Zur kritischen Geschichte des Rastadter Friedens (1798)

Textdaten
Autor: Apollonius v. Beilstein (= Johann Nikolaus Becker)
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Titel: Zur kritischen Geschichte des Rastadter Friedens, von einem unpartheiischen Beobachter
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Erscheinungsdatum: 1798
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Erscheinungsort: Braunshorn (= Berlin)
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Quelle: Google = MDZ München = Commons
Kurzbeschreibung: Pamphlet gegen Franz Georg Karl Graf von Metternich-Winneburg.
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[1]
Zur
kritischen Geschichte
des
Rastadter Friedens,

von
einem unpartheiischen Beobachter.

Braunshorn.
Bei Julius Knipperdolling und Peter Ziffer.
1798 alten, und 6 neuen Styls.



[2]

Ein Lob, das alle Fehler uns verschweigt,
Ist wie der fette Frühlingsregen,
Der allzustark die Felder säugt,
Er tödtet sie durch Segen.
Die Tadel, die durch Galle reich,
Nur zu beschämen suchten,
Sind schlossenvollen Wettern gleich;
Sie stürmen Saaten ein, anstatt sie zu befruchten.
Ein Lob zu rein für Schmeichelei,
Erweckt uns wie die Flur der Mai;
Und Wahrheit ohn’ Erbittern,
Ruft unsre Kraft empor, gleich fruchtenden Gewittern.
 Kretschmann.

[3]


Die Geschichte der Frieden gehört meines Erachtens unter die interessantesten Felder der Historie; besonders wenn sie so voll Einfluß auf einen ganzen Welttheil sind‚ als es der westfälische war, und der zu Rastadt zu werden beginnt. Jener legte den Grund zur Unterdrükung der Freiheit einer ganzen Nation, und benahm dem mächtigsten Staat Europa’s seinen ganzen Einfluß auf das politische Sistem dieses Welttheils. Was dieser im Schilde führt, liegt noch zum Theile zu sehr hinter dem Vorhange, als daß wir in diesem Jahrhundert ein richtiges Urtheil darüber fällen können. Durch jenen machte das königliche Frankreich unser Vaterland im Ganzen zum Null, vielleicht gewinnt es durch diesen im Einzelnen mit Hilfe des republikanischen Frankreich’s. Wenigstens scheinen [4] die Zeichen der Zeit dies nicht ganz undeutlich zu verrathen. Und vielleicht ist es zu einer Zeit, die mehr als jemahls groser Seelen zu bedürfen scheint, ein glüklicher Versuch, den kleinen grosen Männern Deutschlands ein politisches Gewicht zu geben, dessen sie sich zur Anbauung so manchen wüste liegenden Feldes bedienen können.

Der Despotism, der gleich nach dem westfälischen Frieden in Deutschland zu herrschen begann, scheuchte auch die Publizität, und die Freimüthigkeit, mit welcher einige edle Männer zu sprechen gewohnt waren, davon. Nach 1648. gab es keinen Hutten mehr oder Hippolitus. Dies verursachte, daß wir von der geheimen Geschichte jenes merkwürdigen Friedens nur unzulängliche Fragmente kennen wenn wir auf der andern Seite minder merkwürdige Verhandlungen in 6 Folianten besitzen. Aber die Charakteristik jener Männer, so die deutsche Verfassung zu Osnabrük und Münster theils begründet, und theils neu geschaffen haben, mit dem Griffel der Wahrheit gezeichnet, war auch dann nur in ihrer ganzen Vollständigkeit zu erhalten, [5] wenn die Daten dazu einem Pütter für seinen Geist des westfälischen Friedens so reichhaltig wären aufbehalten worden, als wir andere ganz überflüssige Nachrichten davon in gleichzeitigen Schriftstellern finden.

