Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/48

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn

sind nicht die beiden Denksäulen[1] der allgemeinen[2] zehn Gesetze, die die Schrift „Tafeln“ nennt, den Teilen der Seele, dem vernünftigen und dem unvernünftigen, die erzogen, und unterrichtet[3] werden müssen, gleich an Zahl, ebenfalls geteilt von dem Gesetzgeber allein? „Denn die Tafeln waren ein Werk Gottes und die Schrift eine Schrift Gottes, eingegraben[4] in die Tafeln“ (2 Mos. 32, 16). 168 Auch sind die auf ihnen befindlichen zehn Worte, die in Wahrheit göttliche Gesetze sind, in gleiche Teile zu je fünf geteilt, von denen der erste die Pflichten gegen Gott, der andere die gegen die Menschen enthält. 169 Von den auf Gott bezüglichen Geboten tritt das erste (1 Mos. 20, 3)[5] dem Glauben an Vielgötterei entgegen und lehrt, daß die Welt nur einen Herrscher hat. Das zweite Gotteswort verbietet, diejenigen Wesen, die nicht bewirkende Ursachen sind,[6] als Götter darzustellen durch die hinterlistigen Künste der Maler und Bildhauer, Künste, die Moses aus seinem Staate ausgewiesen und zu ewiger Verbannung verurteilt hat,[7] damit der einzige und [p. 497 M.] wahre Gott verehrt werde. 170 Das dritte betrifft den Namen des Herrn, [aber nicht denjenigen], der nicht an das Geschöpf gelangte – denn unaussprechlich ist das Seiende[8] – sondern den seinen Kräften[9] beigelegten; diesen nämlich, so wird erklärt, soll man nicht zum Falschen aussprechen. Das vierte betrifft die stets jungfräuliche und mutterlose Siebenzahl, damit das Geschöpf, sich der Sabbathruhe hingebend, des unsichtbar alles Schaffenden gedenke. 171 Das

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/48&oldid=- (Version vom 4.8.2020)
  1. Säulen nennt Philo die Tafeln nach der griech. Gewohnheit, Gesetze auf Säulen aufzuzeichnen.
  2. Allgemeine Gesetze enthält der Dekalog, da sie die Grundlage bilden zu den übrigen, den sogenannten besonderen (τῶν ἐν εἴδει) oder Einzelgesetzen (τῶν ἐν μέρει). Vgl. Über d. Dekalog § 175.
  3. Die Doppelheit der Tafeln erklärt Philo mit der Doppelheit der Seele im Hinblick auf die von Posidonius im Anschluß an Plato vertretene Lehre, daß Vernünftiges und Unvernünftiges auf verschiedene Art erzieherisch zu beeinflussen ist (Galen Plac. Hipp. 472f.). I. H.
  4. Philo verwendet den (nicht wiederzugebenden) Anklang von κεκολαμμένη = eingegraben an κολάζειν züchtigen (§ 166) . I. H.
  5. Siehe Bd. II S. 8 Anm. 1 dieses Übers.-Werkes.
  6. Vgl. Über die Einzelges. I § 13ff.
  7. Vgl. Über die Riesen § 59; Über d. Trunkenheit § 109; Über die Einzelges. I § 28ff.
  8. Siehe Einleitung zum 1. Band S. 15, Leben Moses II, 114, Leg. ad Gaium § 6. Festschrift Cohen S. 309.
  9. Vgl. Über die Einzelges. I § 45, Über die Unveränderl. Gottes § 109 u. Anm. – Zur Siebenzahl vgl. § 216 und Über die Weltschöpfung § 100.