Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche/Kapitel XI

X. Die Pšezpolnica Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche (1880) von Edmund Veckenstedt
XI. Die Anna Subata
XII. Die Gibańe
[112]
XI.
Die Anna Subata.

1.

Wenn die Anna Subata sich sehen lässt, so ergreift Jeden Furcht und Schrecken; wer sie erblickt, der läuft davon.

Sylow.     
2.

Einst mähten Bauern auf dem Felde ihr Korn, da sahen sie die Anna Subata, ein wildes, riesiges Weib, auf sich zukommen. Die Bauern liessen voll Schrecken ihre Sensen und alles übrige Arbeitsgeräth im Stich und liefen davon.

Guhrow.     
3.

Die Anna Subata sitzt im Korn und schneidet mit einer Sichel den Kindern den Hals ab, weshalb die Eltern ihre Kinder warnen, in das Korn zu gehen.

Sylow.     
4.

Die Anna Subata ist ein böses, giftiges Wesen; sie hat grosse, starke Eckzähne, ihre Vorderzähne aber sind sehr klein.

Sylow.     
5.

Wenn eine Frau spitze Zähne hat, so sagt man von ihr: „Du siehst aus wie die Anna Subata.“

Greifenhain.     
6.

Die Anna Subata ist weiss gekleidet; über dem Gesicht hat sie drei Bänder, das mittelste ist wie ein Karrenband. Sie [113] ist ganz unleidlich, sie zankt und prügelt sich mit den Leuten herum.

Reinbusch.     
7.

Wenn ein Unheil bevorsteht, so verkündet dies die Anna Subata.

bei Drebkau.     
8.

An dem Wege von Gollscho nach Domsdorf liegt ein Wald: in dem Wald sind noch jetzt viele Sümpfe. Man sagt, dass hier des Nachts um zwölf Uhr die Anna Subata erscheint, um die Menschen, welche um diese Zeit des Weges kommen, vor den Sümpfen zu warnen.

Gollscho.     
9.

Ein Bauer wollte am Marientag in die Haide gehen. Am Ende des Dorfes begegnete ihm Jemand, der fragte ihn: „Wohin an Marien?“ Der Bauer antwortete: „Meine Marie ist zu Hause.“

Als der Bauer in die Haide kam, sah er eine Frau mit einem schrecklichen Gesicht, welche ihn mit den Worten anredete: „Was machst Du hier?“ Der Bauer erschrak über die Frage und das furchtbare Gesicht so sehr, dass er nach Hause ging, krank wurde und acht Tage darauf starb. Die Leute, denen er von dem furchtbaren Gesicht erzählte, sagten, er habe die Anna Subata oder Maria na Penku gesehen.

Branitz.     
Maria na Penku.
1.

Maria na Penku ist eine Frau, welche im Walde auf einem Stamme sitzt.

Domsdorf.     
2.

Die Maria na Penku erscheint kleinen Kindern am Marientage. Sie sitzt auf einem Baumstamm und kämmt ihr Haar. Kommt ein Kind in ihre Nähe, so springt sie vom Stamm [114] herab, hascht den kleinen Störenfried und setzt sich mit dem Kinde wieder auf den Stamm: dabei liebkost und küsst sie das Kind.

Mischen.     
3.

Die Maria na Penku sass einmal auf einem Baumstamm. Ein Mann ging an ihr vorüber. Als er dieselbe ruhig sitzen sah, fing er an, sie zu ärgern. Da ergriff die Marie na Penku einen Stock und berührte ihn damit. Der Mann wurde blind; bald darauf ist er gestorben.

Sylow.     
4.

Die Maria na Penku war gewohnt, an den grossen Feiertagen Holz zu hacken, und zwar that sie das mit einem so lauten Geräusch, dass man den Schall der Axt weithin vernahm. Einst wollte man sie einfangen, sie aber setzte sich auf einen Stamm, biss, kratzte und heulte dabei so furchtbar, dass ihr Niemand etwas anhaben konnte. Da beschloss man, den Stamm, auf dem sie sass, umzusägen. Kaum aber hatte die Säge in den Stamm eingeschnitten, so floss eine furchtbare Menge Blut aus dem Einschnitt hervor. Darüber erschraken die Leute so, dass sie von ihrem Vorhaben abstanden und eilig davon liefen. Maria na Penku aber blieb ruhig auf ihrem Stamm sitzen.

Ströbitz.     
Die Frau auf dem Berge.

Wenn man von Werben aus immer zu nach Mittag geht, so kommt man endlich an einen Berg. Auf demselben hält sich eine Frau auf. Wenn man sie nach der Zukunft fragt, so verkündet die Frau, wann man sterben wird.

Werben.     
Die glühende Frau.

Bei Mukwar liegen sieben kleinere Hügel um einen grossen im Kreise herum. Alle diese Hügel sind völlig abgerundet. Das soll davon herrühren, dass die glühende Frau, [115] welche des Nachts aus dem grossen Hügel herauskommt, auf ihnen mit ihren Kleinen ihr Wesen treibt.

Mukwar.     
Die Fika.
1.

Die Fika fand einmal eine Pfeife. Als ihr ein Wirth Tabak gegeben, rauchte sie fortan. Nachdem ihr Tabak alle geworden war, gab ihr einmal ein Bauer geschnittenes Stroh. Das stopfte sie in die Pfeife; als sie einige Züge gethan hatte, sagte sie: „Der Tabak schmeckt hübsch leicht.“ Fortan rauchte sie nur noch Stroh.

Sylow.     
2.

Die Fika, welche gern rauchte, erbat sich einmal von Jemand Tabak; der gab ihr aber statt dessen Stroh. Das schmeckte ihr gut; deshalb bat sie, als dasselbe aufgeraucht war, um mehr. Diesmal erhielt sie Pulver. Sie füllte damit ihre Pfeife. Als sie nun dieselbe anzündete, blitzte das Pulver auf, die Flamme schlug ihr in die Augen und sie erblindete.

Sylow.     
3.

Die Fika ist eine Frau gewesen, welche gern Tabak geraucht hat. Sie hatte immer etwas Sonderbares an sich und deshalb mied man sie. Ihren Tod hat sie in einer der Branitzer Lachen gefunden. Fortan wagte sich Niemand mehr an die Lache, wo die Fika ertrunken war. Nun geschah es aber doch einmal, dass ein Hirt es versah und seinen Grauschimmel in der Nähe der Lache weidete. Auch er hatte früher gehört, dass es mit der Fika nicht recht richtig gewesen sei. Da er aber von ihr, seit sie gestorben war, nichts mehr vernommen hatte, so glaubte er nicht daran, sondern rief in seinem Uebermuthe: „Fika, willst Du nicht eine Pfeife Tabak rauchen?“ Es rührte sich nach diesen Worten zwar nichts in der Lache, als er sich aber nach seinem Schimmel umsah, war dieser verschwunden. Nun machte er [116] sich auf und suchte überall nach seinem Pferde. Endlich fand er den Schimmel in der Nähe der Lache. Sofort bestieg er ihn, um nach Hause zu reiten. Kaum aber sass er auf dem Pferde, so wurde dieses immer grösser und grösser, so dass er nicht mehr herabsteigen konnte. Da merkte er zu seinem Schrecken, dass es ein Gespenst war, auf dem er ritt. Also hatte die Fika sich für seinen Uebermuth gerächt.

Branitz.     



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