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Artikel „Bock, Eduard“ von Ferdinand Sander in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 40–43, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bock,_Eduard&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 10:20 Uhr UTC)
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Bock: Eduard B., 1816–1893, preußischer Schulmann. – Eduard B. wurde am 10. December 1816 in Gr.-Jena an der Unstrut geboren. Sein Vater, dort Pfarrer († 1839), unterrichtete den Sohn bis zu dessen Eintritt in Schulpforta (1830). Nach Ablauf seines Beneficiums besuchte dieser noch ein Jahr die Stiftsschule zu Zeitz und bezog von da aus Herbst 1837 die Universität Halle, auf der er, besonders von Tholuck beeinflußt, Theologie studirte. [41] Nachdem er beide theologische Prüfungen (1841 und 43) rühmlich bestanden, legte er im Mai 1843 am Seminare zu Weißenfels auch das Examen pro schola et rectoratu unter Propst Zerrenner ab. Hinderte die Prüfung B., an der dreihundertjährigen Feier von Schulpforta theilzunehmen, so führte dafür den Minister Eichhorn ein glücklicher Zufall gerade in jenen Tagen auf der Rückreise von Pforta nach Weißenfels und machte ihn zum Zeugen der glänzenden Leistungen des Candidaten. Infolgedessen in den staatlichen Seminardienst berufen, trat dieser März 1844 als dritter Seminarlehrer in Weißenfels ein, wo damals der Director Hennicke (1842–52) mit den beiden Lehrern Hentschel und Prange das Werk des unlängst ins Pfarramt Elbei (1842) übergetretenen Harnisch in dessen Geiste fortsetzte. Neben dem Religionsunterrichte beschäftigte B. schon damals besonders der Unterricht im Deutschen, für den er sich das Ideal des „vereinigten Sach- und Sprachunterrichtes“ bildete, der, um das Lesebuch gruppirt, Inhalt und Form der Sprachstücke gleicherweise berücksichtigen, aber grammatische Subtilitäten vermeiden sollte. Daneben ließ er sich nicht nehmen, mit den Seminaristen Tell, Wallenstein, Götz, Hermann und Dorothea zu lesen, obwol der Lehrplan derartige Lectüre ausschloß. Im Frühjahr 1846 legte eine Revision des Seminares durch den Geheimen Rath Stiehl den Grund zu Bock’s langjähriger Verbindung mit diesem einflußreichen Manne. Der Sommer desselben Jahres brachte ihm eine schöne und lehrreiche Reise in Gesellschaft des Directors Hennicke über Frankfurt, Mainz, Köln bis Paris.

Der Herbst 1847 entführte B. als Seminardirector nach Löwen in Schlesien, wo er das zum Ersatze für die aufgelöste Breslauer Anstalt bestimmte neue Seminar zu organisiren hatte und im Bunde mit den tüchtigen Gehülfen Chr. Scholz, Meitner, Schurig unter den ungünstigsten Umständen bald zu kräftigem Leben brachte. Gewann er dadurch rasch Ansehen und Namen in Schlesien, so war er doch in den Augen der Liberalen als Vertrauensmann Stiehl’s geradezu der Typus der verhaßten Reaction. Dies Vorurtheil, gegenüber der selbständigen, besonnenen Persönlichkeit Bock’s nur sehr theilweise berechtigt, hat er nie völlig überwunden; allerdings lag es auch nicht in seiner Art, der aura popularis selbst nur in Aeußerlichkeiten sich anzubequemen. Zu allem Ungemach, das die ungünstigen örtlichen Verhältnisse bereiteten, kam im Sommer 1849 noch eine schwere Choleraepidemie, die u. a. auch Bock’s junge Gattin, Louise geb. Randhan, und deren Mutter hinraffte. Als Erlösung aus drückender Enge ward es allgemein empfunden, als das junge, nun eben mit der dritten Classe vollständig werdende Seminar 1849 nach Münsterberg übersiedeln durfte. Auch hier waren freilich zunächst wieder Miethräume zu beziehen. Erst 1857 wurde der stattliche, damals für mustergültig angesehene Neubau feierlich eingeweiht. Aber die Anstalt konnte dort sich doch sofort freier entfalten und gelangte bald zu anerkannter Blüthe und steigendem Ruhme. Galt sie bei Freund und Feind seit 1854 als das „Paradies der Regulative“, so ist doch zu beachten, daß sie vor dem ersten Regulativ vom 1. October 1854 ihre Eigenthümlichkeit von innen heraus entwickelt hatte und diese dem Uebereifer der Selbstbeschränkung, wie ihn die Regulative athmen, nie völlig geopfert hat. Auf Grund eines persönlichen Besuches (1859) konnte der Cultusminister der Neuen Aera v. Bethmann-Hollweg besonders von Münsterberg sagen: „Ich habe meine aufrichtige Freude daran gefunden, daß die künftigen Lehrer des Volkes (so unterrichtet und angeleitet, namentlich) so in die reichen Schätze unserer volksthümlichen Litteratur eingeführt werden“. Bock’s ersprießliches Wirken wurde wesentlich gefördert durch sein nahes Verhältniß zu den Directoren beider evangelischer Schwesterseminare in Schlesien, Stolzenburg in Bunzlau (starb 1866 als Schulrath in Breslau) und Jungklaß (später Schulrath zu Bromberg) in Steinau a. Oder, mit denen er seit 1851 das „Schulblatt der evangelischen [42] Seminare Schlesiens“ herausgab, und zu seinem vorgesetzten Schulrathe, Consistorialrath Wachler zu Breslau. Besonders, seit B. Sommer 1853 dessen Tochter als zweite Gattin heimgeführt hatte, blieben beide Männer eng verbunden, bis Wachler 1864 kurz nach Bock’s Abzuge aus Schlesien als bedauernswerthes Opfer nervöser Ueberreizung endete. Münsterberg wurde indeß immer mehr zum Wanderziele pädagogischer Pilger von nah und fern. Wie mußte B. sich geehrt und gehoben fühlen, als 1857 auch der greise Harnisch sich aufmachte, um den Erben seines Ruhmes zu besuchen, und mit warmer Anerkennung dessen, was er gesehen, von Münsterberg schied.

