Zur Geschichte der Hofmühle in Plauen bei Dresden

Johannes Drändorff, der erste mit Namen bekannte Kreuzschüler Zur Geschichte der Hofmühle in Plauen bei Dresden (1901) von Adolf Hantzsch
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904)
Glückwunsch des Rathes zu Dresden zur Thronbesteigung Kurfürst Christians I.
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Zur Geschichte der Hofmühle in Plauen
bei Dresden.
Von Bürgerschul-Oberlehrer Adolf Hantzsch.

Unter den Grundstücken unseres Vorortes Plauen nimmt schon durch ihr Alter die sogenannte Hofmühle eine besonders hervorragende Stellung ein, und es ist gewiß auch für die Einwohner Dresdens nicht ohne Interesse, die Schicksale des erwähnten Grundstückes durch mehrere Jahrhunderte hindurch zu verfolgen.

Nach einigen Schriftstellern soll sie bereits im 14. Jahrhundert vorhanden gewesen und sehr früh in den Besitz der Dresdner Tuchmacherinnung übergegangen sein; den meisten anderen Quellen zufolge wäre sie erst 1520 angelegt worden. Auf Grund des vorhandenen Aktenmaterials, auf dem auch die folgenden Mittheilungen fußen, ist erwiesen, daß an der Stelle, welche noch heute die Hofmühle einnimmt, schon vor 1568 eine Mühle stand, nämlich die der Dresdner Tuchmacherinnung gehörige Walkmühle, über deren Entstehung leider ebenso wenig ein Nachweis ausfindig zu machen war, als über die des Mühlgrabens. Kurfürst August wünschte, wohl weil die bereits vorhandenen landesherrlichen Mühlen den Bedarf an Mehl, namentlich in wasserarmen Zeiten, nicht völlig deckten, in dem der Residenz nahe gelegenen Plauen eine Hofmühle zu errichten und trat deshalb mit der Tuchmacherinnung in Dresden wegen Erwerbung ihrer Walkmühle in Unterhandlung. Da er sich bereit erklärte, der genannten Innung nicht nur ein anderes Mühlenwerk zur Anlegung einer Walke zu verschaffen, sondern auch noch 4000 Gulden baar herauszuzahlen, so kam es unterm 25. Dezember 1568 zum Abschluß des Kaufvertrages.

Sobald Kurfürst August das bisherige Eigenthum der Tuchmacher in seinen Besitz gebracht hatte, kaufte er, um der neu anzulegenden Mühle ausreichenden Raum zu beschaffen, verschiedene anstoßende Parzellen, so laut Kaufbrief vom 18. März 1569 von Paul Hennigs Erben Haus, Garten und Feld für 350 Gulden; den 4. Februar des nächsten Jahres von der Gemeinde Plauen ein Stück Acker, „so sie zur Weide gebraucht, welches zwischen der Mühlwiese und dem neuen Mühlwehr gelegen“, für 85 Gulden, von einem Plauenschen Einwohner, Michel Wespe, ein Stück Acker „an dem Mühlfelde und dem Fels herum bis an das Wehr“ für 115 Gulden.

[29] Die alte Walkmühle, welche zwei Mahlgänge enthielt, wurde nun abgebrochen und an ihrer Stelle die Hofmühle mit 16 Gängen aufgeführt. Der Bau, welcher den 12. März 1569 begann und den 8. September 1571 völlig beendet war, beanspruchte außer den Frohndiensten der Amtsunterthanen mit Pferden und mit der Hand und dem aus den kurfürstlichen Waldungen gelieferten Holze eine Geldsumme von 8336 Gulden 6 Groschen 11 Pfennigen.

