ADB:Cobenzl
Johann C., deutscher Ordensritter und Comthur zu Laibach, dann zu Grätz und Wienerisch Neustadt, war von 1571–73 kaiserlicher Gesandter zu Rom, 1576 in Rußland bei Iwan II. (Herrmann, Russische Geschichte III, 254), dann bei verschiedenen Reichskreisen und Reichstagen thätig, unterzeichnete auch im Namen des Erzhauses Oesterreich die Reichstagsabschiede von 1582 und 1594. Am 16. Juli 1564 wird er nebst seinem Bruder Ulrich II. in den Reichsfreiherrenstand erhoben; der Enkel dieses Bruders, Johann Philipp II., erhielt am 16. März 1675 den Grafentitel. Seine Gemahlin, Johanna Gräfin Lanthieri, hatte ihm zehn Kinder geboren; der zweite Sohn, Johann Kaspar II., geb. 1664, wurde von zwei Frauen sogar mit 17 Kindern beschenkt, aber nur zwei Söhne der zweiten Ehe pflanzten das Geschlecht fort: Johann Karl Philipp und Gundobald, die Väter der beiden Minister, von denen hier vornehmlich zu reden ist. Von Gundobald, geb. 1716, dem Vater Philipps, sei nur noch bemerkt, daß er am 11. Oct. 1797 zu Grätz als Senior des Geschlechts gestorben ist. Der ältere Bruder, der Vater Ludwigs, hat, außer dem berühmten Sohn, auch einen bedeutenden Namen in der Geschichte der Niederlande hinterlassen. Er war am 21. Juli 1712 geboren und trat sehr früh in den diplomatischen Dienst. Im April 1743 leitete er als kaiserlicher Wahlcommissar die Verhandlungen in Mainz, aus denen am 22. April der Graf Johann Friedrich Karl von Ostein als Kurfürst hervorging. Er wurde kaiserlicher Geheimerrath und Gesandter bei dem kur- und oberrheinischen, fränkischen, schwäbischen und westfälischen Kreise. Vergebens bemühte er sich im J. 1749, den genannten Kurfürsten von Mainz auch zum Bischof von Würzburg wählen zu lassen. Im J. 1753 erhielt er die Stelle eines bevollmächtigten Ministers in den österreichischen Niederlanden und damit die Leitung der Verwaltung unter dem Prinzen Karl von Lothringen. Er gründete 1769 in Brüssel die „Litterarische Gesellschaft“, aus welcher drei Jahre später die belgische Akademie der Wissenschaften entstanden ist. Die Liebenswürdigkeit seines Benehmens, der Schutz, den er Künsten und Wissenschaften, nicht minder dem Ackerbau und Handel zu Theil werden ließ, haben ihm ein ehrenvolles Andenken gesichert. Noch im Besitz seines wichtigen Amtes starb er am 20. Januar 1770 zu Brüssel. Seine Freigebigkeit hatte sein Vermögen zerrüttet, so daß die Kaiserin Maria Theresia zweimal seine Schulden bezahlte und seiner Wittwe, einer geborenen Gräfin Palffy, eine Staatsunterstützung gewährte.
Cobenzl: Ludwig, Graf C., österreichischer Staatsmann. Cobenzl ist der Name eines kärnthnischen Geschlechts, das schon in Urkunden zu Anfange des 13. Jahrhunderts erwähnt wird, durch Heirathen in der Heimath und den angrenzenden Ländern bedeutenden Besitz erlangt und seit dem 16. Jahrhundert eine Reihe ausgezeichneter Staatsmänner unter seine Mitglieder zählt.Von zehn Kindern folgte ihm Johann Ludwig Joseph im Majorat. Er war in Brüssel am 21. Nov. 1753 geboren. Die erste Bildung für den Staatsdienst erhielt er unter der Leitung eines väterlichen Freundes, des Grafen Pergen in Galizien 1772–74, kurz nachdem die Provinz durch die erste Theilung Polens an Oesterreich gekommen war. Auch Kaunitz, der Staatskanzler, war der Familie Cobenzl nahe befreundet und betrachtete Ludwig, sowie den Vetter Philipp wie seine eigenen Söhne – figlio, mon cher enfant sind die Ausdrücke, deren er sich in vertraulichen Briefen häufig bedient. So konnte es dem begabten jungen Mann an Beförderung nicht fehlen; 1774 wurde er Gesandter [356] in Kopenhagen, drei Jahre später kam er an den Hof Friedrichs des Großen nach Berlin. Aber der Versuch Oesterreichs, nach dem Aussterben der bairischen Wittelsbacher im J. 1777 einen Theil von Baiern zu erwerben, trübte das Verhältniß zu Preußen. Cobenzl’s Bemühungen für den Frieden hatten keinen Erfolg, weder in Berlin noch bei Kaiser Joseph. Mitte Juli[1] mußte er Berlin verlassen; durch die Heere, die sich schon feindlich gegenüber standen, gelangte er nach Böhmen in das kaiserliche Feldlager.
