 auf Veranlassung des Oberhofpredigers Reinhard die Direction des Seminars in Dresden-Friedrichstadt übertragen wurde. Wieder zehn Jahre war er in diesem Berufe thätig, dem er seine ganze Kraft und Liebe widmete, nach allen Seiten anregend, auf die verschiedensten Bedürfnisse eingehend, den Seminaristen ein väterlicher Freund, in den Hauptsachen ein von Vielen bewundertes Vorbild. Schon begann er auch als Schriftsteller eine weitreichende Wirksamkeit. Wir erwähnen hier nur seine „Kleinen [244] Reden an künftige Volksschullehrer“ (4 Bände, 1803 ff.); seine „Regeln der Katechetik“ (1803); seine „Regeln der Pädagogik, Didaktik und Schulmeisterklugheit“ (1805); seine „Unterredungen über die vier letzten Hauptstücke des Lutherischen Katechismus“ (1806 ff., 4 Bände). Als schwere Krankheit ihn genöthigt hatte, sein Directorat aufzugeben, übernahm er wieder ein Pfarramt in dem Dorfe Görnitz, wo er bald, von einem tüchtigen Hülfslehrer unterstützt, eine Art von Progymnasium oder höherer Bürgerschule einrichtete und, ungebeugt durch die Drangsale des Krieges, auch als Pfarrer die regste Thätigkeit entfaltete. Von seinen schriftstellerischen Arbeiten aus dieser Zeit nennen wir die „Anweisung zum Gebrauche der Bibel in Volksschulen“, 2 Bde. 1812. Ganz wider Erwarten sah er sich im J. 1816 aus seiner stillen Dorfpfarre nach Königsberg berufen in die Stellung eines Schul- und Consistorialraths. Da wurde er nun auf die verschiedenste Weise in Anspruch genommen: er hatte mit Superintendenten Colloquia zu halten, Candidaten des Predigt- und Schulamts zu examiniren, bei den Maturitätsprüfungen der Gymnasien den Vorsitz zu führen, bei der Militärprüfungs-Commission über die Zulassung zum einjährigen Freiwilligendienst mit zu entscheiden und wiederum in zahlreichen Volksschulen gelegentlich die Fortschritte im Lesen und Rechnen oder im Katechisiren zu beobachten. Aber sein praktischer Verstand und sein leicht bewegtes, frohes Herz halfen ihm durch alles hindurch, und dem Volksschulwesen Ostpreußens ist seine Wirksamkeit ohne Zweifel zu großem Segen gewesen. Als er nun einen Ruf an die Universität Kiel abgelehnt hatte, erhielt er eine Professur an der Universität Königsberg, und auch in dieser Stellung hat er mit seltener Treue und Hingebung gewirkt. Aber bei so vielfachen Berufsarbeiten fand er doch immer noch Muße zu schriftstellerischer Thätigkeit. Es erschienen damals eine ganze Reihe bedeutsamer Werke: „Unterredungen über die zwei ersten Hauptstücke des Lutherischen Katechismus (9 Bändchen, 1819 ff.), „Neue Unterredungen über die vier letzten Hauptstücke“ (4 Bändchen, 1819 ff.), „Schullehrer-Bibel, Neues Testament“, 4 Theile, 1824 ff., „Altes Testament“, 4 Theile, 1827 ff., „Die Bibel als Erbauungsbuch für christliche Familien“ (1830). Eine neue Uebersetzung der Bibel „in das Deutsche des 19. Jahrhunderts“ ist Entwurf geblieben. – D. hatte bis in seine höheren Jahre eine wunderbare Frische und Spannkraft sich bewahrt. Er konnte noch immer täglich 13 Stunden arbeiten und fühlte sich am späten Abend noch so rüstig wie am frühen Morgen. Dennoch führte eine Erkältung, die er im Frühjahre 1831 auf einer Revisionsreise sich zugezogen hatte, wider Erwarten schnell seinen Tod herbei; er verschied am 29. Mai jenes Jahres. S. über ihn: Dinter’s Leben, von ihm selbst beschrieben (Neustadt an der Orla 1829, gr. 8, 2. Aufl. 1830), ein an Anekdoten und Schnurren überreiches Buch; außerdem N. Nekrolog der Deutschen, IX. Jahrgang, I. Theil und Bildnisse der berühmtesten und verdienstvollsten Pädagogen und Schulmänner, 1. Lief. (in beiden auch ein vollständiges Verzeichniß seiner Schriften). Eine treffliche Würdigung des wackern Mannes gibt Palmer’s vergleichende Charakteristik Dinter’s und Pestalozzi’s im Schulblatt für die Provinz Brandenburg 1851, März und April, womit zu vergleichen ist, was derselbe in Schmid’s Encyklopädie I, 949 ff. zusammengefaßt hat. – Mit einem warmen Herzen für das Volk, dessen Bedürfnisse er so treu im Auge behielt, hat er für die Kinder des Volkes wie Wenige in rastloser Thätigkeit Lehrer heranzubilden, das ganze Volksschulwesen unter noch sehr beengenden Verhältnissen kräftig zu heben gesucht. Seine schriftstellerischen Arbeiten, jetzt freilich großentheils vergessen, lassen mit wenigen Ausnahmen den praktischen Theologen erkennen. In die Tiefen der christlichen Wahrheit hat er nicht eingeführt und seine Schullehrerbibel ist Gegenstand sehr ernster Angriffe gewesen; aber was er als Wahrheit in Schrift und Katechismus [245] fand, das hat er zuweilen doch auch mit glücklichem Takte und immer mit redlichem Willen ausgelegt. Wenn späterhin in den Kreisen, auf welche er gewirkt hatte, eine sehr unkirchliche Gesinnung das Uebergewicht erlangt hat, so ist dies ihm nicht Schuld zu geben; gegen das Geschrei von Trennung der Kirche und Schule würde er mit Nachdruck sich erklärt haben.