Zur Geschichte des Augustusbrückenzolls

Zur Geschichte des geistigen Lebens in Dresden vor 300 Jahren Zur Geschichte des Augustusbrückenzolls (1904) von Oskar Lehmann
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904)
Prinz Friedrichs Hochzeit und Tod 1539
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Zur Geschichte des Augustusbrückenzolls.
Von Stadtrath Dr. O. Lehmann.

Obwohl keine sichere Nachricht auf uns gekommen ist, so ist doch kaum zweifelhaft, daß der Augustusbrückenzoll ebenso alt ist wie die Brücke selbst, also bis zum Anfange der Stadt zurückgeht. Es lag nahe, von vornherein dafür zu sorgen, daß Mittel angesammelt wurden, um ein so kostspieliges Werk im Stande zu erhalten, und es darf wohl vermuthet werden, daß die durch die Erbauung der Brücke gebotene große Verkehrserleichterung von den sie benutzenden Personen hoch genug geschätzt wurde, um für die Instandhaltung des Bauwerks ein geringes Opfer zu bringen. In der ältesten erhalten gebliebenen Brückenamtsrechnung vom Jahre 1388[1] finden wir bereits Einnahmen aus dem Brückenzoll (percepta de ponte) im Betrage von 43 Schock 3 Groschen, eine für jene Zeiten sehr erhebliche Summe, wenn man bedenkt, daß 62 Jahre später, im Jahre 1450, einer der beiden Jahrestermine der städtischen direkten Steuer, des Geschosses, ziemlich genau das dreifache dieser Summe erbrachte[2]. Man darf hieraus schließen, daß die Sätze des Brückenzolltarifs nicht ganz niedrig waren. Letztere sind uns nicht bekannt, denn der älteste Tarif, – oder, wie man früher gut deutsch sagte: „Zollrolle“ – der sich im Rathsarchiv erhalten hat[3], stammt, wie wir sofort sehen werden, aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.

Gleichwohl spricht ein Umstand dafür, daß die genannte Zollrolle, wenn nicht die älteste, so doch sehr alt ist. Nicht beweiskräftig ist zwar die Behauptung des Rathes in einem an die Landesregierung am 10. Februar 1717 erstatteten Berichte[4], es sei der Zoll, von einer später zu erwähnenden Ausnahme abgesehen, nie erhöht worden, sondern es sei alles geblieben, denn diese Behauptung stimmt mit der strengen Wahrheit nicht überein. Auf hohes Alter läßt aber die in der Zollrolle enthaltene Bestimmung schließen, daß je drei Schöpse oder Schafe mit einem alten Pfennig zu verzollen seien, das Hundert demnach mit 3 Groschen 8 Pfennigen. Hiernach handelt [263] es sich um solche Pfennige, deren 9 einen Groschen ausmachten, eine Rechnungsweise, die nur bis zum Ende des 15. Jahrhunderts in Uebung war[5].

Die Brückenzollrolle war nach unsern heutigen Begriffen ungemein ausführlich. Während wir heute nur zwei Sätze haben, 10 und 5 Pfennig (letzteren Satz nur für Hunde- und Eselfuhrwerk), umfaßte die älteste Brückenzollrolle 40 Posten mit Sätzen von 1 Groschen, 6, 4, 2 und 1 Pfennig, 1 Heller und den eben erwähnten Satz von einem alten Pfennig für je drei Schöpse oder Schafe. Der Zoll richtete sich nach dem Werthe der Waaren. Meß- und Kaufmannsgüter, also die kostbarsten Artikel, zahlten Groschen, und zwar vom Wagen, nicht vom Pferde. Einige andere Artikel, beispielsweise Honig, waren mit 6 Pfennig taxisiert. Gegenstände des gewöhnlichen wirthschaftlichen Bedarfs, als Heringe, Salz, Tuche, Fische, Mühlsteine etc., waren mit 4 Pfennig, land- und hauswirthschaftliche Gegenstände mit 2 Pfennig für die Wagenladung belegt. Der letztere Satz galt auch für Personenwagen. Kleine Kramer- und Kärrnerwagen wurden nach der Zahl der Pferde vernommen und zwar mit 1 Pfennig von jedem Pferde. Denselben Satz zahlten Reiter, aber nur wenn sie zur Stadt hereinkamen. Zollpflichtig war auch das über die Brücke getriebene Vieh, wenn auch die Sätze nur mäßig waren: 1 Pfennig für jeden Ochsen, 1 Heller für Kühe, Pferde und Schweine; für Schafe und Schöpse wie bereits erwähnt.

Man sieht, daß der Zolleinnehmer viel Zeit hatte, die Ladung der Wagen nachzuprüfen, und es läßt dies darauf schließen, daß der Wagenverkehr auf der Brücke nicht besonders groß war. Aber der Zöllner mußte auch wissen, ob die Fuhrleute einheimische oder fremde waren, denn für erstere waren gewisse Begünstigungen in der Zollrolle selbst festgesetzt[6]. Aber noch darüber hinaus galt, und zwar jedenfalls seit den ältesten Zeiten, der Grundsatz, daß alle Wagen Dresdner Einwohner frei waren, sofern die darauf geladenen Waaren nicht zum Erwerbe dienten oder die Fuhren um Lohn gethan wurden, und auch in ersterer Beziehung ließ man die denkbar größte Milde walten; beispielsweise wurde selbst das von Fleischern zur Schlachtung eingeführte Vieh brückenzollfrei gelassen[7].

Von besonderem Werth ist die älteste Zollrolle für die kritische Erörterung des viel behandelten sogenannten „Dohnaischen Brückenzolls“. Durch die Forschungen des jüngst verstorbenen Professor Dr. Knothe[8] ist zweifelsfrei nachgewiesen, daß dieser Zoll ein Geleitszoll war für die Benutzung der Straße von Dresden nach Königsbrück, welches letztere sich eine geraume Zeit im Besitze der Burggrafen von Dohna befand. Die ganze Sage von dem Antheil der Burggrafen von Dohna am Brückenzoll und infolgedessen ihrer Mitwirkung an der Erbauung der Brücke rührt davon her, daß dieser Zoll hin und wieder als „der dritte Theil des Brückenzolls“ oder „der dritte Pfennig“ bezeichnet worden ist. Hieraus müßte geschlossen werden, daß die vom Rathe auf der Augustusbrücke erhobenen Zölle noch einmal so hoch waren als die Sätze des Dohnaischen Zolls. In Wirklichkeit waren aber letztere viel höher[9]. Es ist hiernach wahrscheinlich, daß der Rath, als gegen Ende des 16. Jahrhunderts der Zoll, vermuthlich infolge landesherrlicher Verleihung, in sein Eigenthum übergegangen war, nachdem er ihn bereits einige Jahre lang pfandweise erhoben hatte, diesen Zoll nicht mit dem Brückenzoll zusammen erheben ließ, sondern mit dem landesherrlichen Geleitszoll, den er seit 1564 pachtweise, von 1662 bis 1736 eigenthümlich inne hatte[10]. Volle Klarheit wird sich hierüber nicht gewinnen lassen, da die auf diese Angelegenheit bezüglichen Akten des Rathsarchivs schon vor längerer Zeit verloren gegangen sind und auch die Brückenamtsrechnungen gerade für diejenigen Jahre, in welche die Erwerbung des Dohnaischen Zolls fällt, fehlen.

Das Exemplar der Zollrolle, von welchem bisher die Rede war, hatte augenscheinlich die Bestimmung, dem am 15. Oktober 1651 in sein Amt eingewiesenen Brückenzolleinnehmer David Fischer als Norm zu dienen, denn der von diesem geleistete Eid ist unmittelbar hinter der Zollrolle in die Akten eingeheftet. Das Exemplar ist deshalb lehrreich, weil es zeigt, daß manche Brückenamtsverwalter sich nicht scheuten, gelegentlich einen oder den andern Satz der Zollrolle zu erhöhen. Es finden sich nämlich in dem Exemplar einige Aenderungen von zweiter Hand mit erhöhten Sätzen[11]. Noch größere [264] Aenderungen weist eine zweite Zollrolle auf, welche die Jahreszahl 1660 trägt[12] und nach einem darauf angebrachten Vermerk des Brückenamtsverwalters Valentin Scheffer dem am 11. Februar 1660 als Brückenzolleinnehmer vereidigten Hutmacher Christian Eckart zur Nachachtung eingehändigt wurde. Nicht nur ist eine ganze Menge Posten neu eingefügt, es sind auch wiederum verschiedene Sätze erhöht. Daneben weist aber diese Zollrolle auch noch eine größere Anzahl Einfügungen von zweiter Hand auf, die sich jedoch nur auf bisher nicht angeführte Waaren beziehen[13]. In dieser Gestalt stimmt die Rolle wörtlich überein mit einer abschriftlich bei den Akten[14] befindlichen Rolle, welche am 25. März 1683 dem zum Brückenzolleinnehmer ernannten Barettmacher Christian Dietrich übergeben wurde und im ganzen 92 Sätze enthält.