Ein historischer Versuch über den Charakter solcher Männer, die entweder selbst eine grose Begebenheit begründet haben, oder als Hauptwerkzeuge dabei gebraucht worden sind, ist der lehrreichste Kommentar über eine solche Begebenheit selbst, und billig sollten es die Zeitgenossen nicht der Mühe unwürdig halten, Alles mit mikrologischer Genauigkeit zu sammeln, was irgend darauf Bezug haben kann. Wenn wir wissen, daß Oxenstirna zu Osnabrück dem österreichischen, und der Herzog von Bedford nach der öffentlichen Aussage des Ritters d’Eon im Jahre 1762 dem französischen Golde unterlagen, so gewinnt dadurch die Geschichte jener merkwürdigen Begebenheiten einen Lichtstrahl, der uns die tiefe Finsterniß so mancher Vorfälle erleuchtet, und dem Staatsmanne wie dem Menschen gleich wichtig ist. Wenn wir wissen, daß die berüchtigte Erklärung Choiseuls [6] gegen einen jungen Diplomatiker: Sie sind ein guter Mann, aber Sie werden nie ein groser Staatsmann; Sie verachten die Menschen nicht genug, wörtlich auf den wichtigsten Mann bey dem Kongresse zu Rastadt von deutscher Seite paßt, so gewinnt die Geschichte dieser merkwürdigen Unterhandlung dadurch ein Datum, ohne das mancher Umstand für uns unerklärbar bleiben würde.

Der Verfasser wagt hiermit einen Versuch, noch bei Lebzeiten der interessirten Partheien vor den Augen des Publikums den Vorhang über die Lage und Verhältnisse einiger Männer, die gegenwärtig zu Rastadt für das Wohl und Wehe dieser und der künftigen Generation eines nicht kleinen Theiles der verschiedenen deutschen Völkerschaften arbeiten, aufzuheben. Er weiß es sehr gut, daß er es den Meisten im Osten seines Vaterlandes nicht zu Dank machen wird; er fühlt aber auch, wie nothwendig dergleichen Entschleierungen demjenigen sind, der sich nicht mit einem trocknen: so war’s oder so ging’s zu, abfinden läßt, sondern [7] dabei fragt: warum ging’s so, und welche waren die geheimen Triebfedern, daß es so ging? Er hat in seinen verschiedenen Verhältnissen ein Mahl eine ihm jetzt lieb gewordene, damahls aber mit traurigen Empfindungen verknüpfte Gelegenheit gehabt, den Mann, über welchen hier ein abgerissenes Fragment erscheint, näher kennen zu lernen. Er hat ihn in den mannichfaltigsten Situationen beobachtet, und kennt alle Leute, die um ihn sind (ein wichtiger Umstand für den Biographen und kritischen Historiker) sehr genau.

Der Verfasser wird es sich übrigens zum unverbrüchlichen Gesetze machen, nie anders, als mit Anstand zu sprechen, denn warum sollte Liebe für die Freiheit und Vernunft, Liebe für die leider in so manchem deutschen Lande unterdrükten Rechte der Menschheit, mit dem Anstande unvereinbar seyn, den man den Herrn vom Ministerium in allen Staaten schuldig zu seyn glaubt? Wahrheit kann nie schädlich werden, und gewinnt doppelt, wenn sie mit männlichem Ernste, den wir leider in so manchem Pamphlet [8] dieser Zeit vermissen, und nicht vermissen sollten, gesagt wird.

Zweierlei bestimmt überhaupt den Verfasser, gerade jetzt vor das Publikum zu treten. Das erste ist die allgemeine Begierde, mit der man gegenwärtig alles auffaßt, was irgend auf den Reichsfrieden Bezug haben kann; das zweite der Umstand, daß sich vielleicht gerade jetzt der Widersacher am meisten erheben. Der Verfasser ist zwar durchaus ein Feind von allen Controversen. Indessen wird doch bei Controversen dieser Art mancherlei gewonnen, besonders wenn sie mit Bescheidenheit, die bei keinem literärischen Geschäfte fehlen sollte, geführt werden. Es kann seyn, daß sich vielleicht unbedeutende Unrichtigkeiten in Rücksicht auf Zeit und Ort eingeschlichen haben, und der Verfasser nimmt darin von jedem, dem sein Gedächtniß in diesen Kleinigkeiten treuer war, sehr gern Belehrung an, und wird sich Alles gefallen lassen, so bald die Wahrheit dadurch mehr befestiget wird. Sonst bürgt er aber für jedes Wort, für jede Silbe. Wer es besser weiß, der trete auf, und nenne mich einen [9] Verläumder, einen Lügner, und ich werde, wenn man mich nicht gerecht befinden sollte, in Sack und Asche Busse thun. Wer es besser weiß, der trete jetzt auf, und schweige hernach.

Gehab dich wohl, lieber Leser, gehab dich wohl. Es kann seyn‚ daß wir uns bald wieder sehen, und daß ich dir dann ein Paar andere Männer vorführe, wenn ich dir es jetzt nur einiger Maßen zu Dank gemacht habe.

Rastadt. Aprill. 6.


Apollonius v. Beilstein.