Sobald der Bau der Hofmühle in Angriff genommen war, wurde in deren Interesse für eine Anzahl Dresdner Amtsdörfer vom Landesherrn der erst in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts aufgehobene Mahlzwang eingeführt, d. h. die Verpflichtung, nach welcher die Besitzer kleinerer Grundstücke ihren gesammten Mehl- und Schrotbedarf, die der größeren nach Verhältniß ihres Besitzes wenigstens eine bestimmte Scheffelzahl von Getreide in der Plauenschen Hofmühle mahlen lassen mußten. Unterm 6. April 1569 nämlich schrieb Kurfürst August an den Schösser zu Dresden: „Wir befehlen Dir hiermit, Du wollest den Einwohnern der Dörfer disseit der Elben, so mit der Obrigkeit in unser Ampt Dresden gehorig, bei einer namhaftigen Pene auflegen, sich fort des Mahlwerks des Gedreidichs, so sie vor ihre Haushaltung bedurftig oder uf feilen Kauf verbacken, bei niemandes Anders denn in unseren Amptes und den neuen ausgekauften Mohlen alhier zu Dresden und Plauen zu erholen, auch dem Amptslandtknecht befehlen, Achtung darauf zu geben, daß solchen also Folge geschehen möge; ob aber an einen oder mehr Ungehorsam befunden, dasselbe durch geburliche Amptsmittel abwenden“.

Was dem Kurfürsten August die Einführung des der Plauenschen Hofmühle zu gute gehenden Mahlzwanges sehr erleichterte, war der Umstand, daß bereits eine nicht unbeträchtliche Zahl Landleute aus der näheren wie weiteren Umgegend Dresdens in Plauen mahlen ließen. Hier bestanden nämlich damals „seit gar weit über Menschengedenken“ auf dem Gebiete des nachmaligen Reisewitz’schen Grundstücks zwei Mühlen von je vier und drei Mahlgängen mit Oelschlag, deren Besitzer Donat und Matthes Moses laut eines vom kurfürstlichen Landrentmeister eingeforderten Verzeichnisses aus 31 Dörfern 206 ständige Mahlgäste hatten. Dieselben wurden durch kurfürstlichen Befehl zwangsweise in die Hofmühle gewiesen, Donat und Matthes Moses aber, die natürlich wegen mangelnder Aufträge den Betrieb auf ihren beiden Mühlen einstellen mußten, durch Ueberlassung der beiden Amtsmühlen in Tharandt vom Landesherrn entschädigt.

Nach ihrer Fertigstellung ging die Hofmühle in die Hände eines Pächters über, welcher verpflichtet war, den Bestimmungen der Mühlenordnung gewissenhaft nachzukommen. Er hatte unter anderem, einem damals in kurfürstlichen Mühlen üblichen Gebrauche zufolge, für die Hofhaltung jährlich eine Anzahl Schweine zu mästen, durfte aber auch an seine Mahlgäste Bier verabfolgen, das aus bestimmt vorgeschriebenen Brauhäusern entnommen werden mußte. Ferner lag es dem Pachtmüller gegen eine festgesetzte Geldentschädigung ob, das zu mahlende Getreide aus der Residenz abzuholen, aber auch das fertige Mehl wieder dahin zurück zu fahren.

Zur Instandhaltung der viel benutzten Geschirre und zur Anfertigung verschiedener neuer und zur Wiederherstellung gebrauchter eiserner Mühlentheile war eine Schmiede dringend nöthig. Sie mußte natürlich in nächster Nähe der Mühle liegen und ist jedenfalls mit dieser selbst, aber nicht auf kurfürstliche Kosten, errichtet worden. 1578 geschieht ihrer zum ersten Male Erwähnung. Am Sonntag Quasimodogeniti des genannten Jahres nämlich verkaufte der erste Besitzer der Schmiede, Georg Weidner, sein „an der Weißeritz bei der Hofmühle“ gelegenes Grundstück „mit allem Schmiedezeug, wie es steht und liegt“, für 250 Gulden an seinen Sohn Georg. Als dieser gestorben war, ging die Schmiede den 29. Mai 1608 für 340 Gulden in den Besitz von Nickel Hasse über, und ist sie bis zu ihrem 1878 erfolgten Abbruch immer in Privathänden geblieben.