Gewiß würde man ihn im nächsten Frühling zum Bevollmächtigten auf dem Congreß zu Teschen ernannt haben; aber eine Erkrankung trat dazwischen, und an seiner Stelle wurde sein Vetter Philipp abgesandt. Bekanntlich mußte Oesterreich im Frieden, am 13. Mai 1779, auf seine Ansprüche verzichten, vornehmlich weil Rußland sich auf die Seite Preußens stellte. Um so wichtiger wurde die Sendung Cobenzl’s, der mit dem Gesandtschaftsposten in Petersburg den Auftrag erhielt, Oesterreich und Rußland wieder enger zu verbinden und dem preußischen Einfluß entgegen zu wirken. Im Winter 1779 reiste er nach Petersburg ab mit seiner jungen Gemahlin Theresia Johanna, geborenen Gräfin von Monte Labate, die ihm bei der Heirath am 17. Januar 1774 die bedeutende Herrschaft Napagetl in Böhmen zugebracht hatte. Zwanzig Jahre lang blieb nun die nordische Hauptstadt der Mittelpunkt seiner Thätigkeit. Bald wußte er die Kaiserin, den Fürsten Potemkin und die bedeutendsten Männer am Hofe für sich einzunehmen. Lord Malmesbury, damals noch Mr. James Harris, schreibt im November 1779 aus Petersburg über ihn, der beste Ruf von seinen Talenten und seiner Fähigkeit gehe ihm voraus, und nennt ihn in einer späteren Depesche seinen würdigen Freund und Collegen. Gleichwol scheint es ihm gerade an Würde und Festigkeit des Charakters zuweilen gefehlt zu haben. „Graf Cobenzl“, erzählt der französische Gesandte in Petersburg, Graf Ségur, „machte eine ungewöhnliche Häßlichkeit durch ein verbindliches Benehmen, eine lebhafte Unterhaltung und eine unzerstörbare Heiterkeit vergessen.“ Aber später, wenn er bemerkt, daß der englische Gesandte, Fitz-Herbert[WS 1], dem übermüthigen Benehmen Potemkin’s gegenüber seine Würde zu bewahren wußte, setzt er hinzu: „Anders war es mit dem Grafen Cobenzl; obwol geistreich und [seit 1786] mit der Würde eines Botschafters bekleidet, übertraf er doch, weil er in der Politik jedes Mittel, wenn es nur zum Ziele führte, für erlaubt hielt, an Nachgiebigkeit und Deferenz die gelehrigsten und unterwürfigsten Höflinge.“
Cobenzl’s Stellung hob sich ganz besonders durch die persönlichen Beziehungen Josephs zu Katharina. Schon im Juni 1780 wurde der Gesandte nach Mohilew zu dem Kaiser beschieden, der dort mit Katharina zusammentraf, sie dann auch in Petersburg besuchte und mehrere Wochen bei Cobenzl in seinem schönen Hause am Newa-Quai Wohnung nahm. Folge der Zusammenkunft war jenes eigenthümliche Verhältniß, das halb durch persönliche, halb durch politische Interessen getragen, bis zur Sterbestunde Josephs gedauert hat. Noch während der Anwesenheit des Kaisers wurde in Petersburg wegen eines Bündnisses unterhandelt, und im März des Jahres 1781 war man dem Abschluß nahe. C. hatte jedoch nicht die Freude, den Vertrag zu unterzeichnen. Weil der Kaiser oder vornehmlich Kaunitz die von Rußland geforderte Alternative der Unterschriften nicht zugestehen wollten, griff man zu dem Auskunftsmittel, in eigenhändigen Briefen der Monarchen die Uebereinkunft rechtsverbindlich auszusprechen (Mai 1781). Auf Cobenzl’s Thätigkeit bei dieser und späteren Verhandlungen gehen wir nicht näher ein, da er durchaus nach den Anweisungen Josephs und des Staatskanzlers zu verfahren hatte. Seine persönliche Geltung in Petersburg befestigte sich unterdessen immer mehr; er gehörte zu dem vertrautesten Kreise der Kaiserin und wußte sie besonders durch die Aufführung der schon damals beliebten [357] französischen Proverbes auf dem Theater der Eremitage zu unterhalten. Mit Ségur und dem englischen Gesandten Fitz-Herbert begleitete er die Kaiserin im Juni 1785 auf einer Fahrt nach Moskau und im Januar 1787 auf der großen Reise in die neuerworbene Krim. Die Einzelheiten dieser merkwürdigen Fahrt, der Aufenthalt in Kiew, das Zusammentreffen mit König Stanislaus und Kaiser Joseph sind schon durch die Memoiren Ségur’s, des Fürsten von Ligne und in neuester Zeit durch die Berichte Kaiser Josephs allgemein bekannt geworden. Sie bezeichnet auch einen Wendepunkt in dem Leben des Kaisers, den eine Reihe verfehlter Unternehmungen, der Türkenkrieg, der Aufstand in den Niederlanden, die drohende Stellung Preußens bis zu seinem Hinscheiden am 20. Februar 1790 nicht wieder zu Athem kommen läßt. Kaiser Leopolds kluge Mäßigung beseitigt die drohendsten Gefahren, aber, von Katharina ohne Beistand gelassen, muß er seine Wege von Rußland trennen. Er schließt Frieden mit der Pforte, einigt sich mit Preußen gegen Frankreich und begünstigt die neue polnische Verfassung vom 3. Mai 1791. In dem folgenden Artikel über Philipp C. wird eingehender zu erwähnen sein, wie der Sohn und Nachfolger Leopolds, Franz II., die Rache Katharina’s für die neue Wendung der österreichischen Politik empfinden mußte. Cobenzl’s Lage war unter solchen Verhältnissen wesentlich verändert. Er hatte vielfach die Reizbarkeit der Kaiserin und den Uebermuth ihrer Minister zu ertragen. Aber er hielt sich wenigstens äußerlich in seiner Stellung, und bald fand sich Gelegenheit, für den Nachtheil, den Oesterreich bei der zweiten Theilung Polens durch den preußisch-russischen Vertrag vom 23. Januar 1793 erlitten hatte, einen Ersatz zu erlangen.
