Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Bonnell, Eduard“ von Ferdinand Sander in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 106–109, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bonnell,_Eduard&oldid=- (Version vom 15. Oktober 2024, 13:55 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Bonn, Franz
Nächster>>>
Bonnet, Louis
Band 47 (1903), S. 106–109 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Eduard Bonnell in der Wikipedia
Eduard Bonnell in Wikidata
GND-Nummer 119152800
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|47|106|109|Bonnell, Eduard|Ferdinand Sander|ADB:Bonnell, Eduard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119152800}}    

Bonnell: Eduard B., geboren in Berlin am 15. Februar 1802, † daselbst am 9. Mai 1877, verdienter Philolog und Pädagog, langjähriger Director des städtischen Friedrich-Werder’schen Gymnasiums zu Berlin. Charles Guillaume Edouard B. entsproß einer französischen Familie, die infolge der Aufhebung des Edictes von Nantes nach der Mark Brandenburg eingewandert war. Sein Vorfahr Pierre Bonnel (so!), Weingärtner in Villiers-le-bel bei St. Dénis, nördlich von Paris, verließ die Heimath und zog mit seiner Gattin Marie Rosignol aus Coulome nach Prenzlau, wo er 1687–1720 Cantor der französisch-reformirten [107] Gemeinde war. Unseres B. Großvater Jacques Daniel siedelte nach Schwedt über, von wo sein Sohn Pierre Daniel als Regimentsbüchsenmacher, später Vorstand der königlichen Büchsenschäfterei, nach Berlin kam. Erst durch Eduard Bonnell’s Großmutter und Mutter war das deutsche Element in die rein hugenottische Familie eingedrungen. Dennoch hielten die Bonnells, wie sie inzwischen ihren Namen schrieben, in Berlin sich zur reformirten Trinitatisgemeinde und besonders zu Schleiermacher. Erst 1850 schloß B. sich wieder der französischen Colonie an, deren regsames kirchliches Leben seinen ernst frommen Sinn anzog. B. besuchte als Knabe und Jüngling durch zehn Jahre das Friedrich-Werder’sche Gymnasium, das er später fast 38 Jahre leiten sollte. Bestimmend für sein geistiges Leben war neben Schleiermacher, der ihn confirmirte, vor allen sein Lehrer Karl Zumpt (1792–1849), der besonders seit dem Tode des Vaters (1818) den begabten Schüler in seinen Schutz nahm und in jeder Hinsicht förderte. Nach vollendetem Universitätsstudium, das neben der zum Lebensberuf erwählten Philologie unter dem verehrten Schleiermacher auch der Theologie und Philosophie galt, und nach wohlbestandenem Examen pro facultate docendi, in dem er seinen Gönner Zumpt als Examinator in der Philologie hatte, trat B. Herbst 1823 unter seinem ehemaligen Lehrer A. Spilleke als Lehrer am Friedrich-Wilhelms-Gymnasium ein, lebte 1824–25 ein Jahr als Gymnasiallehrer in Liegnitz, kehrte aber bereits 1825 an das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium zurück und wurde 1829 an das Gymnasium zum Grauen Kloster versetzt, dem er, seit 1830 Professor, fast ein Jahrzehnt als geschätzter Lehrer, namentlich der oberen Classen, angehörte. Nach dem Tode des Directors Gustav Samuel Koepke (1773–1837), dem B. besonders nahe gestanden hatte, wurde der Director Aug. Ferdinand Ribbeck (1790–1847) vom Friedrich-Werder’schen Gymnasium dessen Nachfolger und B. Director dieser Anstalt, der er die eigene Schulbildung verdankte. Dem neuen Amte, das er am 1. Januar 1838 mit 1150 Thalern Gehalt antrat, blieb er fortan treu. Als die Schule, die er mit 250 Schülern übernahm, bis zur Frequenz von 300 gestiegen war, erhielt er 1841 die vorausbedungene Zulage von 800 Thalern und 1847 eine gleiche Erhöhung des Einkommens, als nicht er, sondern Joh. Friedrich Bellermann in des verstorbenen Ribbeck Stelle einrückte. Allmählich stieg das Gehalt bis zu 2500 Thalern neben freier Wohnung. Als Director des Friedr.-Werder’schen Gymnasiums war B. eine der angesehensten Gestalten des Berliner höheren Schulwesens und zuletzt einer von dessen ehrwürdigen Senioren. Die Zahl der Schüler wuchs während seines Directorates bis auf fast 600, deren Unterbringung in den alten, unzulänglichen Räumen immer schwieriger ward. Den Einzug des Gymnasiums in das neue, den gesteigerten Ansprüchen einer anderen Zeit angepaßte Gebäude hat B. zwar noch erlebt und mit wärmster Theilnahme begleitet. Allein er hatte damals (October 1875) soeben, von tückischer Krankheit erschüttert, sein Amt niedergelegt und konnte nur noch als Ehrengast der erhebenden Weihe des Hauses beiwohnen. Nur wenig über anderthalb Jahre des ehrenvollen, durch Leiden getrübten Ruhestandes waren ihm beschieden. In der Nacht vom 9. zum 10. Mai 1877 entschlief er sanft. Bonnell’s Familienleben an der Seite seiner Gattin, geb. Boden, war glücklich und durch gastfreien Verkehr mit Collegen und Freunden verschönt. Doch hatte er den Schmerz, beide Söhne vor sich sterben zu sehen, den jüngeren in zarter Kindheit, den älteren im J. 1870 mit 41 Jahren als Gatten und Vater. Bald nachher folgte den Brüdern eine Tochter, so daß den Vater nur zwei Töchter, deren eine verheirathet, überlebten.

