Statistische Darstellung des Kreises Moers/VI. Eheliche- und Geburts-Verhältnisse

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VI. Eheliche- und Geburts-Verhältnisse.
Jahrgang Geboren überhaupt Darunter sind uneheliche Unter den Geborenen waren todt geboren.
eheliche uneheliche Summa
Knaben Mädchen Summa Knaben Mädchen Summa Knaben Mädchen Knaben Mädchen
1857 1001 990 1991 20 18 38 53 55 2 1 111
1858 1029 944 1973 25 27 52 61 46 1 1 109
1859 1117 984 2101 20 29 49 42 34 85
1860 1018 893 1911 24 24 48 48 39 1 1 89
1861 1045 988 2033 31 33 64 53 42 4 1 100
1857–61 5210 4799 10009 120 131 251 257 216 8 4 485
1859–61 3180 2865 6045 75 86 161 143 115 5 2 265


In vorstehender Übersicht haben wir die Jahre 1857 und 1858 mit herangezogen, um für die Vergleichung der Gebornen mit den Unehelichen und Todtgeborenen größere Zahlen zu erhalten. Zur Vergleichung der Geborenen mit der Gesammtbevölkerung dagegen können nur die Jahre 1859–61 benutzt werden, weil uns zuverlässige Zählungsresultate nur vom Schlusse der Jahre 1858 und 1861 zu Gebote stehen. Nehmen wir zwischen beiden Zahlen das arithmetische Mittel, so können wir annehmen, daß in den Jahren 1850–51 im Durchschnitt jährlich 58431 Menschen gelebt haben. Da in demselben Zeitraume 6045 Kinder geboren sind, (jährlich also im Durchschnitt 2015) so verhält sich die Zahl der Geborenen zu der Zahl der Lebenden wie 1 : 28,99. Zieht man blos die Lebendgebornen in Betracht, so ist das Verhältniß 1 : 30,32. Dasselbe kommt demjenigen sehr nahe, welches Wappäus in seiner Allgemeinen Bevölkerungsstatistik I. p. 151 für den Durchschnitt von 14 europäischen Staaten berechnet hat. (1 : 29,53 resp. 30,49.) In Preußen betrug das Geburtsverhältniß von 1844–53 1 : 25,47 resp. 26,50.

Stellt man die verschiedenen Glaubensbekenntnisse einander gegenüber, so ergiebt sich folgendes:

Im Mittel der Jahre 1859–61 waren jährlich vorhanden

31597 Katholiken, 26287 Evangelische, 542 Juden,

Es wurden in dem genannten Zeitraume geboren

  3169 Katholiken,   2823 Evangelische,   53 Juden,

Das Geburtenverhältniß betrug demnach 1 :

29,92 bei den Katholiken, 27,93 bei den Evangelischen, 30,69 bei den Juden.

Oder wenn man blos die Lebendgebornen in Betracht zieht, 1 :

31,25 bei den Katholiken, 29,34 bei den Evangelischen, 31,26 bei den Juden.
Auch hier spricht sich in der Verschiedenheit des Verhältnisses bei den Katholiken und den Evangelischen wieder der Gegensatz zwischen dem südlichen und dem nördlichen Theile des Kreises aus. In dem Kanton Moers mit Friemersheim nämlich beträgt das Geburtenverhältniß 1 : 28,01, in den beiden anderen Kantonen dagegen 1 : 29,90. Der mehrfach angenommene, aber auch mehrfach bestrittene Satz,| daß bei einer geringeren specifischen Bevölkerung das Geburtenverhältniß höher sei, als bei einer größeren, findet sich demnach hier keineswegs bestätigt. Dagegen scheint das von Engel aufgestellte Gesetz, wonach das Geburtenverhältniß bei einer Bevölkerung hauptsächlich von der Natur ihrer Arbeit beherrscht wird, hier Anwendung zu finden. Es ist nämlich durch sorgfältige Beobachtungen über das Königreich Sachsen ermittelt worden, daß das Geburtenverhältniß in Ortschaften mit ackerbautreibender Bevölkerung geringer ist, als in Ortschaften mit handel- und gewerbetreibender Bevölkerung, und daß in den ackerbautreibenden Ortschaften dasselbe um so höher wird, jemehr industrielle Elemente beigemischt sind, und umgekehrt. Diese Regel auf den vorliegenden Fall angewandt, muß das Geburtenverhältniß in dem südlichen, mehr von der Industrie erfaßten Kreistheile höher sein, als in dem nördlichen, was sich auch in der That bestätigt.