Der polnische Aufstand im Frühling 1794 gab den letzten Rest des unglücklichen Landes in fremde Hand, und nach der Eroberung von Warschau am 8. November verfügte Rußland über die Vertheilung der Beute. Oesterreich, nunmehr von Thugut geleitet, ließ sich nicht wieder bei Seite schieben, und Katharina, aus mehr als einem Grunde gegen Preußen gereizt, begünstigte jetzt den Kaiser, wie sie zwei Jahre früher den König von Preußen begünstigt hatte. Cobenzl’s Depeschen, in denen er seine Bemühungen und seine Erfolge am Petersburger Hofe schildert, gehören zu dem Interessantesten, wenn auch keineswegs zu dem Erfreulichsten, was die diplomatische Geschichte der Revolutionszeit bieten kann. Am 3. Januar 1795 schloß er zum heftigen Verdrusse des preußischen Gesandten, Grafen Tauenzien, mit den russischen Ministern einen Vertrag, der die Palatinate Krakau, Lublin, Chelm und Sendomir mit Oesterreich vereinigte. An demselben Tage wurde dann noch eine geheime Declaration unterzeichnet, welche, auf die Verabredungen Josephs mit Katharina zurückgehend, für den Fall eines glücklichen Krieges gegen die Pforte türkische Provinzen zwischen Rußland und Oesterreich vertheilte, und für Oesterreich außerdem die Erwerbung des venetianischen Festlandes in Aussicht stellte. Wirkliche Bedeutung hat diese Declaration freilich nur in sehr beschränktem Maße erlangt, aber sie ist äußerst belehrend für die Richtung der damaligen Politik, besonders für die Absichten der russischen Kaiserin. Was den Theilungsvertrag betrifft, so vermochte Preußen jetzt ebensowenig, wie Oesterreich zwei Jahre früher, seinen Widerstand aufrecht zu halten; es begnügte sich mit einem mäßigen Gewinn, und C. konnte noch in diesem und dem nächsten Jahre in einer Reihe von Verträgen die polnische Angelegenheit zum völligen Abschluß bringen.
Aber während man so im Osten eine feste Stellung zu gewinnen glaubte, drängte der Sturm von Westen immer mächtiger heran. Im Sommer 1796 standen die Heere der französischen Republik an der österreichischen Grenze. Katharina, bis dahin unthätige Zuschauerin, zeigte sich jetzt endlich geneigt, ein Hülfsheer von 60000 Mann zu schicken. Aber an dem Tage, an welchem die [358] entscheidenden Verfügungen getroffen werden sollten, setzte ein Gehirnschlag ihrem Leben ein Ziel (17. Nov. 1796), und ebenso rasch fand auch der Gesandte seine Stellung völlig verändert. Paul I. war schon in Erinnerung an seinen Vater ein eifriger Verehrer Preußens. Die Absichten Katharina’s wurden aufgegeben, die Rüstungen rückgängig gemacht, statt dessen trafen aus Deutschland die übelsten Nachrichten ein. Die Mittheilung einer zwischen Preußen und Frankreich am 5. August 1796 abgeschlossenen Convention machte allerdings der Vorliebe des Zaren für die preußische Politik ein Ende, und C. mit seinem englischen Collegen Whitworth ließ kein Mittel unbenutzt, Pauls Unwillen zu steigern. Aber er hoffte vergebens, nunmehr etwas für Oesterreich zu erlangen; der Zar blieb dabei, daß die inneren Verhältnisse Rußlands keinen Krieg gestatteten. Mit traurigem Gefühl folgte C. dem Hof nach Moskau zur Krönung. Hier erhielt man am 24. April die Nachricht von Bonaparte’s Siegen und seinem Zug gegen Wien. Die Thätigkeit des Gesandten verdoppelte sich, und es gelang ihm in der That, das Versprechen russischer Vermittlung und je nach den Umständen bewaffneten Beistands zu erhalten, als die Nachricht von dem Abschluß der Präliminarien zu Leoben (18. April 1797) die Lage abermals veränderte. Kaum nach Petersburg zurückgekehrt, erhielt C. die Anweisung, sich nach Wien zu begeben. Es war damals noch die Absicht, den Präliminarien gemäß einen allgemeinen Congreß in Bern zu versammeln; C. sollte dabei als Gesandter des Kaisers erscheinen. Am 9. August traf er in Wien ein. Aber der Congreß kam nicht zu Stande. C. arbeitete unter Thugut’s Leitung im Ministerium, man sagte schon damals, er sei zum Nachfolger des Ministers bestimmt. Vorerst drängten jedoch die Verhandlungen zwischen Bonaparte und den kaiserlichen Gesandten in Italien auf Entscheidung. Am 20. September ging C. nach