 

[10]


Karl, Graf von Metternich-Winneburg hat die Vorsicht gebraucht, sich von einer hochgebohrnen Mutter gebähren zu lassen, und gelangte dadurch zu dem Besitze der reichsständischen Herrschaften Winneburg und Beilstein an der Mosel, und zum Sitze in dem Grafen-Kollegium niederrheinisch-westfälischen Kreises. Schon seine Vorfahren waren Diener des österreichischen Hauses. Keiner von ihnen brachte es aber zu einem ausgezeichneten Posten. Unserm Helden schien es vorbehalten, sie alle hinter sich zu lassen.

In seiner Iugend für das diplomatische Fach bestimmt, ward er frühzeitig genug von seinem Öhm, einem Sinecuristen zu Mainz, zu den Wissenschaften angehalten. Indessen [11] kann man nicht sagen, daß er damahls schon sonderliche Fortschritte gemacht hätte. Sein Lehrer an dem Reichskammergerichte zu Wetzlar, der jetzige Assessor von Balemann will wenigstens keine ungewöhnliche Kapazität von ihm rühmen. Eine kalte verschlossene Besonnenheit mit einer seltenen Herzens-Güte verbunden, zeichnete ihn aber gleich Anfangs aus‚ und ein feiner Beobachter will schon damahls bemerkt haben, daß er keine andere Weisheit, als Ergebung in die Nothwendigkeit gekannt habe, eine Schwäche, die ihm auf seiner ganzen politischen Laufbahn immer zur Seite geblieben ist. Indolent und leicht verschwenderisch, so oft er dazu gereizt wird, war er zugleich großmüthig und freigebig; meist aber gegen Leute, die sich durch das Blendwerk einer geheuchelten moralischen Gesundheit in sein Herz zu setzen wußten. Der Biedermann ging meist unbemerkt an seiner Thüre vorüber. Zurükhaltend, mißtrauisch in manchen Fällen, kalt für die Freundschaft gründete er in seiner Jugend ein hochgepriesenes Ministerphlegma, das ihm in der Folge gut zu statten kam. [12] Zu seiner Zeit war es nicht Sitte, daß die adeligen Jünglinge Klassiker lasen und Geschichte studierten, sonst hätte er vielleicht durch dieses Studium das ersetzt, was seine Rivalen an Geist voraus hatten. So mangelte es ihm aber gänzlich, ausser einem handwerksmäßigen Anstriche von deutschem Staatsrechte, an reellen Kenntnissen, und es ist mir noch jetzt unbegreiflich, wie ein österreichischer Minister (lange Zeit von der ersten Klasse) so ganz Fremdling in allen statistischen und historischen Kenntnissen auswärtiger Staaten seyn kann. Ihn drükte bald die Bürde seines Amtes nieder, wenn sich stärkere Seelen über das Ungemach der Gegenwart zu erheben wußten. So konnte es nicht fehlen, daß sein ganzes Minister-Leben und alle seine Erhebungen blos Werk des Zufalls und des momentanen Bedürfnisses blieben, ohne daß der Staat seinen Verlust fühlte, und ihn zurükwünschen mußte.

Metternich fing seine Carriere in kurfürstlich-trierischen Diensten an. Es dauerte aber nicht lange, da vertraute ihm die Kaiserinn Therese den Gesandtschafts-Posten an den [13] drei geistlichen Kurhöfen, und damit war der erste Schritt zum Verfalle seiner Güter und zur Anhäufung einer in diesen Verhältnissen unermeßlichen Schuldenlast gethan. Mit einem stolzen verschwenderischen Weibe vermählt, wurden ihm nun von Tage zu Tage der Bedürfnisse so viel, daß ihn gegenwärtig eine Schuldenlast von 300000 fl. drükt, wovon die Zinsen allein die Hälfte aller seiner Einkünfte verschlingen.

