Topographia Palatinatus Rheni: Neustadt an der Hart

Topographia Germaniae
Neustadt an der Hart (heute: Neustadt an der Weinstraße)
<<<Vorheriger
Neuhofen
Nächster>>>
Nußloch
aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1645, S. 65–67.
Neustadt an der Weinstraße in Wikisource
Neustadt an der Weinstraße in der Wikipedia
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du unter Hilfe
Link zur Indexseite


[T32]
[65]
Neustadt / an der Hart.

Es ist diese Stadt ein Anfang deß zu unser Zeit genanten Westerreichs / als die an einem kleinen Gebürg / gegen Mitternacht deß Westerreichs Ende / gelegen / so man die Hart nennt / sonder Zweyfel / von dem Künhartsholtz / so allda in der Menge wächst; wiewol es theils anders woher / als von der Legione Hartensi, oder von einer Wart / herführen wollen. Dieses Gebürg vermeint einer ein Stuck deß Bergs Tauni zu seyn / dessen Tacitus gedenckt; so ohne Zweiffel der Dorßberg / oder Donnersperg / hinter Altzey seye / so herfür am Gebürg auff Neustadt / und weiters nach Landau streiche; es wäre dann Sach / daß einer ein Stuck vom Waßgöw darauß machen wolte / so von dem Trierisch- und Lothringischen herauß / durch das jetzige Westerreich / auff Weissenburg zu / sich ziehen thut. Es ligt Neustadt in dem Speyergöw / daher sie auch Neapolis Nemetum genant wird / ein hüpsche lustige Stadt / durch welche ein frisches Wasser fleust / und gleichsam die Stadt theilet / auch Fischreich ist / sonderlich von schönen Forellen / die gleichwol gehäget werden. Es ist hierumb ein sehr lustige Gelegenheit / von Krebsen / Grundeln / besagten Forellen / Holtz / Wasser / springenden Brunnen / und frischer gesunder Lufft. [66] Es ist vor Zeiten allhie ein Oberhoff / oder Landgericht gewesen / welches jährlich zu gewissen Zeiten etliche deß Speyergöws Ingesessene Adeliche / oder Ritterstandspersonen / als zugeordnete Richter / haben pflegen zu besitzen. Pfaltzgraf Churfürst Ruprecht der Aeltere / so An. 1390. gestorben / und mit seiner Gemahlin Beatrice, allhie begraben ligt / hat da eine Stifft-Kirch / zu Ehren deß H. Aegidii, auffgericht / und darzu geben die Baurenhöff / und Güter / zu Neuhofen / bey Altrip / mit sampt dem Platz / da vor Zeiten ein Schantz / oder Bollwerck gewesen / mit 4. eigenen Höffgütern / die Plitzgericht genennt / mit Aecker / Wiesen / Weid / Zinsen / und allem Zugehör / und Gerechtigkeiten / doch den Kirchenschatz außgenommen. Hat 16. Stiffts-Chorherren gehabt / darvon aber 4. Präbenden nacher Heydelberg / zu demselben Stifft / und zur Universität / gezogen worden. So hat Hertzog Johann Casimir Pfaltzgraf allda An. 1579. ein Schul / pro Humanitate, et Classicis Autoribus, und darneben ein Gymnasium von allen Faculteten, auffgericht / auß Ursach / weil sein Herr Bruder / Churfürst Ludwig / die Hohe Schul zu Heydelberg / auff die Lutherische Religion reformirt; Er aber / als der Calvinischen zugethan / sein Religion allhie erhalten wolte. Und war albereit ein feiner Anfang unter dem ersten Rect. Hier. Zanchio hierzu gemacht / und auch zu Prof. Zach. Ursinus, Henr. Smetius, und Fortun. Crellius, dahin beruffen / allda Ursinus gestorben / und in dem Chor deß gemelten Stiffts begraben worden. Als aber gedachter Churfürst Ludwig starb / und zu Heydelberg die Religion wieder geändert ward / so ist auch dieses Gymnasium zu Neustadt verfallen. Es sind 2. Nonnen Klöster allhie gewesen / deren das eine hart vor der Stadt zerstöret; das ander in der Vorstadt noch stehet / und jetzo zur Schulen gebraucht wird / die Clauß genant; da gegen über der neue Bau der neuen Schulen stehet. Anno 1525. haben sich die Burger von den Bauren schrecken lassen / und ihnen die Stadt gleich deß andern Tags übergeben / und haben selbiger Zeit die unsinnige Bauren in diesem Ampt Neustadt / die zwey Schlösser bey Neustadt / Wolffsberg / und Wintzingen / auch das Kloster Eusserthal eingenommen / verwüstet / verderbt / und geplündert; deßgleichen Diedesheim / Wachenheim / das Schloß Rupersberg zerstört; Item Löwenstein / Scharffeneck zu Landau / Neu-Castell / Treifels / eingenommen / aber die Neustädter seynd von Pfaltz / wegen ihrer Hoffart / ziemlich gestrafft worden. A. 1579. hat obgedachter Hertzog Johann Casimir diese Stadt mit List eingenommen / indem er sich bey dem Rath Abends zu Gast geladen / und etlich Stunden in die Nacht / deß Sommers lustig gemacht / und letztlich / daß man ihme die Thor öffnen solte / begehrt / und daß er einem grossen Hirschen draussen wüste / und demselben nachsetzen wolte / vermeldt. Als nun das Thor / wiewol nicht gern / geöffnet worden / so hat er mit etlich hundert in einem holen Weg verborgnen Soldaten in die Stadt geruckt / und solche / doch fast ohne Schaden / einbekommen. In diesem letzten Kriegswesen ist die Neustadt auch unterschiedlichmal / sonderlich A. 1633. und 39. von der einen und andern Partey überrumpelt / eingenommen / und verderbt worden / welches doch / ohne sonderlich denckwürdige Belagerungen / oder Gegenwehr / abgangen ist. Anno 1644. im Augusto ist sie von der Frantzösischen Armee eingenommen worden. Chur-Pfaltz hat allwegen einen Vicedom allhie gehalten.