Unter sämmtlichen Geborenen der Jahre 1857–61 befanden sich 2,51% uneheliche Kinder, und zwar einerlei, ob man die Todtgebornen abrechnet oder nicht. Es ergibt sich hieraus, daß die Zahl der unehelichen Kinder hier verhältnißmäßig so gering ist, wie sie kaum irgendwo anders gefunden wird (in Preußen betrug sie in den Jahren 1844–53 7,33% und 7,11% wenn man die Todtgeborenen abrechnet), und daß sich unter den Todtgebornen hier nicht, wie dies fast überall die Regel ist, verhältnißmäßig mehr uneheliche Kinder befinden, als unter den Lebendgebornen. Freilich ist die Zahl der beobachteten Todtgebornen noch zu geringe, um eine constante Regel ergeben zu können.

Unter sämmtlichen Gebornen waren 4,85% Todtgeborne (in Preußen in den Jahren 1844–53 nur 3,90%). Vergleicht man die Städte mit dem Lande, so ergiebt sich, daß sich von 1857–61 in den Städten unter 1926 Gebornen 96, auf dem Lande unter 8004 Gebornen 389 Todtgeborne befanden. Der Prozentsatz der letzteren im Verhältniß zu sämmtlichen Gebornen beträgt also in den Städten 4,98% und auf dem Lande 4,81%. Unter den Todtgebornen überwiegen stets die Knaben. Hier war das Verhältniß der Knaben zu den Mädchen 118,9 : 100 (in Preußen von 1837–46 134,5 : 100).

Nachstehend folgt die Übersicht der in den letzten 3 Jahren vorgefallenen Zwillingsgeburten

Jahr Wo beide Kinder
Knaben waren
Wo beide Kinder
Mädchen waren
Wo die Kinder
verschiedenen
Geschlechts waren
Summa
1859 5 12 10 27
1860 7 7 6 20
1861 10 6 5 21
1859–61 22 25 21 68

Drillings- und andere Mehrgeburten sind nicht vorgekommen. Unter sämmtlichen Geburten (Entbindungen) betrug die Anzahl der Mehrgeburten 1,13% (in Preußen während 23 Jahre 1,14%). –

Die folgende Zusammenstellung zeigt die Zahl der Getrauten in den Jahren 1859–61.

Getraute 1859 1860 1861 Sa.
Männer von unter
bis mit 45 Jahren
mit Frauen
von unter bis mit 30 Jahren 289 290 291 870
von über 30 bis mit 45 Jahren 93 4 74 261
von über 45 Jahren 4 9 4 17
Männer von über
45 bis mit 60
Jahren mit Frauen
von unter bis mit 30 Jahren 6 4 2 12
von über 30 bis mit 45 Jahren 19 12 17 48
von über 45 Jahren 7 8 8 23
Männer von
über 60 Jahren
mit Frauen
von unter bis mit 30 Jahren 1 1
von über 30 bis mit 45 Jahren 1 1 2
von über 45 Jahren 2 2 1 5
Anzahl aller getrauten Ehepaare 421 420 398 1239
| Es war hiernach im Mittel der drei Jahre 1853–61 das Verhältniß der Trauungen zur Bevölkerung wie 1 : 141,48. In Preußen betrug das Verhältniß in den Jahren 1844–53 1 : 115,01. Sind diese Zahlen einigermaßen constant, so werden demnach in Preußen im Vergleich mit der Bevölkerung ungefahr 23% mehr Ehen geschlossen, als im Kreise Moers. Die Ursache dieser bedeutenden Verschiedenheit liegt unverkennbar in der zahlreichen Auswanderung von Personen beiderlei Geschlechts, welche sich im heirathsfähigen Alter befinden, und in dem oben schon erwähnten bäuerlichen Erbfolgesystem. Übrigens ist der Unterschied der Heirathsfrequenz in Preußen und im Kreise Moers (ca. 23%) weit größer, als der Unterschied des Procentsatzes der Verheiratheten unter der Bevölkerung (ca. 4%; siehe oben unter Abschnitt IV bei der Erwähnung des Familienstandes.) Streng genommen ist zwar der Zeitraum von 3 Jahren zu kurz, um aus den Ergebnissen desselben für einen kleinen Bezirk statistische Regeln herzuleiten; auch können verschiedene Heirathsfrequenzen, welche unter Zugrundelegung verschiedener Zeiträume ermittelt sind, wenn es auf große Genauigkeit ankommt, nicht wohl untereinander verglichen werden: nichtsdestoweniger gestatten die mitgetheilten Prozentsätze den Schluß, daß der Abzug aus dem Kreise etwa in den letzten 20 Jahren constant zugenommen hat, indem dieselben sonst nicht in diesem Maaße differiren könnten. – Da wir nur die Bevölkerungslisten bis rückwärts 1857 besitzen, so können wir die Zahl der Trauungen aus 1859–61 nicht mit derjenigen aus früheren Jahren vergleichen. Wir müssen uns demnach mit der Angabe begnügen, daß im Jahre 1858 471 Paare getraut worden sind, also erheblich mehr, als in den Jahren 1859–61. Vielleicht möchte sich demnach die Heirathsfrequenz, wenn man längere Zeiträume vergleichen könnte, etwas höher herausstellen, als eben angegeben worden.

