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Artikel „Credé, Karl Sigmund Franz“ von Franz von Winckel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 544–546, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Cred%C3%A9,_Carl&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 21:11 Uhr UTC)
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Credé: Karl Sigmund Franz C. wurde am 23. December 1819 in Berlin als zweiter Sohn des im Cultusministerium angestellten Vaters, der kaum 52 Jahre alt 1849 als Geheimer Oberregierungsrath starb, geboren. Seine Mutter war aus Baiern gebürtig. C. besuchte das Friedrich Wilhelms-Gymnasium in Berlin; ging später ein Semester auf die Universität Heidelberg, wo er Naegele kennen lernte, promovirte 1841 und machte nach erlangter Approbation eine längere wissenschaftliche Reise nach Wien, Belgien, Frankreich und Italien. In Paris, wo er mehrere Monate verweilte, beobachtete er viele schwer erkrankte Wöchnerinnen und war durch die ihm bei dieser Gelegenheit ertheilte mitleidige Antwort, ob er noch auf dem Standpunkte stehe, daß man diesen helfen könne, sehr enttäuscht. Im März 1843 trat er bei Dietr. W. H. Busch als Assistent ein, blieb in dieser Stellung fünf Jahre und legte hier den Grund zu seinem ersten größeren Werke, den „Klinischen Vorträgen über Geburtshülfe“, deren erster Theil erst 1853 erschien. Seine Dissertation handelte von dem Nabelschnurvorfall. Im Jahre 1847 heirathete C. Frl. Cäcilie v. Cebrow.

Als C. am 18. März 1848 seine Stellung an der Klinik von Busch aufgab, wurde seine Habilitation durch die Märzereignisse dieses Jahres zunächst verschoben und erst zwei Jahre später, 1850, vorgenommen. 1852 wurde er dann zum Director der Hebammenschule an der Charité, sowie zum Mitexaminator bei den Staatsprüfungen ernannt. In der Charité wußte C. binnen kurzer Zeit eine Abtheilung für kranke Frauen durchzusetzen, damals eine der ersten in Europa. Dann vollendete er 1854 das bereits oben erwähnte Werk „Klinische Vorträge“ und trat außerdem in die Redaction der Monatschrift für Geburtskunde und Frauenkrankheiten ein, welche bis dahin durch Busch, v. Ritgen[WS 1] und v. Siebold geführt worden war.

Nach dem Tode Joerg’s in Leipzig folgte er 1856 einer Berufung nach Leipzig als dessen Nachfolger und Director des Trier’schen Institutes. Er richtete daselbst ebenfalls eine gynaekologische Klinik und Poliklinik ein; ließ später die Klinik durch einen großen zweiflügeligen Anbau (1878 u. 1879) erweitern und blieb bis zu seinem Lebensende in Leipzig, indem er eine Berufung nach Breslau, als Nachfolger von Betschler 1865 ablehnte und eine Anfrage von Berlin nach dem Tode Martin’s (1875) ebenfalls verneinte. 1886 erkrankte er unter heftigen Blasenschmerzen, zog sich am 31. März 1887 von der Direction der Klinik zurück, blieb nur noch Mitglied der Facultät und Vorsitzender der Approbationsprüfungscommission und starb am 14. März 1892 nach schwerem Leiden an einem Carcinom der Prostata.

Aus seiner außerordentlich glücklichen Ehe entsprossen acht Kinder, sein ältester Sohn, Benno[WS 2], ist der bekannte Dresdener Chirurg; einer seiner Schwiegersöhne, Geheimrath Prof. Dr. Leopold[WS 3], hat ihm im Archiv für Gynaekologie, Bd. 42, S. 192–213 einen Nachruf gehalten, in welchem er ihn „als einen Mann von fest ausgeprägtem Charakter und von ungewöhnlicher Geistesschärfe bezeichnet, der durchdrungen von hohem Pflichtgefühle, beseelt von dem Streben gewesen sei, seine Mitmenschen vor bestimmten Krankheiten sicher zu bewahren“. Und jeder, der den Verewigten auch nur einigermaßen [545] kannte, wird zugeben müssen, daß in jenen Sätzen auch nicht ein Wort zu viel gesagt ist, daß sie im Gegentheil noch erweitert werden müssen! Credé’s Streben, die furchtbare ansteckende Augenentzündung der Neugeborenen, durch welche unzählige derselben in frühester Kindheit schon ihr Augenlicht verloren, mittelst einer sehr einfachen Methode – der Einträufelung eines Tropfens einer 2procentigen Höllensteinlösung auf jede Hornhaut gleich nach der Geburt, zu verhüten, ist von so wunderbaren Erfolgen begleitet gewesen, daß jetzt jene entsetzliche Krankheit aus den geburtshülflichen Kliniken fast ganz verschwunden ist und daß ihm sicher schon viele Tausende von Kindern die Erhaltung ihres Augenlichtes verdanken. Dadurch allein schon gehört er zu den größten Wohlthätern der Menschheit, und die Senckenberg’sche Stiftung in Frankfurt a. M. hat ihn mit einem hohen Preise ausgezeichnet. 1861 besprach Credé auf der Naturforscherversammlung in Königsberg die „zweckmäßigste Methode der Entfernung der Nachgeburt“ und wußte dadurch die Expression derselben in kurzer Zeit als die allgemein als bestanerkannte Methode in den deutschen Kliniken durchzusetzen. Diese Methode wurde bald darauf auch in England und Amerika überall eingeführt und wird mit geringen Modificationen noch heutzutage dort angewendet. Durch sie wurden die Halbentbundenen nicht bloß vor gefährlichen Nachblutungen, vor dem Abreißen von Eihaut- und Placentastücken, sondern auch vor Infection der puerperalen Sexualwunden besser als durch die anderen bewahrt: mithin ein sehr segensreiches Verfahren durchgeführt.