In der Berufsthätigkeit sowol des Lehrers wie des Leiters wird B. von denen, die ihm näher standen, als unermüdlich, streng gegen sich und gegen [108] Andere geschildert, als Meister des Wortes und gerechter, besonnener Erzieher der Jugend. Das Vertrauen, das er bei jung und alt im weiten Umkreise genoß, war mehr auf Respect vor seiner ehrenfesten Zuverlässigkeit und Treue als auf Zuneigung gegründet, wie sie der unmittelbare Eindruck warmer Menschenliebe zu wecken pflegt. B. wußte und empfand das. Von einem abgeschiedenen Collegen sagte er in seinem warmen Nachrufe: „Er war mir sympathisch, ich ihm nicht!“ Wie in der Leitung seiner Anstalt so war er auch sonst geneigt, das Herkommen zu ehren und zu schützen, abhold jeder vorwitzigen Kritik und schroffen Opposition in religiösen wie in politischen Dingen. Sein königstreuer preußischer Patriotismus wie sein frommer christlicher Sinn bewahrten lebenslang Wärme und Farbe der Jahre der Befreiung, die er als werdender Jüngling begeistert mit erlebt hatte. Doch hinderte ihn seine Achtung vor der Autorität nicht, für die Gewissensfreiheit öffentlich einzutreten, wo sie ihm gefährdet schien. So schloß er sich 1845 der bekannten Erklärung der Anhänger Schleiermacher’s gegen die unter dem Ministerium Eichhorn mächtig und übermüthig gewordene Partei der Evangelischen Kirchenzeitung, 1873 dem Proteste der Jenenser Professoren gegen die disciplinarische Verfolgung des Schleiermacherianers Sydow an. Die von ihm angeregte jährliche Feier des Geburtstages Schleiermacher’s durch seine Schüler und Verehrer erhielt sich unter seiner Mitwirkung bis zur Jahrhundertfeier des großen Lehrers am 21. November 1868. Die philosophische Facultät zu Berlin ehrte B. 1863, die theologische zu Jena 1873 durch den Doctorgrad.

