Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Both, Jan und Andries“ von Wilhelm Schmidt (Kunsthistoriker) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 194–195, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Both,_Jan&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 11:26 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 3 (1876), S. 194–195 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Jan Both in der Wikipedia
Jan Both in Wikidata
GND-Nummer 11893810X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|3|194|195|Both, Jan und Andries|Wilhelm Schmidt (Kunsthistoriker)|ADB:Both, Jan}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11893810X}}    

Both: Jan und Andries B., Brüder, namhafte niederländische Maler des 17. Jahrhunderts, waren Söhne eines guten Glasmalers zu Utrecht; ihre Geburt darf man eher um 1606 ansetzen, wol nicht um 1610, wie man willkürlicher Weise angenommen hat. Zu derselben Zeit, als Joachim von Sandrart in Utrecht bei G. van Honthorst lernte, befanden sich die Brüder im Atelier Abraham Bloemaert’s, besuchten aber auch die Malerakademie fleißig und gaben durch ihren Eifer gute Hoffnung. Sodann begaben sie sich nach Frankreich und von da nach Italien, wo sie in Rom ihr Domicil aufschlugen. Hier studirte Jan nach Claude Lorrain’s Landschaften, Andries nach P. van Laer’s Genrebildern. Jan ließ es aber bei der einfachen Nachahmung Gelée’s nicht bewenden: er hielt sich auch an die Natur und gelangte so zu einem Stile, der mit Anklängen an die Claude’sche Kunstweise eine realistischere Auffassung verband. Nach Sandrart’s Behauptung trieben die Brüder den Claude zu eifrigem Wettstreit, „zumal da sie in Geschwindigkeit gleichsam unvergleichlich gewesen und viel ohne besondere Mühe verrichtet, wie sie dann viel hundert schöne Werke in kurzer Zeit zu Rom vollbracht, davon ich noch zwei große Stück, eine Morgen- und Abend-Stunde mit andern zu ihrem Gedächtnus aufbehalte“. Auch in Venedig, wohin sie sich sodann begaben, hinterließen sie viele Werke. Hier endete aber das brüderliche Zusammenleben, denn Andreas fiel in einer Nacht beim Heimgehen von einer Gesellschaft unversehens in einen Canal und ertrank, bevor man ihm zu Hülfe kommen konnte. Ganz unkritischer Weise hat man diesen Vorfall ins J. 1650 versetzt. Der Aufenthalt in Italien scheint dem Jan nun verleidet gewesen zu sein: er wandte sich nach Utrecht zurück, wo Sandrart mit ihm zusammentraf und eine „Abend-Stund in einer schönen Landschaft wol ordinirt und noch bäßer colorirt“ von ihm erhielt. Dies muß zwischen 1638–1646 stattgefunden haben, da Sandrart blos solange in Holland verweilt haben kann. Jan erhielt in seiner Heimath großen Zulauf und hatte viel zu arbeiten, trotzdem er sich gut bezahlen ließ. Im J. 1649 war er unter dem Decanat des Will. de Heusch mit Johann Weenix und Cornelis Poelenburg einer der Vorstände der Utrechter Malergilde. Bald darauf aber scheint er erkrankt zu sein, denn er starb nach Sandrart ums J. 1650. Aus der Inschrift seines Porträts, was sich, nach Abr. Willaert’s Gemälde vortrefflich von C. Waumans gestochen, in C. de Bie’s Gulden Cabinet der edel vry Schilderkonst, 1662, vorfindet, könnte man freilich schließen, daß Jan dazumal noch lebte – es heißt nämlich: er hält sich jetzt in Utrecht auf – da indessen de Bie unseren Künstler unter der Rubrik der Verstorbenen bringt, so ersieht man die Grundlosigkeit jener Vermuthung. Jan’s Kunstweise verbindet also, wie bemerkt, eine Nachahmung Claude Lorrain’s mit selbständiger Naturauffassung; in der letztern kann sich der geborene Niederländer nicht verleugnen. Dadurch bekommen seine Werke ein realistischeres Gepräge, als bei dem Lothringer; allerdings geht dies nicht so weit, daß er geradezu italienische Veduten (deren Zahl ist nur sehr gering und selbst da wird kaum ein treuer Anschluß an die Natur [195] vorkommen) gemalt hätte, aber man glaubt bei seinen Gemälden an die Möglichkeit, daß sie mit bestimmten Gegenden übereinstimmen, während wir bei Claude uns sofort in einer rein idealen Stimmung befinden. Den Zauber und die Abtönung des Lichtes hat B. namentlich dem Claude zu verdanken; er hüllt seine Landschaften zumeist in das gelbe warme Licht des Abends, verschmäht aber auch gelegentlich nicht eine frische Morgenstimmung. Gewöhnlich zeigt er uns einen reichen Prospect: im Vorgrunde gern hochstämmige Baumpartien, deren Laub sich leicht im Winde wiegt und von Luft und Licht erfüllt, freilich auch häufig zu silhouettenhaft behandelt ist, dann Felsen, ein Flußthal, Wasserfälle, Städte und Burgen im Grunde. Und diese reichen Compositionen werden noch belebt von trefflicher Staffage: Reiter, Jäger, Maulthiertreiber, Heerden etc. die zum Theil sein Bruder Andries mit Meisterschaft hineinmalte, zum Theil aber auch er selbst, der sich auch vortrefflich auf Figuren verstand. Auch fremde Maler sorgten gelegentlich für die Staffage, so Ph. Wouwerman in dem schönen Bilde der Münchener Pinakothek, Nr. 307. Jan’s Vortrag ist recht sorgfältig, aber doch auch nicht ohne Geist. Wie kommt es aber, daß B. trotz dieser glänzenden Compositionen uns kälter läßt, als seine der heimischen Natur treu gebliebenen Volksgenossen? Das liegt eben darin, daß wir in den letzteren eine größere Wahrheit der Empfindung, weniger Coulissenhaftes entdecken; mögen ihre Vorwürfe an sich weit prosaischer sein, die innige Naturversenkung haben sie in größerem Maße. Daß hinderte freilich nicht, daß B. eine zahlreiche Nachfolge in den Niederlanden fand: die italienisirenden holländischen Landschafter stehen mehr oder weniger auf seinen Schultern, so namentlich auch der berühmteste derselben, Nicolaes Berchem; als directen Schüler Both’s betrachtet man Willem de Heusch. Meisterwerke Both’s befinden sich namentlich im Amsterdamer Reichs-Museum und in der Galerie van der Hoop daselbst, ferner im Louvre zu Paris, in der Münchener Pinakothek, der Dresdener Galerie, dem königl. Museum im Haag u. a. O. – Jan hat auch radirt; namentlich ganz ausgezeichnet sind die zehn italienischen Landschaften, in die seine Nadel ein lebendiges Spiel von Licht und Luft hineinzubringen wußte, unbedeutend dagegen die fünf Sinne, die er nach derb humoristischen Compositionen seines Bruders ätzte, nur merkwürdig durch das fremde Gebiet, auf das er sich bei ihnen begab.