Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche/Kapitel V

← IV. Der dumme Hans Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche (1880) von Edmund Veckenstedt
V. Pumphut
VI. Dr. Faust
Die Bedeutung der Doppellinie erläutert Veckenstedt im Vorwort auf Seite V folgendermaßen: „Die Sagen und Märchen der deutschredenden Wenden finden sich in jedem Abschnitte nach dem Zeichen, welches zwei parallele Striche bilden.“ Ferner führt er auf Seite X den Grund der Kennzeichnung an: „Nicht unwillkommen wird, hoffe ich, der Forschung die Art sein, wie ich die reine Sorbentradition von derjenigen Ueberlieferung geschieden habe, welche zwar auf wendischer Grundlage ruht, aber eben weil sie einem Geschlecht deutschredender Menschen entnommen ist, vielleicht eine oder die andere Modification erlitten hat.“
[86]
V.
Pumphut.

1.

Pumphut, welcher Müller und Zimmermann war, trat einst als Knappe bei einem Müller in Arbeit, wurde aber von demselben so schlecht behandelt, dass er beschloss, diesem zu schaden. Deshalb bewirkte er durch seine Zauberei, dass eine Walze, welche der Müller für seine Mühle anfertigen liess, um drei Fuss zu kurz war.

Sylow.     
2.

Pumphut ging einmal vor einer Mühle auf und ab. Der Müller bemerkte ihn endlich und fragte, was er wolle. Da bat Pumphut um Arbeit. Der Müller wollte davon nichts wissen, sondern lachte ihn aus. Pumphut wurde darüber ärgerlich und ging davon. Er war aber noch nicht lange fort, so kam der Knappe zum Meister und meldete ihm, die Welle sei plötzlich eingeschrumpft, er könne nicht mehr mahlen. Sogleich vermuthete der Müller einen Streich Pumphuts und trug dem Knappen auf, er solle diesem nachlaufen und ihn bitten, er möge ja wiederkommen. Das that der Knappe auch und Pumphut kam zurück. Da bat ihn der Meister, er möge den Schaden wieder gut machen, den er angerichtet habe. Pumphut liess sich endlich erbitten, nahm eine Axt und schlug damit an die Welle; sogleich war diese wieder so lang wie vorher.

Branitz.     
3.

Pumphut traf einmal mit einem Förster zusammen und bewirkte durch seine Zauberei, dass den Förster eine Menge Hasen umhüpften. So oft nun dieser anlegte und auf die [87] Hasen schoss, nie traf er einen derselben. Da merkte er, dass ihm Pumphut diesen Schabernack spiele. Der Förster aber war auch zauberkundig und so vergalt er Gleiches mit Gleichem. Als nämlich Pumphut wieder zu seiner Mühle zurückgekehrt war und mahlen wollte, geschah es, dass statt des Mehles lauter Eichkätzchen aus der Oeffnung der Mühlsteine heraushüpften.

Sylow.     
4.

Pumphut angelte einmal an einem See; es war aber verboten, dort Fische zu fangen. Als die Leute des nächsten Dorfes sein Thun und Treiben bemerkten, verboten sie ihm das, und als er nicht auf das Verbot hörte, wollten ihn die Bauern gefangen nehmen. Allein Pumphut ging, als die Bauern sich ihm näherten, über das Wasser, als wäre er auf dem festen Lande. Kaum war er auf diese Weise auf die andere Seite des Sees gelangt, so begann er von Neuem zu angeln. Da wurden die Bauern wüthend und beschlossen, ihn niederzuschiessen. Einer von ihren besten Schützen wurde geholt, er musste sein Gewehr laden, auf ihn anlegen und schiessen; allein sobald der Schuss krachte, hob Pumphut nur sein Bein in die Höhe und die Kugel ging darunter weg. Da glaubten die Bauern, Blei werde ihm nichts schaden, sie wollten es deshalb mit einer silbernen Kugel versuchen. Gesagt, gethan. Allein auch diese Kugel vermochte ihm nichts anzuhaben, denn Pumphut fing sie mit seinem Hut auf. Darauf rief er den Bauern spöttisch zu: „Schiesst nur mehr, ich kann die Dinger gut gebrauchen.“

Nun sahen die Bauern wohl, sie würden Pumphut nichts anhaben können; deshalb luden sie ihn ein, zu ihnen zu kommen. Pumphut nahm auch die Einladung an. Die Bauern gaben ihm nun reichlich zu essen und baten ihn, er möge sie doch auch seine Kunststücke lehren, er aber that das nicht, ass sich satt und darauf zog er weiter.

Branitz.     
5.

Pumphut ist eigentlich ein grosser Nix; er lebt aber nicht gern im Wasser, sondern hält sich zumeist auf dem Lande auf.

Sylow.     
[88]
6.

Pumphut ist der grösste Zauberer gewesen: durch ihn sind die Menschen so verdorben worden, wie sie jetzt sind.

Kiekebusch.     
7.

Als Pumphut ein Beil nach dem Thurme in Mokrehna, an welchem man es noch jetzt sieht, geworfen hatte, sprach er: „Das Beil wird so lange dort oben bleiben, als ich lebe und Pumphut heisse.“

Branitz.     