Zur Einhebung erhöhter Sätze hätte man, wie den Beteiligten nicht zweifelhaft war, auch nach dem damals geltenden Staats- und Verwaltungsrecht der landesherrlichen Genehmigung bedurft. Wie wir aber gesehen haben, setzten sich einige Brückenamtsverwalter hierüber hinweg. Gewissenhaftere trugen Bedenken, aus eigener Machtvollkommenheit Zollerhöhungen zu verfügen. Die Gelegenheit, die landesherrliche Genehmigung zu einer Zollerhöhung einzuholen, fand sich sehr bald. Die Brücke in der Gestalt, welche sie vor dem durch August den Starken veranlaßten Umbau hatte, besaß weder Fußbahnen noch Geländer, sondern nach den Seiten des Stromes nur Zinnen, die aber so niedrig waren, daß hin und wieder eine Person von der Brücke in die Elbe geschleudert wurde. Aus dem Jahre 1695 beispielsweise melden uns die Akten, daß ein Knecht auf der Brücke mit seinem Schlitten vom Winde so auf die Seite geschleudert wurde, daß ein danebengehendes Weib mit einem Tragkorbe über die Zinnen hinweg geworfen wurde; zum Glück fiel sie auf einen Pfeiler und kam mit leichten Verlegungen davon[15]. Der Rath nahm bald darauf, im Jahre 1704, Veranlassung, in einem an den Kurfürsten gerichteten Schreiben vorstellig zu werden, „wie die Seitenlehnen an hiesiger Elbbrücke ziemlich niedrig, dahero auch iezuweilen davon Leüte hinab ins Waßer stürzen und umbs Leben kommen auch mit muthigen Pferdten darüber ohne Gefahr nicht wohl geritten werden könne“. Er plante deswegen eine Erhöhung der Zinnen in der Weise, daß „auf die in der höhe aufgerichtete Steine, noch halb ellichte steinerne Seülenstücke geleget, und darauf mit eisern Dübeln und Klammern dieselben befestiget würden“. Um aber die auf nur 443 Thaler 8 Groschen veranschlagten Kosten des Baues zu decken, wurde gebeten zu genehmigen, „daß von denen über die Brücke gehenden Wagen, so von uhralten Zeiten her in besagtes Geistl. Ambt (das Brückenamt) 4 ₰ entrichtet, in Zukunft 6 ₰ und von denen so 2 ₰ abgestattet, 4 ₰ zum Brücken Zoll möge abgefordert und eingenommen werden“[16]. Durch Reskript der Landesregierung vom 18. September 1705[17] wurde die nachgesuchte Erhöhung ohne jeden Vorbehalt bewilligt und der Rath machte sich an die Ausarbeitung einer neuen, diesmal alphabetisch geordneten Zollrolle, welche nicht weniger als 129 Sätze enthielt. Man begnügte sich aber nicht damit, die Sätze von 4 auf 6 Pfennig, von 2 auf 4 Pfennig zu erhöhen (mit Ausnahme der Düngerwagen, die nur eine Erhöhung von 2 auf 3 Pfennig erfuhren), sondern es wurden auch einige andere Sätze erhöht[18]. Die neue Brückenzollrolle trägt das Datum des 21. Mai 1707, die Ausarbeitung hatte also über 1½ Jahr gedauert.

Damit war aber die Entwickelung des Brückenzolltarifs noch nicht abgeschlossen, es traten vielmehr auch im 18. Jahrhundert Erhöhungen einzelner Sätze ein im Wege der „Observanz“, insbesondere wurde für eine größere Anzahl von Artikeln, die ursprünglich niedriger tarifiert gewesen waren, der Groschenzoll wie für Centnergut erhoben. Als im Jahre 1826 von einer königlichen Kommission, von welcher noch später die Rede sein wird, eine Vergleichung der geltenden Zollrolle mit derjenigen [265] von 1707 vorgenommen wurde, ergaben sich zum großen Befremden der Kommissare erhebliche Abweichungen nach oben hin. Der zur Aussprache veranlaßte Brückenamtsverwalter Stadtrichter Dr. Tittmann erklärte diese Abweichungen in der Hauptsache damit, daß der Geldwerth seit jener Zeit bedeutend gefallen, der Aufwand für die Unterhaltung der Brücke höher geworden sei, und die Kommissare haben sich hiermit anscheinend zufrieden gegeben[19].

Im übrigen gereichte schon die 1707 durchgeführte Erhöhung der Zölle von 2 und 4 Pfennig Manchen zur Beschwerde. Im Jahre 1717 wandte sich der Landschöppe und Richter Lorenz Würthgen in Übigau nebst einigen anderen an die Landesregierung mit dem entschiedenen Verlangen, die beschlossene Erhöhung wieder rückgängig zu machen, indem namentlich auch geltend gemacht wurde, daß die Erhöhung der Seitenlehnen nun stattgefunden und einen verhältnißmäßig nur geringen Aufwand verursacht habe, so daß ein Grund, die Erhöhung weiter bestehen zu lassen, nicht vorliege. Da aber der Rath in der glücklichen Lage war, darauf hinweisen zu können, daß durch das Resfript von 1705 die Zollerhöhung ohne jeden Vorbehalt bewilligt worden sei, so wurde die Beschwerde abgewiesen[20].

Bemerkenswerth ist, daß der Brückenzoll nicht den Charakter einer Gebühr für die Benutzung der Brücke besaß, sondern als eine Gerechtigkeit der Brücke galt. folge davon war, daß vom rechten Elbufer kommende Wagen mit zollpflichtigen Waaren, um nach Altstadt zu gelangen, die Fähren zu Loschwitz und Laubegast nicht benutzen durften. Die Fährleute waren angewiesen, solche Wagen nicht zu befördern, und geschah es gleich wohl, so wurden die Wagenführer bestraft. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mochte wohl gegenüber dem zunehmenden Verkehr dieses Verhältniß als unhaltbar sich herausstellen und es durften die Fähren von den Wagen benutzt werden, aber nur gegen Entrichtung des Brückenzolls, der von den Fährleuten erhoben und an das Brückenamt abgeliefert wurde. Diese Einrichtung hat erst im 19. Jahrhundert aufgehört.

Vom Brückenzoll befreit waren, wie bereits erwähnt, die Dresdner Bürger und Einwohner dann, wenn die über die Brücke geführten Waaren für ihre persönlichen Bedürfnisse bestimmt waren; außerdem gab es besondere Vergünstigungen für Dresdner Fuhrleute. Abgesehen von den letzteren waren die Waaren brückenzollpflichtig, sobald sie zum Verkauf oder zur gewerbsmäßigen Weiterverarbeitung verwendet werden sollten. Allerdings scheint es mit dieser Bestimmung nicht immer genau genommen worden zu sein. Befreit war ferner der Hof, und zwar auch für solche Waaren, die von Kammergütern hereingebracht wurden, wofern sie nicht gewerbsmäßig durch Fuhrleute befördert wurden, ferner die Geistlichen und die Rittergutsbesitzer, letztere in Gemäßheit eines landesherrlichen Reffripts vom 10. Dezember 1715, nach welchem Rittergutsbesitzer für Wagen, die Waaren zum eigenen Gebrauch fuhren oder Erzeugnisse der eigenen Wirthschaft zu Markte brachten, gegen auszustellende Pässe zoll und geleitfrei sein sollten. Zollfrei waren weiter Militär- und Magazinfuhren, außerdem, und zwar als Entgelt für die von ihnen für die Brücke zu leistenden Spannfuhren und andere Frohndienste, die fuhren der Brückenamtsunterthanen in den Brückenamtsdörfern Blasewitz, Seidnik, Prohlis, Bannewitz, Gittersee, Possendorf und Obergohlis. Das im Jahre 1710 vom Rathe zu Freiberg gestellte Verlangen, daß das Freiberger Fuhrwerk vom Brückenzoll befreit werde, weil nach einem Privilegium des Markgrafen Friedrich von 1295 die Freiberger Fuhrleute von altersher in allen kurfürstlichen Landen und Gebieten aller Zölle und Geleite frei und ledig seien[21], hat seitens des Rathes anscheinend keine Beachtung gefunden und ist wohl auch nicht weiter verfolgt worden. Dagegen erhoben die Bewohner des Dorfes Räcknitz im Jahre 1764 unmittelbar bei der Landesregierung Anspruch auf Brückenzollfreiheit für ihre Geschirre mit dem Anführen, daß diese Freiheit in ihren vom Amte bestätigten Dorfrügen festgesetzt sei und ihre Begründung darin finde, daß Räcknitz früher ein Rittergut gewesen sei und daß sie ein jährliches Heidegeld bezahlten[22]. Der Rath machte dagegen geltend, daß das Heidegeld keiner städtischen Kasse zu gute komme und daß durch die Dorfrügen doch nicht Gerechtigkeiten gegenüber fremdem Eigenthum, im vorliegenden Falle der Brücke, festgesetzt werden könnten; es sind aber die Räcknitzer anscheinend mit ihrem Widerspruch durchgedrungen, denn in der Folge werden sie für ihr Wirthschaftsfuhrwerk vom Brückenzoll freigelassen, und zwar weil, wie es in der dem Brückenzolleinnehmer Günther im Jahre 1787 ertheilten Instruktion[23] heißt, sie dafür ein Aversional-Quantum entrichtet haben“.

