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Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang

insofern, als sie nicht wert ist, gezählt zu werden. „Denn der-gleichen“, heißt es, „hat weder Vernunft noch Zahl“.[1] [20] 91 Oft aber treffen wir auf Dinge, die wir vorher nicht einmal im Traume sahen, so wie man erzählt, daß ein Bauer, der ein Stück Land umgrub, um einige Edelbäume darauf zu pflanzen, auf einen Schatz stieß und unerhofftes Glück gewann. 92 So antwortet der Asket,[2] als ihn sein Vater[3] nach (der Herkunft) seiner Erkenntnis folgendermaßen fragt: „Was ist das, was du so bald fandest, mein Sohn?“ und spricht: „Was mir gegeben hat der Herr Gott“ (1 Mos. 27, 20); denn wenn Gott die Lehren der ewigen Weisheit ohne Anstrengung und Mühe verleiht, finden wir in ihnen plötzlich, ohne es zu erwarten, einen Schatz vollkommenen Glückes. 93 Oft aber kommt es vor, daß die, die mühselig suchen, das Gesuchte verfehlen, daß die aber, die sorglos (suchen), leicht auch das finden, woran sie nicht dachten. Denn die zu träge und langsam in ihrem Leben sind, verwenden ebenso wie die an den Augen Erblindeten vergebliche Mühe auf das Betrachten irgendeines der Gegenstände der Erkenntnis; die aber eine glückliche Naturanlage besitzen, treffen ohne Suchen auf tausenderlei mit treffsicherem und zielbewußtem Zugriff, so daß es scheint, als ob sie selbst sich gar keine Mühe gäben, auf die Dinge zu treffen, sondern jene ihnen instinktiv zuvorkämen, danach drängten, in ihren Gesichtskreis zu kommen und die deutlichste Wahrnehmung ihrerseits veranlaßten. [21] 94 Ihnen, sagt der Gesetzgeber, werden gegeben „große und schöne Städte, die sie nicht erbauten, Häuser voll von Gütern, die sie nicht gefüllt haben, ausgehauene Brunnen, [287 M.] die sie nicht ausgehauen haben, Weinberge und Ölberge, die sie nicht gepflanzt haben“ (5 Mos. 6, 10. 11).[4] 95 Als Städte und als Häuser bezeichnet er sinnbildlich


  1. Ein Ausspruch, der sich bei Theokrit Id. XIV 48 findet:

    Ἄμμες δ' οὔτε λόγῳ τινὸς ἄξιοι, οὔτ' ἀριθματοί,
    Δύστανοι Μεγαρῆτες, ἀτιμοτάτῃ ἑνὶ μοίρᾳ,

    und der nach dem Scholion zu diesen Versen (Scholia in Theocr. rec. C. Wendel p. 302 ad XIV 48, 49) auf einen Orakelspruch zurückgeht, den die Megarer erhielten, als sie den Gott fragten, wer tüchtiger als sie sei, und in dem es am Schluß heißt:

    ὑμεῖς δ', ὦ Μεγαρεῖς, οὔτε τρίτοι οὔτε τέταρτοι
    οὔτε δυωδέκατοι, οὔτ' ἐν λόγῳ οὔτ' ἐν ἀριθμῷ.

  2. Ὁ ἀσκητής, ständiger Beiname des Jakob bei Philo.
  3. Isaak. Vgl. Philos Auslegung dieser Stelle Über die Geburt Abels § 64. Über die Trunkenheit § 119f. De fuga et invent. § 169.
  4. Eine ähnliche Interpretation dieser Bibelstelle gibt Philo De fuga et inv. § 175ff.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/22&oldid=- (Version vom 10.2.2022)