Nach den Confessionen gesondert wurden Ehen geschlossen:

im Jahre   von Katholiken   von Evangelischen   von Juden
1859 216 203 2
1860 214 204 2
1861 206 188 4
1859–61 636 595 8

Hiernach beträgt die Heirathsfrequenz bei den Katholiken 1 : 148,10, und bei den Evangelischen 1 : 132,14. Auch hier spricht sich der schon mehrfach hervorgehobene Unterschied zwischen dem nördlichen und dem südlichen Kreistheile deutlich aus.

Nachstehend folgt die Übersicht der in den letzten drei Jahren geschlossenen gemischten Ehen. Dieselben sind oben theils den katholischen, theils den evangelischen Ehen zugerechnet worden, je nachdem die Trauung durch einen katholischen oder einen evangelischen Geistlichen vollzogen worden war.

Zahl der geschlossenen gemischten Ehen wo der Bräutigam
Jahrgang evangelisch war katholisch war Summa
1859 5 2 7
1860 4 8 12  
1861 4 3 7
1859–61 13   13   26  
Zur Ermittelung der sogenannten relativen Heirathsfrequenz, d. h. des Verhältnisses der neu geschlossenen zu den durch Tod oder Scheidung aufgelösten Ehen, entbehrt das vorhandene Material der nöthigen Vollständigkeit und Zuverlässigkeit. Da Scheidungen nicht vorgekommen sind, so käme es blos darauf an, die Zahl der durch den Tod aufgelösten Ehen zu kennen. Allein wir wissen nur aus dem Jahre 1861, wieviel Verheirathete gestorben und also wieviel Ehen gelöst worden sind; die Bevölkerungslisten von 1859 und 60 enthalten hierüber nichts. Wenn man nun wüßte, wieviel Ehen bei den Zählungen von 1858 und 62 vorhanden gewesen wären, so könnte man durch Vergleichung mit der Zahl der von 1859–61 geschlossenen Ehen die Zahl der gelösten Ehen wenigstens annähernd bestimmen. Allein in unseren statistischen Tabellen ist nur die Zahl der Verheiratheten, nicht aber diejenige der vorhandenen Ehen angegeben. In Folge der oben mitgetheilten Bestimmung der Zählungsinstruction, wonach solche Personen, welche auswärts in Arbeit stehen und schlafen, obwohl sie hier mit ihrer Familie wohnen, hier nicht gezählt werden, kann es kommen, daß die Zahl der Ehen von der Hälfte derjenigen der gezählten Verheiratheten weit abweicht. Am 3. Dezember 1861 wurden als in der Ehe lebend gezählt 9325 Männer und 9357 Weiber; am 3. Dezember 1857 dagegen 9462 Männer und 9604 Weiber. Sieht man von der unbekannten, aber jedenfalls geringen Zahl derjenigen hier in Arbeit stehenden| und hier schlafenden Weiber, welche außerhalb des Kreises verheirathet sind, ab, so wären, die Richtigkeit der Angaben vorausgesetzt, im Jahre 1858 mindestens 9604, und im Jahre 1861 mindestens 9357 Ehen vorhanden gewesen, also in dem letzteren Jahre weniger etwa 247. Da nun in den Jahren 1859–61 1239 Ehen geschlossen wurden, so wären in derselben Zeit etwa 1486 Ehen durch den Tod gelöst worden, also ungefähr 20% Ehen mehr gelöst, als geschlossen. Da dies nicht recht glaubhaft und da es überhaupt unwahrscheinlich ist, daß 1861 weniger Ehen vorhanden gewesen seien, als 1858, so halten wir die mitgetheilten Zahlen aus 1858 im Vergleich zu den sorgfältiger ermittelten Zahlen aus 1861 für sehr unsicher, zumal 1858 nicht wie 1861 auf die Zahlen der Unverheiratheten, Verwittweten und Geschiedenen, welche als Controlle für die Zahl der Verheiratheten hätten dienen können, verlangt wurden. In Zukunft wird man für die durch den Tod aufgelösten Ehen bessere Daten haben, da, wie schon bemerkt, seit 1861 die Gestorbenen nach dem Familienstande gesondert registrirt werden.

