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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


100 Tonnen und einen Tiefgang von 5½ Fuß besitzt, bei der Probefahrt 9 Seemeilen in der Stunde zurückgelegt, soll aber eine Maximal-Geschwindigkeit von 10 Knoten erreichen, wenn es erst vollkommen seetüchtig sein wird.

Einen vorzüglichen Vortheil bietet noch die mittelst desselben hydromotorischen Apparates vorliegende Möglichkeit, das Schiff schnell zum Stehen zu bringen, es rechts und links wenden zu lassen, kurz mit Leichtigkeit jedes Manöver ausführen zu können, je nachdem man das Wasser nach hinten oder vorn, nach rechts oder links austreten läßt. Schon vor fünf Jahren wurde dieses Auskunftsmittel von dem französischen Schiffslieutenant Boucher vorgeschlagen, um den schweren Panzerschiffen der Neuzeit die für den Seekrieg erforderliche Beweglichkeit zu geben. Man denke sich zwei einander entsprechende Röhren, von denen die eine am Backbord, die andere am Steuerbord, natürlich beide unterhalb des Wassers, mündet! Das mittelst einer Dampfpumpe (Rotationspumpe) eingesogene Meerwasser kann je nach der auszuführenden Schwenkung aus der einen oder der anderen Röhre mit Heftigkeit ausgestoßen werden, wodurch sofort eine Bewegung des Kolosses nach der entgegengesetzten Richtung erfolgt. Die Leitung des von der Dampfmaschine getriebenen Pumpenstrahls kann eine einzige Person besorgen.




Die trauernde Kriegerwittwe. (Zu unserem Bilde S. 761). Wie viel Elend und Jammer hat der Künstler in dem engen Rahmen unseres Bildes zusammengefaßt, und mit welcher Lebenswahrheit spricht zu uns das Kind seiner schaffenden Phantasie, diese vom Schmerz gebeugte, von tiefster Herzenstrauer zerknirschte junge Kriegerwittwe!

Es ist eine ganze, lange leidensvolle Geschichte, die uns das Bild erzählt, die alte ewig neue Geschichte von dem Weh des männermordenden Krieges. Wohl hat sie schon viel gelitten, die schöne bleiche Frau da vor uns. Es war eine lange Kette von Bangen und Weh: da kam zuerst aus Bosnien die Nachricht von der siegreichen blutigen Schlacht, in welcher sein Regiment Heldenthaten verrichtete – und mit ihr kam über sie eine dunkle fürchterliche Ahnung; – dann die Verlustlisten der kaiserlich-königlichen Armee, diese überall nur zu oft wiederkehrenden grausamen Quittungen des Vaterlandes über die hingeopferte jugendliche Kraft der Völker – und in ihnen sein Name, die Bestätigung ihres Unglückes. Schon hatte sich vielleicht der Sturm des Schmerzes in ihrer Brust gelegt und ruhiger Ergebung Platz gemacht; da brachte die Feldpost als letzten Gruß von dem Geliebten die spärliche Ausrüstung des ach! schon monatelang in fremdem Boden ruhenden Kriegers. Nun wandern sie alle in Thränen und Wehmuth durch ihre zitternden Hände, die vielgeliebten Gegenstände, an die sich so viele freundliche Erinnerungen knüpfen – seine Uhr, sein Schwert, seine Bücher und hier seine Briefmappe; sie öffnet – es entfaltet sich vor ihren Augen ihr eigener Brief, der erste, in dem sie in schüchterner Mädchenhaftigkeit ihm von ihrer Liebe sprach, und nun fällt aus ihm heraus das am friedlichen, sonnigen Abend in seiner Begleitung so emsig gesuchte und endlich gefundene Kleeblatt, das ihnen Beiden eine Zukunft des Glückes versprach. Wie zauberhaft glänzend ersteht plötzlich vor ihren Augen das Bild der dahingeträumten glücklichen Tage! Wie unendlich grausam erscheint die düstere, einsame Gegenwart! Noch einmal öffnen sich die Wunden des schwer getroffenen Herzens und bluten auf's Neue – da bricht sie in stummer Verzweiflung zusammen. Draußen aber geht die alte Welt ihren alten Gang. Die Geschicke der Völker nehmen in Schlachten und Stürmen ihren ewig unergründlichen Weg. Was ist ihnen Leid und Weh des Einzelnen?