Während seiner Gesandtschaft an den drei geistlichen Kurhöfen ereignete sich zweierlei, das ich hier berühren muß, und wobei Metternich nicht ohne Einfluß geblieben ist. Die Bischoffswahl zu Münster und die Visitation des Reichskammergerichts zu Wetzlar. Jene war von dem kaiserlichen Hofe eingeleitet, um dem Erzherzoge Maximilian die Koadjuterie von Münster zu verschaffen. Metternich erhielt von Theresen den Auftrag, die Domherrn für ihr Interesse zu gewinnen. Wahrlich kein Gegenstand, bei dem man den feinen Planmacher kennenlernen kann. Wer da weiß wie bei den deutschen Domkapiteln den Verordnungen des kanonischen Rechts [14] zuwider, Alles feil ist, und weß Geistes Kinder die Wählenden sind, wird leicht begreifen, daß so ein Geschäft eines Mannes von Kopf unwürdig ist. Die Domherrn unterlagen, wie vorauszusehen war, dem österreichischen Golde, und das Werk war abgethan, ohne daß die Ministerial-Weisheit eingemischt werden durfte. Im Triumf eilt Metternich nach Wien, um von der in solchen Fällen sehr gnädigen Kaiserinn, für seinen ersten glüklichen Versuch wenigstens eine stattliche Herrschaft in Böhmen oder Ungern zu erhalten, und findet sie seit zwei Tagen im Sarge.

Ich darf hier übrigens nur mit zwei Worten erinnern, daß die Visitation des Reichskammergerichts eines Theils durch seine Widersetzlichkeit gesprengt worden ist. Die Sache ist bekannt genug.

Therese hatte Metternich’en lieb gewonnen, wegen mancherlei schöner Ausflüsse seines Herzens. Josef prüfte ihn von einer andern Seite, und fand ihn unbrauchbar. Josef fühlte Kräfte in sich, die ausser dem Ehrgeize, noch anderer Befriedigungen bedurften. Seine Staatskunst, und seine Ökonomie hatten [15] wohl an Metternich’en einen stillen Bewunderer, aber der Genius dieses Mannes war nicht mächtig genug, diesen Unternehmungen zu dienen. Sein Herz wünschte mit seinem Herrn die Entfesslung der Ungern und Böhmen vom Joche der Sklaverei, aber sein Geist hätte sich unter dem Athleten-Werke beugen müssen, wenn Iosef ihn mit Andern zum Werkzeuge bestimmt hätte. Überdas war Metternich nie von Vorurtheilen der Jugend frei. In einem der düstersten und abergläubigsten Länder gebohren und erzogen, war er nicht stark genug den Kampf gegen Wahn, Aberglauben und Mönchthum mitzukämpfen. Josef beschenkte seine Staaten mit der Freiheit des Glaubens und der Meinungen; Metternich lag in dem alten katholischen Wahn und ließ den bleiernen Zepter des Mönchthums über sich schwingen. Was Josef aus der Hand der Natur empfangen hatte, war Metternich’en durchaus versagt; rascher feuriger Geist, reges Gefühl, vielseitige Empfänglichkeit, Witz und Scharfsinn. Josef haßte jeden Laurer; sein Tritt war frei vor den Augen des Volks. „Als er seine Regierung [16] antrat, sagt ein vortrefflicher Schriftsteller, besaß er hinreichende Kenntniß und Beurtheilungskraft, um die Mängel der Menschen um ihn her gleichsam mit Einem Blicke zu entdecken; aber er konnte sich auch nie seine Werkzeuge aus ihnen ziehen. In seinen weiten Reichen fand er keine Seele, die ihm Genüge leisten konnte; keine deren Gröse und Reinheit ihm völliges Vertrauen abgewonnen hätte. Alles durch sich selbst thun zu müssen, war das Resultat aller seiner Menschen-Prüfung, und eine der Hauptursachen, weßhalb ihm so Vieles mißlang.“ Wenn Keiner vor ihm bestand, wie hätte es Metternich können, der durchaus in keiner Gabe der Natur und Bildung mit ihm harmonirte? Zwar war er auf seinem damahligen Posten Kaunitz’ens Scharfblicke nicht entgangen, der ihn in allerlei kleinen Geschäften nüzlich zu brauchen gedachte, aber Josef war ein Mahl Leuten dieser Art nicht gewogen.

So blieb Metternich unter Josef’s ganzer Regierung auf seinem unwichtigen Posten abwechselnd zu Mainz und Koblenz, biß er mit dem Kurfürsten von Mainz zerfiel, und den [17] dasigen Gesandtschafts-Posten aufgab, und nur noch am Niederrhein einen kleinen Einfluß behielt.

Wer sollte nicht glauben, dies wäre nun der Zeitpunkt gewesen, in dem Metternich für das Wohl seiner sogenannten Unterthanen, für die Wiederauflebung seines sogenannten Hauses, und die Verbesserung seiner zerrütteten Finanzen gearbeitet hätte? – Aber nein! Ihn selbst hat die Natur mit einer so starken Dosis Gleichgiltigkeit gegen die Ereignisse der Zukunft ausgerüstet, und ihm obendrein einen unwiderstehlichen Hang zur behaglichen Unthätigkeit verliehen, daß sich sein Ländchen zu keiner Verbesserung Hoffnung machen konnte.

