ADB:Decius, Nikolaus (1. Artikel)
Nikolaus a Curia, vom Hoffe oder Hofe, Nik. Houesche, Houisch, Houesch, da die doppelte Uebersetzung in a Curia und Decius (von decere), auf welche zuerst H. Franck aufmerksam gemacht hat, sehr denkbar scheint, † 21. März 1541. – Er erscheint zuerst als Mönch, 1519 neben der Priorissa oder Domina Elisabeth, Herzogin zu Braunschweig-Lüneburg als Propst im Kloster Steterburg, [792] sodann nach dem Juli 1522 als „Schul-Collega in Braunschweig an der St. Katharinen- und Egidienschule“. Was ihn veranlaßte, diese Stellung mit der früheren zu vertauschen, ist unbekannt; ebenso in welchem Sinne und mit welchem Erfolge er sein Amt in Braunschweig versehen hat; doch ist nicht unwahrscheinlich, daß schon hierbei seine Hinneigung zur lutherischen Lehre von wesentlichem Einflusse gewesen sei. Denn – die Identität des steterburgischen a Curia mit dem pommerschen vom Hofe oder Houesch und dem Rehtmeyer’schen (braunschweigischen) D. vorausgesetzt – bald nach Paulus vom Rode, dem ersten evangelischen von der Bürgerschaft in den Fasten 1523 nach Stettin berufenen Prediger, kam als zweiter „Magister Nikolaus von Hofe darhyn, welcher auch nicht ein geringer man in der lehre und fromicheit was“. Seine Berufung geschah wol unter denselben Bedingungen, wie die Paulus’ vom Rode, mit dem er jetzt und in der Folge fast immer zusammen genannt wird: die Gemeinde besoldete ihn zunächst aus eigenen Mitteln und gewährte ihm Kost und Kleidung, bis er später von der Stadt fest angestellt wurde. Zunächst stellte sich den neuen Predigern heftiger Widerstand von Seiten der katholischen Geistlichen und Mönche entgegen, „welche sampt jrem anhange rasendig dajegen getobet haben, vnd hertzog Bugslaffen gegen sie errögen wolten, das man sie umbbringen vnd verjagen solte. Aber hertzog Bugslaff ließ es geschehen vnd strengete sich nicht sonders dajegen, dan es weren Doctor Valentin Stoientin, Jacob Wobesar vnd andre gelarte lewte in seinen rheten, die dem evangelio wol gewogen weren, vnd es verhinderten, das jhnen nichtes leides geschehn muste“. Ja der Herzog hörte sogar selbst einmal am Frohnleichnamsfeste 1531 die Predigt Paulus’ vom Rode und empfing einen so günstigen Eindruck von derselben, daß er ihn noch einmal zu hören beschloß. Diese Haltung des Fürsten gegenüber der neuen Lehre kam zweifellos auch Nik. vom Hofe zu gute. Den Bemühungen des Rathes der Stadt gelang es, ein Abkommen mit der katholischen Geistlichkeit zu Stande zu bringen, nach welchem „M. Paulus zu St. Jacob des Sontags vnd Freytags die zwo stunden halten solte von Sechsen bis auff Achte, darinne er seine Predigt vnd Meß vollenden. – Zu St. Niklas aber solte M. Nikolaus vom Hoffe gleicher gestalt die zwo stunden in seiner kirchen halten, von Achte biß auff Zehen, vnd sonst den Pfarherr daselbst seines Ampts auch warten lassen, vnd sonsten an den Wercktagen die Stunden von Sieben bis zu Achten zu predigen, hiezu solt man den Predigern Meßgewand, Kelche, Brodt vnd Wein geben, vnd mit den Sontags-Glocken zu jhren Predigten leuten.“ – Nach dem Tode Herzogs Bogislav (5. Oct. 1523) waren die beiden Prediger allerdings wieder den Angriffen des Bischofs Erasmus von Cammin und des katholischen Klerus von Stettin ausgesetzt, da Herzog Georg fest zur alten Kirche hielt; doch verstand es die Bürgerschaft und an ihrer Spitze der Bürgermeister Hans Stoppelberg, sie vor Gewalt und thätlicher Verfolgung zu schützen. 1526 konnte sogar Paulus vom Rode zum Prediger an der St. Jacobikirche förmlich berufen und von der Stadt besoldet werden. Ob dies gleichzeitig auch mit Nik. vom Hofe geschah, ist zwar vorläufig nicht nachweisbar, aber wol zu vermuthen. Jedenfalls nennen sich in einem Schreiben vom 10. Juli 1534 an den Decan und das Capitel von St. Marien zu Stettin, in welchem noch immer die heftigen Kämpfe, die sie mit den Gegnern zu bestehen hatten, eine besondere Erwähnung finden, Paulus vom Rode und Nikolaus Houesch, Geistliche zu Stettin, und im Abschiede der Kirchenvisitation zu Stettin, die nach der 1534 im Herzogthum Pommern eingeführten Reformation im Jahre 1535 abgehalten wurde, wird „Nic. Houesche mit dem predig Ampt zu Sanct Nicolaus vorsehen“, mit einer jährlichen Besoldung von 80 Gulden. So war er denn endlich in einem Amte „bestetiget“, in dem er seiner „Lere und Wandels gute [793] Kundschaft erlanget“. Er verwaltete dasselbe bis zu seinem plötzlich eingetretenen Tode, dessen Ursache seine Freunde auf eine Vergiftung zurückführten. – Von Rehtmeyer wird Nik. D. auf Grund eines Zeugnisses eines sonst nicht bekannten Autor Steinmann als der Dichter der „schönen teutschen Gesänge“: „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr’“ und „O Lamm Gottes unschuldig“ etc. genannt. „Und dieweil er ein vortrefflicher Musicus gewesen, der auf der Harffen sehr wohl spielen können, so habe er zugleich auch die Gesänge in die noch gewöhnliche anmuhtige Melodeyen gebracht. Ebenermaßen soll er auch das Lied: Heilig ist Gott der Vater, so nicht viel mehr in Gebrauch ist, verfertiget und selbigem eine nicht weniger anmuhtige Melodey gegeben haben.“ – Diese Lieder erschienen zuerst in niederdeutscher Sprache und zwar das erste 1526, das zweite und dritte 1531; hochdeutsch und mit den Melodien versehen in dem durch Valten Schumann in Leipzig 1539 gedruckten Gesangbuche, während das dritte in kein hochdeutsches Gesangbuch – wie es scheint – Aufnahme fand und auch allmählich aus dem Kirchengebrauch verschwand. Merkwürdig bleibt, daß Luther keines derselben in seine Sammlung aufgenommen hat, wiewol er 1526 in „Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts zu Wittenberg fürgenommen“ unter den Abendmahlgesängen auch das „deutsche Agnus Dei“ nennt.
Decius: Nikolaus D., nach allem, was über ihn bekannt, wol identisch mit- Rehtmeyer, Kirchenhistorie der Stadt Braunschweig, III. S. 19. – Kantzow, Hochdeutsche Ausgabe von Kosegarten, Chronik von Pommern. II. – Dan. Cramer, Kirchengeschichte von Pommern, Buch 3. S. 53 und 59. – Oberhey in: Deutsche Zeitschrift für christliche Wissenschaft und christliches Leben. 7. Jahrg. 1856. Nr. 5. – H. Franck, Paulus vom Rode, Stettin 1868. – Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied, Bd. III. Nr. 615–619.