ADB:Elisabeth (Herzogin von Braunschweig-Lüneburg)

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Artikel „Elisabeth, Herzogin von Braunschweig“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 16–18, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Elisabeth_(Herzogin_von_Braunschweig-L%C3%BCneburg)&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 07:29 Uhr UTC)
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Elisabeth, Herzogin von Braunschweig, Tochter des 1455 verstorbenen Grafen Botho zu Stolberg, des Erwerbers von Heringen-Kelbra, Hohenstein und Wernigerode, geb. ungefähr 1435, † gegen Ende 1520. Als sie noch im zarten Kindesalter stand, wurde über ihre Vermählung mit Wilhelm d. J. aus dem mittleren Hause Braunschweig, einem Sohne Herzog Wilhelms d. Ae. und der Cäcilie, Tochter Kurfürst Friedrichs I. von Brandenburg, unterhandelt. Da beide dem Herzog Magnus II. mit der Kette von Braunschweig abstammten, so wurde zu Anfang 1442 bei Papst Eugenius ein Dispens wegen einer Verwandtschaft im dritten und vierten Grade nachgesucht, und im Auftrage des päpstlichen Nuntius vom 21. und der Legaten des Basler Concils vom 22. September 1444 wurde am 11. November desselben Jahres jener Dispens durch Wasmod, Abt zu St. Blasien in Nordheim, ertheilt: wegen der Vortheile der Verbindung von Personen und Landen und um Aergerniß zu vermeiden. Eine Woche darnach wurde auch der Heiraths- und Leibzuchtsbrief für E. ausgefertigt. Der Vater verschrieb ihr als Brautschatz die halbe Grafschaft Wernigerode, Herzog Wilhelm d. Ae. als Leibzucht seinen Antheil an Wernigerode, Moringen oder ein Aequivalent. Der Brautschatz wurde später in eine Verschreibung von 12000 fl. umgewandelt. Zehn Jahre darauf, im Sommer 1454, hielt Wilhelm d. J. seine feierliche Heimfahrt mit der jungen Gemahlin in Göttingen. Erst 1463 nach dem Tode Otto’s des Einäugigen, dann zehn Jahre später bei einer neuen Theilung mit seinem Bruder Friedrich, durch welche er das Land Göttingen allein erhielt, erlangte der Gemahl Elisabeths größeren Einfluß, der noch stieg, als derselbe 1482 nach des Vaters Tode mit seinem Bruder Wolfenbüttel einnahm und dort mit demselben gemeinschaftlich regierte. Da aber Wilhelm d. J. 1485 schon zu höheren Jahren gekommen war, so überließ er einen Theil der Regierung seinem Sohne Heinrich und weiter im J. 1491 seinen Söhnen Heinrich und Erich, deren ersteren E. am 24. Juni 1463, letzteren am 14. Februar 1470 ihrem Gemahl geboren hatte, das Land Braunschweig und das Gebiet zwischen Deister und Leine, sich selbst nur den Overwald mit Göttingen vorbehaltend. Der Herzogin E. wurden Stadt und Schloß Gandersheim zu freiem Gebrauch und Einkünfte aus dem Forst zu Seesen überwiesen und sollten die Söhne ihr nach des Vaters Tod Ildehausen überlassen. Herzog Wilhelm aber führte, einem Gebrauche der Zeit folgend, einen besonderen Hofhalt zu Hardegsen, Münden oder Uslar und behielt sich nur vor, daß er nach Belieben seine Gemahlin auf der Staufenburg oder zu Gandersheim und umgekehrt sie ihn an seinem jeweiligen Aufenthalt besuchen könne.

Schwer hatte die fromme, den Werken des Friedens innigst zugethane Fürstin die Uebel der fortwährenden Fehden getragen, welche damals nicht nur die [17] braunschweigischen Lande durchtobten, sondern, da die Grafen zu Stolberg-Wernigerode stets mit Geld und Leuten hierbei auf Seiten ihrer Verwandten standen, die stolbergischen Besitzungen und die Vermögensverhältnisse des Geschlechts, dem sie durch ihre Herkunft angehörte, zerrütteten. Am 16. Februar 1491 hatten ihre Söhne dem Grafen Heinrich d. Ae. und dessen Söhnen Heinrich d. J. und Botho zu Stolberg-Wernigerode, weil sie durch solche treue Aufopferung mit Land und Leuten „in Verderblichkeit komen“, die Belehnung mit der Grafschaft Blankenburg und Zubehör ertheilt.

