Statistische Darstellung des Kreises Moers/VII. Gesundheits- und Sterblichkeits-Verhältnisse

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VII. Gesundheits- und Sterblichkeits-Verhältnisse.


Es starben
   im Jahre   überhaupt   ohne Einrechnung der Todtgebornen
1859 1164 1088 Menschen
1860 1292[ER 1] 1203      "
1861 1388 1288      "
1859–61 3844 3579      "

Nimmt man als die jährliche Durchschnittszahl der in dieser Zeit lebenden Personen das arithmetische Mittel der Zählungsresultate vom Schlusse des Jahres 1858 und 1861 an (58431), so verhielten sich die in einem Jahre Gestorbenen zu den gleichzeitig Lebenden wie 1 : 45,61, und wenn man die Todtgebornen außer Acht läßt, wie 1 : 48,98, oder mit anderen Worten: unter je 45,61 resp. 48,98 Personen starb jährlich eine. In Preußen war die Sterblichkeitsziffer in den Jahren 1844–53 (die Todtgebornen eingerechnet) 33,85. Wenn man einzelne Jahre oder kürzere Zeiträume in kleinen Bezirken miteinander vergleicht, so pflegt die Sterblichkeitsziffer sehr zu schwanken: die Preise der Lebensmittel, Epidemien, Witterungsverhältnisse üben hier einen großen Einfluß aus. Man muß daher aus der eben mitgetheilten hohen Sterblichkeitsziffer (sie wird kaum in irgend einem Staate übertroffen) oder anders ausgedrückt, aus dem geringen Sterblichkeitsverhältniß nicht allzu günstige Folgerungen ziehen wollen. Sollte dasselbe aber auch dem wirklichen Mittel aus einer längeren Zeitperiode sich nähern, so würde man sich doch zuvörderst fragen müssen, was es eigentlich besagt. Es gilt unter den Statistikern für ausgemacht, daß dem Absterben der Menschen ein Gesetz, welches sich nach dem Lebensalter richtet, zu Grunde liegt. Wenn man nämlich beobachtet, wie viele Personen unter einer großen Anzahl Gleichaltriger im Laufe eines Lebensjahres sterben, so findet man bei wiederholten Beobachtungen einer großen Zahl von Personen aus demselben Lebensalter annähernd das gleiche Verhältniß der Zahl der Gestorbenen zur Zahl der Lebenden. Dieses Verhältniß ändert sich, je nachdem das Alter der beobachteten Personen ein anderes ist. Die Sterblichkeitsziffer eines Staates oder eines Bezirkes ist demnach wesentlich davon abhängig, wie viele in jedem Lebensjahre stehende Personen vorhanden waren. Für die Zahl der Personen in jeder Altersklasse sind aber wieder mehrere andere Umstände bestimmend. Die Zahl der im Kreise vorhandenen Fünfzigjährigen hängt z. B. davon ab, wie viele Kinder vor 50 Jahren geboren worden, wie viele dieser Geborenen inzwischen gestorben oder ausgewandert, und wie viele jetzt Fünfzigjährige in den letzten fünfzig Jahren eingewandert sind. Indem also die Sterblichkeitsziffer wesentlich von der Zusammensetzung der Bevölkerung nach den verschiedenen Altersklassen bestimmt wird, ist sie das Produkt complicirter bis etwa ein Jahrhundert zurückgehender Verhältnisse. Unter diesen ist freilich von dem größten Einflusse die Zahl der in den letzten Jahren Geborenen, indem die bedeutende Kindersterblichkeit den Divisor in weit größerem Verhältnisse erhöht, als den Dividendus. Hat man nun eine bestimmte Sterblichkeitsziffer vor sich, so ist es nicht leicht, aus derselben herauszulesen, in wie weit die Höhe derselben auf Rechnung der vielleicht nicht ganz normalen Zusammensetzung der Bevölkerung nach den verschiedenen Altersklassen, und in wie weit sie auf Rechnung der Mortalität des beobachteten Zeitraumes zu stellen ist. Denn es ist offenbar etwas ganz anderes, wenn jene Ziffer dadurch erniedrigt wird, daß in den letzten Jahren verhältnißmäßig viele Kinder geboren wurden und also auch viele Kinder starben, als dadurch, daß viele Personen im productiven Alter starben. Was nun aber die Mortalität des beobachteten Zeitraumes betrifft, so ist es wiederum schwierig, zu unterscheiden, wie viel davon den allgemeinen günstigen oder ungünstigen Lebensverhältnissen der Bevölkerung, und wieviel den besonderen günstigen oder ungünstigen Zeitverhältnissen zuzuschreiben ist. Das erstere ist aber eigentlich dasjenige, was man wissen will, und doch ist es nur einer der vielen Faktoren des Sterblichkeitsverhältnisses. Immerhin mögen wir uns freuen, daß dasselbe in den letzten drei Jahren ein so günstiges gewesen ist, und zwar ungeachtet der Abwesenheit vieler Personen derjenigen Altersklassen, deren Mortalität geringer ist, als die durchschnittliche; dabei möge aber auch bedacht werden, daß die Altersklassen von 60–80 Jahren mit sehr hoher Mortalität in Folge der napoleonischen Kriege nicht stark besetzt sind, und daß das Geburtenverhältniß ein ziemlich geringes ist.