Bei der großen Zahl der ihm zugewiesenen Mahlgäste hatte der Pachter der Hofmühle immer ausreichend zu thun. In letzterer wurden laut Ertragsverzeichniß von Michaelis 1584 bis dahin 1588 insgesammt 7252¼ Scheffel Mehl und Kleie gemahlen. Wenn in den folgenden vier Jahren das Ergebniß um 891 Scheffel geringer war, so lag dies an einem Verschulden des Hofmüllers und des Mühlenvogtes, während den Minderertrag des Jahres 1593 ein störendes Naturereigniß verursachte. Aus einem vom 24. Juli datirenden Bericht des Hausmarschalls Heinrich von Eckhartsberg, dem die kurfürstlichen Mühlen unterstellt waren, erfährt man, daß ein sommerliches Hochwasser nicht nur den Mühlgraben, sondern auch das 1569 angelegte Weißeritzwehr beim Forsthause auf 80 Ellen von Grund aus zerstört und die Hofmühle zum Stillstande gebracht hatte. Weil der Wehrbau bis zum Eintritt des Winters unmöglich fertig zu stellen war, die Hofmühle aber keinesfalls lange unbenutzt bleiben sollte, erbat der genannte Hausmarschall die Genehmigung dazu, daß oberhalb des vernichteten Wehres ein „wüster Graben“ angelegt und dabei ein „verlorener Damm“ geschlagen werden dürfe, um so das Wasser aus der Weißeritz so lange auf die Hofmühle leiten zu können, bis das neue Wehr fertig sei. Diese Anlage erwies sich um so nöthiger, als die „ganzen Wasser, so aus dem Plauenschen Mühlgraben ins Schloß und in die Stadt führten, gar ausblieben, welcherhalben zu Hof, auch unter der Bürgerschaft am Wasser große Klage ist, von Feuersgefahr zu schweigen“. Der Zeugmeister hatte die Dammanlage auf 300 Gulden veranschlagt und [30] erklärte, dieselbe in vier Wochen fertigstellen zu können. Bereits unterm 27. Juli wurde die Genehmigung zur Anlage eines Wassergrabens und des dazu gehörigen Dammes ertheilt und zugleich bestimmt, das Wehr steinern aufzuführen, das dazu nöthige Material an Holz und Steinen rechtzeitig herbeizuschaffen, den Bau im nächsten Frühjahr schleunigst zu beginnen und dabei die Amtsunterthanen mit den Pferden und der Hand frohnen zu lassen, damit dadurch etwas erspart werde.

Der im nächsten Jahre ausgeführte Wehrbau setzte viele Menschen in Thätigkeit. Aus den Pirnaer Steinbrüchen wurden 1000 Stück große Quadersteine, jeder drei Ellen lang, eine Elle ins Geviert und 24 Zentner schwer, sowie 1000 Stück zweiellige Grundstücken per Schiff nach Dresden und von hier per Achse nach Plauen gebracht. Nicht nur zum Transport dieser Steinmassen, sondern auch zur Anfuhre der übrigen Baumaterialien (1000 Steine aus dem Plauenschen Grunde, 750 Fuder Thon aus Cotta, 800 Kasten Kalk, 2400 Kasten Sand) zog die kurfürstliche Baukommission die Dresdner Amtsunterthanen heran, welche, über die anhaltenden Frohndienste unwillig, sich beim Dresdner Amtsschösser über zu große Belastung beschwerten. Dieser, die Verhältnisse genau kennend, nahm sich der Klagenden an und wußte es dahin zu bringen, daß nicht nur die Herbeischaffung der 1396 Stämme Holz aus der Lausitzer und Dippoldiswaldaer Heide und aus dem Tharandter Walde den Unterthanen der Aemter Moritzburg, Radeberg, Stolpen, Dippoldiswalde und Tharandt zugewiesen, sondern auch für die Fahr- und Handdienste den Dresdner Amtsunterthanen eine kleine Vergütung gereicht und eine Ueberlastung derselben verboten wurde.

