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VII. Gesundheits- und Sterblichkeits-Verhältnisse.


Es starben
   im Jahre   überhaupt   ohne Einrechnung der Todtgebornen
1859 1164 1088 Menschen
1860 1292[ER 1] 1203      "
1861 1388 1288      "
1859–61 3844 3579      "

Nimmt man als die jährliche Durchschnittszahl der in dieser Zeit lebenden Personen das arithmetische Mittel der Zählungsresultate vom Schlusse des Jahres 1858 und 1861 an (58431), so verhielten sich die in einem Jahre Gestorbenen zu den gleichzeitig Lebenden wie 1 : 45,61, und wenn man die Todtgebornen außer Acht läßt, wie 1 : 48,98, oder mit anderen Worten: unter je 45,61 resp. 48,98 Personen starb jährlich eine. In Preußen war die Sterblichkeitsziffer in den Jahren 1844–53 (die Todtgebornen eingerechnet) 33,85. Wenn man einzelne Jahre oder kürzere Zeiträume in kleinen Bezirken miteinander vergleicht, so pflegt die Sterblichkeitsziffer sehr zu schwanken: die Preise der Lebensmittel, Epidemien, Witterungsverhältnisse üben hier einen großen Einfluß aus. Man muß daher aus der eben mitgetheilten hohen Sterblichkeitsziffer (sie wird kaum in irgend einem Staate übertroffen) oder anders ausgedrückt, aus dem geringen Sterblichkeitsverhältniß nicht allzu günstige Folgerungen ziehen wollen. Sollte dasselbe aber auch dem wirklichen Mittel aus einer längeren Zeitperiode sich nähern, so würde man sich doch zuvörderst fragen müssen, was es eigentlich besagt. Es gilt unter den Statistikern für ausgemacht, daß dem Absterben der Menschen ein Gesetz, welches sich nach dem Lebensalter richtet, zu Grunde liegt. Wenn man nämlich beobachtet, wie viele Personen unter einer großen Anzahl Gleichaltriger im Laufe eines Lebensjahres sterben, so findet man bei wiederholten Beobachtungen einer großen Zahl von Personen aus demselben Lebensalter annähernd das gleiche Verhältniß der Zahl der Gestorbenen zur Zahl der Lebenden. Dieses Verhältniß ändert sich, je nachdem das Alter der beobachteten Personen ein anderes ist. Die Sterblichkeitsziffer eines Staates oder eines Bezirkes ist demnach wesentlich davon abhängig, wie viele in jedem Lebensjahre stehende Personen vorhanden waren. Für die Zahl der Personen in jeder Altersklasse sind aber wieder mehrere andere Umstände bestimmend. Die Zahl der im Kreise vorhandenen Fünfzigjährigen hängt z. B. davon ab, wie viele Kinder vor 50 Jahren geboren worden, wie viele dieser Geborenen inzwischen gestorben oder ausgewandert, und wie viele jetzt Fünfzigjährige in den letzten fünfzig Jahren eingewandert sind. Indem also die Sterblichkeitsziffer wesentlich von der Zusammensetzung der Bevölkerung nach den verschiedenen Altersklassen bestimmt wird, ist sie das Produkt complicirter bis etwa ein Jahrhundert zurückgehender Verhältnisse. Unter diesen ist freilich von dem größten Einflusse die Zahl der in den letzten Jahren Geborenen, indem die bedeutende Kindersterblichkeit den Divisor in weit größerem Verhältnisse erhöht, als den Dividendus. Hat man nun eine bestimmte Sterblichkeitsziffer vor sich, so ist es nicht leicht, aus derselben herauszulesen, in wie weit die Höhe derselben auf Rechnung der vielleicht nicht ganz normalen Zusammensetzung der Bevölkerung nach den verschiedenen Altersklassen, und in wie weit sie auf Rechnung der Mortalität des beobachteten Zeitraumes zu stellen ist. Denn es ist offenbar etwas ganz anderes, wenn jene Ziffer dadurch erniedrigt wird, daß in den letzten Jahren verhältnißmäßig viele Kinder geboren wurden und also auch viele Kinder starben, als dadurch, daß viele Personen im productiven Alter starben. Was nun aber die Mortalität des beobachteten Zeitraumes betrifft, so ist es wiederum schwierig, zu unterscheiden, wie viel davon den allgemeinen günstigen oder ungünstigen Lebensverhältnissen der Bevölkerung, und wieviel den besonderen günstigen oder ungünstigen Zeitverhältnissen zuzuschreiben ist. Das erstere ist aber eigentlich dasjenige, was man wissen will, und doch ist es nur einer der vielen Faktoren des Sterblichkeitsverhältnisses. Immerhin mögen wir uns freuen, daß dasselbe in den letzten drei Jahren ein so günstiges gewesen ist, und zwar ungeachtet der Abwesenheit vieler Personen derjenigen Altersklassen, deren Mortalität geringer ist, als die durchschnittliche; dabei möge aber auch bedacht werden, daß die Altersklassen von 60–80 Jahren mit sehr hoher Mortalität in Folge der napoleonischen Kriege nicht stark besetzt sind, und daß das Geburtenverhältniß ein ziemlich geringes ist.

Errata

  1. Statt 1192 lies 1292. Siehe Seite 156.