Die Pfennigsparcassen. Schon einmal haben wir in der „Gartenlaube“ (Jahrgang 1879, Nr. 2, S. 40) hervorgehoben, wie nothwendig es ist, auch den unbemittelten Volksclassen das Sparen zu erleichtern; wir wiesen damals auf die Zweckdienlichkeit der Postsparcassen und der englischen Pennybanken empfehlend hin. Die gewöhnlichen in Deutschland sehr verbreiteten Sparcassen haben nämlich, wie bekannt, als Minimalsatz eine Einlage von 1 Mark festgesetzt; der Arbeiter kann aber bei seinen geringen Einnahmen das Sparen nicht mit Mark, sondern muß es mit Pfennigen anfangen, und da ist es eine öffentliche Pflicht, durch Einrichtung von Sparcassen für kleinste Beiträge den ersten Entschluß zum Sparen zu erleichtern.

Dieser Grundsatz ist in England bereits seit vielen Jahren in den Pennybanken praktisch durchgeführt worden. Dort werden kleine Geldbeträge von einem Penny (1 Penny = 8,5 Pfennig) ab in Empfang genommen, und die ersparte Summe, wenn sie fünf Pfund Sterling (hundert Mark) erreicht hat, wird an die eigentlichen Sparcassen abgeliefert. Nun erfahren wir mit aufrichtiger Freude, daß vor Kurzem eine ähnliche Einrichtung auch in Deutschland unter dem Namen „Pfennigsparcassen“ eingeführt wurde, und zwar in Darmstadt. Wir knüpfen an diese Nachricht die Hoffnung, daß dem Beispiele Darmstadts bald auch andere deutsche Städte folgen werden.

Die neugegründeten Pfennigsparcassen nehmen Einlagen in beliebigen von fünf zu fünf Pfennig aufsteigenden Beträgen bis zu fünfundneunzig Pfennigen an, ertheilen darüber unentgeltlich Quittungsbüchlein und schreiben die Einlagen in ein Tagebuch. Sobald die Einlage eines Pfennigsparbüchleins eine Mark erreicht, wird sie in der städtischen Sparcasse auf den Namen des Einlegers eingetragen und verzinst, worauf das Sparcassenbuch durch Vermittelung der Pfennigsparcasse dem Einleger behändigt wird. Die Rückzahlungen werden alsdann nur von der städtischen Sparcasse geleistet.

Vorläufig sind in Darmstadt an verschiedenen Punkten der Stadt elf „Pfennigsparcassen-Stationen“ errichtet worden, in welchen an jedem Sonnabend in den Abendstunden Erwachsene und Kinder ihre geringfügigsten Ersparnisse niederlegen können. Die Beamten der Pfennigsparcassen sind unbesoldet – sie bekleiden eben Ehrenämter.

Wie sehr diese Anstalt den wirklichen Bedürfnissen unserer Bevölkerung entspricht, ist auch daraus zu ersehen, daß allein an ihrem Eröffnungstage in den elf Stationen von zusammen 573 Einlegern 221 Mark 80 Pfennig eingezahlt wurden. Große Summe werden dabei freilich nicht zusammengebracht, aber schon die wenigen ersparten Groschen reichen bei plötzlich eintretender Noth gewöhnlich hin, um Arbeiterfamilien vor der Veräußerung ihrer unentbehrlichsten Habseligkeiten zu bewahren. – So möge denn zum Segen der arbeitenden Classen diese Anstalt gedeihen, die durch das Pfennigsparbüchlein an den alten Spruch erinnert:

Wer den Pfennig nicht will achten,
Wird umsonst nach Thalern trachten.




Zwei edle Todte aus der Bühnenwelt sind es, die wir heute zu betrauern haben: Emil Palleske und Friedrich Dettmer. Palleske – bei Nennung dieses Namens stehen vor unseren Lesern, ob sie im deutschen Norden oder Süden zu Hause sind, die säulengetragenen Hallen eines Concertsaales, einer Aula oder sonst eines den Musen geweiheten Raumes, wo ihnen einst die sonore Stimme des nun heimgegangenen Künstlers mit dem seltenen Reichthum ihrer Modulationen die Gestalten unserer classischen Dichter vor die Seele zauberte. Am 5. Januar 1823 zu Tempelburg in Pommern geboren, wurde Palleske nach einer längeren Bühnenlaufbahn einer unserer geistvollsten dramatischen Vorleser. Seine durch scharfe Individualisirung und überzeugende Lebenswahrheit ausgezeichnete Wiedergabe namentlich Shakespeare’scher Charaktere macht ihn – nach Türschmann – für die Gegenwart zu dem hervorragendsten Vertreter seines Faches. Auch als Schriftsteller hat Palleske sich mit Glück bethätigt; seine Dramen: „König Mammouth“, „Achilles“ und „Oliver Cromwell“ bekunden ein achtbares Talent, die werthvollste literarische Ausbeute seines Lebens dürfte aber sein mustergültiges Buch „Schiller’s Leben und Werke“ sein. – Würdig neben Emil Palleske steht Friedrich Dettmer, ein Kasselaner Kind (geboren den 25. September 1835), der geniale Nachfolger und geistige Erbe Emil Devrient’s. Gleich bedeutend in der Tragödie, wie im Schau- und Lustspiel, war er ein Liebling der Dresdener, an deren Theater er seit 1856 wirkte. Wer seinen „Hamlet“, seinen „Tell“, seinen „Egmont“, seinen „Uriel Acosta“ gesehen, wird den Lorbeer, den die „Gartenlaube“ hiermit auf das noch frische Künstlergrab niederlegt, gewiß einen gerechten nennen.