Es ist aber in solches Ampt auch gezogen worden / das Ampt Sultzbach / und Neuenhain / nicht weit von Franckfurt gelegen / so der besagte Vicedom zu Neustadt verwaltet hat; weilen solches kleines Ampt / so unter sich groß / und klein Carben / und etlich wenig andere Ort hat / mit einander dem Closter Limpurg / bey Türckheim / in diesem Ampt Neustadt / gelegen / zustehet / und von solchem Kloster / dessen Castenvogt / Schutz- und Schirmherr / auch Administrator, Chur-Pfaltz seyn wollen / und gewest ist / etlich Adeliche Lehen / so die Klüppel / und Reiffenberger inngehabt / dependiren. Und ist / wegen deß juris praesentationis, zwischen Pfaltz / und den Burggrafen / und Adelichen Baumeistern zu Fiedberg / so an etlichen Orten jus territorii haben / Zweiffel entstanden. Es hat besagtes Kloster Limpurg das Klösterlein Neuenburg bey Hanau gehabt / so aber dem Grafen von Hanau Anno 1561. sampt etlichen Pfarrlehen / umb achtzehen tausend Gulden verkaufft worden.

[67] Es gehöret auch in das Ampt Neustadt die 2. Städtlein Lambsheim / und Frainsheim. Item das Dorff Neuhofen / ein Meil von Speyer / so vor Zeiten ein Burgk / und Raubschloß gehabt / vom Käyser Carolo IV. und den Speyerern / zerstört; so vielleicht gestanden / da jetzo die Rechhütt / und Rechmühl stehet. Hinter Neustadt stracks ligt das Schloß Wolffsberg / etwas erhöhet / so dieselbe gantze Straß bezwingen kan. Und ein Meilwegs darhinter / ein gleiches Schloß / aber von Einkommen besser / Neidefels genant / so beyde gedachter Pfaltzgraf Johann Casimir zu Lehen angesetzt hat. Ist daselbst herumb eine gute Forellen-Bach. Umbs Jahr 1283. hat die Stadt Speyer Albrechten von Liechtenstein / das Schloß Liechtenstein / so umb die Neustadt gestanden / verbrennt / die Mauren nidergerissen / und zu Grund verhergt / verschleifft / und hernach für erlittenen Schaden 100. Pfund Heller bezahlt / wie Caspar Lerch von Dürmstein de Ordine Equ. German. in fundam. 2. Summar. 3. num. 41. fol. 119. schreibet.

Es ligen in diesem Neustädter Ampt / auch Wachenheim / Dürckheim / und Franckenthal / davon anderswo gesagt worden. Und dann noch 2. vornehme Klöster / das eine zu S. Lamprecht / ein Meil hinter Neustadt / auff Lautern zu / so ein Jungfrauen Kloster Dominicaner Ordens; so Anno 1551. neben etlichen andern / vom Pabst / der Universität Heydelberg einverleibt / und eigenthumlich übergeben worden ist. Das ander Closter / auch ein Meil von Neustadt / aber auff Landau zu / nemlich zu Oedenkofen gelegen / wird Hailsbruck genant / so Anno 1331. zu einem Jungfrauen Kloster / in die Ehr der Jungfrauen Mariä / Bernharder Reguls / von Salomon / einem Domherrn zu Würtzburg / gestifftet worden ist. Romanus Hay, in Aula Eccles. p. 508. sagt / daß zu Auffrichtung deß Collegii, und Schulen / für die Jesuiten / in der Neustadt an der Hardt / des Casimirischen Collegii Einkommen alda / auß eines gewesten Klosters / und Collegial Kirchen / Gütern / Anno 1636. vom Käyser Ferdinando II. bewilligt worden seyen. Siehe unten Wormbs. Und dieses / was bißhero von Neustadt / und selbigem Ampt / gesagt / ist mehrerntheils auß eines offtgedachten / und gewesten Professoris zu Heydelberg hinterlassenen Schrifften genommen worden / deme wir unterdessen / biß wir eines andern berichtet werden / Glauben geben wollen.