Für eine lange Zeit trat bei der Hofmühle eine Veränderung nicht ein, weder in ihren inneren noch äußeren Verhältnissen, wenn sich auch im Laufe der Jahre sowohl an den Mühlgebäuden als auch am Wehre mancherlei Baulichkeiten nöthig machten. – Unterm 18. September 1640 ward die Bestallung, welche für die bisherigen Hofmüller Geltung gehabt, erneuert und den Zeitverhältnissen mehr angepaßt. Sie enthielt u. a. folgende Bestimmungen: Der Müller soll den Knechten ohne sein Wissen und Willen, sonderlich bei Nacht, da die Mühlstatt verschlossen sein soll, aus der Mühle zu gehen nicht nachsehen noch verstatten, er auch selbst ohne Erlaubniß des Mühlenvogtes des Nachts nicht aus der Mühle bleiben. – Damit er sich des Mahlwerks desto fleißiger annehmen möchte, soll ihm von allem in der Hofmühle gemahlenen Getreide die vierte Metze gehören; Kleie und Staubmehl dagegen muß er an den Hof zur Verfütterung abliefern. – Wegen seiner Mühe, Unkosten und wegen Erhaltung des Gesindes durch Kost und Lohn sollen dem Müller vom Hofe jährlich vier Mastschweine, „nicht die besten noch die geringsten“, ohne Bezahlung verabfolgt werden. Ein Hinweis auf strenge Befolgung der dem Hofmüller obliegenden Verbindlichkeiten schien gerade damals um so nöthiger, als die Wirren des 30jährigen Krieges, unter denen auch Plauen wiederholt empfindlich zu leiden hatte, Gesetzesüberschreitungen viel leichter ermöglichten, als geordnete Zeitverhältnisse. Inwieweit die Hofmühle als eins der bedeutendsten Grundstücke des Ortes von den Stürmen jenes furchtbaren Krieges besonders berührt wurde, läßt sich in Ermangelung darauf bezüglicher Nachrichten nicht angeben; nur von folgender Thatsache aus jener Zeit haben wir Kenntniß. Als nämlich die Schweden unter ihrem Heerführer Torstenson vom 27. Dezember 1642 an Freiberg belagerten, kam im Februar des nächsten Jahres der kaiserliche General Piccolomini mit einem Entsatzheere herbei und es gelang ihm auch, den Feind von der genannten Stadt, die sich fast zwei Monate aufs tapferste vertheidigt hatte, zu vertreiben. Nunmehr wandte sich Piccolomini nach Dresden zu, um in dessen Nähe sein Korps zu sammeln und, wenn möglich, die zurückweichenden Schweden dann zu verfolgen. Da jedoch die kaiserlichen Truppen trotz der ziemlich starken Artillerie sich nicht in der Verfassung zeigten, dies zu thun, wurden sie Ende Februar in den Nachbardörfern der Altstadt untergebracht und Plauen zum Hauptquartier ausersehen. In der dortigen Hofmühle schlug Piccolomini sein Quartier auf und verweilte daselbst bis zum Aufbruch des Armeekorps den 10. März 1643.