Und die Direktoren und Räthe seiner Kanzellei (Hertwich, Röser,) wählte er durchaus unglüklich aus seichten und mittelmäßigen Köpfen, und seine Beamten (Knoodt, Hahn, Würdt‚) aus Abenteurern‚ Parvenus, und Bedienten.

Man sagt, dass man einen Menschen am besten aus seinem eigenen Haushalt beurtheilen könne. Wenn dieses wahr ist, wie ich [18] kaum zweiflen darf, so fällt die Folge für Metternich’en sehr nachtheilich, und ich möchte sagen, liederlich aus. Während sein Hausmeister nicht wußte, woher er die kleinen Alltags-Schulden bezahlen sollte, verschrieb der Graf neue Equipagen aus Paris, lohnte Hunden und Pferden mit Gnade, nahm seinen eigenen Baumeister in Dienst, schickte Paviane (Gaisser) auf Universitäten, ließ seinen Beamten ungebundene Hände über seine Herrschaften, ließ sich von Juden und Wucherern prellen und stieg nach und nach auf die gefährliche Klippe, von der, ohne in die Tiefe zu stürzen, kein Rükweg mehr möglich ist. Ich könnte hier ein Gemälde entwerfen, vor dem die Menschheit erbeben würde, wenn ich von meinen Lesern glauben dürfte, daß sie mich auf meinem Wege durch das Leben eines ihnen vor der Eröffnung des Kongresses ganz gleichgiltigen Mannes, mit Nachsicht begleiten würden. Nichts fehlte noch als Mätressen‚ so war der Sardanapal unseres Jahrhunderts fertig. Und das Alles durch Mißleitung falscher Rathgeber, durch entirrte ungeheure Plane, denen man nicht gewachsen [19] war. „Wohl dem vorsichtigen, sorgsamen und nüchternen Hausvater, der dem Zufalle nichts gestattet, und auch nichts von ihm zurük erwartet; sondern mit Weisheit, Genügsamkeit und Bescheidenheit seine Plane nach seinen wahren Kräften abmißt.“

Als Kaiser Josef erkrankte, und keine Hoffnung für seine Genesung mehr war, da eilte Metternich nach Wien, um die Ankunft des neuen Thronerben nicht zu verfehlen, unter dem er sich eine glänzende Aussicht versprechen durfte. Aber wahrlich, es war ein gewagtes Unternehmen, an das Ruder eines Schiffes zu begehren, das im Sturme mit vollem Segel trieb, und von allen Seiten von Klippen bedroht ward. Ein neuer Beweis, wie schwach es um Metternich’en aussehen mußte! So was hätte sich allenfalls für den feurigen unternehmenden Geist, oder für den stillen Planmacher zu wünschen geschickt. Metternich ist keins von Beiden. Josef starb, und Leopold erschien. Die Würde womit der neue Kaiser unsern Helden zierte war der zweite Gesandtschafts-Posten von böhmischer [20] Seite bei der deutschen Kaiser-Krönung. Abermahls ein Schritt zum Verderben.

Mit lärmendem Jubel empfing der wonnetrunkene Mann (wie sehr ihm auch tiefer Blickende heiß! heiß! zuriefen) die Verkündigung seiner neuen Erhebung. Aber wie nah ging sie seinen besser gesinnten Beamten, da die Folgen nur gar zu leicht vorher zu sehen waren. Überall fehlte es an Gelde, und fast eben so an Kredit, neue Summen zu erheben‚ denn alle Herrschaften waren dreifach versetzt und verpfändet. Und doch wollte der neue Minister im fürstlichen Glanze zu Frankfurt erscheinen! Und er erschien auch wirklich mit einer Pracht, die Alles hinter sich zurük ließ. Seine Equipagen und die Livree seiner Bedienten galten durchaus für die prächtigsten bei dem ganzen Aufzuge der Gesandten. Leopold, der sich in dem Glanze seiner neuen Würde gefiel, bemerkte die Pracht seines mit ihm in den meisten Stüken harmonirenden Dieners mit Wohlgefallen, und beschloß schon damahls sie mit Wucher zu vergelten. Metternich ward zum ersten Minister für die Niederlande bestimmt. [21] Und so hatte er den lang erbuhlten Chef-Posten an dem stolzesten der europäischen Höfe (domus illa exitiosa, nulli quam sibi fida) errungen.