Udine ab, und am 17. October unterzeichnete er mit Bonaparte den Frieden von Campo Formio. Auf die Einzelheiten dieser Unterhandlung ist hier nicht einzugehen. Einsicht, Muth, Ausdauer und diplomatische Geschicklichkeit wird man dem österreichischen Bevollmächtigten nicht absprechen dürfen. Nach Napoleon’s Erzählung auf St. Helena ist unzählige Male nacherzählt, das zerschmetterte Porzellanservice der Kaiserin Katharina habe dem österreichischen Botschafter den Frieden aufgezwungen. Ich habe aber an einem andern Orte nachgewiesen, daß eine Scene dieser Art, bei der es nicht einmal feststeht, daß überhaupt etwas zertrümmert wurde, sich wesentlich auf einen Wuthausbruch des französischen Generals beschränkt und auf die Bedingungen des Friedens so gut wie gar keinen Einfluß geübt hat. Diese Bedingungen waren freilich nicht so günstig, als Thugut verlangte, aber günstiger, als Oesterreich nach einem so unglücklichen Kriege hoffen durfte. Dem Frieden Frankreichs mit Oesterreich sollte der Friede mit dem Reiche folgen, und so finden wir C. schon am 25. November auf dem Rastatter Congreß als Bevollmächtigten des Königs von Ungarn und Böhmen neben den Grafen Metternich und Lehrbach, die den Kaiser und den Erzherzog von Oesterreich vertreten sollten. Am 1. December unterzeichnet C. nach dem Rath des Generals v. Merfeldt die schmachvolle, von Thugut so bitter getadelte Convention über die Auslieferung von Mainz und den Rückzug der österreichischen Truppen hinter den Lech. Nach der Abreise Bonaparte’s suchte er von den französischen Gesandten, Treilhard und Bonnier, die Uebertragung der gesammten österreichischen Entschädigung von Deutschland nach Italien zu erwirken und mit dem preußischen Gesandten über die Neugestaltung des deutschen Reiches sich zu einigen. Aber die eine dieser Verhandlungen blieb erfolglos, und die andere war noch nicht zum Ziele gelangt, als er am 13. April nach Wien berufen wurde, wo Thugut an seinen Rücktritt und an C. als an seinen Nachfolger oder wenigstens Stellvertreter für den repräsentativen Theil der Ministerial-Geschäfte [359] dachte. Auf der Reise nach Wien in Braunau begegnete C. dem General Bernadotte, der eben aus der österreichischen Hauptstadt nach Frankreich zurückkehrte, nachdem die am 13. April am Gesandtschaftgebäude aufgepflanzte republikanische Fahne das rasche Ende seiner diplomatischen Thätigkeit bezeichnet hatte. Dies Ereigniß, das einen neuen Krieg zu verkünden schien, wirkte unmittelbar auf Cobenzl’s Stellung. Er wurde zwar am 30. April zum interimistischen Minister des Auswärtigen ernannt, aber Thugut blieb nach wie vor der Leiter der Geschäfte, und C. war am 13. Mai wieder in Rastatt in der Erwartung, dort mit Bonaparte über die Ausgleichung der Wiener Ereignisse und zugleich über die Ausführung des so vielfach verletzten Friedens von Campo Formio zu verhandeln. Aber der General war statt in Rastatt auf dem Wege nach Aegypten, und statt mit ihm, mußte C. mehrere Wochen hindurch, vom 30. Mai bis zum 6. Juli, in Selz mit dem eben ausgeschiedenen Director François von Neufchateau sich auseinandersetzen. Auch diese Verhandlung hatte keinen anderen Erfolg, als daß die Unvereinbarkeit der gegenseitigen Ansprüche und die Nothwendigkeit eines neuen Krieges jetzt unzweifelhaft hervortraten. Am 13. Juli war C. wieder in Wien. Man glaubte, er werde Minister bleiben, und er selbst scheint wenigstens einige Ruhe gewünscht zu haben. Aber mit der Wahrscheinlichkeit eines neuen Krieges war auch Thugut wieder unentbehrlich, und zugleich der Gesandtschaftsposten in Petersburg so wichtig geworden, daß nur der erste Diplomat des Kaiserreichs ihn ausfüllen konnte. Ueber Dresden, wo er vergebens den Kurfürsten von dem preußischen Bündniß zu lösen suchte, kam C. am 6. August nach Berlin. Es folgten vom 7.