Weitere die Hofmühle betreffende Nachrichten von einiger Bedeutung bietet das 17. Jahrhundert nicht, und auch aus dem nächsten Säculum sind die Nachrichten weder reichlich noch sonderlich wichtig. Das Jahr 1765 brachte für die Hofmühle eine bauliche Veränderung. Es wurde damals das dem Mühlengebäude gegenüberstehende 36 Ellen lange und ein Geschoß hohe sog. Schirrhaus erbaut, in dem sich Niederlage, Wagenschuppen und Schweineställe befanden. Acht Jahre später beseitigte man das nicht mehr zweckmäßige und dauerhafte Hauptgebäude des Mühlengrundstücks und errichtete auf derselben Stelle ein neues. Der Bau, der den vollen Betrieb des Werkes oft bedeutend hinderte, dauerte vom 24. Mai bis 16. Oktober. Das aufgeführte Gebäude enthielt zwar auch nur 14 Gänge, hatte aber eine Frontlänge von 92 Ellen, war zwei Gestock hoch und wurde durch einen in der Mitte durchgehenden Brandgiebel in zwei Hälften getheilt.

Am Anfange des 19. Jahrhunderts tritt uns zunächst die Mittheilung von einer kleinen kriegerischen Episode entgegen. Das ganz von Truppen entblößte Dresden war am 11. Juni 1809 gegen Abend von Oesterreichern und schwarzen Husaren des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Oels ohne Schwertstreich in Besitz genommen worden, obgleich bei Gorbitz noch ein Korps [31] Sachsen stand. Allerdings wagten diese in den ersten Morgenstunden des nächsten Tages einen Angriff auf die österreichischen Vorposten vor dem Freiberger Schlage; allein sie wurden von den ausrückenden Feinden nicht nur zurückgedrängt, sondern auch in einem Gefechte bei Pennrich geschlagen und unter beständiger Verfolgung zu weiterem Zurückgehen veranlaßt. Von den aus der nahen Residenz kommenden Soldaten waren auch einzelne durch irgend welchen Umstand nach Plauen gerathen und statteten nun behufs Erpressung zwar nicht dem Dorfe selbst, aber den Mühlen einen Besuch ab. Es war am Montage früh gegen 5 Uhr, wie der damalige Pachter der Hofmühle, Friedrich Christlieb Wahle, den 15. Juni an Amtsstelle erzählte, als zwei österreichische Kavalleristen in seinem Grundstücke erschienen. Der eine Soldat ritt in den Hof, der andere sogar in das Haus. In der Wohnung traf dieser des Müllers Schwager, dem er ohne weiteres das Pistol auf die Brust setzte und die Uhr abverlangte, die er unter solchen Umständen auch sofort erhielt. Um einen Gegenstand von 15 Thalern an Werth leichter, mußte nun der Schwager auf des Soldaten Drängen den Müller holen, dem, als er erschien, unter Bedrohung mit der Schußwaffe ebenfalls die Uhr und 10 Thaler abgefordert wurden. Um weiteren Unannehmlichkeiten zu entgehen, schaffte dieser wohl die geforderte Summe, aber keine Uhr herbei, indem er behauptete, eine solche nicht zu besitzen. Augenscheinlich zufriedengestellt, ritt der Erpresser zu seinem noch im Hofe wartenden Kameraden und verließ mit diesem unbehelligt die Hofmühle.

Brachten ihren Bewohnern auch die nächsten Kriegsjahre noch mancherlei Beschwerden, so blieben jene doch vor größeren Uebeln bewahrt, was wohl hauptsächlich auf den Umstand zurückzuführen ist, daß die Hofmühle Staatseigenthum war und als solches von Freund und Feind eher geschont wurde. Daher kam es auch, daß die Einwohner Plauens, soweit sie nicht den Ort verlassen hatten, zuweilen für sich und ihr Vieh in der Hofmühle Zuflucht suchten, wenn auch nicht immer zu ihrem Vortheil. So hatte nach der Schlacht bei Dresden (den 26. und 27. August 1813) ein französischer Soldat den wohlhabendsten Bauern des Dorfes Plauen gerathen, ihr noch vorhandenes Vieh nach der Hofmühle zu bringen, um es vor einer möglichen Wegführung durch seine noch in Dresden lagernden Landsleute zu sichern. Die geängsteten Dörfler befolgten sofort den scheinbar so wohlgemeinten Rath – und am andern Morgen holten sich die Herren Franzosen 34 Stück Rinder in der Hofmühle ab.