Metternich gefiel sich so sehr in dem Glanze seiner neuen Würde‚ daß er darüber das ungeheure Wagestük vergaß, einen Posten anzutreten, dem unter allen österreichischen Ministern nur ein Einziger gewachsen war. Durchaus ohne Kenntniß des Landes, des Charakters der Nation, über die er so zu sagen regieren sollte, ging er nach Brüssel ab. Er der nie einen Blick in die Geschichte der Niederlande gethan hatte, dachte jetzt unter dem lärmenden Geräusche seines Hofes nicht ein Mahl daran, dasjenige nachzuholen‚ was ihm noch mangelte. Selbst die grose Revolution der Niederländer unter König Philipp’s eisernem Zepter war ihm nach seiner Flucht von Brüssel, nach allen ihren Theilen und Wirkungen unbekannt. Noch jetzt kommt es mir unbegreiflich vor, wie er in einem Gespräche, das ich vor ungefähr 5 Jahren in Brüssel mit ihm hatte, so ganz Fremdling in dieser Sache war, daß er die [22] Namen Egmont, Oranien, Alba, Philipp und Margaretha von Parma nur vom Hören-Sagen kannte.

Ein unruhiges Treiben war in Brüssel, als Metternich in den Mauern erschien. Er war wenige Stunden in der Stadt, als sich seine Spürhunde, nach einem, seinem allerdurchlauchtigsten Gebieter abgelernten Kunstgriffe‚ nach allen Gegenden zerstreuten. Diese seit Philipp’s Tirannei in Brüssel ungewohnte Entweihung der geheiligsten Menschenrechte machte gleich Anfangs einen tiefen Eindruck auf die Gemüther des dritten Standes, der sich am meisten dabei getroffen fühlte. Mißtrauen und Furcht verscheuchten den dem Niederländer angebohrnen Geist des Muthwillens und der Fröhlichkeit. Metternich ward der Gegenstand des Hasses der Bürger, die ihn selbst mit so grosem Rechte als einen von Wien geschickten Spion betrachteten, um ihre Schritte zu belauern. Wo einer seiner Leute sich blicken ließ, entstand eine allgemeine Stille; Niemand getraute sich über die gleichgiltigsten Dinge den Mund zu öffnen; Freunde wurden gegen Freunde mißtrauisch; [23] selbst die Misterien des Ehebettes durch Spione entweiht.

Ganz von anderer Art war des Ministers Betragen gegen den Adel und die Stände. – Er ließ sich’s, recht planmäßig angelegen seyn, diesen Herrn Alles zu Dank zu machen, und sie vergaßen auch in der That eine Zeit lang die Kränkungen, die sie unter Josef’s Regierung empfunden hatten. Sie lobten wechselweise den weisen Minister, der ihnen gegeben sey, das Glük der Niederländer von neuem zu befestigen und halfen den dritten Stand – unterdrüken.

Aber der Zeitpunkt kam bald, in dem Metternich seine Minister-Schwachheit dem Publikum Preis geben mußte. Franz erschien selbst in den Niederlanden, um sich an der Spitze seiner Armee der eindringenden Macht der Franken entgegen zu stellen, aber er ging bald wieder zurük, und überließ seinen Generalen die Armee. Nun ward Metternich aus einer Hand in die andere verkauft. Selbst Leute, die ihm untergeordnet waren, schrieben ihm Gesetze vor und er – befolgte sie. Alle seine Besinnungs-Kraft war dahin. Er [24] ließ von subalternen Generalen den Vließ-Orden, mit dem ihn Leopold geschmükt hatte, verspotten. Bald wollte er fliehen, bald hielt ihn wieder die Stimme der Unterbeamten zurük. In den kritischen Augenblicken, da er Befehle ertheilen und dem Drange des Sturms entgegen arbeiten sollte, ging er in dem Wirbel des Strudels unter. Selbst als das Korps der Unsterblichen von Dumouriez geführt an den Thoren von Brüssel pochte, war er kaum heimlich entwischt und mechanisch von seinen Leuten aus der Stadt gebracht worden.