| Dem Alter und Geschlechte nach starben im Jahre
1859 1860 1861 Summa
männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich
Todte
geborne
eheliche Kinder 42 34 48 39 53 42 258
uneheliche Kinder 1 1 4 1 7
Von unter
bis mit 1 Jahr
eheliche Kinder 135 105 123 113 120 100 696
uneheliche Kinder 3 4 3 3 3 6 22
Von über 1 bis mit 3 Jahre alt 55 50 65 57 82 69 378
  "     " 3   "     " 5   "     " 22 33 26 23 24 23 151
  "     " 5   "     " 7   "     " 8 9 10 8 9 11 55
  "     " 7   "     " 10   "     " 10 18 9 17 11 20 85
  "     " 10   "     " 14   "     " 14 24 14 20 11 26 109
  "     " 14   "     " 20   "     " 23 24 19 17 17 22 122
  "     " 20   "     " 25   "     " 25 14 23 14 24 30 130
  "     " 25   "     " 30   "     " 17 14 20 15 21 24 111
  "     " 30   "     " 35   "     " 17 19 13 17 23 19 108
  "     " 35   "     " 40   "     " 12 20 18 19 18 13 100
  "     " 40   "     " 45   "     " 15 13 15 29 25 20 117
  "     " 45   "     " 50   "     " 18 15 14 24 21 18 110
  "     " 50   "     " 55   "     " 19 18 17 15 27 27 123
  "     " 55   "     " 60   "     " 31 25 28 31 27 31 173
  "     " 60   "     " 65   "     " 34 31 46 32 41 51 235
  "     " 65   "     " 70   "     " 25 25 26 36 36 35 183
  "     " 70   "     " 75   "     " 17 35 38 54 37 39 220
  "     " 75   "     " 80   "     " 24 29 35 39 32 37 196
  "     " 80   "     " 85   "     " 8 15 24 15 21 18 101
  "     " 85   "     " 90   "     " 5 10 11 3 9 6 44
  "     " 90 Jahre alt 1 3 2 4 10
Von allen Altern zusammengenommen 579 585 649 643 700 688 3844

Es würde von keinem wesentlichen Nutzen sein, wollten wir das procentale Verhältniß der Zahl der in jeder Altersklasse Gestorbenen zu derjenigen sämmtlicher Gestorbenen ermitteln; denn jene steht weit weniger zu dieser, als zu der Zahl der Lebenden, aus welcher die Gestorbenen hervorgegangen sind, in Beziehung. Leider gestattet es die Einrichtung unserer statistischen Tabellen nicht, dieses letztere Verhältniß überall zu berechnen. Unter den Gestorbenen werden nämlich die ebenaufgeführten 22, unter den Lebenden dagegen nur die ebenfalls oben erwähnten 15 Altersklassen unterschieden. Dazu kommt, daß sich die Altersklassen nicht einmal in der Weise decken, daß etwa zwei Klassen der Gestorbenen zusammen gleich wären einer Klasse der Lebenden, oder umgekehrt. Für jene hat man z.B. die Altersklassen von 14–20, 20–25, 25–30, für diese dagegen die Altersklassen von 14–16, 16–19, 19–24, 24–30 Jahren. Eine Vergleichung ist also hier völlig unmöglich. Auch in den höheren Klassen ist dieselbe nicht durchführbar, weil die statistischen Tabellen von 1858 eine ganz verschiedene Eintheilung der Lebenden haben. Wir begnügen uns daher mit folgendem.