–13. August Conferenzen mit preußischen und russischen Ministern, ohne daß es jedoch gelungen wäre, Preußen für die neue Coalition zu gewinnen. Mitte August setzte C. die Reise fort und gelangte am 28. d. M. nach Petersburg. Hier fand er den freundlichsten Empfang und alle Wege geebnet. Der Zar, von Kriegslust erfüllt, drängte jetzt so sehr, daß man ihn eher zurückhalten, als antreiben mußte. Verträge mit Oesterreich, der Pforte und den Engländern, Absendung von Flotten und Armeen folgte eins dem anderen, und der Gesandte gab sich den schönsten Hoffnungen hin, als der Feldzug von 1799 mit so glücklichem Erfolge begann und die Siege Suworow’s in Italien ihren Glanz auf den Zaren zurückwarfen. Aber bald änderte sich diese erfreuliche Lage, die nur zu sehr von der immer wechselnden Laune Pauls I. abhängig war. Schon im September 1798 hatte C. mit Ueberschreitung seiner Vollmachten ganz unberechtigte Forderungen der Russen bewilligen müssen, um den plötzlich unterbrochenen Marsch des Hülfscorps über die österreichische Grenze zu bewirken. Weiter reizte den Zaren, daß Thugut seinen phantastischen Entwürfen in Bezug auf den Malteser Orden nicht entgegenkam, daß die Absichten Oesterreichs in Italien auf das Unmäßige gerichtet schienen, und vor allem das üble Verhältniß Suworow’s zu den österreichischen Kriegsbehörden. An C. lag es nicht, wenn die Einigkeit nicht erhalten blieb. Im Gegensatz zu Thugut’s schroffer, selbstbewußter Haltung wünschte er durch Nachgiebigkeit in den Nebendingen die Zustimmung Pauls in der Hauptsache zu gewinnen. Thugut’s Briefe an den Grafen Colloredo klagen in dieser Zeit nicht selten über Cobenzl’s Leichtfertigkeit und Schwäche; einmal erhält er sogar einen starken Verweis, daß er Oesterreichs Ansprüche auf die Legationen nicht nachdrücklicher verfochten habe. Nach genauer Prüfung des Depeschenwechsels muß ich aber glauben, daß C. in diesem Falle die politische Lage weit klüger und richtiger beurtheilte als der Minister. Als die Nachricht von Korssakow’s Niederlage bei Zürich (26. September) und Suworow’s Unfällen in der Schweiz nach Petersburg gelangte, brach der Unwille Pauls in helle Flammen aus. Nicht lange, und das Bündniß mit Oesterreich war gelöst, und das Heer [360] auf dem Rückmarich nach Rußland. Vor Allen mußte C. die üble Wendung empfinden; er hat später in Paris der Frau von Staël geklagt, kein Mensch habe ihm so viel zu Leide gethan als der Zar. In Folge der Streitigkeiten zu Ancona wurde ihm der Hof am 22. December ganz verboten, am 11. Febr. 1800 forderte Paul seine Abberufung, am 8. März bittet er selbst darum, weil er wisse, daß der Zar ihm persönlich gram sei. Mitte Mai verließ er auf immer die nordische Hauptstadt, war im Juni wieder in Wien, suchte dann Erholung in Carlsbad und knüpfte dort mit Kalitscheff, dem früheren russischen Botschafter in Wien, Verbindungen an, um wo möglich die Zerwürfnisse mit Rußland wieder auszugleichen. – Denn der Verlust des mächtigen Bundesgenossen wurde nur zu fühlbar. Die Schlacht bei Marengo hatte die Hälfte von Oberitalien, Moreau’s Feldzug an der Donau einen großen Theil von Süddeutschland in französische Hand gegeben. Nur unter den drückendsten Bedingungen konnte Oesterreich am 20. September einen Waffenstillstand erlangen, während dessen man in Luneville über den Frieden unterhandeln wollte. Thugut nahm in Folge dessen am 25. September seine Entlassung, und der Graf Lehrbach, der eben mit dem Kaiser aus dem Hauptquartier zurückkam, trat an seine Stelle. Er war für die Unterhandlungen in Luneville bestimmt gewesen, weil C. für eine neue Anknüpfung mit Rußland unentbehrlich schien. In Folge des Wechsels blieb nun doch für die Luneviller Gesandtschaft Niemand als C., und der unermüdliche Mann war sogleich bereit. Aber noch ehe er abreiste, trat eine neue Wendung ein. Lehrbach’s Unfähigkeit für die hohe Stellung wurde in den ersten Tagen offenbar; statt seiner erhielt nun C. das Ministerium des Auswärtigen und zugleich die vordem von seinem Vetter so lange bekleidete Stelle des Hof- und Staatsvicekanzlers. Aber wieder blieb die Uebertragung des Ministeriums eine bloße Form. Man dachte noch immer an die Fortsetzung des Krieges, und für den Krieg war Thugut unentbehrlich. Er behielt denn auch, wenn nicht den Namen, so doch die Gewalt des Amtes, als C. am 15. October die Reise nach Frankreich antrat.