Das zur Schlachtung bestimmte Vieh der Dresdner Fleischer wurde in den ältesten Zeiten frei über die Brücke gelassen, wie uns aus dem Jahre 1619 ausdrücklich bezeugt wird[24]. Im 18. Jahrhundert änderten sich jedoch die Verhältnisse insofern, als es üblich wurde, daß die Fleischer ihr Schlachtvieh, das früher in der Regel durch Händler eingeführt worden war und demgemäß verzollt werden mußte, selbst auf dem Lande einkauften und mit dem Anspruch auf Zollfreiheit über die Brücke trieben. [266] Der Brückenamtsverwalter Bürgermeister Bormann verfügte deshalb im Jahre 1770, daß in Zukunft nur das für den eigenen Verbrauch der Fleischer, aber nicht das zur gewerbsmäßigen Verwerthung bestimmte Vieh die Brücke zollfrei sollte passieren dürfen. Mit ihrem Widerspruche erreichten die Fleischer nichts weiter, als daß man sich dazu verstand, ihnen ein Firum zu bewilligen. Sie boten 10 Thaler jährlich, das Firum wurde aber auf 15 Thaler und, als es sich nach einigen Jahren als zu niedrig bemessen erwies, auf 20 Thaler festgesetzt[25].

Zur Erhebung des Brückengeldes diente das auf der Brücke ungefähr in der Mitte, an der mittelsten Zugbrücke befindliche Zollhaus. In den aus dem 17. Jahrhundert stammenden Akten wird es in der Regel als „Hutterhaus“ bezeichnet, und zwar weil der Zöllner regelmäßig ein Hutmacher war, für den im Zollhause eine Werkstatt eingerichtet war. Als Grund wird angegeben, daß der Zöllner von seinem Lohn, der in früheren Zeiten 6 Groschen 2 Pfennig, im 17. Jahrhundert 11 Groschen 8 Pfennig wöchentlich betrug, sich nicht erhalten könne, weshalb von langen Zeiten ein Hütter dazu gebraucht worden sei, der neben seinem Handwerke auf die Durchfahrenden und Treibenden am füglichsten achten könne[26]. Aus dem Jahre 1619 ist uns überliefert, daß ein Bürger und Hutmacher Hans Penzell das Amt bekleidete; im Jahre 1651 wird das Amt dem „Hütter“ David Fischer übertragen und nach dessen im Jahre 1660 erfolgten Tode bewarb sich ein Hutmachermeister Christian Eckart um das Amt, indem er als Beweis seiner Tauglichkeit anführte, er habe bei dem verstorbenen Meister Fischer nicht allein über ein ganzes Jahr lang gearbeitet und daher, wie es mit Abwartung der Zolleinnahme gehalten werde, gute Wissenschaft, sondern auch dessen Vorgängers Matthes Zschiederichs Hutmachers Tochter geheirathet[27]. Hiergegen ließ sich nichts einwenden und so erhielt Eckart das Amt, mußte es aber 1684 wieder aufgeben, weil auf kurfürstlichen Befehl das Hütterhaus weggerissen und dafür eine steinerne Batterie gebaut wurde, die zwar auch Räumlichkeiten für den Zöllner, aber augenscheinlich keine Hutmacherwerkstatt mehr enthielt. Der Nachfolger Eckarts war ein Barettmacher Christian Dietrich, der wohl seinem Handwerke in den neuen Räumen nachgehen konnte. Bezüglich seiner Nachfolger Kaspar Truz, 1721, Johann Bechlin, 1751 und Johann Christoph Grahl, 1760, geben die Akten keinen Aufschluß, ob sie außer der Brückenzolleinnahme noch ein Nebengeschäft trieben, bez. welches. Als Grahl im Jahre 1787 verstorben war, wählte der Rath zum Brückenzolleinnehmer den Wagenpfennigeinnehmer Karl Friedrich Günther, und zwar unter Belassung seines bisherigen Amtes, indem die Brückenzolleinnahme mit der Niederlags- und Wagenpfenniggelder Einnahme zu Neustadt verbunden wurde; nur das Elbgetreidemessen, wozu sich Günther infolge eines Bruchs nicht mehr fähig fühlte, wurde ihm abgenommen. Die späteren Brückenzolleinnehmer, von denen noch die Rede sein wird, sind sämmtlich aus anderen städtischen Aemtern in jene Stellung gekommen.

Das Zollhaus auf der Brücke wurde bei dem großen Umbau in den Jahren 1727–1731, wie alle übrigen auf der Brücke befindlichen Baulichkeiten, beseitigt. 1728 wurde es abgetragen und der Rath miethete in dem Eckhause am Neustädter Markt, jetzt An der Augustusbrücke 2, eine Unterstube für 12 Thaler jährlich. Später, während der Amtierung des Einnehmers Grahl, wurde noch eine kleine Wohnung in demselben Hause zur Einnahme genommen, und zwar für den Miethzins von 40 Thaler, der 1780 auf 44 Thaler erhöht wurde. Letzterer, im Verhältniß zu dem wenigen und engen Gelaß ganz ansehnliche Miethzins wurde aber nur mit der Maßgabe bewilligt, daß der Miethvertrag für den jeweiligen Brückenzolleinnehmer beim Hause beständig und fortwährend verbleiben und nicht nur ohne des Brückenamtes ausdrückliche Einwilligung niemals aufgehoben, sondern auch künftigen Besitzern zur Bedingung gemacht und zu dessen Versicherung dem Brückenamte ein dingliches Recht an dem Hause eingeräumt, auch im gerichtlichen Konsensbuche angemerkt und gerichtlich konfirmiert wurde. Nachdem das Haus 1819 durch Zwangsversteigerung an einen anderen Besitzer, den Drechslermeister Johann Gottfried Knepper, übergegangen war, wurde die eingetragene Dienstbarkeit 1824 ausdrücklich erneuert. Der Brückenzolleinnehmer ist denn auch in dem Erdgeschoß des Hauses An der Augustusbrücke 2 geblieben bis zum Jahre 1872, und zwar gegen Zahlung des 1780 vereinbarten Miethzinses von jährlich 44 Thaler. Das Verlassen des anscheinend sehr geeigneten Lokals war kein freiwilliges. Das Haus, das bei der Zwangsversteigerung im Jahre 1819 für 9005 Thaler losgeschlagen worden war, war im Werthe ganz bedeutend gestiegen und man wird es dem Tapetenfabrikanten Johann Georg Knepper, der sich 1864 im Eigenthum des Hauses befand, nicht verdenken, daß er bestrebt war, für das dem Rathe überlassene Lokal einen dem Zeitwerthe entsprechenden Miethzins zu erlangen. Er forderte 200 Thaler jährlich; der Rath weigerte sich aber hierauf einzugehen, unter Bezugnahme auf die unzweifelhaft klare Rechtslage und den Umstand, daß die auf das Grundstück eingetragene Dienstbarkeit und die dadurch verursachte Werthsminderung bei den bisher vorgekommenen Besitzwechseln unzweifelhaft in Rücksicht gezogen [267] worden seien. Knepper klagte auf Räumung und verlor den Prozeß in drei Instanzen; ebenso wurde eine mit neuer Begründung eingereichte Klage in erster und zweiter Instanz abgewiesen mit Rücksicht auf die unzweifelhaft zum Ausdruck gebrachte Willensmeinung der Vertragschließenden. Knepper ließ sich aber nicht irre machen, rief die dritte Instanz an und erstritt hier, wahrscheinlich gegen eigenes Verhoffen, ein obsiegendes Urtheil. Durch Erkenntniß des Königlichen Oberappellationsgerichts vom 8. März 1872 wurde der Rath zur Räumung verurtheilt, weil – was den Juristen des Rathes, die 1780 und 1824 die Verträge abschlossen, den Juristen des Stadtgerichts, welche diese Verträge im Konsensbuch eintrugen, sowie den Vorderrichtern, welche mit Rücksicht auf den klaren Vertragswillen den Kläger abgewiesen hatten, verborgen geblieben war – es sich im vorliegenden Falle um ein Miethverhältniß handle und zur Sicherung der auf einem Miethvertrage beruhenden Forderungen eine Dienstbarkeit an dem Grundstück nicht bestellt werden könne. – Es wurden nunmehr die Häuschen an beiden Enden der Brücke erbaut, in welchen heute noch die Einnehmer ihres Amtes walten[28].