Im Laufe des ersten Lebensjahres starben von 1859–61 718 Kinder. Diese sind nun, wenn man von Auswanderungen absieht, nicht etwa genau aus den Geborenen von 1859–61, sondern theilweise auch aus denen von 1858 hervorgegangen, während andererseits diejenigen Geborenen des Jahres 1861, welche noch im Jahre 1862 unter einem Jahr alt starben, nicht in Anrechnung gebracht sind. Stellt man demnach den 718 Gestorbenen als Lebende derselben Altersklasse die Geborenen von 1860 und 61 nebst dem arithmetischen Mittel der Geborenen von 1859 und 1862 (in Summa 6015 Geborene) gegenüber, so starben im Laufe des ersten Lebensjahres 11,94%, ein sehr geringes Verhältniß. (In Preußen war dasselbe im Durchschnitt der Jahre 1816, 25, 34, 43 und 49 18,17%).

Von 0 bis mit 5 Jahren starben 1250 Kinder. Es wurden in diesem Alter gezählt:

im Jahre 1858 8383 Kinder und im Jahre 1861 8430 Kinder.

| Stellen wir den Gestorbenen das dreifache Mittel dieser Zahlen (25218), was freilich nicht genau ist, als Lebende gegenüber, so starben von diesen 16,23%.

Im Alter von über 5 bis mit 14 Jahren starben 249 Kinder. Es wurden in diesem Alter gezählt:

im Jahre 1858 11879 Kinder und im Jahre 1861 11987 Kinder.

Das dreifache Mittel beträgt 35799; der Procentsatz der Gestorbenen also 0,69%.

Man pflegt die sogenannte mittlere Lebensdauer einer Bevölkerung zu berechnen, indem man ermittelt, wieviel Lebensjahre die Gestorbenen einer bestimmten Zeitperiode zurückgelegt hatten, und die sich ergebende Zahl der zurückgelegten Jahre durch die Zahl der Gestorbenen dividirt. Um diese Operation für unsere Kreis zu machen, nehmen wir an, daß die Gestorbenen jeder einzelnen Alterklasse das mittlere Alter dieser Klasse erreicht hätten, wodurch allerdings ein etwas zu hohes Resultat herauskommt. So nehmen wir z. B. an, daß die 25–30jahrigen 271/2, die 55–60jährigen 571/2, die über 90jährigen 95 Jahre alt geworden seien. Alsdann ergiebt sich als sogenannte mittlere Lebensdauer 30,46 oder, wenn man die Todtgeborenen wegläßt, 32,71 Jahre. Die Zahl ist sehr hoch: denn in Preußen betrug dieselbe (die Todtgebornen nicht eingerechnet) von 1816–60 27,53 und in der Rheinprovinz in derselben Zeit 29,80 Jahre. (Zeitschrift des statistischen Büreaus I. p. 351). Offenbar wird dieses Durchschnittsalter der Gestorbenen mit Unrecht als die mittlere Lebensdauer der Bevölkerung bezeichnet: denn dasselbe hängt gleich der Sterblichkeitsziffer wesentlich von der durch mancherlei Umstände bedingten Zusammensetzung der Bevölkerung nach den verschiedenen Altersklassen ab, und giebt demnach, indem es mehr die Vergangenheit, als die Gegenwart abspiegelt, keineswegs an, welches Lebensalter eine große Anzahl in dem betreffenden Zeitraume Geborner durchschnittlich zu erreichen Aussicht hat. Dagegen unterscheidet sich das Durchschnittsalter der Gestorbenen dadurch von der Sterblichkeitsziffer, daß die Ereignisse der Vergangenheit auf jenes in mancher Hinsicht anders einwirken, als auf diese. Wenn z.B. vor 70 Jahren verhältnißmäßig viele Kinder geboren worden wären, so würden folgerecht im laufenden Jahre viele 70jährige vorhanden sein und demnach auch viele 70jährige sterben: dies würde die Sterblichkeitsziffer erniedrigen, das Durchschnittsalter der Gestorbenen aber erhöhen. Andererseits trägt eine große Anzahl in den letzten Jahren Geborener dazu bei, sowohl dieses, als jenes herabzudrücken.

