Trauriges Schicksal des P. Anianus, weiland gewesenen Lectors der Philosophie und Theologie im Capucinerkloster zu Bamberg

Textdaten
<<< >>>
Autor: Anonym
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Trauriges Schicksal des P. Anianus, weiland gewesenen Lectors der Philosophie und Theologie im Capucinerkloster zu Bamberg
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 2, S. 177–184
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1791
Verlag: Raw
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Nürnberg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
s. a. Bestättigung der traurigen Geschichte des P. Anians, nebst der Kerkergeschichte des P. Mansuet Oehningers, Capuciners zu Wirzburg, Miscellaneen (Journal von und für Franken, Band 4, 3)#20, An die Herausgeber des Journals von und für Franken
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


|
II.
Trauriges Schicksal des P. Anianus, weiland gewesenen Lectors der Philosophie und Theologie im Capucinerkloster zu Bamberg.
Ich zweifle kaum, daß meine Landsleute nachstehende Fragmente aus dem Leben des unglücklichen Pater Anianus ohne innigste Rührung werden lesen können. Vielleicht werden sie, nachdem sie dieß wenige gelesen haben, was ich von den schrecklichen Schicksalen dieses Unglücklichen erfahren konnte, eben so wenig die Empfindung unterdrücken können, die mich allemahl befällt, wenn ich zuweilen durch den mir verhaßten Kreuzgang im Capucinerkloster zu Bamberg gehe. Etwann werden sie, wenn sie in dem Garten des Klosters herum wandeln, oftmahls an dieser| oder jener Gegend stehen bleiben, und seufzend denken: ach vielleicht haben die Unthiere im Kloster den Armen da in die Erde gescharrt! –
.
Was ich erzählen werde, ist wahre unläugbare Thatsache. Ungefähr 40 Jahre mag es seyn, daß obbesagter P. Anian im Capucinerkloster zu Bamberg Lector der Theologie und Philosophie war. Ich weiß nicht, wie er mit seinem Zunamen hieß, noch wo er geboren war. Er war ein Freund der Wissenschaften, und durch sein anhaltendes Studium in der Kirchengeschichte und Bibel erwarb er sich sehr große Kenntnisse im Religionsfache, und einen nicht geringen Ruf eines sehr gelehrten, und, was noch wichtiger war, recht redlichen und rechtschaffenen Mannes. Er erhielt Besuche von Katholiken und Protestanten. Aber eben dieser Ruhm, eben diese Bekanntschaften, die ihm seine damahls unter Katholiken so seltenen Kenntnisse erwarben, zogen ihm bald verschiedene Feinde auf den Hals, und diese waren seine klösterlichen Mitbrüder. Anian, der diese albernen Seelen von ganzem Herzen verachtete, bemerkte indessen doch bald, wie verschiedene seiner Mitbrüder gegen ihn gesinnet waren, und hielt es für gut, so viel er könnte, ihnen| keine Gelegenheit zu geben, daß sie ihm Verdruß machen könnten. Er gab sich im Stillen mit seinen Lieblingswissenschaften ab, und ahndete nichts weniger, als daß ihn bald ein so schreckliches Schicksal treffen würde.

Unter denen, die ausser dem Kloster oft zu ihm kamen, und sich mit ihm über Wissenschaften unterredeten, war einer ein Verräther, und gerade dem hatte er seinen Plan über ein Werk, das er künftig in einem protestantischen Druckorte herauszugeben gedachte, im Vertrauen eröffnet, und verschiedenes aus dem Manuscripte vorgelesen. Der Gegenstand des Werkes soll die Entstehung der Mönche, besonders aber die Geschichte des Ordensstifters der Capuciner u. s. w. gewesen seyn. – Die Mönche wußten diesen Mann zu gewinnen, und der Schurke offenbarte ihnen alles, was ihm von seinem Freunde anvertraut war.