Die Bezüge der Einnehmer waren, wie bereits erwähnt, sehr niedrig; sie betrugen ursprünglich 6 Groschen 2 Pfennige wöchentlich, auch 7 Groschen werden genannt. Im Jahre 1607 erhielt der Zöllner noch 3 Groschen wöchentlich zugelegt, wofür er noch das Kehren der Brücke zu besorgen hatte; doch scheinen die Einnehmer diesem Geschäfte nicht mit besonderem Fleiße obgelegen zu haben, wenigstens versichert im Jahre 1731 der Brückenzöllner Kaspar Trutz, es sei das Kehren alljährlich vielleicht nur einmal geschehen[29]. Seit 1641 empfing der Zöllner außer seinem Lohne jährlich noch fünf Scheffel Korn vom Hoffutterboden, ohne daß aus den Akten erkennbar ist, worauf diese Leistung beruhte. Im Jahre 1660 wurden dem Meister Eckart in seiner Bestallung wöchentlich 11 Groschen 8 Pfennige Lohn versprochen und die eben erwähnten 5 Scheffel Korn[30]; außerdem empfing der Zöllner wöchentlich noch 2 Groschen 6 Pfennig vom Postwachgelde, mußte aber 3 Groschen dem Postwärter am altdresdnischen Thore abliefern[31]. Als durch Verordnung des Rathes vom 8. November 1731, nach Vollendung des Brückenumbaus, dem Zöllner aufgegeben wurde, von nun an wöchentlich ein Drittheil der Brücke zu kehren, – ein zweites Drittel sollte der Postwächter kehren, das dritte der Arbeiter beim Brückenamte[32] – mögen wohl die Bezüge etwas erhöht worden sein und eine weitere Erhöhung machte sich selbstverständlich nöthig, als nicht mehr Handwerker nebenbei den Brückenzolldienst besorgten, sondern der Zöllner den Beamtenkreisen entnommen wurde. Der Einnehmer Günther erhielt in seiner Instruktion vom 2. Oktober 1787 zugesagt freie Wohnung, wöchentlich 1 Thaler 12 Groschen Lohn, jährlich 5 Scheffel Korn vom kurfürstlichen Hoffutterboden und 4 Thaler Holzgeld, endlich 4 Thaler für Reinhaltung des mittelsten Theiles der Brücke, im ganzen also 86 Thaler baaren Gehalt. Für die Besorgung der Neustädter Wagenpfennig- und Niederlagseinnahme hatte er außerdem noch etwa 144 Thaler zu beziehen[33].

Die Erhebung des Brückenzolls ging in der ältesten Zeit in der denkbar einfachsten Weise von statten. Der Zolleinnehmer erhob auf Grund der nur handschriftlich vorhandenen Zollrolle, von deren Sätzen mangels einer Veröffentlichung das Publikum gar keine genaue Kenntniß hatte, den Zoll und legte das Geld in eine verschlossene eiserne Büchse ein, die er bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts alle Sonntage, von da ab alle Sonnabende dem Brückenamtsverwalter überbringen mußte. Auch bestand eine Art Kontrolle darin, daß von auswärts kommende Fuhrleute an den Thoren bei Zahlung des Pflastergeleits eine viereckige blecherne Marke empfingen, die mit ebensovielen eingeschlagenen Punkten versehen waren, als Pfennige zu zahlen waren; diese Blechmarken wurden vom Zöllner gegen eine dreieckige, mit ebensovielen Punkten versehene Marke umgetauscht und in einer besonderen Büchse verwahrt; die im Umtausch erhaltene Marke hatte der Fuhrmann beim Hinausfahren wieder an den Thorwärter abzugeben[34]. Letztere Einrichtung bewährte sich indeß nicht, weil die Marken von den Zollpflichtigen nicht regelmäßig abgegeben wurden; sie wurde daher fallen gelassen und durch keine andere Kontrollmaßregel ersetzt, so daß, wie der Bürgermeister Claußnitzer in einem 1809 erstatteten Berichte bemerkt, der Brückenzoll gar keine Kontrolle hatte als das Gewissen des Einnehmers, dessen Diskretion die ganze Einnahme auf Treue und Glauben überlassen war[35]. Hiernach ist es kein Wunder, daß der Zoll auch keine besonders erheblichen Erträge brachte. Wie der Einnehmer Günther behauptet, hätte der Zoll vor seiner Amtierung, also in der Zeit bald nach dem siebenjährigen Kriege, nur ungefähr 100 Thaler jährlich gebracht; ihm sei es gelungen, die jährliche Einlieferung bis zu 1200 Thaler hinaufzubringen[36]. In letzterer Summe war wahrscheinlich auch derjenige Betrag eingerechnet, der durch Wagenpfennige und Niederlagsgelder einkam, denn nach dem eben angeführten Berichte des Bürgermeisters Claußnitzer erreichte der jährliche Ertrag des [268] Brückenzolles gewöhnlich die Summe von 500 Thalern und im Durchschnitt der Jahre 1805–1819 wurden jährlich rund 625 Thaler erzielt[37].

Unregelmäßigkeiten in Günthers Dienstführung brachten den Rath dahin, seine Entlassung zu beschließen; Günther kam aber dieser Maßregel zuvor, indem er um seine Pensionierung bat, worauf der Brückenamtsverwalter Bürgermeister Dr. Herrmann es unternahm, für die Brückenzollerhebung eine veränderte, den Fortschritten der Zeit entsprechende Einrichtung zu schaffen, die darin bestand, daß jedem, der den Brückenzoll entrichtet hatte, ein auf den betreffenden Betrag lautender Quittungszettel eingehändigt werden mußte, wie dies noch heute der Fall ist. Gleichzeitig wurde angeordnet, daß der Einnehmer über seine Einnahme ein Manual zu führen hatte. Zu seiner Unterstützung wurden ihm die sechs ältesten Rathswächter beigegeben, die im regelmäßigen Turnus den Verkehr mit dem Publikum zu vermitteln, insbesondere die Einhebung des Zolls und die Ausgabe der Quittungszettel zu besorgen hatten, während der Einnehmer in seiner Expedition im wesentlichen den Kassengeschäften oblag. Die Sätze der Brückenzollrolle wurden nach den zu zahlenden Beträgen in verschiedene Rubriken getheilt und innerhalb der letzteren alphabetisch geordnet, die so entstandene Zollrolle aber nicht durch den Druck veröffentlicht, sondern nur handschriftlich in der Brückenzolleinnahme angeschlagen, wo, wie eine an den Rathhäusern, in den Konsularämtern und im Religionamte, ebenso an der Einnahmeexpedition außen auf der Straße angeschlagene Bekanntmachung besagte, jeder Verzollende durch Einsichtnahme ersehen konnte, was er an Elbbrückenzoll zu entrichten hatte. Die durch Observanz eingeführten neuen und höheren Zollsätze gegen die Brückenzollrolle von 1706 wurden durch Beschluß des regierenden Bürgermeisters Schulze ausdrücklich aufrecht erhalten[38].

Gleichzeitig wurde aber auch eine wesentliche Beschränkung der den Dresdner Einwohnern zustehenden Vergünstigungen beschlossen, indem die Zollbefreiung sich nur erstrecken sollte auf Personenfuhrwerk und unbeladene Wagen, und rücksichtlich des ersteren kam noch in Betracht, daß die Zollfreiheit nur dann eintrat, wenn man mit eigenem Geschirr fuhr, denn sonst war es Lohnfuhrwerk, also zollpflichtig[39]. Diese Zollpflichtigkeit trat zwar für Lohnfuhrwerk nur dann ein, wenn man „über die Meile hinaus“ fuhr, also eine längere Reise machte; aber auch dann, wenn auf dem Personenwagen hintenauf Gepäck geladen war, wurde ein Zoll von 6 Pfennigen erhoben. Doch sollte es nicht als Gepäck angesehen werden, wenn der Lohnkutscher bloß einen Koffer, einen Bettsack oder einen Mantelsack aufgeladen hatte[40].