8.

Pumphut kam einst als Knappe zu einem Wassermüller, welcher gerade dabei war, an Stelle einer schadhaften Welle eine neue fertigen zu lassen. Es ärgerte den Müller gewaltig, dass der Knappe müssig zusah, und als derselbe gar um Wegzehrung bat, wurde er von dem Müller abgewiesen. Pumphut ging darauf weiter. Kurze Zeit nachher wollten die Werkleute die Welle einbringen, allein jetzt zeigte es sich, dass dieselbe zu kurz war, so genau man auch vorher das Mass genommen hatte. Da fiel dem Müller ein, es müsste mit dem wandernden Knappen wohl eine eigene Bewandtniss gehabt haben, gewiss sei das Pumphut gewesen. Schnell lief er ihm deshalb nach, reichlich mit Geld, Essen und Trinken versehen. Bald traf er denn auch Pumphut, welcher unter einem Baume lag und schlief. Er weckte ihn, gab ihm zu essen und einen tüchtigen Schnaps und bat ihn, mit zu dem Werke zu kommen, dann würde er ihm Geld geben, dazu wiederum Essen und Trinken, so viel er wolle. Pumphut liess sich erbitten und folgte dem Müller. Als er die zu kurze Welle sah, forderte er vier Mann auf, an dem einen Ende zu ziehen, er selbst zog an dem andern; bald hatte die Welle die gewünschte Länge. Darauf schmauste Pumphut reichlich, nahm das Geld und zog weiter.

Daher kommt es, dass man noch heute, wenn eine Welle zu kurz ist, zu sagen pflegt, wenn nur Pumphut hier wäre, dann würde Alles gut sein.

Cottbus.     
[89]
9.

Einst arbeitete Pumphut als Knappe in einer Mühle. Als die Steine geschärft werden mussten, machte er sich an die Arbeit, und da es so kalt war, klagte er darüber, dass ihn bei der Arbeit friere. Der Müller ärgerte sich darüber und zankte. Flugs steckte Pumphut den Stiel seiner Hacke durch das Loch des Steines, lud denselben auf die Schulter und ging damit wie mit einem Bündel Reisig in die Stube. Darauf machte er sich’s hinter dem Ofen bequem, schärfte den Stein, dann aber liess er ihn dort liegen und ging in die Schenke. Hier liess er es sich gut sein. Der Müller merkte nun, mit wem er zu thun habe und weil er den Stein nicht an Ort und Stelle tragen konnte, so musste er dem Knappen nachgehen und ihn bitten, den Stein doch wieder einzusetzen. Pumphut liess sich auch erbitten und trug den Stein wieder, als wäre er von Holz, an seine Stelle. Darauf forderte er seinen Lohn und zog weiter.

Cottbus.     
10.

Pumphut pflegte früher als ein armer Müllergesell herumzuwandern, zuweilen mit einem Begleiter, zuweilen ohne einen solchen, und wo er Arbeit fand, da blieb er. Aber gut musste man ihn aufnehmen, und Geld und gutes Essen verschmähte er nicht. So kam er auch in der Sommerzeit, als sich kein Lüftchen regte, zu einem Windmüller. Der hatte viel Korn dastehen, konnte aber nicht mahlen, weil kein Wind war. Pumphut erbot sich, bei ihm als Knappe zu bleiben. Der Müller überliess ihm auch die Mühle. In der Nacht liess Pumphut einen tüchtigen Wind wehen und mahlte so darauf los, dass am andern Morgen nur noch ein Sack Korn übrig war. Das gefiel dem Müller gar wohl. Er bewirthete Pumphut reichlich und gab ihm willig den Lohn, welchen derselbe verdient hatte. Darauf zog Pumphut zufrieden weiter.

Cottbus.     
11.

Als Pumphut einst in Mokrehna war, stritten sich die Leute darüber, wer im Dorfe der stärkste Mann sei. Diejenigen, [90] welche sich am meisten zutrauten, prahlten mit ihren Kräften. Um ihre Kräfte zu erweisen, warfen sie mit einer Axt nach einem bestimmten Ziele. Endlich ergriff auch Pumphut die Axt, schwang sie leicht wie eine Feder hin und her und warf sie schliesslich zwischen den Beinen hindurch in die Höhe, so dass sie hoch oben am Kirchthurm haften blieb, wo man sie noch heute sehen kann.

Cottbus.     
12.

So gut es Pumphut in seinem Leben gegangen ist, weil er furchtbar stark war und Vieles wusste, so schrecklich ist doch sein Tod gewesen. Einst wanderte er mit einem Müllergesellen durch das Land. Als sie an einem grossen Baume vorüberkamen, schoss von demselben eine grosse, mächtige Schlange herab, gerade auf Pumphut zu. Da half kein Wehren. Grausig ist es anzusehen gewesen, wie Pumphut mit der Schlange gerungen hat. Der Schlange ist ein Kopf nach dem andern aus dem Halse herausgewachsen, bis es an die Hundert waren. Pumphut ist schliesslich von der Schlange lebendig verzehrt worden.

Cottbus.     



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