Nicht ohne Widerstreben folgte B. im April 1864 als Regierungs- und Schulrath dem Rufe des Ministers v. Mühler nach Königsberg i. Pr., wo er im Provinzialschulcollegium das evangelische Seminarwesen der gesammten, damals noch ungetheilten Provinz Preußen und in der Regierung einen Theil des Volksschulwesens des Bezirks Königsberg zu bearbeiten hatte. Auch in diesem mühsamen Doppelamte wirkte er nicht Allen zu Danke, aber doch mit allgemein anerkanntem Erfolge. Das Seminarwesen wurde äußerlich erweitert und gefördert, innerlich nach Bock’s Ideale und dem Muster von Münsterberg gestaltet. Für die Zeit des Ueberganges von den Regulativen zu den Allgemeinen Bestimmungen ist der Bock’sche Seminarlehrplan für Pr. Friedland (Centralbl. f. d. ges. Unterrichtswesen in Preußen 1866) bezeichnend. Anzuregen und Kräfte zu wecken verstand B. unter Lehrern und Geistlichen in seltenem Maaße durch fleißige Schulbesuche, durch Lehrerconferenzen und als Herausgeber des Schulblattes „Der Volksfreund“. So kräftig hatte seit Dinter im baltischen Preußen kein Schulmann wieder auf die Volksschule gewirkt. Dennoch ward es ihm dort unbehaglich, als er, auf der Conferenz von Sachverständigen, die der Minister Falk im Sommer 1872 nach Berlin berief, in der Minderzahl der Regulativfreunde geblieben, durch die Allgemeinen Bestimmungen vom 15. October d. J. vor die Aufgabe gestellt war, sein eigenes Werk, wenn auch kaum wesentlich zu verändern, so doch neuen Formen anzupassen. Er benutzte, und zwar ohne jeden Wink von oben, den die geschäftige Fama annehmen zu müssen glaubte, eine in Liegnitz eingetretene Vacanz, um seine Rückversetzung nach Schlesien zu erbitten und zu erlangen.

So kehrte B., zum Abschiede von Königsberg mit reichen Beweisen der Verehrung und Anhänglichkeit erfreut, nach neunjähriger Abwesenheit im März 1873 in sein geliebtes Schlesien zurück. Vielfach traf er hier auf alte Schüler, die ihm, auch wenn sie nach der Seminarzeit eigene Wege gefunden hatten, mit Verehrung zugethan geblieben waren. Daß ihm alte liberale Vorurtheile und Gegensätze vielfach den Weg kreuzten, ist natürlich genug. Schmerzlicher als dies war ihm, im Kreise der Conservativen, mit denen er so lange in den öffentlichen Fragen Hand in Hand gegangen war, für kräftige Pflege der Volksschule so wenig Entgegenkommen und für sein redliches Streben so oft geradezu Verkennung zu finden. Schritt für Schritt hemmte ferner der Mangel an gesunder gesetzlicher Ordnung im Dotationswesen der schlesischen evangelischen Volksschule, der im Gegensatze zu der preußischen Schulordnung von 1845 und zum Schulreglement für die katholischen Schulen Schlesiens von 1801 B. doppelt empfindlich war. Mit rührender Treue hat der alternde Mann diesen Schwierigkeiten in emsiger Kleinarbeit abgerungen, was irgend möglich war für Schule und Lehrer, daneben durch Schulbesuche, Conferenzen und Pflege der Präparandenbildung auch auf das Innere des Schulwesens nach alter Weise bedacht. Selbst als Siebziger, inzwischen zum Geheimen Regierungsrath ernannt, arbeitete er mit unvermindertem Eifer fort und kämpfte sich nur schwer zu dem Entschlusse durch, nach fast achtzehnjähriger Thätigkeit in Liegnitz mit dem 1. Januar 1891 den Ruhestand aufzusuchen. In den Jahren der Ruhe erlebte er noch die Freude, [43] seinen einzigen Sohn Wilhelm zum Seminardirector in Reichenbach O.-L. ernannt zu sehen, wie schon zuvor sein Schwiegersohn Maaß zum Regierungs- und Schulrath in Stralsund berufen war. Im häuslichen Leben blieb ihm manches Schwere nicht erspart. Doch gestaltete es sich glücklich und anregend besonders durch das künstlerische Streben begabter Töchter. Im Frühjahre 1893 holte er nach, was er 1848 hatte versäumen müssen, indem er als zweitältester ehemaliger Schüler der Jubelfeier von Schulpforta beiwohnte. Am 15. October 1893 raffte ihn ein Gehirnschlag unerwartet dahin. Seine letzten Worte waren: „Mein Stündlein ist gekommen. – Es ist mir gut gegangen. – Gott hat mir ein schönes Leben gegeben. – Ich sterbe gern“ – Sechs Wochen später folgte ihm seine zweite Gattin, geborene Wachler.