Bei dieser Gelegenheit wurde auch erwogen, ob die den Bewohnern der Brückenamtsdörfer und des Dorfes Räcknitz gewährte Vergünstigung der Zollfreiheit für ihre Wirthschaftsfuhren aufrecht zu erhalten sei. Man überzeugte sich von dem guten Recht der Brückenunterthanen und ließ die Vergünstigung bestehen; um aber etwaigem Mißbrauche vorzubeugen, fertigte man Zeichen aus Messingblech, in denen oben das Rathswappen in Blei eingeschlagen war, in der Mitte der Name des Dorfs und darunter BR. ZOLL FREI mit geschlagenen lateinischen Buchstaben. Die Brückenunterthanen, welche Zollfreiheit beanspruchten, hatten dieses Zeichen von dem Richter ihres Ortes sich einhändigen zu lassen und dem Brückenzolleinnehmer vorzuzeigen; nach gemachtem Gebrauch sollte es dem Richter wieder zurückgegeben werden[41]. Der Gebrauch dieser Zeichen läßt sich in den Akten bis ungefähr 1870 verfolgen, doch wurde die Einrichtung später in der Weise gehandhabt, daß jedem Gutsbesitzer ein Zeichen für sein Gut ausgehändigt wurde. Eine gleiche Vergünstigung wurde durch Rathsbeschluß vom 24. August 1819[42] auch den Einwohnern von Stadt Neudorf bis auf weitere Verordnung zugestanden. Sie sind auch diejenigen, welche von den Zeichen den meisten Gebrauch gemacht haben, wozu sie als kleine Gärtner, die ihre Waaren zum Wochenmarkte brachten, ja auch die meiste Veranlassung hatten.

Die durch die Pensionierung Günthers erledigte Stelle des Brückenzolleinnehmers wurde vom 1. Mai 1819 ab dem bisherigen zweiten Einnehmer bei der Geleits- und Wagenpfennig-Einnahme, Ernst Heinrich Krippendorf übertragen, und zwar mit denselben Bezügen, welche sein Vorgänger genossen hatte. Krippendorf war ein überaus eifriger Beamter, der freilich auch seine Schwächen hatte. Zu letzteren gehörte eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegen das Publikum, mit dem er zu verkehren hatte, und ferner eine kaum zu dämpfende Schreibseligkeit. Der Rath hat wohl wenige Beamten in seinem Dienste gehabt, die so kolossale Massen an Berichten, Vorstellungen, Gesuchen und dergl. zusammengeschrieben haben. Die Schreiblast, die er sich aufbürdete, wuchs dermaßen an, daß er sehr bald genöthigt war, sich einen eigenen Schreiber zu halten, den er aus seinen Mitteln [269] besolden mußte, weil sich der Rath weigerte, den Schreiber, wie Krippendorf wünschte, als seinen Assistenten zu besstellen. Auch die von Krippendorf erbetene Vergütung von Schreib- und Mundationskosten wurde abgelehnt, indem durch Beschränkung und kürzere Fassung der von ihm eingereichten Vorträge und Beilagen an diesen Kosten sich sehr viel würde sparen lassen[43]. In der That waren die Vorträge und Berichte außerordentlich schwülstig und weitschweifig. Als Beweis möge nur angeführt sein der Schluß einer Eingabe, die er unter dem 30. April 1819 an den Brückenamtsverwalter Bürgermeister Dr. Herrmann richtete: „Nur diejenigen Empfindungen sind meinem Herzen theuer, und thun mir wohl, wenn ich mich nenne Ew. Wohlgeboren ganz gehorsamster Diener“[44].

Seine Verwaltung war aber für die Einnahme aus den Brückenzöllen außerordentlich ersprießlich. Seinem Eifer gelang es, die Einnahmen des ersten Jahres auf 1486 Thaler zu bringen, während im Jahre vorher nur 888 Thaler, also fast genau 600 Thaler weniger, eingekommen waren. Der Rath zeigte sich dafür dankbar, indem er bereits im März 1820 beschloß, dem Einnehmer außer seinen festen Dienstbezügen von jedem Thaler über eine jährliche Elbbrückenzolleinnahme von 1000 Thalern eine Tantième zu gewähren, und zwar von jedem Thaler bis 1500 Thaler 2, von jedem Thaler über 1500 Thaler aber 3 Groschen. Gleichzeitig wurde ihm auch die Verpflichtung zum Kehren des mittelsten Theils der Brücke abgenommen, womit freilich auch die dafür gewährte Vergütung von 4 Thaler jährlich wegfiel; dieser Verlust wurde aber durch die Tantième reichlich aufgewogen, umsomehr, als das Steigen des Verkehrs fortwährend anhielt. Der Rath hatte berechnet, daß Krippendorfs Bezüge durch Gewährung der Tantième, einschließlich seines Einkommens als Wagengeld und Niederlagseinnehmer, sich jährlich auf 524 Thaler Groschen stellen würden, eine für jene Zeit sehr ansehnliche Summe; seine Einnahmen stellten sich aber immer höher. Schon im Rechnungsjahre 1823–1824 hatten die Zolleinnahmen das zweite Tausend überschritten, 1824–1825 betrugen sie bereits 2546 Thaler und 1827–1828 sogar 2702 Thaler, so daß dem Einnehmer an Gehalt und Cantième 807 Thaler 23 Groschen 11 Pfennig zuflossen.[45]

In einem vom Rathe im Jahre 1830 an die Landesregierung erstatteten Berichte[46] wird dem Einnehmer Krippendorf nachgesagt eine auffällige Heftigkeit, sowie Mangel an Umssicht und Mäßigung im Benehmen. Da er überdies an der Höhe der Einnahmen durch den Bezug der Tantième ein persönliches Interesse hatte, so ist es begreiflich, daß vom Publikum sehr bald Beschwerden eingingen, namentlich da ja auch die Zollvergünstigungen für die Einheimischen, wie oben erwähnt, bedeutend ein geschränkt worden waren, was aber dem Publikum mangels einer amtlichen Veröffentlichung der Zollrolle nicht bekannt geworden war. Hierzu kam noch, daß gleichzeitig mit dem Brückenzoll auch Wagenpfennige und Niederlagsgelder, zu Zeiten auch Jahrmarktsgeleite erhoben wurden, ohne daß das Publikum sich klar zu machen im Stande war, wie sich die von ihm geforderten Beträge auf die Abgaben vertheilten. Die Beschwerden waren so zahlreich, daß 1822 ein eigener Aktenband angelegt wurde mit der Aufschrift: „Die wider den Brückenzoll-Einnehmer Krippendorf eingegangenen Beschwerden betreffend“[47]; doch erwiesen sie sich bei näherer Untersuchung mit Ausnahme eines einzigen Falles, in welchem er sich eine ungebührliche Forderung hatte zu schulden kommen lassen, als unbegründet[48].

Einzelne dieser Beschwerden kamen aber auch zur Kenntniß der Landesregierung, welche dadurch veranlaßt wurde, im Jahre 1825 die Anfertigung und den Anschlag eines gedruckten Brückenzolltarifs anheimzugeben. Krippendorf, zur gutachtlichen Auslassung aufgefordert, erklärte sich entschieden gegen diese Einrichtung, die er als unnöthig und nachtheilig bezeichnete, letzteres deshalb, weil es den Fuhrleuten beifallen könnte, ihre Pferde zu verlassen, um den Tarif zu studiren. Fast alle Kontribuenten, von denen ein sehr großer Theil wenig lesen und sich in solche Tabellen nicht finden könne, würden stehen bleiben und nun erst recht durch Unkenntniß zu Irrthümern verleitet werden; die Zollaufseher würden den Andrang von Menschen vor dem Zollhause nicht verhindern können, weil deren Entfernung zur Verhütung von Unglück als Vorwand, man wolle den Tarif nicht jeden sehen lassen, von vielen ausgelegt werden würde[49]; Merkwürdigerweise eignete sich der Rath diese Gründe an, indem er aus Verkehrsrücksichten gegen die Anheftung des gedruckten Tarifs sich erklärte und es für genügend hielt, daß derselbe in der Einnahme-Expedition angeschlagen sei; aber die Landesregierung blieb fest und der Tarif wurde gedruckt, damit aber auch jeder Weiterentwickelung im Wege der „Observanz“ ein Riegel vorgeschoben[50].

