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Der Procentsatz der durch Unglücksfälle Gestorbenen (1,07) ist ein mäßiger: er würde noch erheblich geringer sein, wenn nicht der den Kreis seiner ganzen Länge nach begränzende Rhein jährlich mehrere Opfer forderte. Im Übrigen gibt die vorherrschende Beschäftigung der Eingesessenen – der Ackerbau – keinen Anlaß, zu häufigen Unglücksfällen, zumal auch bei der ebenen Lage und guten Beschaffenheit der meisten Wege das Umwerfen von Fuhrwerken seltener, als in Gebirgsgegenden vorkommt. – Von Lebensrettungen ist in den Jahren 1859–61 nur eine bekannt geworden. Eine Frau in Rheinberg rettete einen Knaben, welcher in den Canal gefallen war. Es wurde ihr eine Prämie zuerkannt.


VIII. Wohnplätze.

Wenn die statistische Zusammenfassung der Zustände unseres Kreises im Allgemeinen nicht mit Schwierigkeiten verknüpft ist, so macht die Statistik der Wohnplätze hiervon eine Ausnahme. Könnte man sich den Kreis aus der Vogelperspective ansehen, so würde es scheinen, als ob die menschlichen Wohnungen gleichsam regellos und ohne irgend ein Princip über denselben ausgeschüttet seien. Neben 4 Städten und 3 Flecken erscheinen hier die mannigfaltigsten Formen ländlicher Ansiedelung. Die Dörfer sind von verschiedenster Größe und theils nahe zusammen, theils mehr oder weniger weit auseinander gebaut; bald haben sie eine ziemlich geschlossene Lage, bald erstrecken sie sich in langen Linien, bald ist eine Regelmäßigkeit des Baues gar nicht erkennbar. Die zahlreichen Weiler sind von gleich verschiedener Beschaffenheit. Neben den Dörfern und Weilern sieht man eine Menge einzelner Gehöfte, welche hier und da, wo sie sich einander nähern, regellose Gruppen bilden. Trotz dieser anscheinenden Willkühr ist ein Prinzip der Ansiedelung bei näherem Zusehen nicht zu verkennen. Wenn man nämlich die Städte und die stadtähnlichen Flecken außer Acht läßt, so kann man sagen, daß die Tendenz vorwaltet, sich im Freien, abgesondert von anderen menschlichen Wohnungen, anzubauen und daß, wo dies nicht geschehen ist, in der Regel besondere Gründe für das Gegentheil vorhanden waren. Ob die von Karl dem Großen auf die linke Rheinseite versetzten Sachsen, denen man im Gegensatz zu den in geschlossenen Dörfern wohnenden Franken das Wohnen auf einzelnen Gehöften zuschreibt, diese Sitte hierher verpflanzt haben, lassen wir dahingestellt.

Die Gründe, welche zu einem dorfartigen Zusammenwohnen veranlassen konnten, sind freilich mannichfaltiger Art. Vor allem fällt hier die Anziehungskraft der Kirchen in die Augen. Bei der Kirche wohnt jedesmal der Pfarrer, der Küster und der Lehrer; mit der Zeit finden sich Krämer, Handwerker, Schenkwirthe, zuweilen auch je nach der Lage des Ortes größere Kaufleute und andere Gewerbetreibende ein; oft auch liegen einige Ackerhöfe in der Nähe. Diesen Charakter haben namentlich die Dörfer Capellen, Neukirchen, Vluyn, Schaephuysen, Rheurdt, Repelen, Camp und Hörstgen. Hiervon verschieden sind diejenigen Dörfer, welche ihr Entstehen der natürlichen Lage des Terrains verdanken. In dem Überschwemmungsgebiet des Rheines sind nämlich auch die eigentlichen Äckerhöfe in mehr geschlossene Dörfer und Weiler zusammengerückt: unzweifelhaft hat hier die gemeinsame Gefahr und die Unentbehrlichkeit der nachbarlichen Hülfe bei Überschwemmungen den Vereinzelungstrieb überwunden. Oft hat man für diese Ortschaften die verhältnißmäßig höchsten Punkte ausgesucht, um sich ganz oder theilweise vor Überschwemmungen zu sichern (hierher gehören die Dörfer Hohenbudberg, Rumeln, Bergheim, Oestrum, Baerl, Budberg, Essenberg); andere Dörfer und Weiler liegen in der Nähe der Deiche, deren Vertheidigung hierdurch erleichtert wird, nicht selten in langen Linien längs derselben hingestreckt (Friemersheim, Werthausen, Binsheim, Werrich, Beek, Lüttingen, Obermörmter), andere endlich liegen ohne solchen Anhalt mitten im Überschwemmungsgebiet (Eversael, Wallach, Menzelen, Wardt, Vynen etc.) Auch in dem von den Rheinfluthen unberührten Binnenlande ist die natürliche Lage von vorwiegendem Einfluß auf die Art der Ansiedelung. So berührt z. B. die Straße, welche von Tönisberg über Schaephuysen und Rheurdt bis zur Kreisgränze die südlich gelegene Hügelreihe von dem nördlich gelegenen Bruchlande scheidet, eine fast ununterbrochene Reihe von Gehöften. In mehreren Theilen des Kreises, z. B. in der an schädlicher Nässe vielfach leidenden Gemeinde Veen läßt sich noch erkennen, daß man zu Niederlassungen die verhältnißmäßig trockensten Stellen ausgesucht hat. Das Dorf Veen liegt auf einem aus dem umliegenden Tieflande um ein Geringes sich erhebenden Rücken. Andere Dörfer und Weiler z. B. Asberg, Hochstraß, Bornheim, Millingen, Drüpt verdanken ihr Entstehen der durch sie führenden alten Römerstraße.