Schon auf der Grenze, in Straßburg und auf der Reise in das Innere wurde er mit glänzenden Feierlichkeiten empfangen. „Weniger Ehre und eine Provinz mehr wäre mir lieber“, schreibt er dem Grafen Franz Colloredo, der dem Namen nach in Wien an die Spitze des Ministeriums getreten war. Bonaparte wünschte die Ankunft des kaiserlichen Friedensboten im Interesse seiner Politik möglichst auffällig zu machen, lud ihn auch ein, vorerst auf einige Tage nach Paris zu kommen. In der Unterredung zeigte er sich aber schroff und leidenschaftlich; am 1. November kam es zu einer Scene, die an Heftigkeit hinter ähnlichen Vorfällen in Udine nicht zurückstand. Am 7. begannen die Unterhandlungen in Luneville zwischen C. und Joseph Bonaparte, aber ohne Erfolg, da Oesterreich noch immer auf der Zuziehung eines englischen Gesandten bestand und die wenig veränderten Bedingungen von Campo Formio nicht annehmen wollte. Nach Ablauf des Waffenstillstands Ende November begann der Krieg von neuem und schon am 9. December gab Talleyrand den in Luneville verbliebenen Bevollmächtigten die Nachricht von der Schlacht bei Hohenlinden. Jetzt, da Oesterreich beinahe wehrlos, Rußland und Preußen Freunde des ersten Consuls geworden waren, steigerten sich auch die französischen Ansprüche, und als mit dem Anfang des neuen Jahres die eigentlichen Friedensconferenzen begannen, mußte C. oft genug bedauern, daß er nicht im November abgeschlossen hatte. Aber es ist bewunderungswürdig, wie er sich in solcher Lage aufrecht hielt. Schritt vor Schritt vertheidigte er die Interessen seines Monarchen und bis zuletzt drohte er mit verzweifeltem Widerstande, wenn er „Ukase“ unterzeichnen sollte. „Was würden Sie erst fordern, wenn Sie uns besiegt hätten“, sagte Joseph Bonaparte; [361] er hätte auch wol in manchen Punkten nachgegeben, aber die Instructionen seines Bruders banden ihm die Hände, und auf einen neuen Krieg durfte es auch C. nicht ankommen lassen. So wurde am 9. Februar der Friede zu Luneville unterzeichnet, der den Franzosen das linke Rheinufer, aber doch auch dem Kaiser die Linie der Etsch in Italien und Entschädigung für den Großherzog von Toscana zugestand. Um dieselbe Zeit trat in Wien Thugut, von allen Seiten angefeindet und auch vom Kaiser verlassen, thatsächlich von den Geschäften zurück. C. ging gleichwol noch nicht nach Wien, sondern vorerst nach Paris. Er sollte über die Ausführung des Friedens, der zugleich für Deutschland abgeschlossen war, verhandeln und im persönlichen Verkehr mit Bonaparte versuchen, ob zwischen ihm und Oesterreich sich ein leidliches Verhältniß herstellen ließe. In dem ersten Consul fand er bereits durchaus den unbeschränkten Herrscher, dagegen trat er mit Joseph Bonaparte und dessen Familie in freundlichen, ja vertraulichen Verkehr und verweilte, während er mit ihm unterhandelte, häufig auf seinem Landsitz Mortfontaine. Hier traf er auch mit der Frau von Staël zusammen, die aber in ihren Erinnerungen ein wenig schmeichelhaftes Bild von ihm entworfen hat. Dagegen rühmt der Cardinal Consalvi Cobenzl’s feines, verbindliches Benehmen und schreibt es wesentlich seiner versöhnlichen, klugen Vermittlung zu, daß der Abschluß des Concordats, der noch im letzten Augenblick durch heftige Gegensätze gefährdet wurde, zu Stande kam. Hätte er nur dasselbe für die österreichischen Verhandlungen bewirken können! Aber Frühling und Sommer vergingen ohne Ergebniß und weder die Entschädigung Toscana’s noch die Gestaltung der deutschen Angelegenheiten war festgestellt, als C. am 9. September 1801 Paris verließ, wo nun an seiner Stelle sein Vetter Philipp das Amt des österreichischen Botschafters übernahm.