[270] Die Beschwerden gaben aber auch im Jahre 1826 dem Geheimen Finanzkollegium Veranlassung, den Kreishauptmann des Meißner Kreises Grafen Hohenthal und den Amtshauptmann Grafen von Loeben zu beauftragen, wegen einer Revision der Brückenzollrolle mit dem Rathe in Vernehmen zu treten. Im Laufe der sehr langwierigen Verhandlungen[51] wurden nach und nach drei Entwürfe ausgearbeitet, die sämmtlich davon ausgingen, daß der Zoll nach der Zahl der vor einen Wagen gespannten Pferde bemessen werde in der Weise, daß, entsprechend dem bisher befolgten Prinzip, auch in dem neuen Tarif Kaufmanns-, Meß- und andere werthvollere Frachtgüter höher vernommen würden (mit 6 Pfennigen vom Pferde) als landwirthschaftliche Erzeugnisse, Lebensmittel, Heiz- und Baumaterialien, Handwerkerwagen und[WS 1] leere Wagen. Alle drei Entwürfe hätten aber, wie vom Rathe und seinen Beamten nachgewiesen wurde, die auch vom Geheimen Finanzkollegium nicht gewollte Wirkung geübt, daß sich die Einnahmen aus dem Brückenzoll verringert hätten, und der Rath beobachtete deshalb eine ablehnende Haltung. Der Kirchenrath, an welchen die Angelegenheit später vom Finanzkollegium abgegeben wurde, ließ sich die Sache nicht sehr angelegen sein, ebensowenig das Kultusministerium, das nach Auflösung des Kirchenraths desssen Geschäfte übernahm, und so kam die Angelegenheit zum Erliegen.

Während der Septemberunruhen des Jahres 1830 entlud sich die Gewitterwolke, die sich über Krippendorfs Haupte zusammengezogen hatte. Acht angesehene Dresdner Kaufleute, an ihrer Spitze die Herren Hesse, Schöne und Sendig, begaben sich am 16. September zum Brückenamtsverwalter Syndikus Möhnert und verlangten die Entfernung des Einnehmers Krippendorf von seinem Posten, weil er den Brückenzoll und die Niederlagsgebühr mit einem leidenschaftlichen Ungestüm und ohne Rücksicht auf die Umstände eintreibe. Möhnert hielt es für gerathen, diesem Verlangen zu willfahren, und Krippendorf wurde, wenn auch unter einstweiliger Belassung seiner Bezüge, seines Postens enthoben[52]. Er erhielt, nach kurzer Beschäftigung in der Abtheilung für direkte Steuern, die Stelle des Wagenpfennig- und Niederlagseinnehmers in der Haupteinnahme, mußte sich aber eine Ermäßigung seiner Bezüge auf 500 Thaler jährlich gefallen lassen. Alle Eingaben und Gesuche, die er in geradezu beängstigender Zahl an den Rath, die Kommunrepräsentanten und die Landesregierung richtete, um Gewährung desjenigen Diensteinkommens, das er als Brückenzolleinnehmer im drei- oder sechsjährigen Durchschnitt bezogen hatte, blieben erfolglos.

Möhnert begnügte sich aber nicht mit Krippendorfs Entfernung aus seinem Amte, sondern ordnete auch an, daß von dem beladenen Fuhrwerke Dresdner Bürger, welches bloß zwischen Alt- und Neustadt verkehre, nicht aber zu einem der Thore hinausfahre, mit Erhebung des Brückenzolls bis auf weitere Bestimmung Anstand genommen werde[53].

An Krippendorfs Stelle trat nach kurzer Interimsverwaltung durch den Geleitseinnehmer Schelcher am 1. Juli 1831 der bisherige Kontrolleur bei der Steuerstube Karl Friedrich Prater, der das Amt des Brückenzolleinnehmers über 30 Jahre lang bekleidet hat. Da auch er im wesentlichen auf Tantième angewiesen war, so machte er wiederholt Anstrengungen, in bezug auf die Begünstigung der Dresdner Bürger und Einwohner Wandel zu schaffen, aber vergeblich; im Gegentheil scheint sich nach und nach die Meinung Geltung verschafft zu haben, daß Dresdner Bürger und Einwohner überhaupt nicht brückenzollpflichtig seien. Zwar setzte Prater es durch, daß Speisewirthe und Hausschlächter das von ihnen über die Brücke geführte Vieh verzollten, daß ferner nach Inbetriebsetzung der Leipzig-Dresdner Eisenbahn die mit Personen besetzten Hotelwagen als brückenzollpflichtig erklärt und der Spediteur Seebe angehalten wurde, für die mit der Eisenbahn angekommenen und über die Brücke nach Altstadt geführten Frachtgüter Brückenzoll zu zahlen. Dagegen hielt man es für billig, die Budenführer, welchen man für den Transport der Buden auf den Neustädter Jahrmarkt 1819 ein Fixum von 3 Thalern bewilligt hatte, von dessen fernerer Zahlung zu entbinden, und selbst ein auswärts wohnender Budenbesitzer wurde, weil er in Dresden ein Haus und infolgedessen das Bürgerrecht besaß, „als hiesiger Bürger“ von der Entrichtung des Brückenzolls befreit[54]. Die Fleischer hielten es hiernach für angemessen, daß auch ihnen das Fixum, das im Jahre 1822 unter Einbeziehung der Friedrichstädter Fleischer auf 28 Thaler jährlich festgesetzt worden war, erlassen werde. In den Jahren 1835 und 1836 eingereichte Erlaßgesuche wurden abgelehnt. Da stellten die Fleischer mit Ende des Jahres 1841 die Zahlung des Fixums ein und erhoben, als ein drittes Erlaßgesuch vom 8. Februar 1842 wiederum abgelehnt wurde, Rekurs an die Kreisdirektion. Die Akten[55] schweigen darüber, ob dieser Rekurs einberichtet worden ist; vielleicht ließ man die Sache stillschweigend auf sich beruhen.

[271] Aber diese glückliche Zeit dauerte nicht lange. Am 31. März 1845 stürzte infolge eines Hochwassers von bis dahin unbekannter Höhe der sogenannte Kreuzpfeiler der Augustusbrücke ein und das Publikum sah sich zunächst auf die Benutzung der fliegenden Fähre angewiesen, die mit möglichster Beschleunigung zwischen dem Palaisgarten und dem Packhofe eingerichtet wurde. Nun waren alle zollpflichtig, Auswärtige wie Einheimische, Wagen, Vieh, Reiter und Fußgänger. Am 25. April wurde unter dem Vorsitz des Staatsministers von Falkenstein im Ministerium des Innern eine Konferenz von Staatsbeamten und Rathsmitgliedern abgehalten und hierbei die Aufstellung einer Schiffbrücke zwischen Elbberg und dem Pontonschuppen, also ungefähr an der Stelle, wo heute die Königin Carola-Brücke steht, vereinbart; zur Deckung der Kosten wurde vom Minister selbst die Erhebung eines erhöhten Brückenzolls angeboten[56]. Der im Jahre 1825 durch den Druck bekannt gemachte Tarif, der bei der Aenderung des Münzfußes Anfang 1841 im ganzen unverändert beibehalten worden war, trat außer Kraft und an seine Stelle ein Tarif, nach welchem nur die Fußgänger vom Zolle befreit, dagegen Vieh und Fuhrwerke aller Art, sogar Schiebeböcke, Schubkarren und Handwagen, ohne Unterschied, ob sie Einheimischen oder Fremden gehörten, zollpflichtig waren[57]. Nachdem die durch den Pfeilereinsturz entstandene Lücke durch einen provisorischen hölzernen Einbau ausgefüllt worden war, wurde der zunächst nur für die Schiffbrücke genehmigte Tarif auch auf die Augustusbrücke übertragen, jedoch sehr bald darauf, durch Bekanntmachung vom 20. Januar 1846, nach anderweiten Verhandlungen mit den betheiligten Ministerien einer gründlichen Aenderung insofern unterzogen, als zwar die Sätze von 2 und 1 Ngr. von Frachtgüter-, beziehentlich land- und hauswirthschaftlichem, sowie Personenfuhrwerk von Einheimischen und Fremden gezahlt werden sollten, dagegen die ferneren Sätze von leeren Wagen, Reitpferden, Handwagen, Schubkarren und Schiebeböcken, Lasten und Vieh nur von Fremden.

Das Finanzministerium drang aber im Interesse möglichster Verkehrserleichterung auf noch weitere Herabsetzung der Zollsätze und mit Widerstreben – denn jede Abminderung der Zolleinnahme bedeutete eine Verlängerung der Tilgungszeit für die Brückenbauschuld – willigte der Rath ein, daß von Wiedereröffnung der Augustusbrücke an, die am 16. November 1846 erfolgte, der Zoll von beladenem Frachtfuhrwerk von 2 auf 11/2 und, wenn das Frachtfuhrwerk leer die Brücke passiere, auf 1 Ngr. für jedes Pferd herabgesetzt werde. Auch die nur für fremde Passanten geltenden Sätze unterlagen einer nicht unwesentlichen Ermäßigung[58].