Wieviel Ehen unter der Gesammtzahl von bereits verheirathet gewesenen und wie viele von Junggesellen und Mädchen geschlossen wurden, läßt sich bei der gegenwärtigen Einrichtung unserer Tabellen nicht angeben.

Auch über das Alter der Heirathenden bieten dieselben nur Ungenügendes dar. Soviel indessen ergiebt sich, daß in den letzten drei Jahren ungefähr 93% aller Ehen von Männern bis zu 45 Jahren überhaupt, und etwa 70% von Männern bis zu 45 Jahren mit Frauen bis zu 30 Jahren eingegangen worden sind.

Nach den Confessionen gesondert heiratheten:

Katholiken   Evangelische
Männer bis 45 Jahre alt überhaupt 591 550
"
"
"
"
mit Frauen bis 30 Jahre alt   432 435

Vergleicht man hiermit die Gesammtzahl aller katholischen und evangelischen Trauungen, so ergiebt sich, daß unter beiden Confessionen etwa 93% aller Ehen von Männern bis zu 45 Jahren überhaupt, dagegen bei den Katholiken 68% und bei den Evangelischen 73% aller Ehen von Männern bis zu 45 Jahren mit Frauen bis zu 30 Jahren geschlossen wurden. Es folgt hieraus, daß die Zahl der – wenn man sie so nennen darf – rechtzeitigen Ehen bei den Evangelischen mit der Gesammtzahl der Ehen verglichen größer ist, als bei den Katholiken; daß dies jedoch lediglich daher rührt, daß bei diesen mehr Frauen ihre Verheirathung über das 30ste Lebensjahr hinaus verschoben haben, als bei jenen. Ob diese Erscheinung eine constante ist, muß, da die beobachteten Zahlen noch zu klein sind, dahingestellt bleiben. Jedenfalls wäre es voreilig, hier wieder an einen Gegensatz zwischen beiden Kreistheilen zu denken; denn, wenn es gleich erfahrungsmäßig feststeht, daß in ganz oder theilweise industriellen Bezirken mehr frühzeitige Ehen geschlossen werden, als in lediglich Ackerbau treibenden, so kann doch dieser Gegensatz bei unserer Classificirung der Ehen, welche bei Männern vor dem 45. und bei Weibern vor dem 30. Jahre keine Altersklassen unterscheidet, nicht hervortreten. Es ist wahrscheinlich, daß im Canton Moers früher geheirathet wird, als in den beiden anderen Cantonen; beweisen läßt sich dies indessen bei der Mangelhaftigkeit des uns zu Gebote stehenden Materials nicht.

Dividirt man die durchschnittliche Zahl der jährlichen Trauungen (413) in die Zahl der vorhandenen Ehen (etwa 9357), so ergiebt sich unter der Voraussetzung, daß die Zahl der Trauungen sowohl, als die Vitalität der Bewohner des Kreises seit längerer Zeit unverändert geblieben ist, die mittlere Dauer der Ehen in Jahren. Die Richtigkeit der letzteren Voraussetzung lassen wir dahingestellt; die erstere trifft jedenfalls nicht zu, weil die Zahl der Trauungen mit dem Anwachsen der Bevölkerung unzweifelhaft zugenommen hat. Der sich herausstellende Quotient (22,6) wird demnach die mittlere Dauer der Ehen etwas zu gering angeben. In Preußen beläuft sich die ebenso berechnete mittlere Dauer der Ehen auf 18,9 Jahre, in Belgien dagegen, welchem der Kreis Moers auch bezüglich der Heirathsfrequenz (sie beträgt daselbst 1 : 145,11) nahe kommt, auf 22,1 Jahre.

Um die mittlere Fruchtbarkeit der Ehen zu ermitteln, pflegt man die Zahl der im Durchschnitt jährlich Getrauten (413) in die Durchschnittszahl der Geborenen (2015) zu dividiren. Hiernach wurden in jeder Ehe durchschnittlich 4,9 Kinder erzeugt. Daß dies Resultat ein sehr unzuverlässiges ist, liegt auf der Hand. In Preußen kommen nach derselben Methode berechnet 4,4 Kinder auf die Ehe.

Ehescheidungen sind im Laufe der drei letzten Jahre nicht bekannt geworden. Tatsächlich getrennte Ehen und Concubinate sind glücklicherweise sehr selten.


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