Um die mitlere Lebensdauer einer Bevölkerung unabhängig von der Zusammensetzung derselben nach den verschiedenen Altersklassen zu bestimmen, hat man vorgeschlagen, die Gestorbenen jeder Altersklasse mit den Lebenden, aus welchen sie hervorgegangen sind, zu vergleichen, darnach zu berechnen, in welcher Weise eine größere Anzahl von gleichzeitig Geborenen – etwa 10000 – unter Voraussetzung der also ermittelten Sterbenswahrscheinlichkeiten absterben würden, und alsdann die mittlere Lebensdauer dieser Personen – in diesem Falle Vitalität genannt – in der oben angegebenen Weise zu berechnen. Diese Operation, welche man in Belgien und den Niederlanden wenigstens versucht hat, ist bei der bereits erwähnten Beschaffenheit unserer statistischen Tabellen hier nicht durchzuführen. Es gehört dazu nicht nur eine sehr sorgfältige Aufzeichnung der Altersverhältnisse der Gestorbenen, sondern auch eine genaue, in wiederholten Zählungen zu bewirkende Ermittelung der Lebenden nach den einzelnen Altersjahren. Da die Behörden in dieser Beziehung lediglich auf die Angaben der Betheiligten angewiesen sind, die letzteren aber oft ihr Alter nicht wissen, oder dasselbe falsch angeben, so wird man im Wege der Volkszählung wohl schwerlich jemals ein genügend zuverlässiges Material zur Berechnung der Vitalität oder der Absterbeordnung einer Bevölkerung erlangen. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, so hätte man damit immer noch nicht das, was man in der Vitalität sucht, nämlich einen Gradmesser für die Wohlfahrt eines Volkes. Indem nämlich die Vitalität z. B. die Sterbenswahrscheinlichkeiten der jetzt 50 und 70jährigen auf die jetzt Geborenen resp. die von diesen nach 50 und 70 Jahren noch Übrigen anwendet, überträgt sie Vergangenes auf die Gegenwart und Zukunft, da jene Sterbenswahrscheinlichkeiten unzweifelhaft mehr das Produkt vergangener, als gegenwärtiger Zustände sind. Überhaupt scheint uns das Bestreben der Statistik, eine Zahl zu finden, welche als untrüglicher Gradmesser der öffentlichen Wohlfahrt dienen könnte, in dieselbe Kategorie mit denjenigen ebenfalls unlösbaren Aufgaben zu gehören, welche sich andere Wissenschaften stellten, da sie noch in jugendlicher Überschätzung ihrer Kräfte sich ihre Ziele nicht hoch genug stecken zu können vermeinten. Wie es nicht gelungen ist, ein perpetuum mobile zu construiren, die Quadratur des Cirkels, die materia prima, eine Universalmedizin zu entdecken, so wird es auch der Statistik niemals gelingen, die unendlich mannigfaltigen, sowohl moralischen als physischen Zustände eines Volkes in eine einzige Zahl hineinzubannen.

| Nach dem Familienstande starben im Jahre 1861
männliche weibliche Summa In Procenten
von den am
3. Dezember 1861
gezählten
In Procenten
von sämmlichen
Gestorbenen
Unverheirathete und
niemals verheirathet gewesene
432 379 811 2,18 58,43
Verheirathete
183 179 362 1,94 26,08
Verwittwete
85 130 215 7,26 15,49
Summa
700 688 1388 2,36 100,00

Aus den früheren Jahren liegen ähnliche Beobachtungen nicht vor, daher wir es unterlassen, Bemerkungen an diese Zahlen zu knüpfen.

Den Jahreszeiten nach starben:

1859 1860 1861 Summa In Procenten
von sämmlichen
Gestorbenen
Im Januar, Februar und März
310 384 419 1113 28,95
Im April, Mai und Juni
311 325 347 983 25,59
Im Juli, August und September
266 239 311 816 21,22
Im October, November und December
277 344 311 932 24,24
Summa aller Gestorbenen
1164 1292 1388 3844 100,00

Es geht hieraus hervor, daß in dem ersten Quartal des Jahres verhältnißmäßig die meisten Menschen hinweggerafft werden, dann folgt das zweite und demnächst das vierte Vierteljahr; das dritte ist das gesundeste. Diese Regel, welche übrigens in den einzelnen Jahrgängen geringe Perturbationen erleidet, stimmt mit den allgemeinen desfallsigen Wahrnehmungen überein, und hat ihren Grund in regelmäßig wiederkehrenden tellurischen Verhältnissen. Die im ersten Quartale vorherrschenden ungünstigen Witterungszustände – niedere Temperaturgrade, geringer Feuchtigkeitsgehalt der Luft, rasche und schroffe Wechsel der Witterung – sind nicht nur der Entstehung entzündlicher Krankheiten sehr förderlich, sondern auch den mit chronischen Krankheitszuständen behafteten Individuen sehr verderblich. In dem zweiten und vierten Quartal sind dieselben Schädlichkeitsursachen in zwar geringerem, aber doch immer noch erheblichem Grade vorhanden. Das Sommerquartal dagegen mit seiner milden und feuchten Wärme ist der Gesundheit am zuträglichsten.