Natürlich, daß seine Ankunft in Wien an alle diejenigen Sottisen wieder erinnern mußte, die in den Niederlanden gemacht worden waren. Der Kaiser empfing ihn auch mit keiner gnädigen Miene, denn seine Feinde hatten schon dafür gesorgt, daß ihm allein die Schuld des Mißlingens aufgebürdet wurde. Er erhielt vom Hofe einige 1000. Gulden Entschädigung für den erlittenen Verlust, ward ausser Gehalt gesetzt und bekam gar keinen Antheil an den Geschäften mehr. Doch wollte er auch selbst in dieser traurigen [25] Periode seines Minister-Lebens sich nicht bescheiden, irgendwo einen Fehler gemacht zu haben. Er glaubte, daß keinem Andern als ihm nach der Wiederherstellung der alten Verfassung die niederländische Minister-Stelle vertraut werden könnte. Als einen Beweiß seines seichten Blickes in die Tiefen der Politik muß ich doch hier anführen, daß er noch im Sommer 1796, als die fränkischen Heere schon in Franken siegreich eingedrungen waren, und er von seinen böhmischen Gütern nach Wien flüchten mußte, ganz zuversichtlich zu einem meiner Bekannten sagte: gegen Michaelis längstens denke ich wieder nach Brüssel zu gehen.

Während seines ganzen Aufenthaltes in Wien bis kurz vor seiner Sendung nach Rastadt war er bürgerlich todt. Der Glanz seines Hauses war verschwunden, selbst bis auf die letzten Trümmer verschwunden. Die Vermählung seines Sohnes mit der Erbtochter des Fürsten von Kaunitz war das einzige gelungene Werk in 4 kummervollen Jahren. Sein Ansehen war so tief gesunken, daß seine Empfehlungen gerade das Gegentheil wirkten, [26] und dem Überbringer Nachtheil brachten. Ich darf davon nicht erst Beispiele anführen.

Wer da glauben wollte, Metternich’s neue Anstellung in Rastadt wäre ein Beweis seiner Wichtigkeit oder seiner Unentbehrlichkeit für das österreichische Haus, würde sich sehr irren. Dem Kaiser ist jetzt so wenig an den Geschäften des deutschen Reichs gelegen, daß er seit des Friedens zu Campo-Formio im offenen Vertrage mit den Franken lebt. Da es ihm nicht darum zu thun ist, die Konstitution zu retten, so konnte auch die Wahl des kaiserlichen Bevollmächtigten nicht schwer werden. Und um es den Ständen doch einiger Maasen Recht zu machen, ward Metternich ernannt, der selbst Reichsstand und was noch mehr ist, seine Güter und Herrschaften größten Theils jenseits des Rheins besitzt.

Die Posten der eigenen Gesandtschaften waren schon wichtiger, und siehe da, sie sind mit Männern besetzt, die in allen Theilen über Metternich’en hervorragen!

Meines Erachtens müßte Metternich’s [27] Posten mit einem Manne besetzt seyn, der mit prüfendem Blicke die Menschen um sich her zu sichten im Stande wäre, der mit einer ganz genauen und detaillirten Kenntniß der deutschen Staatsverfassung im Grosen und Kleinen einen festen Muth und anerkanntes allgemeines Ansehen besäß; ein Mann von sicher und scharf treffendem Urtheile, dem die Größe eines Buonaparte’ns nicht drükend werden kann; ein Mann ohne Schulden und dringende Gläubiger! ein Mann, so wie Albini, der der Schwäche, der politischen Nullität und der innern Verwahrlosung des deutschen Staatskörpers von seiner Kraft mittheilen könnte. – – – Aber unter uns: warum Metternich???

Ich muß hier noch eines sehr sonderbaren Systemes erwähnen, daß ich Metternich’en mehr dann einmahl aus einander setzen und vertheidigen gehört habe. Dem werdenden und dem wirklichen Staatsbeamten, sagt er, gebe ich drei Perioden des Lebens: Die Abenteuer-Periode, die Dienst-Periode, und die Periode der Ruhe und des Genusses. Die erste fängt sich mit der Zeit an, da sich der [28] Mensch fühlt und dauert bis zum 25ten Jahre. Während dieser Zeit muß er sich in der Welt herumtreiben‚ Meere beschiffen, Gefahren bekämpfen, und Allem Trotz bieten, was sich ihm entgegen stellt. Wer sollte wohl glauben, daß Metternich so etwas behaupten könnte? er, der Mann, der vor einem lächerlichen Mäuschen zittert, will Lindwürme bekämpfen; er, der auf ebener Erde nicht ohne Gefahr in einem Wagen fahren zu können glaubt, er will Meere beschiffen? Die zweite Periode fängt sich vom 25ten Jahre an, und geht bis zum 55ten. In dieser fängt man seine Carriere an, und muß es am Ende derselben biß zu einem Chef-Posten gebracht haben. Für diese Periode pflegt der Graf sich selbst als Beispiel aufzustellen, und seinen Satz durch sich selbst zu beweisen. In der dritten Periode, schließt er endlich, muß man sein Haus zu bestellen anfangen, und ganz für sich und seine Familie leben, als Weiser und abgeschieden von der Welt und ihrem lärmenden Durcheinander.