Urtheil gegen den Geheimmittelattestfabrikanten Heß – unter diesem Titel bringt das „Aerztliche Vereinsblatt für Deutschland“ in seinem Octoberhefte eine Mittheilung, die wir unter Hinweis auf unsere Aufsätze: „Ein Preßproceß der ‚Gartenlaube‘“ (Nr. 7 d. Jahrg.) und „Die Helfershelfer des Geheimmittelschwindels“ (Nr. 11 d. Jahrg.) und „Noch einmal in der Falle“ (Nr. 22 d. Jahrg.) nachstehend mittheilen:

„Der Vorsitzende des Karlsruher Ortsgesundheitsraths, Bürgermeister Schnetzler, war von dem angeblichen Chemiker Dr. Ludwig Heß in Berlin auf Grund einer vom Ortsgesundheitsrath erlassenen Bekanntmachung, worin auf die Vertrauensunwürdigkeit der von Heß ausgestellten Atteste über Geheimmittel aufmerksam gemacht, wegen Beleidigung sowie auch auf dreitausend Mark Schadenersatz verklagt worden. Das nunmehr rechtskräftige Erkenntniß des Großh. Amtsgerichts zu Karlsruhe verfügt die Abweisung des Klägers unter Verfällung desselben in die Kosten des Verfahrens. In den gerichtlichen Entscheidungsgründen ist zunächst die Wahrheit der incriminirten Behauptungen des Angeklagten festgestellt und sodann ausgeführt, daß sich die Bezeichnung des Heß als eines Helfers von Schwindlern und gewissenlosen Betrügern aus den gemachten thatsächlichen Feststellungen und aus dem Zwecke der Veröffentlichung rechtfertige. Dieser letztere, besagen die Gründe wörtlich, besteht nämlich darin, das Publicum über die Art und Weise, wie die Gutachten der Herren Werner, Müller und des Klägers zu Stande kommen, und daher auch über den Werth derselben aufzuklären, um auf diese Weise dem Geheimmittelunwesen entgegenzutreten.

Die Verfolgung dieses Zweckes ist nicht nur rechtlich erlaubt, sondern auch dem allgemeinen Interesse förderlich, daher wünschenswerth und sogar sittlich geboten. Kann aber, wie im vorliegenden Falle, ein solcher Zweck nur dadurch erreicht werden, daß die Urheber eines gemeingefährlichen Treibens – und als solches stellt sich das Geheimmittelunwesen in seinem ganzen Umfange dar – in ihrem sittlichen Unwerthe in der schonungslosesten Weise an den Pranger gestellt werden, so muß ein Verfahren, wie das vom Beschuldigten geübte, als rechtlich zulässig erscheinen, mit anderen Worten: Es existirt ein gutes Recht, einen Schwindler als einen Schwindler zu bezeichnen, wenn dies zur Verwirklichung eines gemeinnützlichen, auf andere Weise nicht erreichbaren Zweckes und zur Abschaffung eines gemeingefährlichen, vom sittlichen Standpunkt aus zu verurtheilenden Treibens nothwendig ist.“




Kleiner Briefkasten.

M. v. Th. in St. Petersburg. Nein! Der nächste Jahrgang wird mit einem äußerst wirkungsvollen Roman unserer allbeliebten E. Marlitt eröffnet werden.

G. R. in Gotha. Sie irren, Verehrtester. Die älteste unter den deutschen Revuen der Gegenwart ist die von Rudolf von Gottschall redigirte und im Verlage von F. A. Brockhaus erscheinende Monatsschrift „Unsere Zeit“. Sie finden darin unter Anderem auch die von Ihnen gesuchte zusammenhängende Darstellung der neuesten Geschichte der einzelnen Staaten sowie fein gezeichnete Charakterbilder der hervorragendsten Persönlichkeiten auf allen Gebieten des Wissens und Leistens – also gerade das, was Sie wünschen: eine erschöpfende Ergänzung der Zeitungslectüre.

M. L. in Danzig. Oft genug haben wir erklärt, daß wir die Beantwortung auf brieflichem Wege stets derjenigen an dieser Stelle vorziehen. Rücksichten der Discretion machen uns die Erledigung Ihrer Anfrage hier unmöglich. Also Ihre Adresse, wenn wir bitten dürfen!

J. M. Sehr gern.



Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 764. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_764.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)