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Artikel „Crotus Rubianus“ von Adalbert Horawitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 612–614, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Crotus_Rubianus&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 01:45 Uhr UTC)
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Crotus Rubianus (eigentlich Johannes Jäger), Humanist (geb. um 1480 im Dorfe Dornheim bei Arnstadt in Thüringen, † um 1539), kam mit 18 Jahren an die Universität Erfurt, wo er 1500 Baccalaureus wurde. Anfänglich den Scholastikern getreu, wandte er sich bald zur „militia Palladia“, in der er lange Zeit einer der entschlossensten und kühnsten Kämpen war. In jenen Tagen schloß sich C. am entschiedensten an seinen Jugendfreund Ulrich v. Hutten und den jungen Luther an; dem ersteren war er zu dessen Entweichung aus Fulda behilflich gewesen und ihm nach Köln nachgeeilt. 1507 wurde C. Magister und verblieb allein in Erfurt, da Luther Augustiner geworden, Hutten aber seine Wanderung angetreten hatte. Doch bald erscheint C. in der Genossenschaft des Mutianus Rufus, die er durch Scherze und Humor erheiterte. 1508 wurde er Lehrer der Grafen von Henneberg, kehrte aber wieder nach Erfurt zurück, von wo ihn indessen die bekannten Unruhen vertrieben; 1510 übersiedelte er nach Fulda, um der Klosterschule vorzustehen. Damals wol wird er Priester geworden sein, was er aber bald darauf bedauerte; nach wie vor blieb er ein Feind und Verhöhner der Theologasten und Philosophasten, Freund und Correspondent Hutten’s und Mutian’s. In diesem Briefwechsel fand er den einzigen Trost für die Widerwärtigkeiten jenes ihm verhaßten Lebens unter unwissenden Mönchen, deren rohe Sitten er verachtete. In dieser Stimmung traf ihn der Reuchlin’sche Streit. Es versteht sich von selbst, daß er wie der ganze Mutianische Kreis, mit feurigem Eifer auf Seite Reuchlin’s stand und sich in der herbsten Weise gegen die Kölner aussprach. Aber dabei blieb er nicht stehen, in das Lager der Gegner selbst begab er sich, ein ganzes Jahr verbrachte er in Köln und Mainz; es wird nicht zu viel gesagt sein, wenn man [613] behauptet, er habe dort Studien für seine spätere Arbeit gegen die Dunkelmänner gemacht. Denn nach Kampschulte’s Untersuchungen kann kaum ein Zweifel darüber sein, daß neben Hutten C. wol der bedeutendste Mitarbeiter, wenn nicht der Urheber der unsterblichen „Epistolae obscurorum virorum“ gewesen ist. C. eilte hierauf zu den Erfurter Freunden, von hier aber bald wieder als Lehrer in der Familie Fuchs fort nach Italien, wohin es auch ihn schon lange zog; drei Jahre hat er in Bologna verweilt; von den Gelehrten geehrt, beschäftigte er sich daselbst mit mannigfachen Studien. Dabei achtete er gar wohl auf die Berichte aus der Heimath; die Nachricht von Luther’s Auftreten interessirte ihn aber nicht, da der Streit des Philosophen Pomponatius mit den Mönchen, in dem er eine Wiederholung der Reuchlin’schen Angelegenheit sah, ihn vollauf beschäftigte. Doch bald gewann er einen tieferen Einblick in Luther’s Schriften und begeisterte sich für sie und ihren Verfasser in derselben Weise, wie früher für Reuchlin, ja sein Eifer führte ihn zu ernsten Studien der Theologie, in der er damals den Doctorgrad erwarb. Sogar in Rom wagte es C. für Luther einzustehen und für seine Schriften Propaganda zu machen. 1520 kehrte er nach Deutschland zurück mit der ausgesprochenen Absicht, daselbst für Luther’s Sache zu wirken. Und in der That auf seiner Wanderschaft gewann er dieser neue Freunde und verband sich enger mit den alten, so mit Hutten und den Erfurtern, die ihn zum Rector der Universität wählten. Gewiß ward Crotus’ Feuereifer durch die gleichgestimmten Freunde nur erhöht, eifrig arbeitete er für Luther in Wort und Schrift, seine Briefe an ihn athmen Bewunderung und drängen den „Evangelisten“, wie er ihn nennt, vorwärts auf der beschrittenen Bahn. C. war es, der Luther in feierlichster Weise in Erfurt