Damit ist die diplomatische Laufbahn Ludwig Cobenzl’s beschlossen. Er tritt jetzt, am 18. September, wirklich das Ministerium an. Wollte man hier auf Einzelheiten eingehen, so wäre die Geschichte Oesterreichs in den Jahren 1802–1805 zu schreiben, und es bliebe immer noch schwierig, genau den Antheil zu bestimmen, der C. an den Ereignissen beizumessen ist. Denn er war nicht in dem Sinne, wie Kaunitz und Thugut, Leiter der Politik. Er pflegte nicht einmal mit dem Kaiser persönlich, sondern durch Vermittlung des Grafen Colloredo zu verhandeln; neben ihm stand der von den Conferenzministern gebildete Staatsrath und mit sehr bedeutendem Einfluß der Erzherzog Karl. Cobenzl’s Ministerium bezeichnet die unglücklichste Periode Oesterreichs, ist darum auch von leidenschaftlichen Vorwürfen nicht verschont geblieben. Gerade die heftigsten und bekanntesten aus dem Munde und der Feder Friedrichs v. Gentz möchte ich nicht hoch anschlagen, denn sie entsprangen wesentlich aus dem doppelten Verdruß, daß Gentz von den geheimen Absichten der österreichischen Politik nicht so viel erfuhr, als er zu erfahren wünschte, und daß das österreichische Ministerium mit gutem Grunde nicht so willig, als Gentz verlangte, den englischen Anträgen Gehör gab. Aber schon aus Cobenzl’s Charakter und Entwicklung würde man schließen müssen, daß er bei allen seinen diplomatischen Fähigkeiten der höchsten Leitung in einer so gewaltigen Zeit nicht gewachsen war. Er ist auch in Oesterreich nicht der einzige, der bewiesen hat, daß man ein ausgezeichneter Diplomat sein kann, ohne deshalb ein großer Staatsmann zu sein. Zudem ist nicht oft ein Minister in so schwierige Verhältnisse eingetreten als Cobenzl. Bonaparte sah noch immer den Hauptgegner in Oesterreich; er zog es vor, sich mit Preußen und Rußland zu einigen, und C. hatte weder die Macht noch, wie es scheint, die Geschicklichkeit, die Neugestaltung der deutschen Verhältnisse in einer für Oesterreich günstigen Weise durchzusetzen. Für die Beziehung zu Preußen war es ein besonderer Uebelstand, daß der Tod des Kurfürsten von Köln, Maximilian Franz, am 27. Juli 1801 [362] die Interessen beider Staaten wieder schroff einander entgegenstellte. Selbst mit Rußland hatte der Tod Pauls (23. März 1801) noch keineswegs die von C. lebhaft begehrte engere Verbindung zur Folge. Alexander ließ sich im Herbst 1801 durch Bonaparte gewinnen, und auch als diese Freundschaft ein rasches Ende nahm, neigte man in Petersburg mehr zu Preußen als zu Oesterreich, wies auch den Antrag auf Erneuerung der Bündnisse von 1781 und 1792 zurück. Erst im Jahre 1804 änderte sich die Stimmung, aber nun wurden auch die Ansprüche der unruhigen jungen Männer, von denen der neue Zar sich leiten ließ, beinahe ebenso gefährlich als die frühere Kälte. Schon im Januar 1804 gingen bestimmte, weit verpflichtende Anträge auf einen neuen Krieg gegen Frankreich nach Wien. Graf Stadion, der Gesandte in Petersburg, sprach sich zustimmend aus, in den entscheidenden Wiener Kreisen lassen sich zwei verschiedene Richtungen verfolgen. Der Erzherzog Karl wollte den Krieg durchaus vermeiden, C. und Colloredo fürchteten dagegen durch die Ablehnung der russischen Anträge den vielleicht einmal unentbehrlichen Beistand Rußland für immer zu verscherzen. Sie verlangten aber vor allem Sicherheit, daß Oesterreich den ersten Schlägen des gewaltigen Gegners nicht vereinzelt Preis gegeben würde, wünschten auch, damit die Zwistigkeiten des Jahres 1799 sich nicht wiederholen möchten, über die möglichen Erwerbungen in Italien sich zu einigen. Und hier treten wesentlich die Ansichten hervor, die C. schon sechs Jahre früher nach zwei Seiten hin verfochten hatte. Man forderte die Adda, ließ aber die Legationen dem Papste, und Piemont dem früheren Beherrscher. Der Einfluß des Erzherzogs überwog jedoch. Die österreichische Antwort vom 1. April wurde wesentlich in seinem Sinne abgefaßt, daher auch von Alexander sehr mißfällig aufgenommen. Oesterreich ließ sogar den Mord des Herzogs von Enghien in einer wenig rühmlichen Weise hingehen, erkannte auch die kaiserliche Würde Bonaparte’s ohne Widerspruch an, nur daß die Annahme des österreichischen Kaisertitels den Plan des französischen Imperators vereitelte, nach der Auflösung des deutschen Reiches gleich Karl dem Großen als der einzige Kaiser des Abendlandes dazustehen. Erst als die Uebergriffe Napoleon’s in Deutschland, Holland und der Schweiz immer drohender wurden, als er in Italien zuerst Piemont mit Frankreich vereinigte, dann auch die italienische Krone sich aufs Haupt setzte, erst da richtete man in Wien die Gedanken ernstlich auf den Krieg. Auch im April 1805 wagten jedoch die Minister nur Vorbereitungen anzurathen, und der Kaiser wie der Erzherzog blieben noch immer abgeneigt. Aber der Strom war nicht mehr aufzuhalten. Von der einen Seite drohte Frankreich, von der anderen drängte Rußland, das unterdessen mit England und Schweden sich geeinigt hatte; bei längerer Zögerung war zu besorgen, es möchte mit Frankreich sich einigen und schon jetzt die Wege einschlagen, die zwei Jahre später zu dem Bündniß von Tilsit führten. Am 2. Juli erbaten C. und Colloredo vom Kaiser die Erlaubniß, mit den russischen Bevollmächtigten Rasumowsky und Wintzingerode den Kriegsplan festzustellen, und fünf Tage später ging die entscheidende Nachricht, daß der Kaiser seine Zustimmung gegeben habe, nach Petersburg ab. Man weiß, wie die raschen Schläge Napoleon’s bei Ulm und Austerlitz noch vor dem Ende des Jahres alle Pläne der Coalition vereitelten. Für die unglücklichen Kriegsereignisse wird man C. schwerlich verantwortlich machen. Am 26. December sah er im Frieden von Preßburg den italienischen Besitz wieder verloren gehen, den er selbst in Campo Formio für Oesterreich gewonnen hatte. Zwei Tage früher war er aus dem Ministerium geschieden, das den kraftvolleren Händen Stadion’s anvertraut wurde. Wie seine Amtsführung die höchste Fluth des Unheils bezeichnet, so war ihm auch nicht beschieden, eine bessere Zeit mit hoffnungsvoller Freude zu begrüßen. Er erlebte zwar die Vorbereitungen für den Krieg von 1809, aber [363] er soll, als er den Entschluß des Kaiser Franz vernahm, in die Worte ausgebrochen sein: „Es ist Darius, der gegen Alexander zieht“. Wenig später, am 22. Februar, erst 56 Jahre alt, ist er in Wien gestorben.