Die folgende Tabelle enthält die Angabe der Sterbefälle nach den Todesursachen.

1859 1860 1861 Summa Zahl In Prozenten von
allen Gestorbenen
männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich
Todtgeborne
42 34 49 40 57 43 148 117 265 6,89     
Durch Lebensschwäche bald nach der Geburt gestorben
69 67 69 67 136 3,54     
Durch Altersschwäche
74 96 136 136 123 110 333 342 675 17,56     
Durch
äußere
Gewalt
Selbstmord
2 4 2 2 8 2 10 0,26     
Mord und Todtschlag
1 —     
Hinrichtung
—     
Allerlei Unglücksfälle
16 2 10 2 10 1 36 5 41 1,07     
In der Schwangerschaft und im Kindbett
12 12 7 31 31 0,81     
Durch
innere
acute Krankh.
Durch die Pocken
1 1 1 —     
Durch die Wasserscheu oder Hundswuth
—     
Durch andere innere Krankheiten
145 149 141 135 157 171 443 455 898 23,87     
Durch innere chronische Krankheiten
215 229 230 251 217 225 662 705 1367 35,57     
Durch innere plötzliche Krankheitszufälle
13 12 22 21 30 11 66 44 110 2,86     
Durch äußere Krankheiten
18 15 22 16 8 20 48 51 99 2,58     
Durch unbestimmte Krankheiten
53 36 34 28 27 38 114 97 211 5,49     
Summa
579 585 649 643 700 688 1928 1916 3844 100,00     

| In den Bevölkerungslisten der Jahre 1859 und 60 fehlt die erst pro 1861 neu eingeführte Rubrik „durch Lebensschwäche bald nach der Geburt gestorben.“ Die hierher gehörigen Gestorbenen der Jahre 1859 und 60 sind demnach in den übrigen Rubriken mitenthalten, ohne daß es möglich ist, sie auszusondern. Man darf bei Eintheilung der Todesfälle nach den Todesursachen keine absolute Genauigkeit erwarten. Können die oben aufgeführten Zahlen einigermaßen zum Anhalt dienen, so waren 6,89% aller Gestorbenen todtgeboren, ein sehr hoher Prozentsatz (in Preußen betrug derselbe von 1843–53 5,18%); es starb ferner über ein Drittel aller Gestorbenen (35,57%) an inneren chronischen Krankheiten, nicht ganz ein Viertel (23,37%) an inneren acuten Krankheiten, und etwas mehr als ein Sechstel (17,56%) an Altersschwäche.

Bezüglich des Krankheitscharakters in der Zeit von 1859–60 lassen sich zwei Perioden unterscheiden. Während derselbe ungefähr in der ersten Hälfte dieses Zeitraumes anhaltend in einer bestimmten dominirenden Richtung bei übrigens mäßiger Anzahl der Erkrankungen sich ausprägte, war er in der zweiten Hälfte unbestimmt und wechselnd bei bedeutend vermehrter Anzahl der Erkrankungen. Das Jahr 1859 nämlich mit seiner anhaltend außergewöhnlich hohen und trockenen Wärme gab dem Krankheitscharakter ganz vorwiegend den gastrischen Typus, und waren demnach bis zum Frühjahre 1860 Krankheiten der Unterleibsorgane, namentlich Magenkatarrhe, dyssenterische Processe, Cholerine, gastrische, biliöse und nervöse Fieber vorherrschend. Vom Sommer 1860 ab folgte der Krankheitscharakter den wechselnden Einflüssen der Witterung, die Zahl der Erkrankungen mehrte sich und erreichte im ersten Halbjahr 1861 den höchsten Stand. Vorzugsweise machten sich entzündliche Affectionen der Athmungsorgane geltend und waren in bemerkenswerther Weise der Entwickelung und Beschleunigung tuberculoser Krankheitszustände förderlich, durch deren Folgen namentlich im Jahre 1861 eine bedeutende Anzahl Menschen hinweggerafft wurde. – Bei den im ganzen Kreise wenig verschiedenen Beschäftigungs- und Wohnungsverhältnissen der Einwohner kann ein besonderer Krankheits- und Sterblichkeitscharakter nach einzelnen Bevölkerungsklassen nicht wohl unterschieden werden.

