geordnet habe, dass der rothe Faden, welcher die verschiedenen Manifestationen des Volksgeistes verbindet, zu Tage tritt. Zur Ergänzung des Materiales einer jeden Gestalt schien es deshalb erlaubt, die dahin gehörenden Märchen und selbst abergläubischen Gebräuche, welche das Zeichen des gestürzten Glaubens klar an der Stirn tragen, heranzuziehen. Eben aus diesem Grunde haben sich den Wendenkönigssagen sogar einige Züge der slavischen Heldensage einfügen müssen. Nicht unwillkommen wird, hoffe ich, der Forschung die Art sein, wie ich die reine Sorbentradition von derjenigen Ueberlieferung geschieden habe, welche zwar auf wendischer Grundlage ruht, aber eben weil sie einem Geschlecht deutschredender Menschen entnommen ist, vielleicht eine oder die andere Modification erlitten hat.
Was nun die eigentlichen Märchen anbetrifft, so ist die Thatsache sicher eine erfreuliche, dass in den Werken der Gebrüder Grimm sich gar manche Parallele zu ihnen findet, natürlich in weit reicherem Masse in den Sagenwerken der Russen. Einzelne Gestalten aber der wendischen Märchenwelt scheinen eigenartig zu sein. Auch die Märchen der Wenden mahnen daran, dass es Zeit ist, diejenigen Märchen der arischen Völker, welche dieselben sind, nur man möchte sagen dialektisch gewandelt, zusammenzufassen und ihre tiefere mythische Bedeutung anzuerkennen, daneben freilich auch zuzugestehen, dass die individuelle Schöpferkraft eines Volkes sich nicht nur in den Sagen, sondern auch in den Märchen lebendig erweist.
Die Nummern des Aberglaubens habe ich so geordnet, dass sie gleichsam ein Spiegelbild dessen geben, was der wahnbefangene Mensch, dem der alte Glaube alle Fasern seines Wesens durchdringt, zu thun oder zu lassen gezwungen ist, will er unholden Mächten den Eingang versagen, oder sind dieselben bei ihm eingezogen, wie er ihren Bann löst. Sorgfältige Erwägungen in der Anordnung dieser Nummern werden hoffentlich nicht vermisst werden.
Besondere Mühe habe ich auf die Aufspürung des abergläubischen Kalenders verwandt. Es ist jedenfalls interessant, dass z. B. die wendische mjas god Zeit den Saturnalien der
Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880, Seite X. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Veckenstedt_-_Wendische_Sagen,_M%C3%A4rchen_und_abergl%C3%A4ubische_Gebr%C3%A4uche.pdf/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)