Eines Abends erschien auf einmahl der P. Guardian nebst noch verschiedenen Patern und einigen handvesten Klosterbrüdern in seiner Zelle, zeigte ihm ein Schreiben vom P. Provinzial, und sogleich gab er ein Zeichen; worauf die vor der Zelle stehenden Laienbrüder und noch einige Mönche hineintraten, ihm mit einem Messer in der Hand Stillschweigen| geboten, und ihn an Händen und Füssen mit Ketten belegten. Man brachte ihn hierauf in eine sogenannte Keuche, oder in ein unterirdisches Gewölbe, und gleich des andern Morgens erschien einer der Brüder, befahl ihm, die Kutte auszuziehen, und schlug ihn mit einer Geisel, woran eiserne Nägel und Haken angebracht waren, – so lange, bis er keinen Arm mehr heben konnte. Dieser Bruder hatte von seinen Obern den Befehl, ihn wenigstens des Tages zweymahl also zu peitschen; sonst aber dürfe er es so oft thun, als er wolle. Der Unglückliche schrie oft, dieß sind die eignen Worte des Capuciners, aus dessen Munde ich die ganze Geschichte habe, daß selbst jene Patres, die darum wußten, und anfangs dem Bruder bis an die Kerkerthüre nachgeschlichen waren, so, sage ich, schrie er oft, daß selbst das Herz dieser Tiger es nicht aushalten konnte, und sie dem Bruder oftmals zuriefen: er möge ihn nicht so gar arg schlagen, er schreye gar zu erbärmlich. Wirklich brachten sie es auch bey dem Guardian dahin, daß er die Strafe mäßigte, und dem Bruder befahl, den Verfluchten[1]| zwar des Tages zweymahl zu peitschen, aber statt der scharfen Geisel nur einige Stricke zur Execution zu nehmen.
.
| So, meine Landsleute, so dauerte es 20 (sage zwanzig) Jahre mit dem armen Anian. Oftmahls bat er, im Blute schwimmend, den Bruder, ihn zu erwürgen. Es geschah nicht; man wollte, er sollte es selber thun, und die Zukunft, die ihn erwarte, eigenhändig beschleunigen. Endlich starb er – unter den Streichen des Bruders. Frohlockend berichtete es dieser dem Guardian, und sogleich ward ein Ort gewählt, wo man das Aas, wie man des Gemordeten Leichnam nannte, hinscharren wolle. Im Garten des Klosters an einem Orte, wohin aller Unflath geschüttet wird, und wo die Abtritte des Convents hingeleitet sind, dahin sollte der Heillose verscharret werden.
.
Als es Nacht war, und alles im tiefen Schlafe lag, begab sich der Guardian mit noch zwey Patern und ein paar Brüdern in die Keuche. Er lag da, zusammengekrämpft, auf den Knien liegend und mit auf die Brust hängendem Haupte an die blutige Wand gelehnt. Gesicht, Hände, und der ganze Leib, waren voll Blut. Er hatte nur noch einige Lumpen am Leibe. Die Wände, der Fußboden waren ebenfalls voll von geronnenem und frischem Blute. Verschiedene Schiefersteine, die im Kerker herum lagen, waren mit| andern scharfen Steinchen von ihm vollgeschrieben worden. –

Ein Bruder lud ihn auf die Schulter, und so eilten sie dem Garten zu. Als man ihn in das unflätige Loch hinein werfen wollte, fiel dem Herrn P. Guardian erst ein, daß es nicht gut, und eben so wenig auch nöthig wäre, ihn mit den Ketten zu begraben. Aber man hatte den Schlüssel, der die Schlösser an den Ketten schloß, schon lange nicht mehr finden können. Der eine Bruder wußte diesem Umstande bald abzuhelfen; er lief in die Küche, hohlte das Holzbeil, hieb dem Leichname Arme und Beine ab, und indem ein anderer die Ketten abstreifte, gab er ihm noch einen Schlag mit dem Beil ins Gesicht, und zerschmetterte ihm den Kopf. Mit höhnischem Lachen scharrte man sodann den gestümmelten Leichnam in die Grube, und – ging davon.

Diese Geschichte ist wahr, und ich könnte deren noch verschiedene erzählen, die sich in den Klöstern meines Vaterlandes ereignet haben. Vielleicht werde ich es einst noch thun, und dann denke ich meinen lieben Bambergern jenes Gerede erklären zu können, das vor ungefähr 20 Jahren unter ihnen herumging, und darin bestand: daß verschiedene Stadtleute, wenn sie sich gegen 10, 11 Uhr| Morgens im Kreuzgange der Capuciner aufhielten, ein unterirdisches Geheul und das Schallen von Peitschenschlägen wollten gehört haben.



  1. Man muß nämlich wissen, daß die Mönchsobern aus dem klösterlichen Grundsatze: der Mönch habe [181] seinem Obern seinen ganzen Willen übergeben, und nichts stehe bey ihm zu thun, als zu gehorsamen, die Folgerung machten: Wenn unsre Untergebene ganz von uns abhängen, so können wir sie auch ex plenitudine potestatis nostrae behandeln, wie wir wollen, das heißt: welchen wir in die Hölle verdammen, der kann nie in den Himmel kommen, und das aus der Ursache, weil er einzig nur das thun darf, was wir ihm befehlen. Hiezu kam denn auch noch die eigene priesterliche Löse- und Bindegewalt; und so läßt sich erklären, wenn man in der Geschichte liest: dieser oder jener unglückliche Mönch sey zur lebenslänglichen Kerkerstrafe verdammt, eingemauert, oder gar entsetzlich hingerichtet worden. Sie glaubten nicht anders, ein solcher von seinem Obern mit dem Banne belegter und aus ihrer Mitte verstossener Unglücklicher sey schlechterdings verflucht, und ein Kind des Teufels geworden. Daher gab man ehmahls solchen Schlachtopfern auch in den Ort, wohin sie eingeschlossen oder eingemauert wurden, einen Krug voll Wasser, etwas Brod, einen Hammer, Nagel, Strick und ein Messer mit, welches folgendes bedeutete: wenn du das Brod und das Wasser verzehrt hast, so hast du Hammer, Nagel und Strick, womit du dich erhängen, oder das Messer, womit du dir die Kehle abschneiden magst; du magst nun thun, was du willst, dich erhängen oder erstechen oder auch aushungern wollen, so bist du gerichtet und verdammt, und das von Rechtswegen. – Hieher gehört auch der noch in den meisten Klöstern existirende Gebrauch, daß, wenn ein Mönch an den Bischoff oder Landesherrn appelliren will, er ipso facto excommunicirt ist. Über alles dieß kann man den bekannten Criminalproceß der Franciscaner und andere Bücher mehr nachsehen.