Wenn C. außer den „Klinischen Vorträgen“ und der kleinen Schrift „Gesunde und kranke Wöchnerinnen“ (1886), ferner dem „Lehrbuch der Hebammenkunst“ (zuerst 1875 mit dem Referenten, zuletzt 1892 in 5. Aufl. mit Leopold herausgegeben) keine weiteren Monographien und Lehrbücher, sondern nur eine Reihe kleinerer Aufsätze (s. u.) geschrieben hat, so lag dies wohl daran, daß er 39 Jahre hindurch zuerst wie erwähnt die Monatsschrift, dann das Archiv für Gynäkologie mit Spiegelberg, Gusserow[WS 4] und Leopold redigirt hat und daß die Hauptlast der Redaction jederzeit auf seinen Schultern lag. Auch hier kann ich, wiederum aus eigner Erfahrung und mit herzlicher Dankbarkeit die Worte unterschreiben, die sein Schwiegersohn (l. c. S. 209) von ihm anführt: „mit der peinlichsten Sorgfalt reihte er die Arbeiten aneinander und las bis zuletzt alle Correcturen selbst. Durch die Jahre lange Uebung zog er mit verblüffender Gewandtheit schwülstige Sätze in einen einzigen kurzen, meistens viel treffenderen Satz zusammen und reinigte unbarmherzig die Aufsätze von Ballast und Fremdwörtern zum Kummer manchen Verfassers“. Ja ich möchte auch hier seine Leistungen noch etwas weiter fassen, C. verstand es auch meisterhaft, die Ausdrücke jugendlicher Autoren, die oft persönlich zu scharf und leicht verletzend waren, in diplomatischere Formen umzuwandeln und so zum Besten des Autors und der Sache Verstimmungen zu verhüten, die Discussion zu klären und in versöhnlichem, sachlichem Geiste zu erhalten.

Wie er ein ausgezeichneter, unermüdlicher Lehrer war, so feilte er an seinen eigenen Arbeiten fortwährend und wußte seine Darstellungen immer schärfer und klarer zu fassen, so daß sie in der That zu „Meisterstücken deutschen Stiles“ wurden. Wir erwähnen von denselben noch: 1855 „Die preußischen Hebammen und ihre Stellung zum Staate und zur Geburtshülfe“; 1859 „Ueber narbenähnliche Streifen in der Haut des Bauches, der Brüste und der Oberschenkel“; 1860 „Bericht über die Leipziger Klinik vom 5. Febr. 1810 bis 30. Sept. 1859“; 1862 „Observationes nonnullae de foetus situ inter graviditatem. Progr. ad mem. Bosii“; 1864 „Observationes, [546] series II“; 1881 „Die Verhütung der Augenentzündung Neugeborener“ (Arch. f. Gynäk. Bd. 18); 1884 über dasselbe Thema (Berlin); 1884 „Erwärmungsgeräthe für Neugeborene und schwächliche Kinder“ (Arch. f. Gynäk. Bd. 24); 1887 „Weitere Erfahrungen über gesunde und kranke Wöchnerinnen“ (Arch. Bd. 30); 1888 „Die Behandlung der Nachgeburt bei regelmäßigen Geburten“ (Arch. Bd. 32); 1892 „Die geburtshülfliche Untersuchung“ (im Verein mit Leopold) (Leipzig). C. war mit Recht ein Feind der Vielthuerei, ganz besonders bei Kreißenden und Wöchnerinnen und erkannte mit klarem Blick die Gefährlichkeit der zu häufig geübten inneren Untersuchungen.

Er war unter mittlerer Größe, eher klein zu nennen, aber kräftig, an Strapazen gewöhnt. Er hatte eine wunderbar feine und kleine Hand, die ihn zu den schwierigsten geburtshülflichen und plastischen Operationen ganz besonders befähigte.

Als trefflicher Gatte und Vater, als treuer, warmer Freund, der auch zur rechten Zeit ernsten Tadel nicht scheute, war er allbekannt; als ein ausgezeichneter Lehrer der Jugend, ein hervorragender Forscher und ein wirklicher Wohlthäter der Menschheit wird er unsterblich bleiben.

Hinrichsen, Das litt. Deutschland, 2. Aufl., S. 241. – Hirsch-Gurlt, Biogr. Lex. d. hervorr. Aerzte II, 103. Wien 1885. – Leopold, Archiv f. Gynäkologie, Bd. 42 und nach eigenen Erinnerungen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ferdinand August von Ritgen (1787–1867), Professor für Geburtshilfe und Chirurgie in Gießen.
  2. Benno Credé (1847–1929), Chefarzt des Carolahauses in Dresden, Generaloberarzt.
  3. Christian Gerhard Leopold (1846–1911), Direktor der K. Frauenklinik und Hebammenlehranstalt in Dresden.
  4. Adolf Ludwig Sigismund Gusserow (1836–1906), Professor der Geburtshilfe in Zürich, Straßburg und Berlin.