Nach dem Eintritt ruhiger Zeiten erfuhr dieses Grundstück eine Erweiterung, indem im Jahre 1818 eine Oelmühle mit 16 Paar Stampfen, sowie mit einer Schlägel- und einer Keilpresse angelegt und für dieselbe nach der Weißeritzseite ein zweistöckiges Haus von 24 Ellen Länge und 22 Ellen Breite erbaut wurde. Um den mit der Zeit gesteigerten Anforderungen an den Betrieb der Oelfabrik möglichst gerecht zu werden, ließ der letzte Pächter und nachmalige Besitzer der Hofmühle, Bienert, in den Jahren 1860 und 1861 die Oelmühle nach den neuesten Erfahrungen umbauen, wodurch es künftig möglich wurde, in 24 Stunden 100 Zentner Oelfrucht zu verarbeiten, während bisher in dem gleichen Zeitraum und mit derselben Kraft nur 25 Zentner hatten bewältigt werden können. Wegen des erweiterten Betriebes mußten natürlich auch für die Oelraffinerie größere Räume beschafft werden, was Bienert dadurch erreichte, daß er für diesen Zweck ein neues Gebäude aufführen ließ.

Ueberhaupt verdankt die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach und nach recht in Verfall gerathene Hofmühle diesem überaus unternehmenden und thatkräftigen Manne, welcher sie am 1. Mai 1852 pachtweise übernahm und genau 20 Jahre später durch Kauf zu seinem Eigenthum machte, einen Aufschwung, den man früher nicht für möglich gehalten hätte. Dies konnte allerdings nur dadurch geschehen, daß Bienert nach und nach die alten Mühlengebäude sämmtlich beseitigen und an ihrer Stelle weit größere errichten ließ, in welchen alle neuen technischen Errungenschaften auf diesem Gebiete zur Anwendung gelangten. Bei der großartigen Umgestaltung der Hofmühle blieb zunächst noch immer der Mahlstein in Gebrauch; als dieser aber seit 1870 im Großmühlenbetrieb durch die Einführung von Porzellanwalzen verdrängt wurde, führte Bienert auch in seinem Etablissement die Walzenmüllerei mit bestem Erfolge ein, wodurch sich ein zweiter großer Neu- und Umbau nöthig machte, den er in den Jahren 1880–83 ausführen ließ. Auf die verschiedenen Neuerungen näher einzugehen, ist hier nicht die Absicht; nur darauf sei hingewiesen, daß die Hofmühle jetzt eine Weizen- und eine Roggenmühle, eine Oelfabrik mit Oelraffinerie und eine Bäckerei enthält, in welch’ letzterer 10 Backöfen aufgestellt sind. Jenseits der Eisenbahn befinden sich ein Magazin, das 50 000 Zentner Getreide fassen kann, und daneben ein großer Silospeicher, in welchem sich 25 000 Zentner unterbringen lassen.

1874 wurde von Bienert jenseits der Weißeritz eine Gasanstalt errichtet, um das Mühlengrundstück und das Dorf Plauen mit ausreichendem Lichte zu versehen. Seit einigen Jahren ist in der Hofmühle die elektrische Beleuchtung eingeführt. – Die 1875 ebenfalls von Bienert angelegte Wasserleitung versorgt Mühlenwerk und Gemeinde[1].



  1. Bearbeitet nach folgenden Aktenstücken des K. Finanzarchivs: Rep. XXII, Dresden 75a. – Rent. Cop. 1570 – Rent. Cop. 1594, Vol. 1 – Rep. XI. III, Loc. 37758, Amt Grüllenburg Nr. 3. – Rep. VI, Loc. 34154, Lit. P Nr. 64. K. Hauptstaatsarchiv Loc. 6148. Kriegserpressungen 1809.