Der erhöhte Brückenzoll war zwar von den Ministerien des Innern und der Finanzen unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs genehmigt worden; es wurde aber als selbstverständlich angesehen, daß er so lange zur Erhebung gelangen müsse, bis der durch die Wiederherstellung der Augustusbrücke, einschließlich der Unterhaltung der fliegenden Fähre und der Erbauung und Unterhaltung der Schiffbrücke erwachsene Aufwand, der sich auf 155 661 Thaler 22 Neugroschen 6 Pfennig belief[59], gedeckt sei. An das Brückenamt wurde und wird noch heute jährlich der Betrag von 3095 Thaler abgeführt als der jährliche Ertrag des Zolles nach dem zehnjährigen Durchschnitt der Jahre 1835–1844. Aus diesen Beträgen ist ein Fonds angesammelt worden, der später zur Unterhaltung der neu zu bauenden Augustusbrücke dienen wird.

Die Tilgung der Brückenbauschuld war im März 1861 vollständig beendigt[60]. Sie wäre noch früher beendigt gewesen, wenn nicht im Jahre 1856 aus den Brückenzolleinnahmen ein Betrag von 12 000 Thalern hergegeben worden wäre zum Bau des Thurms an der Dreikönigskirche, und zwar auf Ansuchen des Thurmbauausschusses, welches damit begründet war, daß „die Revenuen der alten Brücke stiftungsgemäß zu kirchlichen Zwecken gewidmet“ seien[61]. Daß diese Anschauung eine irrthümliche war und nur die Kreuzkirche, aber keine andere Kirche der Stadt, Anspruch auf die Gelder des Brückenamts hatte, ist erst durch den zwei Jahre später erschienenen Vortrag des Bürgermeisters Neubert über die Rechtsverhältnisse der alten Elbbrücke klargestellt worden.

Nach vollendeter Tilgung der Schuld fühlte der Rath das Bedürfniß, die erhöhten Brückenzölle weiter zu erheben. Neue Wasserfluthen hatten den Brückenkörper beschädigt und es konnte kein Zweifel sein, daß der ehrwürdige alte Bau über kurz oder lang durch einen Neubau werde ersetzt werden müssen. An einen Neubau im Interesse der Schifffahrt, der neuerdings in den Vordergrund gerückt worden ist, dachte damals noch niemand. [272] Die zuständigen Ministerien des Innern und der Finanzen zeigten sich sehr zurückhaltend und sie fanden eine kräftige Unterstützung darin, daß die Ständeversammlung im Jahre 1864 der Regierung zur Erwägung anheimgab, im Interesse des freien Verkehrs die Brückengeldgebühren bei der hiesigen Elbbrücke sobald als möglich abzuschaffen, infolge welches Beschlusses auch die Zollerhebung auf der fiskalischen Marienbrücke mit dem 1. April 1865 eingestellt wurde. Es würde zu weit führen, über die in dieser Sache zwischen dem Rathe und der Kreisdirektion gepflogene umfängliche Korrespondenz im einzelnen zu berichten; es sei nur kurz erwähnt, daß der erhöhte Zoll anfänglich immer nur für ein Jahr bewilligt wurde. Erst als die städtischen Kollegien auf Grund eines vom Wasserbaudirektor Lohse erstatteten Berichts, der sich über den baulichen Zustand der Brücke sehr ungünstig aussprach, grundsätzlich zu einem künftigen Neubau ihre Zustimmung ertheilt hatten und die Nothwendigkeit klar vor Augen lag, für einen so kostspieligen Bau beizeiten einen Fonds anzusammeln, der durch nichts Anderes beschafft werden konnte, als durch Weitererhebung des erhöhten Zolls, ließ sich die Regierung herbei, unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs zunächst auf fünf Jahre, vom Jahre 1868 an gerechnet, die Weitererhebung des erhöhten Zolls zu gestatten. Seit jener Zeit ist die Weiterbewilligung der Brückenzollerhebung nach den erhöhten Zollsätzen regelmäßig auf je fünf Jahre erfolgt.

Die Zollerträgnisse hoben sich rasch, was wohl nicht nur auf den neuen Tarif zurückzuführen ist, sondern in noch weit höherem Grade auf die ungeheuere Steigerung des Verkehrs. Während im Durchschnitt der Jahre 1835 bis 1844 nur 3095 Thaler jährlich eingekommen waren, ergab sich im Jahre 1848 bereits eine Einnahme von 16 630 Thalern, im Jahre 1850 eine solche von 20 000, 1851 sogar 22 430 Thalern. Die Eröffnung der neuen Marienbrücke vermochte die Einnahme nicht wesentlich zurückzudämmen; zwar war ein geringer Rückgang wahrzunehmen, aber nur bis auf etwa 17 500 Thaler, und im Jahre 1857 waren die 20 000 Thaler wieder überschritten. Ungünstig wirkte auf den Verkehr auch das in den Jahren 1861 und 1862 von der Königlichen Polizeidirektion erlassene Verbot des Verkehrs von Lastfuhrwerk auf der Brücke während der Tagesstunden; aber immer noch nahm der Verkehr zu, und die nach Freigebung der Marienbrücke wiederum zeitweilig zurückgegangenen Einnahmen erreichten nach dem französischen Kriege mehrere Jahre hindurch die Höhe von 25 000 Thalern, im Jahre 1875 sogar 79 636 Mark. In späteren Jahren machte sich der Wettbewerb der neuen Brücken, der Albertbrücke und der Königin Carola-Brücke, bemerklich, nächstdem die Zunahme des Straßenbahnverkehrs auf der alten Brücke, welcher das Pferdefuhrwerk verscheuchte, so daß 1900 nur 36 990, 1902 sogar nur 32 458 Mark eingenommen worden sind.

Die Zollsätze selbst haben seit 1846 mehrfache Ermäßigungen erfahren. Zunächst wurden im Jahre 1865 die nur für Fremde geltenden Sätze für Handwagen, Traglasten, Schubkarren, Schiebeböcke und Vieh beseitigt, anfangs nur widerruflich, im Jahre 1868 auf Verlangen des Ministeriums des Innern endgültig. Im Jahre 1878, nach Eröffnung der Albertbrücke, wurde im Interesse einer rascheren Zollbehandlung der Unterschied der Zollsätze für beladenes Frachtgüter- und sonstiges Fuhrwerk beseitigt und für alles Last- und besetzte Personenfuhrwerk ein einheitlicher Zoll von 10 Pfennig für jedes Zugthier festgesetzt, ferner aus dem Lastfuhrwerk das Hundefuhrwerk ausgeschieden und einem niedrigeren Satze unterstellt. Anläßlich der Erwerbung der Marienbrücke sind endlich im Jahre 1901 die Selbstfahrer dem Brückenzoll unterworfen und der Zoll für Eselfuhrwerk, das es früher kaum gab, demjenigen für Hundefuhrwerk gleichgestellt worden; ferner wurden für einheimisches Last-, Hunde- und Eselfuhrwerk Brückenzollblocks mit 40% Rabatt eingeführt, welche ihrem Zwecke besser dienen als die eine zeitlang, in den Jahren 1865 bis 1877, mit einem Rabatt von 10% ausgegebenen Brückenzollmarken.

Auch im Dienste hat sich mit der Zeit manches geändert. Der eine Einnehmer, der in früheren Jahrhunderten die Zolleinnahme nur als Nebengeschäft zu betreiben brauchte, genügte bei dem fortwährenden Steigen des Verkehrs nicht mehr; es wurden nach und nach drei Einnehmer angestellt und neben ihnen funktionirten noch fünf Brückendiener, bis mit Eröffnung der Albertbrücke die Einrichtung der Brückendiener überhaupt aufgehoben wurde und die Brückendiener zu Einnehmern aufrückten. Heute wird der Dienst an jeder Brücke von sechs Einnehmern besorgt. Auch die ihnen gewährte Tantième, die zu manchen Unzuträglichkeiten Veranlassung gab, ist seit 1891 weggefallen.