Ein besonderes Verhältniß verband B. mit dem großen Staatsmanne, dem Einiger Deutschlands. Otto v. Bismarck war 1831 als Schüler sein Kostgänger gewesen und vertraute dem von ihm geleiteten Gymnasium 1865 beide Söhne an. Die dadurch herbeigeführte öftere Berührung mit dem Minister und späteren Kanzler ließ B., der ohnehin die Fortschrittspartei in ihrer rein negativen Opposition mißbilligte, tiefer in die innersten Beweggründe Bismarck’s blicken und früher an ihn und seine Zukunft glauben, als der größere Theil seiner Berliner Umgebung verstand.

Bonnell’s litterarische Thätigkeit und wissenschaftliches Specialstudium waren zunächst und auch späterhin vorzugsweise dem Quintilian gewidmet. Die von Georg Ludwig Spalding begonnene große Ausgabe des römischen Rhetors fortzusetzen und zu vollenden, übernahmen nach dessen Tode (1811) Philipp Buttmann und Karl Zumpt. Diesem fiel die Herstellung des V. Bandes zu, für den er sich die Mithülfe jüngerer Kräfte, darunter seines Schützlinges B., sicherte. B. stellte namentlich die Varianten des Textes vom zweiten Capitel des IV. bis zum Schlusse des VI. zusammen, übernahm aber zugleich selbständig die Herstellung des „Lexicon Quinctilianeum“, das (Berlin 1834) als Band VI des Gesammtwerkes nebst den werthvollen „Prolegomena de grammatica Quinctilianea“ erschien. Durch seinen „Recensus Quinctil.“ (1854; ed. 1874. 75. 2 Bände), als Recensent in Zeitschriften und mit kleineren Beiträgen hat B. dann noch lange das Studium des Quintilian gefördert, auch 1851 (ed. IV 1873; ed. V von Meister 1882) das X. Buch in der Weidmannischen Sammlung besonders herausgegeben. In engem Zusammenhange damit stand Bonnell’s Programmarbeit von 1836: „De mutata sub primis Caesaribus eloquentiae Romanae condicione inprimis de Rhetorum scholis commentatio historica“. 1848 veranstaltete er eine neue Ausgabe von Cicero’s Officien (IV. Auflage der Degen’schen Ausgabe). Auch ein „Latein. Vocabularium“ (1856; II. ed. 1879) und lateinische Uebungsbücher für die Schule erschienen von ihm. – Der Theologie und dem verehrten Schleiermacher brachte er seinen Zoll durch Herausgabe von dessen „Kirchengeschichtlichen Vorlesungen“ in der Gesammtausgabe [109] der Werke (Berlin 1840). Im J. 1844 regte B. die Gründung der Berliner Gymnasiallehrergesellschaft an, in der er eine Reihe von – theilweise veröffentlichten – Vorträgen hielt; im J. 1846 gab er ebenfalls die Anregung zu der Berliner „Zeitschrift für das Gymnasialwesen“. – Mit Fürbringer und Thilo gab er seit 1860 durch mehrere Jahre die pädagogische Zeitschrift „Berliner Blätter“ heraus. – Zur großen „Encyklopädie des gesammten Erziehungs- und Unterrichtswesens“ von Schmid steuerte B. den Aufsatz bei: „Preußen. Die höheren Schulen“, den für die zweite Auflage H. Kern überarbeitete.

Quellen: H. Bertram, Zur Erinnerung an den Director E. Bonnell (Zeitschrift für das Gymnasialwesen. Berlin 1878); darin Mittheilungen von F. Meister über Bonnell’s Verdienste um Quintilian. – Béringuier, Stammbäume der Französ. Colonie in Berlin (Berlin 1887). – Bertram durfte ausführliche Aufzeichnungen Bonnell’s benutzen, die nach seinen Andeutungen nicht nur für den Verfasser selbst, sondern auch für die intimere Zeitgeschichte Berlins Werth haben, aber anscheinend noch nicht weiter ausgebeutet sind.