Glücklich und erfolgreich kann man diesen Lebenslauf nicht nennen, trotz des äußeren Glanzes, der ihn umkleidete. Eher könnte er als charakteristisch gelten für die Fehler und Mängel der Zeit, der C. angehörte. Man begreift auch, daß manches in Cobenzl’s Charakter und Benehmen eine fein gebildete, geistvolle Beobachterin, wie die Frau von Staël, nicht anmuthen konnte. Dagegen wird ihm von näher Stehenden und sogar von Gegnern ein Grundzug von Güte und Wohlwollen nachgerühmt, der, durch höfische Künste und Förmlichkeiten nicht zerstört, sogar in seinen Depeschen zuweilen zum Vorschein kommt. Seine Gemahlin finde ich äußerst selten erwähnt; vier Kinder verlor er schon im zartesten Alter, aber mit einer Schwester, der Frau von Rombeck, verband ihn sein Leben hindurch die treueste Neigung. Andere Neigungen und eine schon von dem Vater ererbte Vorliebe für die Freuden des geselligen Verkehrs haben selbst in jener nicht eben strengen Zeit vielfachen Anstoß gegeben, auch den Kaiser und Thugut zuweilen gegen ihn verstimmt. Aber es scheint nicht, daß Cobenzl’s diplomatische Thätigkeit auch nur im geringsten darunter gelitten hätte. Als Diplomat muß er durchaus zu den fähigsten und zugleich den fleißigsten des Jahrhunderts gezählt werden. Sein Eifer, die Schnelligkeit seiner Reisen, seine unermüdliche Arbeitskraft sind in der That staunenerregend. Es würde eine sehr beträchtliche Zeit erfordern, die Depeschen nur zu lesen, die er verfaßt hat. Und man denke nicht, daß er, wie mancher seiner Collegen, gewohnt gewesen sei, unter die Berichte seiner Secretaire blos seinen Namen zu setzen. Ich habe die umfangreichsten Entwürfe, von seiner Hand geschrieben, vor Augen gehabt. Wie oft muß er, wenn eine wichtige Verhandlung den Tag ganz ausfüllte, die Nacht für eine solche Arbeit verwendet haben. Von allen diplomatischen Berichten der Revolutionszeit halte ich Cobenzl’s Depeschen für die eingehendsten, die lehrreichsten, die geistvollsten. Und so wird er gewiß, wenn diese Documente einmal in größerer Zahl als bisher veröffentlicht werden, als eine Hauptquelle, ja unter den vorzüglichsten Geschichtschreibern der Zeit erscheinen, in welcher er, wenn nicht in glücklicher, doch in sehr bedeutender Weise thätig gewesen ist.[2]
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ S. 356. Z. 5 v. o.: nach „Juli“ ist die Jahreszahl 1778 einzuschalten. [Bd. 4, S. 795]
- ↑ S. 369. Z. 15 v. u. hinzuzufügen: Vivenot, Zur Genesis der zweiten Theilung Polens, Wien 1874, die letzte Schrift des so früh abgeschiedenen Verfassers; Brunner, Correspondances intimes de Joseph II. avec le comte [Philippe] de Cobenzl, Mainz 1871; Martens, Traités de la Russie avec l’Autriche, Tom. II, Petersburg 1875. Ludwig Cobenzl’s Sterbetag wird häufig unrichtig angegeben. Der Nekrolog in der Wiener Zeitung vom 25. Februar 1809 und der Todtenzettel nennen den 22. Februar. Er starb in dem Hause „Hohe Brücke“, Nr. 383 alte Nummer. Außer dem fideicommissarischen Vermögen hat er wenig hinterlassen. Am 2. Februar 1806 stellt Stadion bei dem Kaiser den Antrag, dem Grafen Cobenzl eine Pension zu bewilligen und zugleich seine Schulden im Betrage von 52000 Florin zu bezahlen, weil sonst die Pension von den Gläubigern zu sehr verkürzt werden möchte. Kaiser Franz rescribirt: „Ich habe ihm schon 16000 Florin angewiesen.“ Die Herrschaft Napagetl wurde von Cobenzl’s Wittwe laut Testamentes vom 20. September 1820 (publicirt am 5. Mai 1824) ihrer Nichte, Gräfin Francisca Fünfkirchen, vermählten Gräfin Stockau, als Allod hinterlassen. (Freundliche Mittheilung des Herrn Schrauf, Concipisten am Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien.) [Bd. 4, S. 795]
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Alleyne FitzHerbert, 1st Baron St Helens (1753-1839), britischer Diplomat