empfing und ihn zum Wormser Reichstage ein Stück Weges geleitete. Aber dies war wol auch der Höhepunkt seines Enthusiasmus, nicht lange und auch C. erscheint unter den Schwankenden, denen die rohen Pöbelexcesse und die Beschränktheit der Prädicanten Bedenken erregten. Wie bei Erasmus, Zasius, Mutian, Pirkheimer, B. Rhenanus, Amerbach etc. begann auch bei ihm ein innerer Proceß, der ihn nach einer Reihe von Jahren zur katholischen Kirche zurückführte. Anfänglich freilich erhielt sich der Verkehr mit den Wittenbergern; Melanchthon besucht u. A. 1524 C. zu Fulda und wird von ihm freundlich aufgenommen, auch die Correspondenz mit Luther, der C. sogar nach Wittenberg ziehen wollte, dauert fort, aber die innere Scheidung vollzog sich um so sicherer. Uebrigens wurde er 1524 jenen Kreisen entrückt, da er einem Rufe an den Hof Albrechts von Brandenburg nach Königsberg folgte, für den er sogar – freilich widerwillig und gegen seine Ueberzeugung – jene Vertheidigungsschrift gegen den deutschen Orden verfaßte. Aber in seinen interessanten Briefen an Camerarius macht er dem Unmuthe gegen die Rohheit der Prädicanten und seinem Aerger über die Verunglimpfung des großen Erasmus Luft. Immer unbehaglicher wurde ihm der Aufenthalt in dem auch seiner Gesundheit unzuträglichen Königsberg, immer stärker die Sehnsucht nach der Heimath, in die er 1530 zurückkehrte. Hier wandte er sich schon 1531 zur alten Lehre zurück und wurde vom Kurfürst Albrecht von Mainz zum Canonicus in Halle ernannt. Dieser Schritt, den er wol nur unternommen hatte, um sich eine ruhige Muße für seine Studien zu verschaffen, erregte bei den Protestanten einen ebenso großen Sturm, als lauten Jubel bei den Katholiken. Luther betrachtete den ehemaligen Freund als Apostaten, nannte ihn einen Epicuräer und betitelte ihn fortan Dr. Kröte. Auch fehlte es nicht an bitterbösen Angriffen, denen C. um 1531 seine „Apologia“ entgegensetzte. Justus Menius aber schrieb wol auf Luther’s Veranlassung eine, freilich anonyme, heftige Schrift, in der er C. als Heuchler hinstellte, der um der Salzpfannen Halle’s willen sein Vorleben, seine Freunde und seine bessere Ueberzeugung verrathen habe, und in der er dem C. Hutten’s [614] zürnenden Geist vorführte. C. antwortete auf alle dergleichen Angriffe – so schmerzhaft sie sein mochten – nicht mehr, trotzdem sein jüngerer Freund Georg Wicel alles mögliche that, um ihn zu Erwiderungen zu drängen. Es wäre ihm doch zu hart geschehen, gegen sein bisheriges Lebenswerk selbst zu Felde ziehen zu müssen, andererseits verhehlte er es sich am wenigsten, daß auch in der alten Kirche nicht alles zum besten bestellt sei. Die dummen Mönche, deren Abgeschmacktheit und Hohlheit er in unvergleichlicher Weise für alle Zeiten gebrandmarkt, sie waren nun seine Collegen, unter ihrer Beschränktheit, unter ihrem Bildungshasse hatte er täglich zu leiden. Alle Heiterkeit und allen Ruhm in seinem Leben hatte er im Kampfe gegen sie gewonnen, die, von denen er sich losgesagt, hatten sein Dasein schön gemacht, die, zu denen er nun zurückgekehrt, verstanden ihn nicht. Freudlos verläuft nun der Rest seiner Tage, verstört durch Krankheiten wie durch stete Angriffe aus dem evangelischen Lager: In den Kreisen der Litteratur fand er fortan so wenig Beachtung, daß weder über die letzten Jahre, noch über den Ausgang des C., ja nicht einmal über Zeit und Ort seines Sterbens Nachrichten vorliegen. Wir wissen nur so viel, daß das Jahr 1539 das letzte ist, in dem er genannt wird. Geistig gestorben war er seinen Freunden schon früher.

Apologetische Darstellung: G. Kampschulte, De Joanne Croto Rubiano Commentatio, Bonnae 1862 und dessen Geschichte der Universität Erfurt; eingehende objective Darstellung mit mildem Urtheile in Strauß’ Hutten.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 614. Z. 22 v. o.: E. Einert, Johann Jäger aus Dornheim. Festschr. z. 10. Nov. herausgeg. vom Verein f. Thüring. Gesch. u. Altertumskunde. Jena 1883. [Bd. 20, S. 747]