Von endemischen Krankheiten kommt im Kreise nur das Wechselfieber vor. Nachdem das ausgedehntere Auftreten desselben in den meisten Theilen des Kreises durch verbesserte Bodenkultur, Ausrottung der Wälder und Ausräumung der Gewässer sehr wesentlich beschränkt worden ist, herrscht es in endemischer Weise nur noch im nördlichen Theile des Kreises.

Eigentliche Epidemien sind in den Jahren 1859–61 nicht vorgekommen. Ein im Jahre 1859 gemeldeter Fall von Cholera asiatica blieb vereinzelt und ist auch nicht hinreichend constatirt worden. Die vorgekommenen Blatternerkrankungen waren nachweislich durch auswärts empfangene Ansteckung eingeschleppt; zur Entwicklung einer Epidemie kam es nicht. Im Jahre 1859 kamen 11 Blatternerkrankungen, darunter ein Todesfall, im Jahre 1861 nur 2 Krankheitsfälle ohne tödlichen Ausgang vor; jedesmal wurden sofort die geeigneten Schutzmaßregeln (Vaccination und Revaccination der Hausbewohner und möglichste Isolirung der Kranken) angeordnet. Weitere Maßregeln waren nicht erforderlich. – Im Jahre 1861 waren zu impfen 1765 Kinder; hiervon wurden geimpft

mit Erfolg
1658
zum dritten Male ohne Erfolg
15
Summa  
1673

Es waren demnach in die Impfliste pro 1862 zu übertragen 92 Kinder, welche entweder wegen Krankheit ungeimpft blieben oder bei denen die Impfung zum ersten oder zweiten Male nicht angeschlagen hatte. Nur 4 Kinder in Orsoy blieben auf Verlangen der Eltern ungeimpft. Die Abneigung gegen die Impfung, welche früher in Orsoy sehr verbreitet war, verschwindet mehr und mehr. – Die meisten Kinder werden öffentlich von dazu angestellten Ärzten geimpft; im Jahre 1861 beschränkte sich die Privatimpfung auf 78 Kinder.

Fälle von Wasserscheu oder Wuthkrankheit bei Menschen sind nicht vorgekommen, obwohl diese Krankheit bei Hunden zum öfteren constatirt und auch mehrfache Verletzungen von Menschen durch den Biß wuthkranker Hunde bekannt geworden sind.

Die Zahl der Selbstmörder (0,26% aller Gestorbenen) war eine geringe und ist auch früher nicht bedeutend gewesen; sie betrug 1857 2 und 1858 3. Von den 8 männlichen Selbstmördern der Jahre 1859–61 haben sich 5 erhängt, 2 ertränkt und einer mit dem Rasirmesser den Hals abgeschnitten; von den beiden Selbstmörderinnen hat sich eine ertränkt, die andere erhängt. Als Ursachen werden angegeben in drei Fällen Geistesschwäche, in einem religiöser Wahnsinn, in zwei Fällen Melancholie, in zwei Fällen unglückliche Familienverhältnisse; in einem Falle endlich sind Gründe nicht bekannt geworden.

| Der Procentsatz der durch Unglücksfälle Gestorbenen (1,07) ist ein mäßiger: er würde noch erheblich geringer sein, wenn nicht der den Kreis seiner ganzen Länge nach begränzende Rhein jährlich mehrere Opfer forderte. Im Übrigen gibt die vorherrschende Beschäftigung der Eingesessenen – der Ackerbau – keinen Anlaß, zu häufigen Unglücksfällen, zumal auch bei der ebenen Lage und guten Beschaffenheit der meisten Wege das Umwerfen von Fuhrwerken seltener, als in Gebirgsgegenden vorkommt. – Von Lebensrettungen ist in den Jahren 1859–61 nur eine bekannt geworden. Eine Frau in Rheinberg rettete einen Knaben, welcher in den Canal gefallen war. Es wurde ihr eine Prämie zuerkannt.


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Errata

  1. Statt 1192 lies 1292. Siehe Seite 156.