Zur Bekämpfung der Clavierseuche

Textdaten
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Autor: B. S.
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Titel: Zur Bekämpfung der Clavierseuche
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 652
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[652] Zur Bekämpfung der Clavierseuche. In seinem überall mit Beifall aufgenommenen Artikel über die Clavierseuche (vgl. Nr. 35) hat Professor Hanslick einen Tonmoderateur erwähnt, der den Spieler in den Stand setzt, den Ton jedes Claviers beliebig abzudämpfen, sagt aber selbst, daß er ihn nicht genauer kennen gelernt. Vielleicht auch ist dieser Apparat nicht praktisch genug gewesen, um sich größere Geltung zu schaffen, wir erwähnen deshalb hier einer anderen Erfindung, von der wir Kenntniß erlangt haben.

In Dresden hat neuerdings die Pianofortefabrik Apollo unter Direction von Oscar Laffert eine Anregung zu einer Vervollkommnung dieser Idee gegeben: sie versieht ihre Pianinos mit einem Tonabdämpfungsapparat, dem sogenannten „stummen“ Zuge. Bei Anwendung dieses „stummen“ Zuges wird der Clavierton speciell für Uebungszwecke fast bis zur Unhörbarkeit abgedämpft. Im Princip ist die neue Einrichtung des Apollo-Pianinos nach dem früher bekannten sogenannten „Fagottzuge“ herausgebildet worden. Herr O. Laffert fand in dem alten Fagottzuge mit seinem Tuchstreifen, der sich zwischen die Saiten und die Hämmer legte, einen Anhalt für seine einfache Einrichtung, den Clavierton möglichst abzudämpfen. Mit einem nur einfachen Tuchstreifen ist es freilich nicht gethan. Dabei kommt eine zu geringe Dämpfung, eine nur sordinenartige Klangfarbe heraus, auch wird dabei der Einzelton nicht ganz rein angegeben, sondern es klingt ein störender Beiton (durch Berührung des Nebentons erzeugt) mit. Der „stumme“ Zug des Apollo-Pianinos giebt zunächst in einem wolligen Filzstoffe für jedes einzelne Saitenchor einen separaten Dämpfungslappen, der mit einer Intonirnadel nach der für Hammerköpfe gültigen Norm behandelt wird. Hinter diesem Separatlappen sind dann weitere Tuchstreifen von immer größerer Härte angebracht, um weitergehende Dämpfung des Tones zu bewirken. Will man den Ton noch mehr abdämpfen, so kann man sich des üblichen Pianozuges besonders bedienen. Dann erstirbt das Claviergetön in ein leises Flüstern, ebenso wohlthuend für den übenden Spieler wie für die Nebenwohnenden, die gar nicht mehr belästigt werden. Das Innenwerk des Claviers wird durch Anbringen des „stummen“ Zuges in keiner Weise verändert, auch die Spielart nicht beeinträchtigt. Der rücksichtsvolle Spieler schiebt, bevor er die Uebungen beginnt, den unter der Spiellade befindlichen Riegel, durch welchen der „stumme“ Zug gestellt wird, seitwärts und spielt geräuschlos, selbst aber jeden Ton genau hörend, ohne die Nachbarn im Geringsten zu stören. Noch ein Extravortheil ist für den Besitzer eines Pianinos mit dem Anbringen des „stummen“ Zuges verbunden: Saiten und Hämmer werden weit langsamer abgenutzt, als beim ungedämpften Clavierspielen, weil durch die dicken (mehrfachen) Tuchstreifen, die sich zwischen Saiten und Hämmer legen, die Reibungen unschädlicher werden.

Natürlich bietet die neue Apollo-Einrichtung nur den Anfang oder die Anregung zu technischen Vervollkommnungen. Intelligente Clavierfabrikanten werden noch Manches daran vervollständigen. Jedenfalls ist aber schon etwas damit gewonnen. Möge die Technik weiter auf der heilbringenden Bahn fortschreiten und dem allgemein empfundenen Uebel des Clavierlärms entgegenwirken!
Dresden. B. S.