Metternich’s Verbindung mit der Kaunitzischen Familie, so sehnlich gewünscht [29] und so ängstlich gesucht, wäre vor dem Tode des großen Ministers ein glänzender Erwerb gewesen, da sie jetzt nur bei dem gänzlichen Verlust des Einflusses dieser Familie am Kaiserlichen Hofe eine Quelle zur Wiederauflebung der Finanzen des metternichischen Hauses seyn kann, das jetzt mit wenigstens 300000 fl. Schulden belästigt ist, und bei der Neigung zur Verschwendung des jetzigen Familienhauptes keine Aussichten zur Bezahlung hat. Es ist lächerlich, was für ein leeres Schellengeklingel Metternich mit dieser Verbindung treibt. Noch ganz neuerlich ließ er in der Hamburger Zeitung bekannt machen: daß sein Herr Sohn von Rastadt nach Wien in den Schooß seiner Gemalinn, einer gebohrnen Gräfin von Kaunitz zurückgekehrt wäre. Ohe! jam satis est.

Wie gern wendet sich die Seele von diesen traurigen Gedanken zu so manchen erfreulichen Scenen, die uns hier von so manchen andern Gesandten gegeben werden. An Energie und Thätigkeit des Verstandes, an Kraft des Raisonnements, und an thätiger, lichtvoller Politik, wie ehrt ein Albini den [30] Congreß. Als Sohn eines verdienten Kammergerichts-Assessors, der bis in sein achtzigstes Jahr, obgleich entbunden von allen pflichtmäsigen Geschäften, immer thätig und lange Wetzlar’s Patriarch gewesen ist, machte er sich frühe mit dem Gange verwickelter Geschäfte bekannt. Nachher selbst Assessor am Kammergericht hat er mit Freimüthigkeit und Kraft gegen den Sanskulottismus der deutschen Fürsten gesprochen. Der Kurfürst von Mainz nahm es nicht übel, daß er gegen ihn am Kammergerichte aufgetreten war. Er beförderte ihn vielmehr zum Reichsreferendarius und endlich gar zu seinem Staatskanzler und allvermögenden Minister, eine That, des Mannes ganz würdig, der den deutschen Tazitus und den deutschen Hippokrates und einen Weltumsegler an seinem Hofe hatte. Albini, der mit Adlerblick das Ganze zu fassen und zu halten weiß, verbindet so viel einfache Güte mit so vieler Redlichkeit in dem Getümmel der Leidenschaften um sich her, daß Treilhard mit grosem Rechte zu ihm sagen konnte: [31] Monsieur! avec votre zele c’est bien dommage, que vous ne servés pas une Republique.




Während ich dieses schrieb, lag Posselt’s neueste Weltkunde in meinem Pulte verschlossen, in der sich biografische Fragmente von Metternich, Treilhard und Bonnier finden sollen. Ich habe mit gutem Bedacht keine Notiz davon genommen. Jetzt, da diese Blätter aus meinen Händen gehen, werde ich diese Fragmente erst lesen, und prüfen, und in einem Beitrage, der vielleicht bald auf diesen folgt, entweder widerlegen, berichtigten oder bestätigen.




[32]

. . . . . Τὸ διδάξασθαι δέ τοι,
εἰδότι ῥαΐτερον. ἄγνω-
μον δὲ, τὸ μὴ προμαθεῖν.
κουφότεραι γὰρ ἀπειράτων φρένες.[WS 1]
κεῖνα δ’ ἐκεῖνος [WS 2] ἂν εἴποι
ἔργα περαίτερον ἄλλων,
τίς τρόπος ἄνδρα προβάσει,
ἐξ ἱερῶν ἀέθλων
μέλλοντα ποθεινοτάταν δόξαν φέρειν.





Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: φρένεσ
  2. Entgegen der Vorlage steht in heutigen Werkausgaben Pindars: κεῖνα δὲ κεῖνος