Trauriges Schicksal des P. Anianus, weiland gewesenen Lectors der Philosophie und Theologie im Capucinerkloster zu Bamberg
Unter denen, die ausser dem Kloster oft zu ihm kamen, und sich mit ihm über Wissenschaften unterredeten, war einer ein Verräther, und gerade dem hatte er seinen Plan über ein Werk, das er künftig in einem protestantischen Druckorte herauszugeben gedachte, im Vertrauen eröffnet, und verschiedenes aus dem Manuscripte vorgelesen. Der Gegenstand des Werkes soll die Entstehung der Mönche, besonders aber die Geschichte des Ordensstifters der Capuciner u. s. w. gewesen seyn. – Die Mönche wußten diesen Mann zu gewinnen, und der Schurke offenbarte ihnen alles, was ihm von seinem Freunde anvertraut war.
Eines Abends erschien auf einmahl der P. Guardian nebst noch verschiedenen Patern und einigen handvesten Klosterbrüdern in seiner Zelle, zeigte ihm ein Schreiben vom P. Provinzial, und sogleich gab er ein Zeichen; worauf die vor der Zelle stehenden Laienbrüder und noch einige Mönche hineintraten, ihm mit einem Messer in der Hand Stillschweigen| geboten, und ihn an Händen und Füssen mit Ketten belegten. Man brachte ihn hierauf in eine sogenannte Keuche, oder in ein unterirdisches Gewölbe, und gleich des andern Morgens erschien einer der Brüder, befahl ihm, die Kutte auszuziehen, und schlug ihn mit einer Geisel, woran eiserne Nägel und Haken angebracht waren, – so lange, bis er keinen Arm mehr heben konnte. Dieser Bruder hatte von seinen Obern den Befehl, ihn wenigstens des Tages zweymahl also zu peitschen; sonst aber dürfe er es so oft thun, als er wolle. Der Unglückliche schrie oft, dieß sind die eignen Worte des Capuciners, aus dessen Munde ich die ganze Geschichte habe, daß selbst jene Patres, die darum wußten, und anfangs dem Bruder bis an die Kerkerthüre nachgeschlichen waren, so, sage ich, schrie er oft, daß selbst das Herz dieser Tiger es nicht aushalten konnte, und sie dem Bruder oftmals zuriefen: er möge ihn nicht so gar arg schlagen, er schreye gar zu erbärmlich. Wirklich brachten sie es auch bey dem Guardian dahin, daß er die Strafe mäßigte, und dem Bruder befahl, den Verfluchten[1]| zwar des Tages zweymahl zu peitschen, aber statt der scharfen Geisel nur einige Stricke zur Execution zu nehmen.Ein Bruder lud ihn auf die Schulter, und so eilten sie dem Garten zu. Als man ihn in das unflätige Loch hinein werfen wollte, fiel dem Herrn P. Guardian erst ein, daß es nicht gut, und eben so wenig auch nöthig wäre, ihn mit den Ketten zu begraben. Aber man hatte den Schlüssel, der die Schlösser an den Ketten schloß, schon lange nicht mehr finden können. Der eine Bruder wußte diesem Umstande bald abzuhelfen; er lief in die Küche, hohlte das Holzbeil, hieb dem Leichname Arme und Beine ab, und indem ein anderer die Ketten abstreifte, gab er ihm noch einen Schlag mit dem Beil ins Gesicht, und zerschmetterte ihm den Kopf. Mit höhnischem Lachen scharrte man sodann den gestümmelten Leichnam in die Grube, und – ging davon.
Diese Geschichte ist wahr, und ich könnte deren noch verschiedene erzählen, die sich in den Klöstern meines Vaterlandes ereignet haben. Vielleicht werde ich es einst noch thun, und dann denke ich meinen lieben Bambergern jenes Gerede erklären zu können, das vor ungefähr 20 Jahren unter ihnen herumging, und darin bestand: daß verschiedene Stadtleute, wenn sie sich gegen 10, 11 Uhr| Morgens im Kreuzgange der Capuciner aufhielten, ein unterirdisches Geheul und das Schallen von Peitschenschlägen wollten gehört haben.
- ↑ Man muß nämlich wissen, daß die Mönchsobern aus dem klösterlichen Grundsatze: der Mönch habe [181] seinem Obern seinen ganzen Willen übergeben, und nichts stehe bey ihm zu thun, als zu gehorsamen, die Folgerung machten: Wenn unsre Untergebene ganz von uns abhängen, so können wir sie auch ex plenitudine potestatis nostrae behandeln, wie wir wollen, das heißt: welchen wir in die Hölle verdammen, der kann nie in den Himmel kommen, und das aus der Ursache, weil er einzig nur das thun darf, was wir ihm befehlen. Hiezu kam denn auch noch die eigene priesterliche Löse- und Bindegewalt; und so läßt sich erklären, wenn man in der Geschichte liest: dieser oder jener unglückliche Mönch sey zur lebenslänglichen Kerkerstrafe verdammt, eingemauert, oder gar entsetzlich hingerichtet worden. Sie glaubten nicht anders, ein solcher von seinem Obern mit dem Banne belegter und aus ihrer Mitte verstossener Unglücklicher sey schlechterdings verflucht, und ein Kind des Teufels geworden. Daher gab man ehmahls solchen Schlachtopfern auch in den Ort, wohin sie eingeschlossen oder eingemauert wurden, einen Krug voll Wasser, etwas Brod, einen Hammer, Nagel, Strick und ein Messer mit, welches folgendes bedeutete: wenn du das Brod und das Wasser verzehrt hast, so hast du Hammer, Nagel und Strick, womit du dich erhängen, oder das Messer, womit du dir die Kehle abschneiden magst; du magst nun thun, was du willst, dich erhängen oder erstechen oder auch aushungern wollen, so bist du gerichtet und verdammt, und das von Rechtswegen. – Hieher gehört auch der noch in den meisten Klöstern existirende Gebrauch, daß, wenn ein Mönch an den Bischoff oder Landesherrn appelliren will, er ipso facto excommunicirt ist. Über alles dieß kann man den bekannten Criminalproceß der Franciscaner und andere Bücher mehr nachsehen.