Die zähe Arbeitskraft des von Statur kleinen und zierlichen Mannes befähigte ihn neben der angestrengten unmittelbaren Berufsarbeit auch noch für eine fruchtbare litterarische Thätigkeit, die sich allerdings jener eng anschloß und mit ihr in beständiger Wechselwirkung stand. Seine schriftstellerischen Anfänge wurden besonders wirksam gefördert durch das freundschaftliche Verhältniß zu dem rührigen Verleger Ferdinand Hirt in Breslau. Die Herausgabe des „Schulblattes der evang. Seminare Schlesiens“ (mit Jungklaß 1851–64) und des preußischen „Volksschulfreundes“ (1864–73) wurde bereits erwähnt. Zu beiden Auflagen der großen Schmid-Schrader’schen „Encyklopädie des Erziehungs- und Unterrichtswesens“ lieferte er eine Reihe von Beiträgen. Einer Anzahl von Aufsätzen und Gutachten über Fragen der Unterrichtspraxis wurde die Auszeichnung des Abdruckes im ministeriellen „Centralblatte für die gesammte Unterrichtsverwaltung in Preußen“ (Jahrgang 1865–73) zu Theil. Sein amtlich begehrtes „Gutachten über die für die niederen und höheren Schulen des Russischen Reiches ausgearbeiteten Schulreglements“ erschien 1862 im Drucke. „Der Unterricht im kleinen Katechismus Luthers“ erlebte fünf Auflagen (1860–95). Zu den methodischen Anleitungen: „Wegweiser für Volksschullehrer“ (5 Auflagen 1858–71; 2 Theile), „Volksschulunterricht“ (2 Auflagen 1875 und 79; 2 Theile) und „Volksschulkunde“ (1884) verband er sich mit sachkundigen Fachmännern für einzelne Zweige des Unterrichtes. Ebenso verstand er, geeignete Hülfskräfte für die in der Hauptsache stets von ihm selbst bearbeiteten Volksschullesebücher heranzuziehen, die, in Millionen von Exemplaren verbreitet, seinen Namen in die weitesten Kreise trugen: „Volksschullesebuch des Schullehrerseminars zu Münsterberg“ (seit 1855), „Deutsches Lesebuch für die Bedürfnisse des Volksschulunterrichtes“ (im Auftrage des Ministers v. Mühler; 1870 u. 71) und „Deutsches Lesebuch“ (seit 1877). Diese Lesebücher erschienen sämmtlich in mehreren Parallelausgaben für ein- und mehrclassige, auch für katholische Volksschulen. Mit Unrecht hat man öfters den Eifer des Herausgebers für diesen Litteraturzweig aus eigennützigen Beweggründen hergeleitet. Er hatte, um dieser Mißdeutung zuvorzukommen, stets zeitig, bevor noch der große Erfolg vorherzusehen war, seine Rechte daran in die Hand des Verlegers gelegt und sich mit mäßigem Honorar für seine mühevolle Arbeit begnügt. Selbst in den wenigen Jahren des Ruhestandes feierte seine fleißige Feder nicht. Er gab noch heraus: „Stimmen hervorragender Schulmänner zur Beachtung für Lehrer und Laien etc.“ (1893), „Lehrbuch des Schulunterrichts mit Berücksichtigung des königlichen Erlasses vom 1. Mai 1889“ (1892) und „Hilfsbuch für die gemeinsame Wirksamkeit der … Lehrer, Leiter und Laien … an der Volksschule“ (1893; nach seinem Tode erschienen).

Hauptquelle neben persönlicher Bekanntschaft und Erfahrung: Autobiographie (handschriftlich; im Besitze der Familie), benutzt in Förster, Eduard Bock. Ein Beitrag zur Geschichte der preuß. Volksschule (Gotha 1894; Abdruck aus den Pädagog. Blättern).