  1. Cod. dipl. Sax. reg. II, 5 S. 75 flg.
  2. Richter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte Dresdens, Bd. III, S. 109.
  3. Rathsakten A. VI. 84b, Bl. 23 flg.
  4. A. XVIII. 16, Bl. 4.
  5. Richter, a. a. O. Bd. III., S. 107, Anm. 5
  6. So zahlten Wagen mit Wein in Fässern, abgesehen von Landwein, 1 Groschen, wenn der Fuhrmann ein fremder war; war er aber ein einheimischer, so zahlte er hinaus 6 Pfennig, herein nichts. Auch der einheimische Fuhrmann von Tonnengütern war bei der Ausfuhr vom Zoll befreit, während der auswärtige 4 Pfennig zu zahlen hatte. Fuhren mit Landwein waren frei, wenn sie von Einheimischen geführt wurden, dagegen zahlte der fremde Fuhrmann 2 Pfennig. Auch die Mühlwagen, die von Altstadt nach Neustadt fuhren, waren für einheimische Fuhrleute frei, wogegen der fremde Fuhrmann 4 Pfennig zahlte.
  7. A. VI. 84 b., Bl. 58.
  8. Archiv f. d. sächs. Geschichte Bd. I (1863) S. 425 ff.
  9. Es waren zu zahlen: für Wachs 12 Groschen, Leder, Centnergut, Cuch und Zinn je 6 Groschen vom Wagen, 100 Stück Schöpfe 5 Groschen, ein Schwein 1 alter Pfennig, einen Ochsen und ein Pferd je 2 alte Pfennige. Für Wagen mit anderen Waaren wurde nichts gezahlt.
  10. Richter, a. a. O. Bd. III., S. 97 flg.
  11. Hinzugefügt ist im allgemeinen: „Zentner Gutt 1 Gr.“, erhöht: Kramer- und Honigwagen von 6 Pfennig auf 1 Groschen, kleine Kramerwagen für jedes Pferd von 2 auf 6 Pfennig, Ketzschenberger (Kötzschenbrodaer) Weinwagen, sowie Personenwagen von 2 auf 4 Pfennig, Stroh und Heu von 2 auf 3 Pfennig, Schweine von 1 Heller auf 1 Pfennig.
  12. A. VI. 84b, Bl. 29 flg.
  13. Neu eingefügt sind gegen die älteste Zollrolle: zu 1 Groschen: Leder, Leinwand, Papier, Schleif- und Leichensteine, Hausrath nach auswärts, Pflaumen, in 8 Pfennigen: „Wagen so hiesiges Bier oder Trincken hinanß führen“, zu 4 Pfennigen: Kraut, Steinkohlen, Schachteln, fremde Bierwagen, Tischler- und Töpferwaaren, Zwiebeln, Meerrettig, Hefen, Schubkarren, Träber, Seifensiederasche, Lohe, Nüsse, zu 3 Pfennigen: Kohlwagen, zu 2 Pfennigen: Pfosten nach auswärts. Erhöht sind die Sätze für Mühlsteine, Hopfen, Eisen, Tuch, Centnergut von einheimischen Fuhrleuten nach auswärts, Heringe von 4 Pfennig auf 1 Groschen, Carnier-(Kärrner-) Wagen für jedes Pferd von 2 auf 6 Pfennig, Stroh von 2 (später 3) auf 4 Pfennig, Kühe, Pferde, Stuten von 1 Heller auf 1 Pfennig, Schöpse und Schafe von ⅓ auf 1 Pfennig. Von zweiter Hand eingefügt sind folgende Sätze: zu 1 Groschen: Glas, Butter, Gips, Wolle oder Garn, Pflocken, Flachs, Speck, Lunten, zu 8 Pfennigen: Schobhüte, Kalk oder Hadern, Senf, Kalb- und Schaffelle, Sauborsten, dürre Fische und Heringe zusammen, zu 6 Pfennigen: Ochsenklauen, zu 4 Pfennigen: Weingefäße, Wagen, die Getreide in die Mühle fahren oder das Mehl zurückbringen, Viktualien, leere Wagen, Wagen mit Leinwand auf die Bleiche, Kammacherspähne, Steinbund, Erlenstangen, Böttcherholz, Schildkröten, Semmeln und Leinsamen, Ziegeln und Dachspähne, Bildhauer- und Drechslerholz, zu 3 Pfennigen: Steinkohlen nach Alten Dresden, zu 2 Pfennigen: Pläner, Thon oder Lehm, Pfosten, Maien, Dünger.
  14. A. VI. 84b, Bl. 52 ff.
  15. A. VI. 84 b, Bl. 82.
  16. Ebenda Bl. 94.
  17. Ebenda Bl. 97.
  18. Kohlen von 3 auf 6 Pfennig, Heu und Steinkohlen nach Altdresden von 3 auf 5 Pfennig, Ochsen und Pferde von 1 auf 2 Pfennig. Dürre Fische (bisher 6 Pfennig) und Federn (bisher 8 Pfennig) wurden als Centnergut, also mit 1 Groschen tarifiert.
  19. A. XVIII. 37.
  20. A. XVIII. 16.
  21. A. VI. 84b, Bl. 129 flg.
  22. A. XVIII. 28; J. II. 14.
  23. J. II. 19, Bl. 9.
  24. A. VI. 84b, 231. 58.
  25. A. XVIII. 45.
  26. A. VI. 84b, Bl. 42 b.
  27. Ebenda Bl. 38.
  28. Akten der Brückenzollverwaltung Br. 10.
  29. Schäfer, Chronik der Elbbrücke, S. 85f.
  30. A. VI. 84b, Bl. 36.
  31. Ebenda Bl. 46, 49.
  32. Ebenda Bl. 156.
  33. A. XVIII. 20, Bl. 27b, 42.
  34. A. VI. 84b, Bl. 98.
  35. A. XVIII. 20, Bl. 40.
  36. Ebenda Bl. 43b.
  37. A. XVIII. 20, Bl. 82b, 89.
  38. A. XVIII. 25; J. II. 20.
  39. A. XVIII. 20, Bl. 60b flg.
  40. A. XVIII. 20, Bl. 66b.
  41. Rathsverordnung vom 12. Mai 1819, A. XVIII. 44, Bl. 122b flg. Hiernach ist die Angabe Neuberts (Vortrag über die Rechtsverhältnisse der alten Elbbrücke S. 87), die Unterthanen des Brückenamtes in den sogenannten Brückendörfern hätten im Jahre 1819 Befreiung von dem Brückenzoll auf Grund diesfallsigen unvordenklichen Besitzstandes beansprucht und zugestanden erhalten, zu berichtigen.
  42. A. XVIII. 25, Bl. 40b; J. II. 20, Bl. 31.
  43. A. XVIII. 20, Bl. 105.
  44. J. II. 20, Bl. 76b.
  45. A. XVIII. 20, Bl. 176.
  46. Ebenda Bl. 178.
  47. A. XVIII. 44.
  48. " " 20, Bl. 178b.
  49. " " 20, Bl. 90ff.
  50. Der Tarif enthielt 8 Sätze zu 2, 3, 4, 6 und 8 Pfennigen, 1 Groschen, 1 Groschen 6 Pfennigen und 2 Groschen, letztere für vierspännige Eastwagen, sowie Wagen mit Glätte und Farben, Am zahlreichsten waren die nach 6 Pfennig zu verzollenden Güter; es waren dies ein und zweispännige Wagen mit Bildhauer-, Drechsler-, Böttcher- und allem Nutzholz, langem Bauholz, Brettern, Dachspähnen, Erlenstangen, Heu, Hefen, Kraut, Kammmacherspähnen, Kleinoden – d. s. Abfälle –, Latten, Lohe, Plänern, Pfosten, Reifen, Rausch – d. s. Kürschnerwaaren –, Schilf, Schildkröten (!), Semmeln, Seifensiederasche, Stroh, Steinkohlen („so in die Stadt oder Neustadt geführt werden“), Steinbund, Thon, Träbern, Wein- und andere leere Gefäße, Wagnerholz, bloß einspännige Wagen mit Kärrner- und Kramerwaaren, ledige Wagen.
  51. A. XVIII. 37. 50.
  52. A. XVIII. 20, Bl. 155c. 162.
  53. A. XVIII. 36, Bl. 131.
  54. Akten der Brückenzollverwaltung Br. 1c (Praters Handakten).
  55. A. XVIII. 45.
  56. G. XXIV. 73.
  57. Bei Wagen berechnete sich der Zoll nach der Zahl der Zugthiere, und zwar wurden erhoben: von jedem Thiere vor beladenen Frachtgüterwagen 2 Neugroschen, vor mit land- und hauswirthschaftlichen Gegenständen beladenen, unbeladenen oder nur mit Personen besetzten Wagen, desgleichen unbespannten Wagen, Reitern und beladenen Handwagen, die von mindestens zwei Personen gefahren wurden, 1 Neugroschen, von kleineren Handwagen, Lasten, die von zwei und mehr Personen getragen wurden, leergehenden Pferden und Großvieh 5 Pfennig, von beladenen Schubkarren und Schiebeböcken 3 Pfennig und von Kleinvieh 2 Pfennig vom Stück, wobei jedoch in Herden von je fünf Stück nur der einfache Satz zu entrichten war.
  58. A. XXIV. 52 (Br. 1a).
  59. G. XXIV. 78 (Br. 1b), Bl. 15 flgg.
  60. G. XXIV. 83, Bl. 66a.
  61. B. II. 110t.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: uud