Bis zu ihrer Ausstattung mit einem besonderen Regiment am westlichen Harz, wo sie auf der Staufenburg oder zu Gandersheim – mit welcher Stadt sie in einer innigen persönlichen Beziehung stand – Hof hielt, haben wir von selbständigen Unternehmungen der Herzogin E. keine Kunde. Hier aber fand ihr mildthätiger Sinn, aber auch ihr über das bei ihrem Geschlecht gewöhnliche Maß hinaus unternehmender Geist ein willkommenes Feld segensreicher Thätigkeit, die ihr noch bis an das Ziel eines besonders hochgebrachten Lebens fast 30 Jahre lang fortzusetzen vergönnt war. Besonders wird sie als die Wiederbeleberin des lange unterbrochenen Bergwerkswesens am Harz gepriesen, und leitete man diese Thätigkeit aus einer von ihrem stolbergischen Stammhause überkommenen Neigung her. Allerdings hatten jene Grafen wenigstens im 14. Jahrhundert am südlichen Harz und in Thüringen einen ansehnlichen Bergwerksbetrieb. Es wird nun berichtet, daß sich E. von ihren Verwandten aus der Grafschaft Stolberg und aus Ellrich Stahl- und Eisenschmiede kommen ließ und auf diese Weise die Eisengruben und Hütten bei Grund im Oberharz und bei Gittelde in lebhaften Betrieb brachte. Ihr Gehülfe und Rathgeber war dabei der Kanzler Spiegelberg, auf den zuletzt die Unternehmungen übergingen. Durch die Erfolge der Großmutter scheint Herzog Heinrich d. J. besonders ermuthigt zu sein, nach kurzer Störung durch Krieg und Fehde bereits mit dem Jahre 1524 die Bergwerksunternehmungen am Harz in größerem Maßstabe aufzunehmen.

Mit dieser praktischen Richtung vereinigte E. einen entschieden frommen Sinn und Werke christlicher und kirchlicher Liebesthätigkeit. In den Jahren 1504 und 1505 begründete sie die Gemeinde zu Grund als eine von Gittelde losgelöste selbständige Pfarre, die älteste im Oberharz, und versah dieselbe mit tüchtigen Pfarrern, zuletzt noch im September 1519. Im J. 1510 fundirte sie die jüngste Klosterstiftung in den braunschweigischen Landen, die der Franciscaner oder Barfüßer zu Gandersheim, bei denen ihre irdischen Reste später eine Ruhestätte fanden. Etwa zu gleicher Zeit schlichtete sie einen Streit zwischen der Coadjutrix zu Gandersheim, Gräfin Catharina zu Hohnstein, und der Aebtissin; 1517 förderte sie besonders durch ein Rundschreiben die Unterstützung der Klosterjungfrauen zu Weende. Auch ist zu erwähnen, daß sie 1503 das zwischen Gittelde und Seesen gelegene Münchehof von Walkenried erwarb. Durch ihre außerordentliche praktische und Liebesthätigkeit erwarb sie sich einen solchen Ruf und Verehrung, daß sie als eine Mutter und Pflegerin der Kirche, eine Gönnerin der Geistlichen, Aufspürerin der Metalle und als Trösterin der Armen gepriesen wurde. Ihre letzten Tage fielen in die aufgeregte Zeit der Hildesheimer Stiftsfehde, der wir es wol zu verdanken haben, daß uns die Zeit ihres Heimgangs nicht genau bekannt ist. Bis in den Herbst 1520 lebte sie noch, bald darauf war sie verstorben. Leider ist 1834 ihr Sarg mit den übrigen Resten des Barfüßerklosters zu Gandersheim durch Feuer zerstört. Algermann, der den Sarg noch sah, entnahm daraus, daß die Herzogin besonders groß von Gestalt war. Ein eigentliches Bildniß von ihr ist nicht vorhanden, denn weder das gleichzeitige in Botho’s Bilderchronik noch die künstlerisch ausgeführten Abbildungen in Holzschnittwerken [18] aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gewähren die Bürgschaft einer Portraitähnlichkeit. Der größere Theil der zerstreuten Quellen dieser Mittheilungen beruht ungedruckt im gräfl. Haupt-Archiv zu Wernigerode.